Samstagabend haben wir in netter Runde ein paar neurere sizilianische Weine probiert, die Christoph R. zusammengestellt hat. Einige kamen von deutschen Händlern, andere von den Winzern direkt. Zwei rote Fäden zogen sich durch die Probe - zum einen das Weingut COS aus Vittoria und zum anderen die Winzervereinigung I Vigneri, die von Salvo Foti gegründet wurde und so eine Art "Dogma" Bewegung des sizilianischen Weinbaus zu sein scheint.
I Vigneri wurde bereits 1435 gegründet als
Maestranza dei Vigneri. Die Gruppe um Salvo Foti nimmt diese Tradition auf und versucht, den Weinbau in der Aetna Region mit autochtonen Rebsorten und traditionellen Anbau- und Herstellungsverfahren zu fördern.
Wir haben uns auf autochtone Rebsorten beschränkt: Nerello Mascalese, Nerello Capuccio, Frappato, Nero d'Avola in Rot und vor allem Carricante in Weiß. Christoph hatte die Weine überwiegend in 3-er Flights zusammengestellt, die schöne Vergleichsmöglichkeiten boten.
PrologLos ging es mit einem sizilianischen Schaumwein aus 100% Grillo, erzeugt in klassischer Flaschengärung und ohne Dosage. Der Wein heißt
2010 Duedei Vino Spumante Metodo Classico Pas Dosé und stammt nach meinem Verständnis von der Kooperative
La Solera Società Cooperativa, die den Wein freundlicherweise zugeschickt hatten. Richtig begeistert war ich nicht, aber der Wein war nicht verkehrt.
Flight 1: Weißwein von den Äolischen InselnDann gab es zunächst einen einzelnen Weißwein, den ersten der I Vigneri Kooperative, hier von
I Vigneri Tenuta di Castellaro der
2011 IGT Sicilia Bianco Pomice, eine Cuvée aus 60% Malvasia delle Lipari, 30% Carricante und 10% weiteren autochtonen Rebsorten. Leider hatte der Wein fiesen Kork.
Flight 2: 2011er Weißweine vom AetnaDas Aetna-Gebiet ist aktuell ziemlich angesagt, so mein Eindruck. Wir hatten folgende drei Weißweine vom Aetna im Rennen:
I Vigneri di Salvo Foti - 2011 Sicilia IGT (Etna) Vigna di Milo
I Vigneri I Custodi delle Vigne dell'Etna - 2011 Sicilia IGT (Etna) ANTE
Ciro Biondi - 2011 Sicilia IGT (Etna) ChiantaAlle drei Weine bestanden hauptsächlich aus Carricante und dazu noch aus weiteren Sorten (z.B. Grecanico, Cataratto und Minella). Ich fand alle drei Weine höchst interessant, aber unglaublich schwierig zu trinken. In der Nase war von wenig da bis karg bis reif bis weinig fast alles dabei, aber nichts, was in mir Begeisterungsstürme entfacht hätte. Am Gaumen waren die Weine besser, v.a. die beiden I Vigneris. Die viel zitierte "salzige Mineralität" kommt hier wirklich mal raus. Ich würde den Ciro Biondi und den Salvo Foti durchaus nochmal trinken, wenn nicht die beiden Weine einen Liebhaberpreis hätten (beide über 30 Euro). So gut fand ich sie dann doch nicht.
Flight 3: Frappato und Cerasuolo di VittoriaSodann ging es weiter mit Rotweinen aus der Gegend Vittoria im Süden Siziliens. Dort sind u.a. Andrea Occhipinti und das Weingut COS (das "O" steht ebenfalls für Occhipinti, hier Giusto Occhipinti) ansässig. Folgende Weine hatten wir in diesem Flight:
Arianna Occhipinti - 2011 Sicilia IGT "Il Frappato"
Az. Ag. COS - 2012 Sicilia IGT Frappato
Az. Ag. Manenti - 2011 Cerasuolo di VittoriaDer Cerasuolo di Vittoria (50% Frappato und 50% Nero d'Avola) hat mich besonders begeistert. Auch den Cerasuolo di Vittoria von COS finde ich sensationell. Wie aus der Notiz oben von m_arcon scheint auch der "SP 68" von Arianna Occhipinti sehr gut zu sein. Ich neige aktuell zu der Annahme, dass Nero d'Avola und Frappato cuvéetiert zu schönen Ergebnissen führen können. Der Manenti war einfach herrlich ausgeglichen, hatte einen tollen Trinkfluss, war eher unkompliziert, dabei aber alles andere als langweilig oder einfach. Der Frappato von COS war etwas schwierig, wahrscheinlich noch deutlich zu jung und mit seinen voll aufgedrehten floralen Noten einfach etwas anstrengend. Durchaus ähnlich, aber ganz anders in der Art war der Frappato von Arianna Occhipinti, etwas fokussierter als der COS, auch sehr eigenwillig in der Aromatik und balancierter. Die starke Lakritz- und Ledermischung, gepaart mit floralen Noten, sagte mir aromatisch aber nicht 100% zu. Insgesamt war dies ein wirklich toller Flight von Weinen, die nicht zu viel wollen, dabei aber ganz viel können.
Flight 4: Nerello Mascalese und Nerello Capuccio vom AetnaAls nächstes hatten wir zunächst drei, später vier Weine aus den autochtonen Rebsorten Nerello Mascalese und Nerello Capuccio (sowie ein paar weiteren Rebsorten), die alle aus dem Aetna Gebiet kamen. Es handelte sich um folgende Weine:
I Vigneri I Custodi delle Vigne dell'Etna - 2008 Sicilia IGT (Etna) Aetneus
I Vigneri I Custodi delle Vigne dell'Etna - 2007 Sicilia IGT (Etna) Aetneus
Az. Ag. Calcagno - 2009 Sicilia IGT (Etna) Arcuria
Ciro Biondi - 2010 Sicilia IGT (Etna) Cisterna FuoriZunächst hatten wir nur den 2008er Aetneus von I Custodi im Flight, brauchten aber irgendwann noch einen Vergleichswein. Alle drei Weine, die wir zunächst in dem Flight hatten, wirkten in der Nase unglaublich herbstlich und weit in der Entwicklung. Blind hätte ich alle drei wahrscheinlich in die 1990er gesteckt. Hinzu kam beim Ciro Biondi und beim 2008er Aetneus eine etwas unangenehme Klebstoffnote. Am Gaumen waren jedenfalls der 2008er Aetneus und vor allem der Arcuria deutlich besser, aber richtig Freude wollte nicht aufkommen. Harsches Tannin, kräftige Säure, kaum Frucht, eher ledrige Noten, etwas Alkohol: hier bedeutete Weintrinken hauptsächlich Arbeit. Vor allem den Ciro Biondi fand ich unglaublich anstrengend. Keine Ahnung, ob sich der Wein irgendwann harmonisiert, aber das 30 Euro Experiment werde ich eher nicht eingehen wollen.
Der 2007er I Custodi Aetneus, den wir dann noch zum Vergleich aufmachten, zeigte sich ganz deutlich anders: viel jünger, ohne Alterungsnoten in der Nase, sehr elegant, duftig und trotz seines hohen Alkohols (14,5 % Vol.) super harmonisch und leicht zu trinken. Woran es nun lag, dass der 2008er Aetneus und die beiden anderen Weine in ihrer Entwicklung so weit wirkten, ist mir bis heute schleierhaft. Interessant ist aber, dass die Notizen auf der Vinaturel Website von Christina Hilker zum 2008er und 2007er Aetneus in die gleiche Richtung gehen. Das scheint also kein Flaschenproblem gewesen zu sein.
Flight 5: Junger Nero d'AvolaDann hatten wir einen Flight mit drei jungen Nero d'Avola, nämlich den folgenden:
I Vigneri Savino - 2011 Sicilia IGT Nero Sicchilli
Az. Ag. COS - 2008 Sicilia IGT Contrada
Az. Ag. Gulfi - 2008 Sicilia IGT Nero San LorèDen COS Contrada 2008 hatte ich vor drei Monaten schon auf der Vinaturel Hausmesse im Glas neben dem 2007er. Der 2007er hatte mich damals deutlich mehr begeistert, war der 2008er doch hauptsächlich verschlossen. Drei Monate später zeigte er sich aber von seiner besten Seite, elegant, duftig, präzise und verführerisch. Ein toller Wein, m.E. seinen stolzen Preis auch wert. Auch der Nero d'Avola von I Vigneri Savino hat mich begeistert - der war zwar noch sehr jung und auch noch etwas sehr von der Primärfrucht geprägt, aber die Struktur und Finesse des Weins verspricht mir sehr viel für die Zukunft. Der Favorit der meisten in der Runde war der Nero d'Avola von Gulfi. Ausgerechnet der sagte mir aber am wenigsten zu. Als Solitär würde ich den Wein vielleicht anders empfinden, im Vergleich zum I Vigneri Savino und dem COS wirkte er auf mich aber sehr limitiert, nicht so klar in der Aromatik und etwas weniger fein. Aber das ist Geschmackssache.
Flight 6: Gereifter Nero d'AvolaDank Mitbringseln zweier Probenteilnehmer hatten wir dann auch noch einen Flight mit gereiften Nero d'Avola. Da es die meisten der "neuen" Erzeuger noch gar nicht so lange gibt, stehen noch gar nicht so viele gereifte Weine dieser Erzeuger zur Verfügung. Wir rekurrierten auf zwei der größeren Weingüter in Sizilien: Tasca d'Almerita und Donnafugata und probierte folgende drei Weine:
Tasca d'Almerita - 1999 Contea di Sclafani Rosso del Conte
Tasca d'Almerita - 1997 Contea di Sclafani Rosso del Conte
Donnafugata - 1995 Mille e una NotteDer Mille e una Notte wurde 1995 zum ersten Mal erzeugt und hat sich seitdem einige Bekanntheit erarbeitet. Er wird aus 100% Nero d'Avola erzeugt, während die Rosso del Conte neben Nero d'Avola noch andere Rebsorten in der Cuvée haben. In diesem Flight hatten wir leider etwas Flaschenpech. Der 1999 Rosso del Conte war ein Traum - wunderbar gereift, orientalisch würzig, sehr verführerisch, toll strukturiert, ein großer Wein. Nominell hätte der 1997er Rosso del Conte dem noch einen drauf setzen müssen, war 1997 doch in weiten Teilen Italiens ein sehr guter Jahrgang. Leider hatten wir es hier wohl mit einem Korkschleicher zu tun. Der Wein roch nicht nach TCA, aber etwas dumpf. Und im Mund wollte nichts zusammenpassen. Laut dem Spender des Weins zeigte sich der Wein in der Vergangenheit viel besser. Und am 1999er konnte man auch erkennen, wie der Wein wohl eigentlich schmecken soll. Auch beim Mille e una Notte hatten wir wohl ein Korkschleicherproblem. Der Wein war etwas besser zusammen als der 1997er Rosso del Conte. Aber die guten Ansätze mochten auch hier nicht recht durchkommen. Der Wein wirkte altersmäßig auf der Höhe, aber trotzdem irgendwie ausgezehrt und hohl. Schade, ohne Korkprobleme wäre das wohl der Flight des Abends geworden.
EpilogZum Schluss hatten wir dann noch einen Süßwein, nämlich den
Az. Ag. COS - 2011 Aestas Sicilae No. 3 Vino Dolce, einen Süßwein aus 100% Moscato. Der war vielleicht etwas eindimensional in seiner birnen- und pfirsichgeprägten Aromatik, mir hat er trotzdem sehr gut gefallen. Außerdem hatte er einen tollen Trinkfluss. Leider ist der Wein recht hochpreisig, aber mit mehr Reife müsste er eigentlich auch noch an Komplexität hinzugewinnen.
Im Fazit hatten wir Licht und Schatten dabei. Insgesamt hat sich schon ein gewisser roter Faden durch die einzelnen Flights gezogen. Es wurde klar, dass hier insgesamt versucht wird, den Charakter der Rebsorten und Böden nicht durch übermäßigen Holzeinsatz, Konzentration, o.ä. zu überdecken. Das macht die Weine alle sehr eigenständig. Insbesondere die drei Weißen fand ich unglaublich individuell. Eine andere Frage ist, ob das den eigenen Geschmack trifft. Bei den Weißen hatte ich mit meinem nordeuropäisch geprägten Gaumen meine Probleme - dieses unglaublich Karge und eigentlich rein auf die Struktur und fast schon schmerzhafte Mineralität ausgerichtete Profil fand ich schwierig. Da oute ich mich auch gerne als "Harmonietrinker". Ansonsten könnte ich mich wohl aus Sizilien am ehesten für Nero d'Avola und für Nero d'Avola/Frappato Cuvées begeistern. Bei den Nerello Mascalese Weinen - wie auch neulich bei einem 100% Nerello Mascalese von Passopisciaro (die unglaublich teuer sind) - fehlt mir etwas das Vertrauen, dass diese jung sehr schwierigen Weine wirklich gut reifen.