So 24. Sep 2017, 10:38
Wie fast jedes Jahr verbringe ich im Herbst ein paar Tage mit meiner Frau in Südtirol. Das ist von unserem Wohnort quasi "um die Ecke" und schnell zu erreichen, wenn nicht gerade auf dem Fernpass oder vor der Mautstelle Sterzing ein Megastau ist - oder, wie diesmal, an beiden Stellen...
Natürlich gibt es für uns vor Ort ausschließlich Südtiroler Wein, wobei ich allerdings nicht systematisch verkoste, dazu hat es bei mir mit Südtirolern einfach noch nie wirklich "gezündet" - ich empfinde die Weine als rebsortentypisch und generell gut gemacht, aber mehr auch nicht. Dennoch schaue ich jedesmal bei ein oder zwei KGs vorbei, und natürlich bei Tiefenbrunner, in dessen
Jausenstation man bei gutem Wetter einfach genial abhängen kann.
Mit gutem Wetter war diesmal allerdings nichts - es hat um den 10. September einen drastischen Temperatursturz gegeben, und es war durchweg deutlich zu kalt und auch ziemlich nass. Das kompensiert allerdings nur zum Teil einen Sommer, der einer der heißesten der Geschichte war, wochenlang lagen im Unterland die Temperaturen tagsüber nahe bei 40°, die Nächte waren tropisch, und trocken war es auch noch. Die Ernte ist demzufolge bereits voll am Laufen und dürfte noch im September abgeschlossen sein, die Mengen sind wetterberdingt geringer als normal, wobei es in einigen Gegenden auch noch Probleme mit heftigem Hagel gegeben hat, der die Mengen weiter reduziert hat. An mehreren Stellen hat man uns gesagt, dass man nächstes Jahr zügig ausverkauft sein wird.
Apropos ausverkauft: tatsächlich war dies das erste Jahr, in dem gerade im Prämiumsegment etliche Weine beim Erzeuger ausverkauft waren. Bei Tiefenbrunner betraf das mit Ausnahme des Gewürztraminers die gesamte Linticlarus-Serie, bei der KG Girlan war unter anderem der Vernatsch "Gschleier" vergriffen, vom dem ich sonst immer gerne ein paar Flaschen mitgenommen hatte.
Und noch etwas tut sich. Bislang hatte man in Südtirol (soweit ich den Überblick habe) noch nicht das Ultrahochpreissegment bedient; das ändert sich aber gerade. Bei Tiefenbrunner hat man oberhalb der bisherigen Premiumlinie, den Linticlarus-Weinen, eine Reihe von vier Einzellagen-Weinen unter dem Oberbegriff
"Selection Vigna" positioniert. Neben dem bekannten MT "Feldmarschall von Fenner" sind das ein Sauvignon blanc "Rachtl", ein Chardonnay "Au" und ein Cabernet Sauvignon "Toren". Den "Toren" habe ich auf der Preisliste nicht gefunden, der "Rachtl" kostet 48,50 €, der Chardonnay "Au" 58,50 € (beide jeweils in der 0,75L-Version), und der war damit der bis anhin teuerste Wein, den ich in Südtirol gesehen hatte. Dabei sollte es aber nicht bleiben...
In der KG Girlan markierte bislang der regelmäßig hoch bewertete Pinot noir Riserva "Trattmann Mazon" mit einem Preis von knapp unter 30 Euro das obere Ende der Preisskala. Jetzt gibt es aus Mazon darüber hinaus noch einen Einzellagen-Pinot, den "Vigna Ganger". Preis für ein Fläschchen: schlappe 120 €
Verkosten konnte ich von diesen "Schätzchen" allerdings keinen einzigen, denn die waren allesamt ratzfatz nach Erscheinen ausverkauft, offensichtlich zur Überraschung des Verkaufspersonals. In Girlan meinte man auf meine Nachfrage, dass in Südtirol mittlerweile jede Kellerei ein oder zwei Weine im Preisbereich von 90 bis 160 € ezeugt oder zumindest daran arbeitet. Ich kann dazu nichts sagen, die einzige KG, die ich dieses Jahr noch besucht habe, war die von Nals-Margreid, und da gab es so teure Weine (noch?) nicht.
Man wird sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Im Auge behalten muss man, ob das "Abmelken" der Trauben für die ultrateuren Weine die bisherigen Premiumlinien qualitativ nach unten zieht. Möglicherweise wird sich aber auch hier jetzt der Einzellagen-
grand cru-Gedanke flächendeckend durchsetzen, mit entsprechenden Auswirkungen auf das gesamte Preisgefüge.
Gruß
Ulli