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Maximalerträge statt Mostgewicht

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Charlie

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Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragDo 3. Mär 2011, 15:57

Wir haben nun viel über die Korrelation von Qualität und Mostgewicht im 71er Gesetzt geschimpft und jetzt muss ich feststellen, dass eine neue Kenngröße mit Qualität verbunden wird: der Ertrag. Das machen französische AP- und italienische DOC-Regeln auch.
Ich sehe aber Probleme - ein prinzipielles und ein praktisches.

Zuerst das prinzipielle: man darf Qualität (im Sinn von Güte) nicht mit Kenngrößen verbinden. Das hat man zwar schon immer getan und wird es auch weiterhin tun, bleibt dann aber bei einer schwachen, fehleranfälligen Argumentation. Allerdings kann es praktische Gründe für solche regeln geben um Exzesse zu vermeiden.

Das praktische Problem: Ertrag und Güte korrelieren gerade beim deutschen Wein im Allgemeinen nicht. Kann man bei 50 hl/ha von einer Ersten Lage noch einen richtig schlanken Wein herstellen? Die Moselwinzer fordern ja auch nur 80 hl/ha.

Gruss, Charlie
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Weinzelmännchen

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragDo 3. Mär 2011, 16:37

Hallo Charlie!

Die italienischen DOC- bzw DOCG-Regeln kennen - wie du schreibst - auch Maximalerträge. Es werden dort aber die maximalen Hektarerträge des Lesegutes und die maximale Ausbeute bei der Pressung geregelt; zB Colli Orientali del Friuli Chardonnay superiore DOC 80 Zentner Trauberertrag/ha und eine maximale Ausbeute bei der Pressung von 70%, ergibt dann 56 hl/ha.

Ich bin hier zu wenig Fachmann, um beurteilen zu können, welche Methodik der Berechnung der Erträge besser ist.

Meiner Meinung lassen aber beide Methoden die sicher qualitätsmitbestimmende Pflanzdichte außer Acht.
MvG
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Daniel
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Charlie

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragDo 3. Mär 2011, 17:13

Daniel, danke.
Erstmal wollte ich das Problem unabhängig von den technischen Fragen sehen, sonst kommt man schnell in Teufels Detailküche (Pflanzdichte, Kaskadierung der Erträge, Geometrie bei Steillagen pipapo)
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Weinzelmännchen

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragDo 3. Mär 2011, 17:24

Hallo Charlie,
ist nicht schon das Heranziehen von Hektarerträgen ein Detail im Versuch Qualitätswein an Hand messbarer Kriterien zu definieren? Ich fürchte, dass sich das Spreichwort "Der Teufel steckt im Detail" bewahrheiten wird.

Ich freue mich aber schon auf die mehr oder weinger detailversessenen Meinungen unserer Forianer.
MvG
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Daniel
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Charlie

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragDo 3. Mär 2011, 18:09

Weinzelmännchen hat geschrieben: ist nicht schon das Heranziehen von Hektarerträgen ein Detail im Versuch Qualitätswein an Hand messbarer Kriterien zu definieren? Ich fürchte, dass sich das Spreichwort "Der Teufel steckt im Detail" bewahrheiten wird.
Doch, klar. Ich wollte nur den Detaillierungsgrad definieren.
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octopussy

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragDo 3. Mär 2011, 19:00

Charlie hat geschrieben:Ich sehe aber Probleme - ein prinzipielles und ein praktisches.

Zuerst das prinzipielle: man darf Qualität (im Sinn von Güte) nicht mit Kenngrößen verbinden. Das hat man zwar schon immer getan und wird es auch weiterhin tun, bleibt dann aber bei einer schwachen, fehleranfälligen Argumentation. Allerdings kann es praktische Gründe für solche regeln geben um Exzesse zu vermeiden.

Das praktische Problem: Ertrag und Güte korrelieren gerade beim deutschen Wein im Allgemeinen nicht. Kann man bei 50 hl/ha von einer Ersten Lage noch einen richtig schlanken Wein herstellen?

Ich finde die Kenngröße eines Maximalertrages auch nicht perfekt. Ein Problem des 71er-Weingesetzes ist aber ja, dass eben auch Weine mit einem echten Massenertrag ein Prädikat bekommen, wenn sie nur das erforderliche Mostgewicht aufweisen. Wenn man denn heute überhaupt noch das Prädikat als verkaufsfördernd ansieht, kann das jedenfalls im Massengeschäft dazu führen, dass weniger Anreiz zur Geschmackssteigerung durch Ertragsreduzierung als Anreiz zur Steigerung des Mostgewichts (bei möglichst hohen Erträgen) besteht.

Ich denke übrigens schon, dass man noch einen schön schlanken Wein mit niedrigem Ertrag herstellen kann, nämlich aus alten und ertragsschwachen, dafür aber tief verwurzelten und viel Geschmack spendenden Reben.

Deshalb finde ich die Festlegung von Maximalerträgen grundsätzlich ok, wenn sie nicht zu niedrig angesetzt werden. Die 40 hl/ha Maximalertrag für die Großen Gewächse z.B. führen m.E. zum Beispiel dazu, dass durch Arbeit im Weinberg auch bei ertragsstarken Reben eher auf Konzentration als auf Leichtigkeit/Spritzigkeit hingewirkt wird. Die Möglichkeiten, auch weniger kräftige Große Gewächse zu erzeugen, sinken dadurch m.E. Aber das ist evtl. auch ok. Dadurch entsteht eine Kategorie wie der Smaragd in Österreich, bei dem man letztlich erst einmal davon ausgehen muss, dass man eben kein Leichtgewicht bekommt.
Beste Grüße, Stephan
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BuschWein

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragFr 4. Mär 2011, 13:38

Der Maximalertrag ist DIE Kenngröße für die Qualität eines Weins, natürlich kann man darüber streiten wo diese Kenngröße liegt und klar ist auch es gibt einen Grenzwert unterhalb dessen keine weitere Qualitätssteigerung mehr zwingend ist. Sprich einen Maximalertrag von z.B. 20 hl/ha zu verlangen wäre im Sinne der Qualitätsteigerung sicher nicht sinnvoll.
Ertrag und Güte korrelieren gerade beim deutschen Wein im Allgemeinen nicht


Wie kommst Du dennn auf dieses schmale Brett? Ein Grund, wenn nicht der Hauptgrund für die Qualitätssteigerung in den 90er und 2000er Jahre in Deustchland und damit für "die neue Wertigkeit" der deutschen Weine war doch die Senkung der Erträge. Wenn ich mit fast allen meinen Winzern spreche, war eine der Hauptunterschiede zum Weinbau der Eltern, die Senkung der Erträge. Von Hanspeter Ziereisen gibt es die schöne Geschichte, dass er am Anfang die grüne Lese noch im Boden vergraben hatte, dass die Mutter die abgeschnittenen Trauben nicht sieht, für die war das noch Frevel gewesen, quasi Trauben "weg zu schmeißen".
Armin
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Weinzelmännchen

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragFr 4. Mär 2011, 13:47

Hallo Armin,

danke für deine klaren Worte. Wie siehst du aus deiner professionellen Erfahrung den Faktor Pflanzdichte? Es ist doch nicht das Gleiche, ob sich auf einer Weinparzelle vier mal so viele Rebstöcke tummeln oder nicht. Mit einer lockeren Bepflanzung wird man doch spielend - ohne Rebaugen heftig zurück schneiden zu müssen - so gut wie jede Ertragsbeschränkung einhalten können?
MvG
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Daniel
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BuschWein

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragFr 4. Mär 2011, 16:11

Die Pflanzdichte läßt sich erst einmal nicht von der Erziehungsform trennen, sprich Drahtrahmen, Einzelstock oder Buscherziehung. Ist der Pflanzabstand zu groß besteht die Gefahr, dass die Rebe zu wüchsig ist, sprich mehr Kraft in das Holz, die Triebe und die Blätter geht, das wird kein Winzer anstreben. Also die Gefahr, dass man einen hohen Pflanzabstand wählt um locker immer den Hektarhöchstertrag zu unterlaufen und gleichzeitig pro Stock einen hohen Ertrag versuchen zu erreichen ist eher nicht gegeben, bzw. nicht sinnvoll. Sprich bei sehr geringer Stockdichte habe ich wenig Pflanzen UND wenig Ertrag pro Pflanze, was dann natürlich wirtschaftlich sinnlos ist.

Im Prinzip kann man in Lagen die sowieso nur per Hand bewirtschaftet werden können, z.B. Steillagen, einen niedrigeren Zeilenabstand waren und damit tendenziell die Qualität der Trauben verbessern. Wobei es einige Untersuchungen gibt, dass der Zeilenabstand nur einen relativ kleinen Einfluss auf die Qualität nimmt, aber immerhin, ein Einfluss ist im Wein messbar. Ein höherer Zeilenabstand erleichtert allerdings die Mechanisierung im Weinberg, was aus Kostengründen notwendig sein kann.

Hier gilt es also abzuwägen, brauche ich das letzte Quäntchen Qualitätspotential oder ist eine rationellere Arbeitsweise sinnvoller für den Winzer.

Meine professionelle Erfahrung beschränkt sich aber auf das Verkosten und Reden mit den Winzern, ich erzeuge weder Trauben noch Wein und will da auch gar nicht behaupten, dass ich im Bereich der Erzeugung kompetent bin.
Armin
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Charlie

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Re: Maximalerträge statt Mostgewicht

BeitragFr 4. Mär 2011, 16:56

AS Maurer hat geschrieben:Der Maximalertrag ist DIE Kenngröße für die Qualität eines Weins, natürlich kann man darüber streiten wo diese Kenngröße liegt und klar ist auch es gibt einen Grenzwert unterhalb dessen keine weitere Qualitätssteigerung mehr zwingend ist. Sprich einen Maximalertrag von z.B. 20 hl/ha zu verlangen wäre im Sinne der Qualitätsteigerung sicher nicht sinnvoll.
Ertrag und Güte korrelieren gerade beim deutschen Wein im Allgemeinen nicht


Wie kommst Du dennn auf dieses schmale Brett? Ein Grund, wenn nicht der Hauptgrund für die Qualitätssteigerung in den 90er und 2000er Jahre in Deustchland und damit für "die neue Wertigkeit" der deutschen Weine war doch die Senkung der Erträge. Wenn ich mit fast allen meinen Winzern spreche, war eine der Hauptunterschiede zum Weinbau der Eltern, die Senkung der Erträge. Von Hanspeter Ziereisen gibt es die schöne Geschichte, dass er am Anfang die grüne Lese noch im Boden vergraben hatte, dass die Mutter die abgeschnittenen Trauben nicht sieht, für die war das noch Frevel gewesen, quasi Trauben "weg zu schmeißen".
Hallo Armin,
klar, ich kenne die Geschichten und sie stimmen meist auch. Ich behaupte ja auch nicht, dass höhere Erträge bessere Weine bringen. Aber wetten so um 1968 hat man genauso über Mostgewichte gesprochen und hatte sicher auch das Argument parat, dass Mostgewicht mit Reife korreliert und Reife mit Güte? Was, wenn wir jetzt den gleichen Denkfehler machen.
Ich bin mir sicher, dass Ziereisen einen besseren Wein macht als seine Vorgänger, aber grundsätzlich ist es erstmal ein anderer Wein, kein besserer. Wenn etwa die Merkelbachs ihre Erträge reduzieren würden, hätten sie schell ein paar Fans vergrault. Gut, das ist ein Extremfall. Aber nehmen wir Weins-Prüm. Ohne Zweifel ein Qualitätsweingut. Hier würde mich sehr interessieren, ob eine Ertragsreduktion im Domprobst auf 40 oder 50 hl/ha, wie ihn der VDP will, ihm noch erlauben würde die Kabinette so zu machen wie jetzt? Wenn ja, wäre das OK und man könnte die Ertragsbegrenzungen als Mittel gegen Exzesse ansehen.

Nur am Rande und ohne Einfluss auf deine Argumente: Wenn Winzer von Ertragsreduzierungen sprechen muss man bedenken, dass sie damit auch ein Argument für höhere Preise liefern.
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