So eine Meldung ist für die Medien und die (naturgemäß in der Mehrzahl) uninformierten Leser natürlich wie ein aufgelegter Elfer ohne Tormann. Spritzen ist ja grundsätzlich böse und jemanden dafür zu strafen, dass er es nicht tut, kommt der Meldung von "Mann beißt Hund" ziemlich nahe.
Ohne die Vorgangsweise werten zu wollen (da ich die französischen Umstände nicht kenne) möchte ich ergänzend zu Ullis Beitrag auf Seite 1 dieses Threads als im entfernteren Sinn Betroffener ein paar Hintergrundinfos liefern:
Die Amerikanische Rebzikade wurde von ebendort nach Europa eingeschleppt und hat als Einwanderer relativ wenige natürliche Feinde, auf die man zur Bekämpfung vertrauen könnte. Da sich der Schaden, den sie durch ihre Saugtätigkeit auf den Weinreben hervorruft in Grenzen hält, wäre das aber nicht weiter schlimm.
Leider kann diese Zikade aber mit jedem Saugvorgang auf einem Rebblatt die Phytoplasmenerkrankung Flavescence doree (Goldgelbe Vergilbung) übertragen, die nicht direkt bekämpft werden kann und die innerhalb weniger Jahre zum Absterben des Weinstockes führt.
Weil sich die Amerikanische Rebzikade (im Unterschied zu heimischen Zikadenarten, die ähnliche Krankheiten - Stolbur oder Schwarzholzkrankheit genannt - übertragen können) jedoch ausschließlich vom Pflanzensaft der Weinreben ernährt, kann die Verbreitung von Flavescence doree extrem schnell gehen. Es genügt ein befallener Rebstock, an dem eine Zikade saugt, damit den Erreger aufnimmt, und bei jeder weiteren Nahrungsaufnahme neue Rebstöcke infiziert.
Nicht umsonst gibt es bei uns in Österreich (und ich nehme an in anderen Gebieten ist es ähnlich) die gesetzliche Verpflichtung, von Flavescence doree befallene Rebstöcke zu roden und zu verbrennen. Sind mehr als 20 (?) Prozent der Stöcke eines Weingartens befallen, wird von den Behörden die Rodung des gesamten Weingartens amtlich angeordnet und überwacht!
Ergänzend zu diesen Maßnahmen, die dazu dienen sollen, die Infektionsmöglichkeiten für die Amerikanische Rebzikade so gering wie möglich zu halten gibt es auch bei uns (wie offensichtlich auch in Frankreich) die Möglichkeit, dass die Behörden gebietsweise Insektizidbehandlungen vorschreiben können, um die Zikadenpopulation gering zu halten.
Dazu kann man stehen, wie man will (und die Diskussion darüber erinnert ein wenig an die Impfdebatte), aber es handelt sich dabei zumindest in Österreich nicht um eine leichtfertig getroffene und von Chemiekonzernlobbying getriebene Entscheidung (wie das an anderer Stelle behauptet wurde).
Um rechtzeitig, aber nicht vorschnell zu handeln, gibt es seit einigen Jahren ein relativ aufwendiges Monitoring diesbezüglich, das die Ausbreitung der Amerikanischen Rebzikade in Österreich beobachtet und die Frage, ob die aus dem Südosten einwandernden Tierchen mit Flavescence doree infiziert sind oder nicht. Zuerst wurde die Zikade in der Steiermark entdeckt, anfangs uninfiziert, seit 2009 aber auch Flavescence doree-verseucht. (Hier ein Link zu meiner damaligen Blog-Meldung:
http://www.bernhard-fiedler.at/weblog/?p=2046)
Ungefähr zu dieser Zeit fand man erstmals auch Zikaden im grenznahen Bereich des Südburgenlandes. Seit drei Jahren wird auch bei uns im Nordburgenland beobachtet und in zwei meiner Weingärten hängen gelbe Leimtafeln, mit denen die Zikaden gefangen werden. Zwei Jahre waren befallsfrei, aber 2013 wurden erstmals ein paar Exemplare der Amerikanischen Rebzikade (vorerst nicht infiziert mit Flavescence doree) gefangen.
Zweifellos werden über kurz oder lang auch Flavescence-infizierte Exemplare auftauchen und wir werden es nicht schaffen (und das ist auch niemandes Ziel), die Amerikanische Rebzikade dauerhaft von der Region fernzuhalten. Mit einem gewissen Maß an Solidarität unter den Weinbauern sollte es jedoch möglich sein, damit zu leben.
Unbearbeitete, nicht ordnungsgemäß gerodete Weingärten und das Nichtentfernen von offensichtlich kranken Rebstöcken in bewirtschafteten Anlagen (aber wohl auch die Weigerung, an gemeinsamen Aktionen dagegen mitzumachen) machen die Sache aber deutlich schwieriger, besonders in kleinstrukturierten Gebieten.