Aktuelle Zeit: Do 25. Apr 2024, 07:00


Reinzuchthefen für Spontinoten

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
  • Autor
  • Nachricht
Offline

Einzelflaschenfreund

  • Beiträge: 587
  • Bilder: 2
  • Registriert: Mi 15. Dez 2010, 13:31

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 16:45

Verwerflich finde ich das auch erst mal überhaupt nicht, Gerald. Fragwürdig wird es für mich dann, wenn jemand eine Methode für seinen Wein reklamiert, die überhaupt nicht zur Anwendung gekommen ist. Oder das Unterlassen von etwas behauptet, das er tatsächlich doch gemacht hat. Oder eben: Wenn jemand eine Vorgehensweise, die Risiken und/oder mehr Aufwand mit sich bringt, technologisch abkürzt, ohne dazu zu stehen.

Beste Grüße
Guido
Online
Benutzeravatar

Gerald

Administrator

  • Beiträge: 7487
  • Bilder: 32
  • Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
  • Wohnort: Wien
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 16:54

Hallo Guido,

Fragwürdig wird es für mich dann, wenn jemand eine Methode für seinen Wein reklamiert, die überhaupt nicht zur Anwendung gekommen ist.


das ist natürlich klar. So etwas wäre aber bei jedem Produkt - nicht nur Wein - nicht nur fragwürdig, sondern vielfach auch rechtlich problematisch.

Grüße,
Gerald
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 16:56

Einzelflaschenfreund hat geschrieben:Verwerflich finde ich das auch erst mal überhaupt nicht, Gerald. Fragwürdig wird es für mich dann, wenn jemand eine Methode für seinen Wein reklamiert, die überhaupt nicht zur Anwendung gekommen ist. Oder das Unterlassen von etwas behauptet, das er tatsächlich doch gemacht hat. Oder eben: Wenn jemand eine Vorgehensweise, die Risiken und/oder mehr Aufwand mit sich bringt, technologisch abkürzt, ohne dazu zu stehen.

Hi Guido,

sind dir denn Beispiele bekannt, wo z.B. Spontanvergärung behauptet wird, aber nicht angewandt wird? Mir nicht, aber ich bin auch nicht besonders gut informiert.

Im Übrigen bin ich mittlerweile dazu übergegangen, gewissen Winzern, deren Qualität mich über Jahre hinweg überzeugt hat, schlicht und einfach bei der Weinbereitung zu vertrauen. Bei denen lese ich mir auch gar nicht mehr genau durch, was sie bezüglich der Weinbereitung auf ihre Website schreiben oder nicht. Das Weingut Schäfer-Fröhlich gehört dazu. Auch 2012er GGs habe ich natürlich gekauft (ohne sie vorher probiert zu haben). Wenn sie in einem Jahrgang wie 2012 mal nicht so gut sein sollten wie in den vorherigen Jahrgängen, kann ich damit leben. Die Zeit wird ohnehin den Weg weisen.

Schließlich könnte ich mir auch vorstellen, dass Spontinoten, die kein Beiprodukt sind, sondern forciert werden (wie auch immer das ohne die genannten Hefen geht), einen vor allem auf großen Verkostungen stören. Da hat man schließlich keine Zeit, genau in den Wein reinzuhorchen. So ein (echter oder forcierter) Spontistinker kann andere Elemente des Weins und auch den eigentlichen Charakter ja schon übertünchen.
Beste Grüße, Stephan
Offline
Benutzeravatar

sorgenbrecher

  • Beiträge: 1233
  • Bilder: 83
  • Registriert: Di 6. Sep 2011, 15:32
  • Wohnort: Ffm.

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 17:23

da kann ich stephan nur beipflichten und gehe darüber hinaus soweit, dass es mir bei einer vielzahl von winzern, deren weine ich über einen langen zeitraum verfolge, inzwischen auch völlig egal ist, ob spontan-, teilspontan- oder reinzuchtvergoren wird. es wird meines erachtens als methode in der hand guter winzer schlichtweg total überschätzt und der von einigen vorgenommenen einschätzung, dass spontanvergärung gut und reinzuchthefen schlecht wären, kann ich so auch nicht folgen. ich bin kein freund von aromahefen und gehe auch davon aus, dass die von mir präferierten winzer diese nicht verwenden, aber neutrale reinzuchthefen können auch exzellente weine ergeben.
Gruß, Marko.
Offline

Einzelflaschenfreund

  • Beiträge: 587
  • Bilder: 2
  • Registriert: Mi 15. Dez 2010, 13:31

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 17:27

octopussy hat geschrieben:sind dir denn Beispiele bekannt, wo z.B. Spontanvergärung behauptet wird, aber nicht angewandt wird? Mir nicht, aber ich bin auch nicht besonders gut informiert.


Nein - aber wenn Erbslöh et al Produkte für Spontangäraromatik anbieten, wird es wohl auch ein paar Abnehmer dafür geben. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Abnehmer dann sagen, "meine Weine schmecken wie Spontis, das sollen sie auch - aber sie sind keine."

octopussy hat geschrieben:Im Übrigen bin ich mittlerweile dazu übergegangen, gewissen Winzern, deren Qualität mich über Jahre hinweg überzeugt hat, schlicht und einfach bei der Weinbereitung zu vertrauen. Bei denen lese ich mir auch gar nicht mehr genau durch, was sie bezüglich der Weinbereitung auf ihre Website schreiben oder nicht.


Nicht die schlechteste Strategie: Wenn man nicht fragt, kann man auch weniger leicht belogen werden :mrgreen: Bzw. freundlicher: ... ist die Gefahr geringer, dass einem der Winzer das erzählt, was man (vermeintlich oder tatsächlich) hören will.
Ich muss das alles auch nicht unbedingt wissen! Mit meinem vorigen Beitrag wollte ich nur zum Ausdruck bringen: Wenn mir - im Zweifel auch gänzlich ungefragt - Winzer erzählen, sie würden ja ganz auf die Kräfte der Natur setzen, auf kontrolliertes Nichtstun im Keller etc., tatsächlich aber einfach nur die ganze Klaviatur einsetzen, die nötig ist, um den Eindruck des Gesagten zu erzeugen, mit freilich gänzlich anderen Methoden ... dann gefällt mir das nicht. Das ist dann wie ein künstliches Achtzylinder-Knurren im Elektroauto oder Umleimer in Schichtholz-Optik.

Viele Grüße
Guido
Offline
Benutzeravatar

Markus Vahlefeld

Administrator

  • Beiträge: 1689
  • Bilder: 2
  • Registriert: Do 4. Nov 2010, 11:43

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 17:42

Die Herstellung von Wein ist ein derart komplexes Unterfangen, dass die Reduzierung auf EINE Komponente (Hefen) etwas arg Versimplifizierendes hat. Allein schon Bio oder nicht-Bio, Botrytizideinsatz, Lesezeitpunkt undsoweiter verändern den Wein derart stark, dass die Hefen eben nur ein kleiner Bestandteil des Ganzen sind. Es ist wie bei einem Zauberwürfel, bei dem bereits eine kleine Drehung alle weiteren Schritte erheblich beeinflusst.

Daher ist die Frage, ob man vom Winzer die ganze Wahrheit erfährt, immer eher theoretisch. Man müsste dazu im Gegenzug nämlich auch ALLE relevanten Fragen stellen. Und bereits bei der Spontangärung gibt es die verschiedenen Ansätze: Mostschwefelung, um die starken wilden Hefen in den Vordergrund zu rücken, Impfung der Tanks mit bereits gut gärendem "wilden" Most oder die "klassische" Spontangärung ohne jegliche Schwefel-/Most-/Hefeeingriffe.

An einem Lügendetektor würde jeder Winzer die Frage nach der Spontangärung mit "ja" beantworten können, ohne der Lüge überführt werden zu können ;)
Offline
Benutzeravatar

Gaston

  • Beiträge: 1086
  • Registriert: Mi 15. Dez 2010, 14:53

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 18:01

Was ist eigentlich mit Winzern, die sowohl als auch vergären? Von den gibt es ja, glaube ich, eine Menge. Also in der Regel Basisqualitäten mit RZH ("da will man wissen, wohin die Reise geht"), Premiumweine spontan.

Diesbezüglich habe ich das Argument gehört, dass eine Spontangärung in einem Keller, in dem auch mit RZH vergoren wird, Kokolores sei, da so ein Keller quasi RZH-kontminiert sei, und eine "saubere" Spontangärung, das heißt ohne Einfluss der im Keller umherschwirrenden RZH, im Grunde nicht möglich sei. Theoretisch müsste so ein Winzer zwei Keller haben; einen, in dem er RZH verwendet und einen zweiten, indem ausschließlich spontan vergoren wird.

Was sind eure Meinungen?
Beste Grüße
Gaston
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 22:17

Gaston hat geschrieben:Was ist eigentlich mit Winzern, die sowohl als auch vergären? Von den gibt es ja, glaube ich, eine Menge. Also in der Regel Basisqualitäten mit RZH ("da will man wissen, wohin die Reise geht"), Premiumweine spontan.


Ein Beispiel, dass mir dazu immer wieder einfällt, ist Emrich-Schönleber. Hier stimmt allerdings die Einteilung "Basisqualität = RZH, Premium = spontan" nicht, beide Varianten ziehen sich zumindest in manchen Jahren durch das gesamte Sortiment.

Diesbezüglich habe ich das Argument gehört, dass eine Spontangärung in einem Keller, in dem auch mit RZH vergoren wird, Kokolores sei, da so ein Keller quasi RZH-kontminiert sei, und eine "saubere" Spontangärung, das heißt ohne Einfluss der im Keller umherschwirrenden RZH, im Grunde nicht möglich sei. Theoretisch müsste so ein Winzer zwei Keller haben; einen, in dem er RZH verwendet und einen zweiten, indem ausschließlich spontan vergoren wird.


Wiederum bezogen auf E-S: der Unterschied zwischen den spontan vergorenen und den mit RZH vergorenen Weinen ist schon sehr deutlich erkennbar, wenn man die Weine im Jahr nach der Lese direkt auf dem Gut gegeneinander verkostet. Die Behauptung, dass eine einmal verwendete RZH eine als solche auch erkennbare Spontanvergärung im gleichen Keller unmöglich macht, stimmt also nicht.

Will ich die Weine jung trinken, bevorzuge ich übrigens meistens die Varianten mit RZH. Die "Spontis" brauchen in der Regel einige Zeit, um die mich doch gelegentlich irritierenden Unsauberkeiten im Aroma abzuschütteln.

Gruß
Ulli
Offline

Bernd Schulz

  • Beiträge: 6567
  • Registriert: So 12. Dez 2010, 00:55

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragDo 7. Nov 2013, 23:55

Wiederum bezogen auf E-S: der Unterschied zwischen den spontan vergorenen und den mit RZH vergorenen Weinen ist schon sehr deutlich erkennbar, wenn man die Weine im Jahr nach der Lese direkt auf dem Gut gegeneinander verkostet. Die Behauptung, dass eine einmal verwendete RZH eine als solche auch erkennbare Spontanvergärung im gleichen Keller unmöglich macht, stimmt also nicht.


Auch bei anderen Betrieben, die teilweise oder sogar überwiegend mit Reinzuchthefen vergären, stechen Spontis oft deutlich heraus. So habe ich z.b. bei Johann Haart den Sponti als Ausnahme schnell erkannt, desgleichen bei v. Heddesdorf etc. usf...

Aus empirischen Gründen (ich halte einfach große Stücke auf persönliche Erfahrungen, die über einen längeren Zeitraum gesammelt wurden) glaube ich also nicht an die Behauptung, dass die hauptsächliche Verwendung von Reinzuchthefen einzelne Spontangärversuche zu "Kokolores" stempeln würde. Und auch nicht daran, dass es (beim Riesling) keinen generellen sensorischen Unterschied zwischen Spontis und Reinzuchtis gäbe; damit möchte ich aber, bevor mich jemand darauf festnagelt, nicht behauptet haben, dass ich in der Lage bin, diesen Unterschied in jedem Fall und in jeder Lebensminute herauszuschmecken. Er ist jedoch für mich zweifelsohne vorhanden.

...und der von einigen vorgenommenen einschätzung, dass spontanvergärung gut und reinzuchthefen schlecht wären, kann ich so auch nicht folgen.


Eine solche Schwarz-Weiß-Einschätzung wirst man wohl bei keinem User dieses Forums antreffen. Ein Hans-Günther Schwarz hat seinerzeit bei Müller-Catoir gezeigt, was für grandiose Qualitäten mit dem Einsatz von Reinzuchthefe zu erzielen sind, und auch ansonsten kaufe und trinke ich immer wieder diverse Reinzuchtis, die mich überzeugen. Dennoch überwiegt bei mir die Sympathie für die Spontis, da ich in der Breite mit ihnen die besseren Erfahrungen im Hinblick auf geschmackliche Differenziertheit und Lagerfähigkeit gemacht habe. Und dazu stehe ich auch gerne!

Ich muss das alles auch nicht unbedingt wissen! Mit meinem vorigen Beitrag wollte ich nur zum Ausdruck bringen: Wenn mir - im Zweifel auch gänzlich ungefragt - Winzer erzählen, sie würden ja ganz auf die Kräfte der Natur setzen, auf kontrolliertes Nichtstun im Keller etc., tatsächlich aber einfach nur die ganze Klaviatur einsetzen, die nötig ist, um den Eindruck des Gesagten zu erzeugen, mit freilich gänzlich anderen Methoden ... dann gefällt mir das nicht.


Logischerweise gefällt mir das auch nicht - ich lasse mir nur ungern ein X für ein U vormachen! Wer als Winzer klar erkennbare Spontinoten im Wein haben möchte, soll gefälligst auf Spontanvergärung setzen - im Zweifelsfall spart er sich dann noch das Geld für die Reinzuchthefen! Und wenn er handwerklich nicht dazu in der Lage ist, macht er eben Reinzuchthefenweine, aber dann bitte welche mit einer einigermaßen neutralen Reinzuchthefe. Sicher, Wein ist immer ein Kunstprodukt, aber ebenso plumpe wie überflüssige Aromatisierungsversuche lehne ich erst einmal ab - ganz gleich, ob es dabei um Pfirsich-Maracuja, aufdringliche Vanille oder einen pseudowilden Spontiböckser geht.

Viele Grüße

Bernd
Offline
Benutzeravatar

Birte

Administrator

  • Beiträge: 3125
  • Bilder: 15
  • Registriert: Di 25. Jan 2011, 22:28

Re: Reinzuchthefen für Spontinoten

BeitragFr 8. Nov 2013, 10:32

Meine Vermutung ist erst einmal, dass solche "Sponti-Hefen" für den "Massenmarkt" produziert werden. Vereinfacht und überspitzt gesagt, die Mode ist bis zum Durchschnittskonsumenten durchgedrungen, und nun muss so etwas auch schnell und einfach für den "Supermarktweinkonsumenten" hergestellt werden. Ich glaube kaum, dass die Winzer über die wir hier reden, zu so einer Aromahefe greifen würden. Ich unterstelle einfach, dass ihnen das die Freude an der Arbeit verderben würde, da es nicht ihrem Anspruch an sich selbst gerecht würde.
VorherigeNächste

Zurück zu Tendenzen im Weinbau

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 16 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen