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Designerriesling made in Germany

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Birte

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Designerriesling made in Germany

BeitragSo 23. Sep 2012, 19:32

Im St. Antony Thread kam die Diskussion auf, ob es heute aufgrund der klimatischen Bedingungen noch in allen Lagen möglich ist, einen Riesling mit der typisch deutschen lebendigen Säure zu erzeugen. Wollen wir diesen Wein unbedingt haben, auch wenn dazu Eingriffe wie Aufsäuern nötig werden? Ich persönlich fände es vor allem wünschenswert, dass Winzer, die solche Maßnahmen durchführen, das auch sagen. Ich wette der Spuk würde ein schnelles Ende finden und einige Weinjornalisten würden auf einmal die Nase rümpfen. Ich würde mich freuen, wenn hier noch weiter diskuttiert würde, da ich selber bisher noch nicht soviel darüber weiß.
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Rieke Riesling

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragSo 23. Sep 2012, 19:58

Hallo Birte, interessanter Ansatz. Generell denke ich schon das dem Riesling in einigen Lagen zu warm wird. Da aber das Aufsäuern bisher nur in ausnahme Jahrgängen gestattet wurde, sehe ich bisher hier (noch) kein Problem. Als Winzer hat man mehrere Möglichkeiten Einfluss auf die Erhaltung Säure zu nehmen. Man kann das Entblättern dementsprechend verändern, so dass die Trauben nicht so erwärmt werden und die Säure am Stock weniger abgebaut wird. Dann wäre auch ein Verschnitt mehrer Riesling Weine eine Möglichkeit Säure ohne Aufsäuern in den Wein zu bekommen.
Perspektivisch kann man natürlich 2. oder 3. Lagen mit Riesling bepflanzen, das wird auch schon gemacht und so versuchen das Problem zu lösen.
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Bernd Schulz

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 00:04

Wollen wir diesen Wein unbedingt haben, auch wenn dazu Eingriffe wie Aufsäuern nötig werden?


Normalerweise bevorzuge ich Rieslinge mit lebhafter Säure, aber es gibt halt solche und solche Jahre - und ich mag nicht nur Säure, ich mag auch Jahrgangsunterschiede!

Mein Leib- und Magenwinzer aus Traben-Trarbach hat im Traum nicht daran gedacht, seine 2003er aufzusäuern. Sie hatten vergleichsweise wenig Säure, wirkten aber trotzdem nicht unbalanciert und schmeckten halt ganz anders als die 04er oder 08er. Gut so! Es lebe die Vielfalt! Unterschiedliche Jahre ergeben beim gleichen Winzer in den gleichen Lagen halt unterschiedliche Weintypen - mal straffe, sehnige, säuerbetonte und mal üppige, runde, eher weich wirkende Charaktere. Und das ist genau die Differenziertheit, die ich gerne erleben möchte.

Designerriesling made in Germany


Den finden wir doch in vielen (teilweise auch ziemlich renommierten) Betrieben schon längst unabhängig vom Thema Aufsäuerung. Die Stichworte lauten hier z.b.Kaltvergärung im temperaturkontrollierten Stahltank, Reinzuchthefen und nicht zuletzt Enzyme. All das zusammen ergibt Rieslinge, die nicht unbedingt schlecht, aber irgendwie allesamt nach dem gleichen Prinzip gestylt schmecken.

Und dann passt die Aufsäuerung auch wieder ins Bild; in säurearmen Jahren darf die Abweichung vom normierten Geschmack auf keinen Fall zu deutlich ausfallen....

Vor sechs, sieben Jahren saß mir in einer Verkostung von 03er GGs ein sehr bekannter Moselwinzer aus Bernkastel-Wehlen gegenüber. Wir probierten blind ein nicht sonderlich überzeugendes "Großes Gewächs" von einem hochangesehenen Pfälzer Weingut, das zu den wenigen im GM mit 5 von 5 möglichen Trauben bedachten Betrieben zählte und heute noch zählt. Der Moselwinzer meinte damals sinngemäß: "Der ist sehr wahrscheinlich aufgesäuert! Und ansonsten relativ substanzarm. Ich kann nur darüber staunen, dass ein Winzer, der etwas auf sich hält, solch einen Riesling als Großes Gewächs verkauft!"

Und in der Tat stand da die jahrgangsuntypische Säure fröhlich neben einem mäßig gehaltvollen Wein...wobei ich in einer offenen Probe und ohne den schonungslos direkten Kommentar des Kollegen von der Mosel vermutlich meinen eigenen Sinnen nicht getraut hätte. Wahrscheinlich hätte ich das betreffende GG damals nach dem bekannten Motto "Es kann nicht sein, was nicht sein darf" deutlich zu hoch bewertet. Nicht aus sensorischen Gründen, sondern psychologisch bedingt aus Respekt vor dem vielfach hochgelobten Erzeuger - der aber seinerzeit nicht davor zurückgeschreckt hat, einen "Designerriesling" im Sinne des Threadtitels zum Grand Cru zu erheben.

Die engeren Motive eines beständig unter Erfolgsdruck stehenden VDP-Spitzen-Erzeugers stehen dann noch einmal auf einem anderen, uns Endverbrauchern kaum bekannten Blatt. Dieses Thema wäre gewiss einen eigenen Diskussionsfaden wert.

Beste Grüße

Bernd
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Weinfreund

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 00:30

Hi,

Aufgesaeuert werden durfte in D in 2003 und 2011? In der Vergangenheit dürfte das also eher kein Problem gewesen sein. Da dies künftig anders werden könnte, wäre ggf. Ein allg. Verbot sinnvoll. Da es vermutlich auch analytisch nachweisbar ist, zudem auch gut durchsetzbar. Es gibt m. E. Aber einige stellschrauben (Laub Arbeit, Ausrichtung, Beschattung, Nutzung von lagen mit Ost bzw. Nord Exposition) um weine erzeugen zu können, die Herkunft perfekt zeigen und trotzdem nicht bei ueber 100 ° oechsle landen müssen.

Gruesse
Sascha

P.s.: Problematisch in diesem Zusammenhang finde ich eigentlich nur, dass nun vielerorts und vielerseiten der 'alte' saeurebetonte rieslingstil fuer tot erklärt wird.
Zuletzt geändert von Weinfreund am Mo 24. Sep 2012, 00:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Erdener Prälat

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 00:33

Bernd Schulz hat geschrieben:... eines beständig unter Erfolgsdruck stehenden VDP-Spitzen-Erzeugers ...

In anderen Ländern kommt es zuweilen vor, daß in unpassenden Jahrgängen eben mal kein Grand Cru/Brunello/Gran Riserva gefüllt und der Wein deklassiert wird, um die "Marke" nicht zu beschädigen. Hierzulande schon geschehen?
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Bernd Schulz

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 11:23

Damit wären wir beim nächsten Problem: Von fast allen GG-Produzenten wird so getan, als ob es keine schwierigen/kleinen Jahrgänge mehr gäbe. In jedem Jahr wird auf Teufel komm raus ein GG zusammengekloppt, und wenn die Säure fehlt, wird sie halt dazugekippt, solange das erlaubt ist; wenn massenhaft Botrytis im Spiel ist, wird bis zum Abwinken geschönt. Heraus kommen dann Grand-Cru-Karrikaturen, wie wir sie aus 2003 oder 2006 nicht selten erleben konnten.

Wenn man glaubwürdig große trockene Weine und eben keine "Designerrieslinge made in Germany" produzieren will, braucht man unter anderem auch den Mut und den Willen zur Lücke. Und daran fehlt es in Deutschland fast überall.

Beste Grüße

Bernd
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Weinfreund

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 11:32

Hi Bernd,

wobei der Mut zur Lücke beim Jahrhundertjahrgang 2003? Da hätten sich die Kollegen sicher ins Fäustchen gelacht .. zumal trotz der Hitze viele gute 2003er produziert wurden. Da hätte es schon eines dicken Fells bedurft ..

Dennoch: Ums Entsäueren kommen auch qualitativ hochwertig arbeitende Winzer in D nicht vorbei (siehe 2010), das Aufsäuern muss aber wirklich nicht sein, hier hat der Winzer ggf. falsch gearbeitet und soll seine faden Plörren auch so auf den Markt bringen (müssen). Ergo generelles Verbot des Aufsäuerns ..

Grüße
Sascha
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Rieke Riesling

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 11:56

Weinfreund hat geschrieben:Dennoch: Ums Entsäueren kommen auch qualitativ hochwertig arbeitende Winzer in D nicht vorbei (siehe 2010), das Aufsäuern muss aber wirklich nicht sein, hier hat der Winzer ggf. falsch gearbeitet und soll seine faden Plörren auch so auf den Markt bringen (müssen). Ergo generelles Verbot des Aufsäuerns ..

Grüße
Sascha

Hallo Sascha,
da könnten in D sicherlich viele Erzeuger mit leben. Wenn dann aber gleiches Recht für alle, warum dann nur das Aufsäuern in D verbieten?
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Weinfreund

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 12:07

Hi Rieke,

da hast Du natürlich recht. In A (D ohne Baden) und B (also auch Österreich) sofort, in den C-Ländern (?) allerdings mit Vorlaufzeit, da hier Alternativen (z.B. neue Rebflächen) aufgebaut werden müssten.

Viele Grüße
Sascha
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Weinfreund

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Re: Designerriesling made in Germany

BeitragMo 24. Sep 2012, 12:10

P.S.: Was sagt eigentlich der VDP dazu? Darf ein GG wirklich gesäuert werden?
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