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Mineralität

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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octopussy

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Mineralität

BeitragSa 20. Aug 2011, 14:32

Ich stelle fest, dass Mineralität im Weißwein aktuell verstärkt nachgefragt und als Zeichen für bessere Qualität angesehen wird (am besten salzige Mineralität).

Wein der Woche bei Jancis Robinson, vorgestellt vom MW Aspiranten Richard Hemmings, ist ein Wolf Blass, Yellow Label Chardonnay 2009 aus Südaustralien. Wolf Blass gehört zu Treasury Wine Estates (früher Fosters Group). Die Trauben für die Weine werden aus verschiedenen südaustralischen Gegenden angekauft.

Richard Hemming war auf den Wein im Rahmen einer Blindprobe gestoßen. Er hatte ihn für einen 1er Cru von der Côte d'Or gehalten. Laut Richard Hemming zeichnet den Wein eine zurückhaltende Frucht, kaum Eichenwürze und v.a. eine trockene Mineralität aus. Früher wurde der Wein anscheinend im Holzfass ausgebaut und schmeckte eher nach New World Chardonnay, d.h. fett, buttrig, vanillig. Jetzt sei er eher trocken, angenehm säurebetont und frisch. Laut Hemming wurde wohl aufgesäuert und eine kleine Eichenwürze kommt noch von Eichenholzchips. Die größte Qualität laut Hemming: "The flinty, mineral tang shows terroir enough to please the staunchest Francophile." Bepunktet hat er ihn mit 16,5, ebenso wie Jancis Robinson im März.

Anhand dieser Notiz hat sich eine kleine Diskussion entbrannt, wie denn ein Wein Terroir zeigen könnte, der von Trauben aus verschiedenen Regionen in Australien stammt. Hemming begründet seine Aussage damit, dass der Wein einen Sinn für seine Herkunft habe, in dem Sinne, dass er sofort an das Burgund gedacht habe (nicht an Australien). Es sei kein generischer New World Style. Das Fazit eines Lesers dazu: "ein Sieg der Wein-Fakery".

Zwei Dinge fallen mir hieran auf:

1. die Weinkritik und verstärkt auch die Konsumenten haben schon seit längerem eine Aversion gegen alkoholstarke, buttrig-fette, vanillige Weine. Der Stil der Zeit geht mehr in Richtung von Weinen im säurelastig-spritzigen, frischen Stil. Der Siegeszug der Malborough Sauvignon Blancs ist hier das beste Beispiel.

2. Mineralität wird als Ausdruck von Terroir, von Herkunft aufgefasst. Man stellt sich vor, die Mineralität muss ja direkt aus der Erde, aus steinigen Böden kommen. Interessant ist, dass das Wort Terroir jetzt schon losgelöst von der Herkunft benutzt wird. Vielleicht kann man Hemming noch nicht einmal vorwerfen, dass er dies tut. Denn blind hatte er ja gleich einen mineralischen Chardonnay von der Côte d'Or vor Augen.

Tatsächlich empfinde ich Mineralität im Wein auch als meistens positiv. Gerade wenn die Säure nicht so ausgeprägt ist, kann empfundene Mineralität als eine Art Ersatzpuffer für Fruchtsüße dienen.

Ich hatte mich immer gefragt, ob man mineralische Weine nur aus mineralischen, kargen, steinigen (Schiefer, Kalk, Granit, Buntsandstein, usw.) Böden bekommt. Oder ob man den Wein auch von eher fruchtbaren Böden so ausbauen kann, dass er mineralisch wirkt. In der Jancis Robinson Forumsdiskussion werden diesbezüglich ein stark reduktiver Ausbau und zusätzlich die erhöhte Zugabe von Sulfiten genannt. Weiß vielleicht jemand mehr dazu?

Eine weitere Frage, die man sich natürlich stellen muss, ist Folgende: Machen wir uns alle etwas vor, wenn wir Weißweine deshalb als anspruchsvoll oder herkunftsbezogen auffassen, weil sie eine ausgeprägte Mineralität haben? Muss man sich nicht viel stärker fragen, wo denn diese Mineralität herkommt, jedenfalls wenn es um mehr als die Frage geht, ob der Wein gut schmeckt oder nicht?
Beste Grüße, Stephan
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UlliB

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Re: Mineralität

BeitragSa 20. Aug 2011, 16:37

octopussy hat geschrieben:Mineralität wird als Ausdruck von Terroir, von Herkunft aufgefasst. Man stellt sich vor, die Mineralität muss ja direkt aus der Erde, aus steinigen Böden kommen.


Auch wenn es wahrscheinlich schon dutzende Male an anderer Stelle geschrieben wurde: Mineralität hat nichts mit Mineralien im Wein zu tun. Der Eindruck eines mineralischen Geschmacks beruht auf spezifischen Terpenen und Phenolen. Die meisten "Mineralien" schmecken übrigens nach gar nichts oder aber bitter-metallisch, aber ohne jedes Nasenaroma - einfach mal probieren [nicht gerade mit Pechblende oder anderen Schwermetallerzen versuchen] ;)

Ich hatte mich immer gefragt, ob man mineralische Weine nur aus mineralischen, kargen, steinigen (Schiefer, Kalk, Granit, Buntsandstein, usw.) Böden bekommt. Oder ob man den Wein auch von eher fruchtbaren Böden so ausbauen kann, dass er mineralisch wirkt.


Da wie gesagt in "mineralisch" schmeckenden Weinen nicht mehr oder andere "Mineralien" (= anorganische Salze) enthalten sind als in anderen Weinen: warum nicht?

Im Übrigen: ich bin sicher, dass eine Branche, die zu Zeiten des Chardonnay-Booms alles so vinifizieren konnte, dass es nach Chardonnay schmeckte, genauso gut alles "mineralisch" schmecken lassen kann, wenn der Markt es so möchte. Das wäre dann zwar eine standardisierte Mineralität (vielleicht in verschiedenen Varianten), aber dennoch. Wahrscheinlich ist der erwähnte Chardonnay schon mal ein erstes praktisches Beispiel dafür.

Gruß
Ulli
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octopussy

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Re: Mineralität

BeitragSa 20. Aug 2011, 22:10

UlliB hat geschrieben:Auch wenn es wahrscheinlich schon dutzende Male an anderer Stelle geschrieben wurde: Mineralität hat nichts mit Mineralien im Wein zu tun. Der Eindruck eines mineralischen Geschmacks beruht auf spezifischen Terpenen und Phenolen.

Wieder was gelernt :). Aber hat die Ausprägung der Phenole und Terpene etwas mit dem Boden zu tun, auf dem die Weine wachsen und wenn ja, welcher Zusammenhang besteht da?

Mein Eindruck ist, dass allgemein der von dir benannte Irrglaube vorherrscht. So schreibt auch Richard Hemming in der teilweise zitierten Diskussion, für ihn sei Mineralität Ausprägung von Terroir. Jetzt sind wir wieder bei diesem Begriff und ich verstehe auch besser, warum er so non grata ist. Denn die Auffassung von Terroir von Richard Hemming entleert den Begriff wirklich vollständig, wenn man ihn auf Mineralität und den Schein einer anderen Region beschränkt.

UlliB hat geschrieben:Im Übrigen: ich bin sicher, dass eine Branche, die zu Zeiten des Chardonnay-Booms alles so vinifizieren konnte, dass es nach Chardonnay schmeckte, genauso gut alles "mineralisch" schmecken lassen kann, wenn der Markt es so möchte. Das wäre dann zwar eine standardisierte Mineralität (vielleicht in verschiedenen Varianten), aber dennoch. Wahrscheinlich ist der erwähnte Chardonnay schon mal ein erstes praktisches Beispiel dafür.


Mit dieser Feststellung hast du völlig recht und darauf will ich hinaus. Wolf Blass hat offensichtlich erkannt, wonach der Markt jetzt dürstet. Das sind nicht mehr vorrangig die 14,5 Volumenprozent buttrigen Chardonnays, sondern *mineralische*, nicht allzu primärfruchtige, mittelschlanke (der genannte Wein hat 13 Volumenprozent Alkohol) Weine mit frischer Säure. Interessant ist, dass man aus wahrscheinlich dem gleichen Traubenmix, aus dem vorher bei Wolf Blass fette Chardonnays gekeltert wurden, jetzt schlankere, säurebetontere Chardonnays keltern kann. Wenn Richard Hemming in der genannten Diskussion deshalb sagt, es sei kein generischer New World Chardonnay mehr, dann hat er vielleicht für eine bestimmte Übergangszeit recht, dann sind aber vielleicht schon ganz bald "schlank, zitronige Säure, mineralisch mit nur ganz dezenter Eichenholznote" eher die Attribute für einen generischen New World Chardonnay.
Beste Grüße, Stephan
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innauen

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Re: Mineralität

BeitragSo 21. Aug 2011, 09:22

Hallo,

sehr spannende Debatte. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Irgendwann mussten die grossen Destillen dem Trend hinterherhecheln. Dass es die chemische Industrie, die Himbeerjoghurt mit Hilfe von Holz und künstlichen Aromen herstellen können, gelingen könnte Mineralität auf andere Art und Weise als durch natürlichen Anbau in den Wein zu bekommen, ist vorerst noch eine Vermutung, aber eine naheliegende.

Wie bekommen aber deutsche Winzer die Mineralität auf natürliche Art und Weise in den Wein? Ein nahmhafter rheinhessischer Vertreter macht es so. Er lässt die Trauben sehr, sehr lange hängen und unterbindet alle auftretende Fäulnis und Schädlingsbefall mit rigerosem Einsatz von Pestiziden, wo seine Nachbarn alle schon ernten. Dadurch hängen die Trauben länger als sie das natürlicherweise tun würden und werden überall für ihre Mineralität gerühmt.

Grüsse,

Wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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UlliB

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Re: Mineralität

BeitragSo 21. Aug 2011, 13:27

octopussy hat geschrieben: Aber hat die Ausprägung der Phenole und Terpene etwas mit dem Boden zu tun, auf dem die Weine wachsen und wenn ja, welcher Zusammenhang besteht da?


Ob die Zusammenhänge im Einzelnen geklärt sind, weiß ich nicht; vermutlich müsste man da tief in die Fachliteratur einsteigen. Dass aber ein Zusammenhang zwischen der Art des Bodens und der Aromatik des Weines besteht - ob diese nun "mineralisch" ist oder nicht - ist wohl unbestrittten.

Interessant ist, dass man aus wahrscheinlich dem gleichen Traubenmix, aus dem vorher bei Wolf Blass fette Chardonnays gekeltert wurden, jetzt schlankere, säurebetontere Chardonnays keltern kann.


Aus dem gleichen Traubenmix wohl schon, aber wohl nicht aus Trauben mit dem gleichen Reifegrad. Der niedrigere Alkohol und die höhere Säure lässt vermuten, dass man bewusst früher gelesen hat (was etwas im Widerspruch zu Wolf's Bericht über den rheinhessischen Winzer steht - Australien ist aber auch nicht Rheinhessen). Was man machen muss, um "Mineralität" im Wein zu betonen? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich sollte man einfach ein paar Winzer befragen, auf deren Betrieben noch vor ein paar Jahren Primärfruchtknaller entstanden sind und heute extrem mineralische Weine entstehen - ganz offensichtlich kann man das gezielt beeinflussen, entweder im Weinberg oder im Keller oder sowohl als auch.

Gruß
Ulli
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Markus Vahlefeld

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Re: Mineralität

BeitragSo 21. Aug 2011, 17:59

Nachdem der Begriff des Terroir jetzt vollständig heruntergewirtschaftet ist, kann man sich nun auf den Begriff Mineralität stürzen :(

Im Ernst: was ist denn Mineralität? Gibt es die überhaupt oder wird nicht gerne und allzuoft Säure, die von einem guten Körper gepuffert ist, mit Mineralität verwechwechselt?

Ich versuche, den Begriff Mineralität recht sparsam einzusetzen, weil er ebenfalls so eine Art Alleskleber für alles Unbeschreibliche, was mit einem hochwertigen Qualitätsbegriff besetzt werden soll, geworden ist. Ich gehe mal davon aus, dass ein hoher Extraktwert, der ja in Analysen messbar ist, zu dem Geschmackseindruck führt, der gerne mit mineralisch umschrieben wird. So hatte ich vor kurzem einen weißen Beaucastel (nicht den einafchen Ch9dP, sondern das Modell drüber), der so ungeheuer dicht und elegant und trotzdem fest und einfach nur hinreißend war. Bei dem Wein habe ich mir so meine Gedanken zur Mineralität gemacht. Denn was der Wein fast gar nicht hatte, war Säure. Trotzdem war er ein Monstrum an Mineralität (wenn es so etwas überhaupt gibt).

Wie benutzt ihr denn den Begriff?
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Markus Vahlefeld

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Re: Mineralität

BeitragSo 21. Aug 2011, 18:34

innauen hat geschrieben:Wie bekommen aber deutsche Winzer die Mineralität auf natürliche Art und Weise in den Wein? Ein nahmhafter rheinhessischer Vertreter macht es so. Er lässt die Trauben sehr, sehr lange hängen und unterbindet alle auftretende Fäulnis und Schädlingsbefall mit rigerosem Einsatz von Pestiziden, wo seine Nachbarn alle schon ernten. Dadurch hängen die Trauben länger als sie das natürlicherweise tun würden und werden überall für ihre Mineralität gerühmt.


Gut gebrüllt, Löwe!

Trotzdem meine ich, dass Du vergessen hast zu erwähnen, dass eben auch früher gelesene Partien mit den "gesund überreifen" verschnitten werden, so dass dadurch eine spannende und spannungsgeladene Mischung zustande kommt. Viele Wachauer arbeiten oder arbeiteten auch nicht anders.

Kann man diesen Weinen denn ihre Mineralität absrpechen? Denn Extrakt besitzen sie allemal...
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Gerald

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 08:27

Hallo,

ich habe mich schon vor Jahren über die unkritische und nicht abgestimme Verwendung dieses Wortes geärgert, so dass eigentlich jeder etwas Anderes darunter versteht. Auf meiner privaten Homepage habe ich auch vor ca. 4 Jahren etwas dazu geschrieben, das ich auch heute in jeder Hinsicht genauso sehe:

Wein-Unworte 2006/07: 2. "Mineralik"
07.09.2007 - Kategorie(n): Wein

Seit fast zwei Jahrzehnten wird jährlich von einer Kommission das "Unwort des Jahres" vergeben, das sich im öffentlichen Sprachgebrauch als besonders unpassend bzw. herabwürdigend erwiesen hat. Ich habe mir erlaubt, auch im Bereich Wein eine persönliche Hitliste der Unworte für das vergangene Jahr aufzustellen. Hier geht es natürlich weniger um abwertende Bezeichnungen, sondern um solche, die durch inflationäre, völlig beliebige Verwendung ihre ursprüngliche Bedeutung eingebüßt haben und zum sinnlosen Werbespruch verkommen sind.

Der zweite Platz geht für mich an die "Mineralik" im Wein.

Wein - ein Bergbauprodukt ?

Bei Wikipedia findet man die folgende Definition:

"Als Mineral (Mehrzahl: Minerale, auch Mineralien) definieren Mineralogen natürlich vorkommende Feststoffe mit einer einheitlichen chemischen Zusammensetzung und einem auch auf mikroskopischer Ebene gleichförmigen Aufbau. Die meisten Minerale sind kristallin."

Das hilft natürlich relativ wenig, um eine Vorstellung von einem "mineralischen" Wein zu bekommen. Unumstritten ist nur, dass viele Winzer bzw. Weinhändler die "Mineralik" als positives Merkmal ihres Weines bzw. Kaufargument herausstellen. Was man sich darunter vorstellen darf, ist hingegen alles andere als eindeutig.

Das beginnt bereits mit der Frage, ob die "Mineralik" etwas ist, das man in der Nase wahrnehmen kann (also eine Klasse von Aromastoffen) oder sich am Gaumen manifestiert, also vergleichbar der Säure, Süße, dem Körper, der Tanninstruktur oder Ähnlichem. Bereits hier scheiden sich die Geister, ja es gibt sogar Weinfreunde, die der "Mineralik" einen quasi außersinnlichen Charakter zuweisen - also etwas, was man nicht direkt riechen oder schmecken kann, sondern nur auf geistige Weise erfassen. Also vielleicht vergleichbar mit den "feinstofflichen Schwingungen" der Produkte aus dem Esoterik-Laden ...

Fairerweise muss man zugeben, dass die Mehrheit der Weinliebhaber unter "Mineralik" doch eine Klasse von Aromen verstehen, die sich nicht mit anderen Assoziationen beschreiben lassen. Also weder Ähnlichkeiten mit Früchten, Gemüse, Blüten oder anderen pflanzlichen bzw. tierischen Produkten aufweisen.

Oft werden Assoziationen mit nassem Sand, feuchtem Gestein oder aber trockenem, staubigen Material genannt. Das wäre für mich durchaus nachvollziehbar (wenn auch die Aromen von nassem Sand, Erde oder Gestein im allgemeinen von darauf lebenden Mikroorganismen kommen und nicht vom Material selbst), nur deckt dies nur einen kleinen Teil der als "mineralisch" beschriebenen Aromen ab.

"Mineralik" in der Praxis

Dass sich die "Mineralik" so großer Beliebtheit erfreut, hängt aber wohl auch damit zusammen, dass man eben keinen anderen Namen für bestimmte Aromen findet. Mich erinnern die vielfach als "mineralisch" bezeichneten Aromakomponenten in Weinen oft viel eher an Waschpulver oder Kosmetikprodukte (z.B. Hautcrème oder Haarfestiger). Wahrscheinlich greift man bei der Erstellung einer Weinbeschreibung lieber zum Mineralik-Begriff, da der Leser mit "Waschpulver" eher negative Assoziationen verbindet und nicht gerade zum Kauf animiert würde.

Die Sache mit dem Boden

Und noch etwas finde ich beim derzeitigen "Mineralik"-Boom problematisch bzw. irreführend, nämlich dass der Eindruck erweckt wird, die Aromen würden in einem direkten Zusammenhang mit dem "mineralischen Boden" stehen, auf der die Rebe wächst. Zum einen gibt es wohl kaum einen Rebstock (mal von Topfpflanzen in Blumenerde abgesehen), der nicht auf mineralischen Boden wächst, zum anderen hängt - zumindest nach meinen Erfahrungen - das Auftreten dieser Aromen nur wenig mit dem Boden zusammen, sondern viel mehr mit Weinbergsarbeit bzw. Kellertechnik des jeweiligen Winzers. Jedenfalls gibt es Weingüter mit weit verstreuten Lagen, wobei die Weine trotzdem fast durchgängig diese Aromatik aufweisen. Bei anderen Winzern mit beinahe denselben Lagen findet sich die "Mineralik" hingegen überhaupt nicht ...


Einige dieser Probleme finden sich auch wieder hier in der Diskussion, z.B. ob man "Mineralität" nur riechen kann (wie ich es sehen würde) oder auch schmecken (wofür Begriffe wie "salzige Mineralität" sprechen könnten).

Meiner Ansicht haben die "mineralischen Aromen" nichts oder zumindest nicht so viel mit dem Boden zu tun ("mineralisch" ist ohnehin jeder normale Weinbergsboden, manche Mineralien sind gröber wie Kies oder Schiefer, andere feiner vermahlen wie z.B. Löss oder Lehm). Ich vermute eher, dass es mit der Kellertechnik zu tun hat. Denn oft sind Weine einer Einzellage (z.B. in der Wachau) bei einem Winzer stark mit diesem Aromen angereichert, während andere Winzer aus derselben Lage Weine ganz anderen Charakters keltern. Umgekehrt finden sich die "mineralischen" Töne auch bei anderen Lagen des ersten Winzers wieder.

Auffälligstes Beispiel ist für mich aber das Weinviertler Weingut Schwarzböck: hier findet man seit einigen Jahren in praktisch allen Veltlinern des Hauses (das sind immer 6 verschiedene) diese Note, meistens aber erst nach einem Tag offen in der Flasche in voller Deutlichkeit. Dabei sind die Lagen stark verstreut. Interessanterweise fehlen diesen Veltlinern dafür aber die sonst besonders rebsortentypischen würzigen oder herben Noten (z.B. das "Pfefferl"), die Aromatik der Weine besteht vor allem aus Frucht und eben diesen mineralischen Aromen.

Ich persönlich mag diese Noten sehr gerne, als grundsätzliches Qualitätskriterium würde ich sie aber keineswegs ansehen.

Grüße,
Gerald
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Gerald

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 08:40

Noch zur "salzigen" Mineralität:

Salzige Geschmackseindrücke stammen meines Wissens vor allem von Chloriden, andere Anionen (Hydrogencarbonat, Sulfat etc.) schmecken neutral oder eventuell seifig.

Nun schätzen aber die meisten Pflanzen Chloride nicht besonders, weshalb sie auch in Mineraldüngern kaum verwendet werden. Wenn "salzige Mineralität" wirklich von Chloriden im Wein kommt und nicht nur eine sehr freie Assoziation darstellt - ich kann es nicht nachprüfen, da ich so etwas noch nie verspürt habe - dann müssen die Chloride auch irgendwie in den Weinberg gekommen sein. Da gibt es für mich nur drei halbwegs realistische Szenarien:

a) Streusalz vom Winterdienst ist in den Boden gekommen
b) der Weinberg befindet sich auf einer natürlichen Salzlagerstätte
c) größere Mengen menschlichen oder tierischen Urins (enthält relativ viel Chlorid)

Alle drei Szenarien klingen für mich auch nicht wirklich realistisch bzw. nicht so wünschenswert ;)

Grüße,
Gerald
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UlliB

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 09:23

Gerald hat geschrieben:[...]dann müssen die Chloride auch irgendwie in den Weinberg gekommen sein. Da gibt es für mich nur drei halbwegs realistische Szenarien:

a) Streusalz vom Winterdienst ist in den Boden gekommen
b) der Weinberg befindet sich auf einer natürlichen Salzlagerstätte
c) größere Mengen menschlichen oder tierischen Urins (enthält relativ viel Chlorid)


Hallo Gerald,

kurzer Einwurf: selbst wenn Chlorid im Weinberg vorhanden wäre, heißt das nicht, dass die Planze dieses auch aufnimmt. Die Aufnahme von Ionen aus dem Boden ist ein selektiver und kontrollierter Vorgang, und das muss auch so sein, da die Ionen im physiologischen Geschehen eine wichtige Rolle spielen und eine wahllose Aufnahme die Homöostase empfindlich stören könnte - bis hin zum Tode der Pflanze.

Und insofern findet man in Mengen, die vielleicht schmeckbar sein könnten, völlig unabhängig vom Rebstandort immer die gleichen "Mineralien". Als Kationen sind das Kalium, Magnesium und Calcium (in dieser Reihenfolge absteigend), als Anionen vorwiegend Nitrat, Phosphat und Sulfat (wobei letzteres vielleicht auch erst aus derr Vinifikation und nicht aus dem Traubenmaterial stammt). Chlorid und auch Natrium sind zwar vorhanden, aber nur im ein- oder zweistelligen ppm-Bereich, d.h. geschmacklich irrelevant (höhere Werte deuten auf illegale Manipulation hin, insofern misst man das meistens mit - mit den heutigen Methoden ja kein Hexenwerk).

Gruß
Ulli
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