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Mineralität

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Gerald

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 14:36

Hallo Ulli,

An und für sich sollten die meisten anorganischen Dinge nicht riechen, weil sie keinen messbaren Dampfdruck haben. Aber dennoch: wer schon mal Zement mit Wasser angerührt hat, weiß, dass das ganz charakteristisch riecht. Gips anrühren riecht ebenfalls - und zwar anders als Zement. Gebrannten Kalk löschen riecht. Und warmer Schiefer riecht auch.... das sind alles Töne, die ich mit "mineralisch" in Verbindung bringe.


ja, genau diese "Geruchseindrücke" würde ich auch als "mineralisch" bezeichnen. Ich glaube sie kommen daher, dass sich ein Aerosol bildet (so wie auch eine staubige Straße) und das in der Nase irgendwie die Geruchsnerven anspricht.

Aber noch zur "salzigen Mineralität" - google hat dazu einen Artikel in der Vinum gefunden, der leider - wohl absichtlich - etwas schwer lesbar ist:

http://issuu.com/britta.wiegelmann/docs/vinum_salz

Soweit ich das entziffern konnte, scheint es sich tatsächlich um einen "salzigen" Geschmackseindruck zu handeln. Die Ursache wird von den zitierten Experten aber ganz unterschiedlich vermutet: höhere Calcium/Magnesiumkonzentrationen im Wein durch Entkalkung oder kalkreiche Böden, Chlorideintrag bei meeresnahen Lagen oder sonstigen Bodenversalzung, Hefestoffwechsel und Ähnliches. Man liest aber auch, dass zumindest erhöhte Calcium/Magnesiumkonzentrationen noch nie nachweisbar waren (und diese wären sehr einfach nachweisbar).

Zitiert wird auch als Paradebeispiel der Manzanilla-Sherry. Ich kann mir zwar ganz gut vorstellen, was in diesem Sherry damit gemeint ist, für mich drängt sich aber eher eine aromatische und geschmackliche Ähnlichkeit mit grünen Oliven auf, nicht mit Salz. Aber natürlich sind grüne Oliven meist recht salzig, daher vielleicht diese Assoziation ?

Grüße,
Gerald
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UlliB

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 15:53

Gerald hat geschrieben: [...] höhere Calcium/Magnesiumkonzentrationen im Wein durch Entkalkung oder kalkreiche Böden, [...]


Ich nehme mal an, dass hier nicht "Entkalkung" gemeint ist (das wäre ja auch widersinnig), sondern "Entsäuerung mittels Kalk". Aus einer nicht fachgerecht durchgeführten Entsäuerung mit Kalk können tatsächlich höhere Calciumwerte im Wein resultieren, die aber regelmäßig als Weinfehler adressiert werden - der Wein schmeckt dann "seifig". Im Übrigen wäre es traurig, wenn gerade chemisch entsäuerte Weine besonders mineralisch wirken würden... ;)

Gruß
Ulli
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Gerald

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 15:59

Sorry für den Tippfehler, klar war Entsäuerung gemeint :oops:

Im Übrigen wäre es traurig, wenn gerade chemisch entsäuerte Weine besonders mineralisch wirken würden...


genauso wie wenn die Vermutung mit dem "Jodgeruch" (Meerwasser?) stimmen würde und das Dimethylsulfid eigentlich aus einer leicht fehlerhaften Gärung stammt bzw. eine spezielle Ausprägung einer "Sponti-Note" (wie vor kurzem diskutiert) wäre ...

Grüße,
Gerald
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Bernd Schulz

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 16:07

ich wäre schon - fürs Erste - zufrieden, wenn mir jemand erklären kann, ob man "salzige Mineralität"
a) nur riechen kann
b) auch (oder nur) schmeckt
c) nichts dergleichen, sondern nur als Metapher für den Wein als Ganzes verwendet, wie z.B. "ein poetischer Wein" ...


Gerald, ich mache mein Kreuzchen bei b). Besonders häufig hatte ich die Assoziation der "salzigen Mineralität" übrigens bei Weinen von fränkischen Muschelkalkböden, und manchmal - bitte nicht lachen! - habe ich diese (Meeres)note auch in der Nase gespürt, wenn ich durch die enstprechenden Weinberge gelatscht bin.
Immerhin ist es mir mit Hilfe dieser mineralischen Eselsbrücke schon gelungen, in einer Blindprobe 2 Weine aus dem Muschelkalk gegen 2 andere aus Gipskeuperlagen klar abzugrenzen. Irgendeinen praktischen Wert scheint die Metapher also zu besitzen...

Beste Grüße

Bernd
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Gerald

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Re: Mineralität

BeitragMo 22. Aug 2011, 16:13

Aha, danke. Da werde ich einmal Weine aus Kalkböden (in Österreich z.B. aus der Thermenregion) genauer probieren, ob ich etwas in diese Richtung schmecken kann...

Grüße,
Gerald
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Markus Vahlefeld

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Re: Mineralität

BeitragMi 24. Aug 2011, 04:20

Kann gerade nicht schlafen, hier gehen Unwetter ab...

Ich kann Bernd nur zustimmen, dass Silvaner von Muschelkalkböden eine ganz eigentümliche Salzigkeit aufweist. Nun habe ich mich gerade gefragt, ob man Salzigkeit überhaupt nur schmeckt, wenn etwas "versalzen" ist... sonst ordnet sich Salz doch eher unter, oder irre ich mich da?

Vom Geschmackseindruck gehört "versalzen" ja auch in ein bestimmtes Mundgefühl, wo es etwas piekt und kribbelt und man zwischen Salzigkeit und leichter Schärfe nicht ganz sauber trennen kann. Irgendwo da ist auch der Eindruck von Salzigkeit im Wein angesiedelt. Ich mache mir aber weniger Gedanken darüber, ob das von Chloriden oder Terpenen kommt, sondern versuche dem sinnlichen Eindruck selbst auf die Spur zu kommen. Warum die "Salzigkeit" bei Silvaner so hervorsticht, erkläre ich mir mit der Tatsache, dass Silvaner eher auf der würzigen Geschmacksskala liegt und dadurch so eine Art Schärfe hinzutritt. Und bei Silvaner, der auf Fruchtigkeit getrimmt ist, tritt diese "Salzigkeit" dann auch wirklich nicht auf.

Bei einer Traubensorte wie Riesling ist die "Salzigkeit" auch anders. Sie tritt weniger im Mundgefühl auf, als vielmehr im Abgang, der ebenfalls eine leichte Schärfe und eine Art Prickeln hinterlässt. Bei mit Kohlensäure aufgehübschten Weinen fällt das auch auf, man fällt aber nicht drauf rein ;)

Nur kenne ich diese Salzigkeit bei Rieslingen auch eher bei denjenigen Exemplaren, die ebenfalls nicht auf Frcuhtigkeit getrimmt sind. Da ist zum einen der Restzucker, der diese Salzigkeit verdecken kann, aber wenn ein auch trockener Riesling auf Frucht getrimmt ist, tritt dieses sehr eigentümliche Würzaroma, das Riesling haben kann, in den Hintergrund und die Salzigkeit verschwindet. Ob es wirklich Salz ist, was man schmeckt, wage ich auch erstmal zu bezweifeln. Aber es muss eine Würzigket im Wein vorhanden sein, damit sich ein salziger Geschmackseindruck einstellt. Müssen wir würzig jetzt auch für Dich noch definieren, Gerald? ;)

Aber um zum Thema zurück zu kommen: ein mineralischer Wein MUSS nicht salzig schmecken. Nochmals: bei einem filigran-ätherisch schwebenden weissen Ch9dP stellt sich auch ein Eindruck grosser Mineralität ein, die vielleicht weniger sinnlich verankert ist, als in dem sich eigentlich widersprechenden Eindruck von hoher Eleganz, Feinheit und "Samtpfotigkeit" verbunden mit doch auch grosser Kraft und Länge und Tiefe. Das führt dann vielleicht eher im Kopf zu der Verbindung: Wahnsinn! Das Zeug hat soviel Extrakt, dass man von Mineralität sprechen kann, ohne dass sie von Plumpheit oder schierer Bolidenstärke überdeckt wird.

So in etwa...
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Gerald

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Re: Mineralität

BeitragMi 24. Aug 2011, 09:34

Hmm, aus der Mehrzahl der Wortmeldungen hier scheint sich folgendes Bild abzuzeichnen:

"Mineralität" ist ein Geruchseindruck, "Salzigkeit" hingegen ein Geschmackseindruck. Oft (aber keineswegs immer) kommen beide Eindrücke kombiniert vor.

Ich habe allerdings den Eindruck, dass nicht jeder überhaupt korrekt zwischen Geruchssinn und Geschmackssinn unterscheidet, was es schwer macht, die eigenen Eindrücke an andere weiterzuvermitteln.

Nur zur Info:

http://de.wikipedia.org/wiki/Olfaktorische_Wahrnehmung

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschmack_ ... indruck%29

und natürlich

http://de.wikipedia.org/wiki/Trigeminale_Wahrnehmung

Grüße,
Gerald

P.S. "Würzig" ist für mich eindeutig ein Geruchseindruck (erinnert an Gewürze, ohne sie näher zu definieren). Kann aber gut sein, dass das nicht jeder so sieht, vielleicht nennt der eine oder andere den Geschmackseindruck von Rindsuppe (Salzig + umami) auch würzig?
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Gerald

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Re: Mineralität

BeitragMo 11. Mär 2013, 10:58

Ein - zumindest für mich - ganz neuer Aspekt der "Mineralität" stammt von Marcus Hofschuster (gelesen auf facebook in einem Beitrag zu einem restsüßen Riesling):

Zucker puffert man mit Säure und umgekehrt. Ein Schmarrn. Eine Legende. Es stimmt so nicht. Saurer Wein wird mit Zucker süßsauer. Süßer Wein mit Säure ebenso. Wenn man Zucker gut unterbringen will, braucht man Bitterstoffe. Mineralik also. Und Phenole.


Mineralik = Bitterstoffe??? Jetzt bin ich endgültig verwirrt :o

Grüße,
Gerald
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Oberpfälzer

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Re: Mineralität

BeitragMo 11. Mär 2013, 12:23

Hi Gerald,

vielleicht meint er ja den englischen Begriff "also" :D Aber selbst dann wäre wohl kein Schuh daraus. :roll:
Servus
Wolfgang
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MichaelWagner

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Re: Mineralität

BeitragMo 11. Mär 2013, 14:22

schwieriges Thema:)

ich glaube, dass das was ursprünglich gemeint war, nämlich der Geschmack der Böden im Wein, der eigentlich nur bei dichten, komplexen Weinen mit hohem zuckerfreiem Extrakt wirklich schmeckbar ist und den geruchlichen und geschmacklichen Vergleich mit den Böden selbst wirklich zulässt - mittlerweile ziemlich verwässert ist.

Riecht/schmeckt man mal Schiefer - Achtung nicht schlucken... - und probiert eine trockene, dichte, Riesling-Auslese mit entsprechendem Abgang, dann sind diese "Aromen" voll da. Allerdings nicht bei einem mit Kohlensäure aufgehübschten, dünnen Schöppchen.

Leider wird der Begriff mittlerweile als Modebegriff inflationär genutzt. Gerade bei Verkostungen fällt auf, wie gerade etwas unerfahrene Verkoster ihn gern benutzen um noch unerfahrenere zu beeindrucken. Es ist wohl ähnlich wie bei Terroir - nicht überall wo es drauf steht ist es auch drin:)
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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