Terroir vs. Keller

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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UlliB
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von UlliB »

Markus Vahlefeld hat geschrieben: Auch wenn Mostklärung, Abstich und Füllmethode schon wichtig sind, hätte ich ihnen nicht die Dominanz über den Traubenausdruck zugetraut.


Markus,

das sind jetzt aber auch nur drei herausgegriffene Parameter aus vielen Dutzenden. Alleine wenn man die Gärung anschaut: Material des Gärgebindes, Größe und Form des Gärgebindes, Temperaturführung oder nicht (auch ohne kontrollierte Temperaturführung werden die Bedingungen in unterschiedlichen Kellern nicht gleich sein); das gleiche gilt dann für den Ausbau, und um hier nur ein paar Parameter zu nennen: Art und Form des Behältnisses, auf der Hefe oder nicht, wie lange, und wiederum die Temperaturfrage. Und dazu kommt möglicherweise noch die immer wieder diskutierte kellerspezifische Mikrobiologie. Die verschiedenen Faktoren werden auch ziemlich sicher nicht einzeln wirken, sondern in komplexer Weise interagieren.

Übrigens ist das hier beschriebene Phänomen im heiligen Gral der Terroiristen, dem Burgund, schon lange bekannt. Durch die dort auch heute noch recht häufigen Halbpachtregelungen gelangt gar nicht so selten absolut identisches Traubenmaterial in zwei verschiedene Keller und gibt dort dann grundverschiedene Weine.

Und weniger noch im Jungweinstadium.


Interessanter Punkt. Die Auffassung im Burgund ist, dass Unterschiede in Vinifikation und Ausbau gerade im Jungweinstadium zu spüren sind und mit der Zeit immer schwächer werden, d.h. das Terroir setzt sich auf Dauer gegen den Hausstil eines Winzers durch. Wenn das stimmt, sollten die Unterschiede zwischen den Weinen aus einer Lage mit zunehmender Reife geringer werden und nicht umgekehrt.

Gruß
Ulli
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Markus Vahlefeld
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von Markus Vahlefeld »

UlliB hat geschrieben:
Und weniger noch im Jungweinstadium.


Interessanter Punkt. Die Auffassung im Burgund ist, dass Unterschiede in Vinifikation und Ausbau gerade im Jungweinstadium zu spüren sind und mit der Zeit immer schwächer werden, d.h. das Terroir setzt sich auf Dauer gegen den Hausstil eines Winzers durch. Wenn das stimmt, sollten die Unterschiede zwischen den Weinen aus einer Lage mit zunehmender Reife geringer werden und nicht umgekehrt.

Ob es am Riesling liegt? Ich habe die gegenteilige Erfahrung gemacht: im Jungstadium sind die Weine oft ähnlicher als im gereiften Zustand. Vor allem die mit Reinzuchthefe vergorenen trockenen Weine zeigen diesen Umstand dann im Alter sehr eklatant und eben auch dominant.
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Charlie
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von Charlie »

grrrr, und diese Probe habe ich verpasst.

Fragen (Sorry, falls ich was übersehen habe):
- welche Hefen sind nun bei dem Setup eher zum Einsatz gekommen? Die aus dem Weinberg, die aus dem Herkunfts- oder die aus dem Zielkeller?

- haben die "eigenen" Weine, also die, bei denen die eigenen Trauben im eigenen Keller verarbeitet wurden, auch alle 3 jeweils typisch geschmeckt?
BerlinKitchen
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von BerlinKitchen »

Charlie hat geschrieben:grrrr, und diese Probe habe ich verpasst.

- haben die "eigenen" Weine, also die, bei denen die eigenen Trauben im eigenen Keller verarbeitet wurden, auch alle 3 jeweils typisch geschmeckt?


Man konnte die "eigenen" Weine zum Teil gut rausschmecken. Gerade der 1. Wein von Max von Kunow war eindeutig moselanisch und der Wein Nr. 5 von Johannes Hassebach war auch erkennbar. Beim "Heiligenstein" muß ich passen, da ich mit der Lage nicht sehr vertraut bin. Die wahren Meister im Erkennen der Lagen waren allerdings Felix "Schnutentunker" und Christian von der Weinhandlung "Suff" in Kreuzberg.

Ich persönlich fand allerdings die Interpretation der Winzer mit den fremden Trauben viel, viel spannender. Der "Scharzhofberg" von Alwin & Stefanie Jurtschitsch schmeckte für mich sehr österreichisch, d.h. üppiger in der ganzen Aromatik und Stilistik. Und die "Rothenberg"-Version von Max von Kunow hatte faszinierende moselanische Facetten mit mehr Finesse&Leichtigkeit&Spiel (Lieblingswein Nr. 3). Die "Rothenberg"-Version von Alwin & Stefanie Jurtschitsch war eigentlich die ideal-typische für mich, ein "Rothenberg" par excellance mit seinen erdigen&dunklen Aromen und einer straffen pointierten Mineralik. Kein Wunder, Stefanie Jurtschitsch ist die Schwester von Johannes Hasselbach und kennt somit den "Rothenberg" bestens. Beim 3. flight war der "Heiligenstein" von Max von Kunow der Hammer....... soviel Spannung, Würze, Fokus, Mineralität, Eleganz und Tiefe. Mein Wein des Abends. Ist das jetzt die Handschrift des Winzers oder doch die Trauben?! Und danach der eigene Wein von Alwin & Stefanie Jurtschitsch war ebenfalls mega-spannend und extrem gelungen. Mein Lieblingswein Nr. 2.

Grüße aus Berlin,
Martin Zwick
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Markus Vahlefeld
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von Markus Vahlefeld »

BerlinKitchen hat geschrieben:[
Ich persönlich fand allerdings die Interpretation der Winzer mit den fremden Trauben viel, viel spannender.

Und die Weine waren soooo verschieden? Das haut mich ziemlich um... :shock:

Fazit der Probe müsste daher sein: egal wo da Traubenmaterial herkommt, egal ob spontan oder ZH... der weitere Umgang mit dem Wein ist die entscheidende Stellgröße, die selbst den Ursprung des Traubenmaterials zu verschleiern imstande ist (ein moselanischer Österreicher!!!).
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Charlie
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von Charlie »

Martin, danke! Deine eigenen Eindrücke hatten sowieso gefehlt uns sind eine gute Ergänzung

Die Idee ist sehr gut. Mich wundert und freut sehr, dass Winzer sich darauf einlassen. Die müssen wirklich frisch im Kopf sein! Ihre Eltern (mindestens die beiden deutschen Winzer, den Kamptaler kenne ich nicht) haben alle großartihe Weine gemacht, aber ob sie sich auf ein solches Experiment eingelassen hätten?

Man sollte sowas hin und wieder probieren, vielleicht auf kürzere Entfernungen. Von Nierstein ins Hügelland oder ins Rheingau ist es ein Katzensprung ...
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von BerlinKitchen »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:
BerlinKitchen hat geschrieben:[
Ich persönlich fand allerdings die Interpretation der Winzer mit den fremden Trauben viel, viel spannender.

Und die Weine waren soooo verschieden? Das haut mich ziemlich um... :shock:

Fazit der Probe müsste daher sein: egal wo da Traubenmaterial herkommt, egal ob spontan oder ZH... der weitere Umgang mit dem Wein ist die entscheidende Stellgröße, die selbst den Ursprung des Traubenmaterials zu verschleiern imstande ist (ein moselanischer Österreicher!!!).


ein moselanischer Rothenberg!!!

Der "Heiligenstein" von Max von Kunow könnte durchaus österreichisch sein, er war dem Orginal recht nahe. Wie gesagt, ich bin mit der Lage "Heiligenstein" nicht vertraut.
Zuletzt geändert von BerlinKitchen am Di 3. Sep 2013, 11:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von BerlinKitchen »

Charlie hat geschrieben:Martin, danke! Deine eigenen Eindrücke hatten sowieso gefehlt uns sind eine gute Ergänzung

Die Idee ist sehr gut. Mich wundert und freut sehr, dass Winzer sich darauf einlassen. Die müssen wirklich frisch im Kopf sein! Ihre Eltern (mindestens die beiden deutschen Winzer, den Kamptaler kenne ich nicht) haben alle großartihe Weine gemacht, aber ob sie sich auf ein solches Experiment eingelassen hätten?

Man sollte sowas hin und wieder probieren, vielleicht auf kürzere Entfernungen. Von Nierstein ins Hügelland oder ins Rheingau ist es ein Katzensprung ...


Die sind sowas von frisch im Kopf und super-sympathisch. Das Projekt wird auch weitergeführt und die nächste Probe soll wohl in 6 Monaten stattfinden.
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BerlinKitchen
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von BerlinKitchen »

Heiligenstein natürlich
Zuletzt geändert von BerlinKitchen am Di 3. Sep 2013, 11:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Gerald
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Re: Terroir vs. Keller

Beitrag von Gerald »

Der "Heiligenberg" von Max von Kunow könnte durchaus österreichisch sein, er war dem Orginal recht nahe. Wie gesagt, ich bin mit der Lage "Heiligenberg" nicht vertraut.


die Lage heißt genau genommen Heiligenstein und hat in Österreich einen sehr guten Ruf für langlebige Rieslinge, vielleicht die einzige berühmte Rieslinglage außerhalb der Wachau. Persönlich haben mich die Weine von dort allerdings nie wirklich begeistern können, warum auch immer ...

Grüße,
Gerald
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