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Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

Von Korken, Kapseln, Kellermessern
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mixalhs

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Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragMo 11. Apr 2016, 07:57

Gestern abend haben wir meine neuen Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru getestet. Vergleichsmaßstab war mein bevorzugtes Standardglas "für jeden Tag", Stölzle Quatrophil Burgund. Verkoster waren vier erfahrene Weinliebhaber ohne private oder geschäftliche Verbindungen zu einer der beiden Manufakturen. Die Gläser wie auch die Weine waren auf eigene Kosten beschafft worden und waren keine Gratisgaben, weder von Herstellern noch von einschlägigen Händlern.

Weine:
R&C Schneider Spätburgunder R 2008
Voillot Pommard "Les Pèzerolles" 1er Cru 2010
Fenocchio Barolo Bussia 2010
Oikonomou Liatiko Grande Reserve 1999 (Kreta)
Oikonomou Liatiko Grande Reserve 1998 (Kreta)
Podere San Giacomo Brunello di Montalcino 2006

Generell wirkten die Weine aus dem Riedelglas in der Nase zunächst zurückhaltender, während einem die Aromen aus dem Stölzleglas förmlich in die Nase sprangen. Das liegt sicher daran, dass Stölzle als bauchiges Glas mit engerer Öffnung die Aromen stärker konzentriert, während das Riedelglas unten schlanker und oben breiter ist und sich zudem ganz oben nach außen öffnet. Wir empfanden das Riedelglas in dieser Hinsicht generell angenehmer. Deutliche Unterschiede beim Trinken gab es bei den ersten drei Weinen, bei den anderen waren sie nicht so extrem:

- Schneiders "R", jetzt auf dem Punkt und gut zu trinken, profitierte deutlich vom Riedelglas, wirkte komplexer, strukturierter, machte noch mehr Spaß als aus dem einfachen Glas. Wir fragten uns sogar, ob wir erkannt hätten, dass in beiden Gläsern ein- und derselbe Wein war, wenn wir nicht gewusst hätten, was wir trinken.

- Auch der Pommard, noch sehr jung, aber jetzt bereits gut zu trinken, profitierte vom Riedelglas. Auch hier setzte es dem Wein ein zusätzliches Glanzlicht auf.

- Der Barolo präsentierte sich - im Gegensatz zur Baroloprobe bei Harti vor einem Jahr - unzugänglich: kaum Frucht, kratziges Tannin. Das Riedelglas förderte die Problematik dieses Weins noch mehr und deutlicher zutage als das Stölzleglas: ein Wein, den man noch für mindestes fünf Jahre im Keller verschwinden lassen sollte, und wenn man ihn dann doch trinkt, auf keinen Fall aus dem Riedel Bourgogne GC.

- Die beiden Kreta-Weine waren sehr unterschiedlich, der 1999er phantastisch und jetzt auf dem Punkt mit feinen rosinigen Noten, der 1998er dagegen deutlich zu alt, wenn auch noch gut trinkbar. Beide Gläser arbeiteten die Eigenschaften der Weine gut heraus. Wieder konzentrierte das Stölzleglas den Geruch stärker als das sich oben nach außen öffnende Riedel Bourgogne GC. Geschmacklich lagen die beiden Gläser dann recht dicht beieinander, wobei im Riedelglas die Altersnoten des 1998ers stärker zutage traten.

- Der Brunello wirkte am Gaumen hart und tanninbepackt, war in der Nase deutlich angenehmer als am Gaumen. Hier wäre ein ganz anderes Glas, z.B. Bordeaux, wahrscheinlich besser gewesen.

Fazit: In der Tat ist das Riedel Bourgogne GC ein "analytisches" Glas. Insbesondere Burgundern setzt es, wenn sie gut sind, noch ein zusätzliches Glanzlicht auf. Dieses Erlebnis hatte ich übrigens auch bei meinem ersten "Versuch" mit diesem Glas und einem Saumagen 2013 von Rings vor ein paar Tagen. Bei unreifen bzw. verschlossenen sowie bei altersschwachen Weinen werden die Probleme deutlicher, wenn man das Riedelglas benutzt. Die Unterschiede waren bei den beiden Burgundern und beim Nebbiolo deutlicher ausgeprägt als bei den beiden anderen Weinen. Die Theorie, auf die wir uns dann geeinigt haben, ist, dass das Riedelglas aufgrund seiner besonderen Form (nach außen geöffnet) den Wein beim Trinken mit mehr Luft in Kontakt bringt. Solche Gläser entsprechen zwar nicht dem ästhetischen Zeitgeist und wirken gegen Zalto, Gabriel und Quatrophil fast schon barock, aber sie funktionieren: design follows function.

Caveat: Das hier Gesagte gilt natürlich nur im Vergleich zum Quatrophilglas von Stölzle. Mit Zalto, Gabriel oder welchem anderen Glas auch immer würde ein solcher Versuch vielleicht anders ausgehen.
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weingeist

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragMo 11. Apr 2016, 11:41

Hallo Michael!

Nachdem ich ja auch sehr gerne "Riedel" bevorzuge, habe ich Deinen Bericht natürlich interessiert gelesen.
mixalhs hat geschrieben:Die Theorie, auf die wir uns dann geeinigt haben, ist, dass das Riedelglas aufgrund seiner besonderen Form (nach außen geöffnet) den Wein beim Trinken mit mehr Luft in Kontakt bringt.
Ob das allerdings wirklich mit der Luftmenge im Zusammenhang steht, würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Ich habe mir jetzt beide Glasformen ebenfalls genauer angesehen und würde - ohne wissenschaftliche Betrachtung ;) - den Zusammenhang eher bei der Glasform (und dem dadurch unterschiedlichen Kontakt mit Deinen Lippen, dem Mund und Deiner Zunge) sehen.

Eklantant merkbar ist ein Unterschied auch, wenn man denselben Wein z. B. aus einem Riedel-Bordeaux-Glas oder einem Riedel-Jungweinglas trinkt (jedenfalls für mich).
Liebe Grüße
weingeist
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Weinschlumpf

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragMo 11. Apr 2016, 17:38

Hallo,

Deine Eindrücke lieber Michael kann ich voll und ganz bestätigen. Zum ersten Mal habe ich das Phänomen Sommerliers Burgunder GC vor vier Jahren eindrucksvoll erlebt. Zusammen mit zwei guten Weinfreunden aus meiner Heimat trank ich auf unserer alljährlichen Vorweihnachtssause (23.12.) mehrere gute junge, mittelalte und gereifte Burgunder aus verschiedenen Gläsern. Zunächst verwendeten wir alle als Zalto Burgunder Glas. Als dann ein 76er Romanee St.-Vivant der Domaine Romanee Conti an die Reihe kam und irgendwie verschlossen wirkte, bat ich den Gastgeber um besagtes Riedel Glas. Das war sofort ein gewaltiger Unterschied! Viel komplexer, eben offener und süßer in der Nase und am Gaumen. Meine Verkoster haben aus meinem Glas probiert und sind adhoc auf das Riedel Glas umgesprungen. Später haben wir alle vorherigen Weine nochmals rückwärts aus dem Riedel und dem Zalto parallel getrunken. Alle Weine haben vom Riedel Glas profitiert, manche mehr (gereift und jung) andere weniger (die mittelalten). Seit dem trinke ich gute Burgunder nur noch aus dem Goldfischglas.

Viele Grüße

Niko
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Charlie

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragDi 12. Apr 2016, 07:33

Danke für den Bericht. Hin und wieder versuche ich Wein aus meinen Reidel GC zu trinken und fand ihn immer zu schwächlich. Gut, es waren auch nie Grand Crus von guten Erzeugern und fetten Jahren dabei. Geholfen hat ein bisschen eine ordentliche Menge im Glas. Das Riedel GC ist sicher kein Probierglas. Aber ihr habt mir Mut gemacht, es wieder mal zu probieren. Aber dann sicher mit einem Pinot Noir.
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pivu

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragDi 12. Apr 2016, 09:40

vielleicht interessant in dem zusammenhang, als follow-up des stern-tests vor einigen jahren: http://bit.ly/1S2ELG8 . fazit: für top-pinots gibt's nix besseres als die riedel'sche "goldfish-bowl".

ciao
peter
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Dilbert

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragDi 12. Apr 2016, 10:04

Hallo Michael,

kann Deine Eindrücke ebenfalls nur bestätigen. Pinot Noir trinke ich fast ausschließlich aus dem Riedel Burgunder GC.

Ein wesentlicher Effekt liegt wohl darin, dass durch die Wölbung des Glases nach außen der Wein ohne eine weitere "Bruchkante" auf die Zunge gelangt. Das mildert das Säureempfinden ab und macht sich insbesondere bei säurebetonten Weinen wie Pinots oder auch bei Barolo positiv bemerkbar. Dadurch tritt z.B. die Süße stärker in den Vordergrund.

Gruß,
Jochen
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mixalhs

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragDi 12. Apr 2016, 10:30

Hallo Charlie,

ja, Du hast recht. Ein Probierglas ist das GC Bourgogne definitiv nicht. Wir hatten bei allen Weinen so eingeschenkt, dass die Oberflächen in den Gläsern etwa gleich groß waren. Da das Riedelglas unten wesentlich enger ist als das Stölzeglas, war jeweils mehr Wein drin. Wir waren vier Personen und haben den Wein auf acht Gläser verteilt, wobei in der Flasche meistens ein kleiner Rest blieb. Grob geschätzt waren die Riedelgläser mit also 8 bis 10 cl gefüllt.

Weniger sollten es meine Erachtens auch nicht sein. Riedel GC Bourgogne ist ein Trinkglas und kein Probenglas.

Herzlichst

Michael
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Ollie

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragDi 12. Apr 2016, 11:26

Auf der Probe kamen mir die eine aus dem Riedel koerperreicher, "mundfuellender" vor. Meine Vermutung: Das Glas hat einen oben einen groesseren Durchmesser (es ist groesser, zusaetzlich oeffnert es sich auf noch tulpenfoermig). Dadurch fliesst der Wein in einem breiteren Strahl in den Mund, er fuellt ihn tatsaechlich besser (rein physisch!, trifft dabei auf mehr Rezeptoren mit entsprechend einem Eindruck von "mehr Volumen", "mehr Fuelle" und einem intensitiviertem Geschmacksempfinden.

Weiterhin nahm ich an, dass die "Kippbewegung" des Glases einem ziemlich gleichen Timing folgt; das heisst, die Zeit, in der ich durch Neigen des Glases den Wein in meinen Mund schuette, ist ziemlich die gleiche. Weil der Strahl aber breiter ist, nehme ich auch tatsaechlich mehr Wein auf - schon rein mengenmaessig empfinde ich den Wein als "mehr". Ein grosser Schluck Bier schmeckt anders als ein kleiner, da braucht ich keine Bruchkanten fuer. :mrgreen:

Man vergleiche das mit dem INAO-Probierglas, aus dem man wie ein Spitzmaulfrosch verkostet.

Zum Unterschied im Geruch: Wie schon von mir auf der Probe angemerkt, haben wir beide Glaeser (Stoelzle und Riedel) nicht so eingeschenkt, das die Weinoberflaechen gleich gross waren. Verdunstung ist aber pro Flaeche, d.h. bei einer grossen Flaeche passiert einfach mehr. Das Verhaeltnis von Flaeche zu Weinvolumen bestimmt, wie schnell der Wein sich im Glas veraendert (das absolute Volumen des Wein, im Riedel viel groesser, sagt etwas ueber die Temperaturstabilitaet des Weines aus).

Nun ist die Hoehe des Glases sowie das Luftvolumen ueber der Weinoberflaeche ausschlaggebend dafuer, wie schnell welche Substanzen in welcher Konzentration am Glasrand vorliegen - wie bei unterschiedliche hohen und bauchigen Brennblasen (vgl. Whisky!) wird der Wein unterschiedlich fraktioniert. Offenbar funktioniert das Riedel zumindest bei Pinot viel besser als der neumodische Kram. Tatsaechlich ist diese Form des Burgunderglases ja schon in Anfaengerbuechern beschrieben.

Nota bene: Die Physik des Glases "erklaert" zwar die Unterschiede, beschreibt sie aber nicht, und schon gar nicht sensorisch. Was ich hier sagen moechte, ist lediglich, dass man keine esoterischen Ansaetze braucht, um Unterschiede zu plausibilisieren.

Daher wuerde ich mal vorschlagen, dass ein Glas, das aehnlich duennwandig wie das Riedel ist und eine aehnliche Form hat, auch ziemlich aehnlich funktioniert - mal so als incentive, auf Flohmaerkten nach alten Glaesern zu suchen, die nicht von Riedel sind und daher kein Monatsgehalt kosten. :mrgreen:

Cheers,
Ollie
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Ollie

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragDi 12. Apr 2016, 11:46

Nachtrag: Es scheint kein Zufall zu sein, dass diese Glasform, wenn sie denn so "koerpersteigernd" wirkt wie von mir (uns?) wahrgenommen, speziell fuer Pinots Noirs angepriesen wird - sind gerade Pinots vergangener Zeiten doch auf der eher schlanken Seite des Spektrums.

Ob daraus Moselkabinette wohl wie Sauternes wirken...? 8-)

Cheers,
Ollie
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Weinschlumpf

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Re: Riedel Sommeliers Burgunder Grand Cru

BeitragDi 12. Apr 2016, 12:31

Hallo Ollie,

Ollie hat geschrieben:
Daher wuerde ich mal vorschlagen, dass ein Glas, das aehnlich duennwandig wie das Riedel ist und eine aehnliche Form hat, auch ziemlich aehnlich funktioniert - mal so als incentive, auf Flohmaerkten nach alten Glaesern zu suchen, die nicht von Riedel sind und daher kein Monatsgehalt kosten. :mrgreen:

Cheers,
Ollie


also wenn schon incentive, dann doch bitte schön einen Kurztrip ins wunderschöne Kufstein. Einen Vormittag bei Riedel durch die 3. Wahl gearbeitet, et voila: Das 6er Set vom Goldfischglas mit kleinen Lufteinschlüssen in der Platte für freundliche 102€ (17€/Glas).

Beste Grüße

Niko
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