Di 12. Apr 2016, 12:26
Auf der Probe kamen mir die eine aus dem Riedel koerperreicher, "mundfuellender" vor. Meine Vermutung: Das Glas hat einen oben einen groesseren Durchmesser (es ist groesser, zusaetzlich oeffnert es sich auf noch tulpenfoermig). Dadurch fliesst der Wein in einem breiteren Strahl in den Mund, er fuellt ihn tatsaechlich besser (rein physisch!, trifft dabei auf mehr Rezeptoren mit entsprechend einem Eindruck von "mehr Volumen", "mehr Fuelle" und einem intensitiviertem Geschmacksempfinden.
Weiterhin nahm ich an, dass die "Kippbewegung" des Glases einem ziemlich gleichen Timing folgt; das heisst, die Zeit, in der ich durch Neigen des Glases den Wein in meinen Mund schuette, ist ziemlich die gleiche. Weil der Strahl aber breiter ist, nehme ich auch tatsaechlich mehr Wein auf - schon rein mengenmaessig empfinde ich den Wein als "mehr". Ein grosser Schluck Bier schmeckt anders als ein kleiner, da braucht ich keine Bruchkanten fuer.
Man vergleiche das mit dem INAO-Probierglas, aus dem man wie ein Spitzmaulfrosch verkostet.
Zum Unterschied im Geruch: Wie schon von mir auf der Probe angemerkt, haben wir beide Glaeser (Stoelzle und Riedel)
nicht so eingeschenkt, das die Weinoberflaechen gleich gross waren. Verdunstung ist aber pro Flaeche, d.h. bei einer grossen Flaeche passiert einfach mehr. Das Verhaeltnis von Flaeche zu Weinvolumen bestimmt, wie schnell der Wein sich im Glas veraendert (das absolute Volumen des Wein, im Riedel viel groesser, sagt etwas ueber die Temperaturstabilitaet des Weines aus).
Nun ist die Hoehe des Glases sowie das Luftvolumen ueber der Weinoberflaeche ausschlaggebend dafuer, wie schnell welche Substanzen in welcher Konzentration am Glasrand vorliegen - wie bei unterschiedliche hohen und bauchigen Brennblasen (vgl. Whisky!) wird der Wein unterschiedlich fraktioniert. Offenbar funktioniert das Riedel zumindest bei Pinot viel besser als der neumodische Kram. Tatsaechlich ist diese Form des Burgunderglases ja schon in Anfaengerbuechern beschrieben.
Nota bene: Die Physik des Glases "erklaert" zwar die Unterschiede, beschreibt sie aber nicht, und schon gar nicht sensorisch. Was ich hier sagen moechte, ist lediglich, dass man keine esoterischen Ansaetze braucht, um Unterschiede zu plausibilisieren.
Daher wuerde ich mal vorschlagen, dass ein Glas, das aehnlich duennwandig wie das Riedel ist und eine aehnliche Form hat, auch ziemlich aehnlich funktioniert - mal so als
incentive, auf Flohmaerkten nach alten Glaesern zu suchen, die nicht von Riedel sind und daher kein Monatsgehalt kosten.
Cheers,
Ollie