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Die Rebsorte im Dienste des Terroirs - Interview mit Bettane

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susa

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Die Rebsorte im Dienste des Terroirs - Interview mit Bettane

BeitragFr 24. Jun 2011, 10:34

http://www.lemonde.fr/economie/article/ ... _3234.html

Michel Bettane hat sich Fragen der "Internauten" gestellt, teilweise sehr interessant zu lesen. Ich glaube, wenn ein deutscher Weinjournalist diesen Nazivergleich (der in meinen Augen auch so nicht haltbar ist) gebracht hätte, dann ginge hier aber sicher ein Donnerhall durchs Land.

Am besten hat mir übrigens diese Bemerkung gefallen: "C'est le danger de tout esthétisme poussé jusqu'à la caricature. Des petits défauts sont nécessaires. Ce sont les signes d'une certaine originalité" im Zusammenhang mit seiner Feststellung, dass mit dem Bedürfnis einer einer größeren Perfektion die Weine sich auch immer ähnlicher werden, genau wie Models oder Filmstars. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und statt Originalität lieber von Individualität sprechen.

lieben Gruß
susa
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Gerald

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 11:29

Interessante Diskussion, danke für den Link. Obwohl ich auch den Nazi-Vergleich (Rebsorte = Rasse :shock: )

Je n'ai en aucune façon la religion du cépage, surtout lorsqu'il y a obligation de 100 % du même cépage pour porter le nom. La règle des 100 % est le triomphe de l'idéologie nazie, de la pureté de la race. Ils ont peut-être perdu la guerre, mais ont gagné le combat idéologique, avec le triomphe du cépage 100 %!


ganz abgesehen von der "politischen Korrektheit" für absoluten Stumpfsinn halte.

Ganz generell verstehe ich die Aufregung ja ohnehin nicht ganz. Dort, wo jeder die Weine vom Namen der Appelation her kennt (und weiß welche Rebsorten verwendet werden) wie bei Bordeaux oder Burgund, braucht man natürlich keine Rebsorten am Etikett. Bei weniger bekannten Regionen könnte die Rebsorte für den durchschnittlichen Konsumenten ein guter Anhaltspunkt sein, um sich unter dem Wein etwas vorzustellen.

Grüße,
Gerald
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octopussy

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 11:34

Hallo susa,

danke für den interessanten Link. Interessant finde ich v.a. die in dem Chat omnipräsente Diskussion über Rebsorte vs. AOC als Fokus des Marketings. Hierzu habe ich heute auch noch einen anderen Link gesehen: http://www.france24.com/en/20110623-fra ... -strategy#

Hier in Deutschland kriegt man es nicht so mit, aber ich glaube, dass viele AOCs in Frankreich tatsächlich sehr viel Aussagekraft haben einbüßen müssen, weil so viel durchschnittliches Zeug aus ihnen produziert wird. Trotzdem glaube ich, dass die stärkere Fokussierung auf die Rebsorte Frankreich speziell nicht helfen würde. Reinsortige Weine gibt es doch letztlich prominent nur aus dem Elsass, wo die Weine auch nach Rebsorte vermarktet werden, aus dem Burgund (Pinot Noir, Chardonnay, wobei dem Chardonnay in vielen AOCs ja auch bis zu 15% Pinot Blanc beigemischt werden dürfen), an der nördlichen Rhône (Syrah, Viognier), von der Loire und aus dem Beaujolais. Gut, das sind jetzt doch recht viele Gebiete, aber sämtlichen ist m.E. auch zu eigen, dass sie von ihren Apellations leben. Ein Puligny-Montrachet oder ein Chablis wäre doch nicht so gut vermarktbar, wenn irgendwo fett Chardonnay und die AOC nur irgendwo ganz klein drauf stünde. Einen Hermitage würde doch kein Mensch zu dem Preis kaufen, wenn nur fett der Erzeuger und Syrah drauf stünde und man die AOC auf dem Etikett suchen müsste. Bei Sancerre und Pouilly-Fumé gilt das Gleiche.

Und bei mehr als einer Rebsorte wird es aus meiner Sicht sowieso unübersichtlich. Insofern wäre gerade den für ihre Rotwein-Cuvées bekannten Gebiete in Südfrankreich m.E. nicht wirklich geholfen. Deshalb kann die Fokussierung auf die Rebsorte m.E. ohnehin das Marketing nur bei günstigen Weinen aus einer Rebsorte erleichtern. Und bei denen spielt die AOC m.E. ohnehin nicht die große Rolle, das kann ich aber falsch sehen.
Beste Grüße, Stephan
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octopussy

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 11:39

Gerald hat geschrieben: Bei weniger bekannten Regionen könnte die Rebsorte für den durchschnittlichen Konsumenten ein guter Anhaltspunkt sein, um sich unter dem Wein etwas vorzustellen.

Gerald, in vielen dieser weniger bekannten Regionen werden - soweit ich das überblicken kann - zu einem großen Teil Cuvées gemacht. Ich glaube auch, dass die Rebsorte nur da für eine größere internationale Bekanntheit sorgen würde, wo sie ohnehin international bekannt ist, also z.B. Chardonnay, Cabernet Sauvignon, Merlot, Sauvignon Blanc, Syrah. Bei Grenache oder Mourvèdre (nur als Beispiel) würde das m.E. nicht so gut funktionieren.
Beste Grüße, Stephan
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Gerald

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 11:40

Hallo Stephan,

bei einer mir völlig unbekannte AOC aus Südfrankreich könnte ich mir schon mehr darunter vorstellen, wenn Chardonnay oder meinetwegen Sauvignon blanc am Etikett steht. Wobei das bei den Roten wahrscheinlich kaum ein Thema ist, da es dort ohnehin meistens Cuvées aus den typischen Sorten der Region sind. Wenn aber statt dessen Merlot oder Cabernet Sauvignon am Etikett steht, weiß man auch wieder mehr darüber.

Wahrscheinlich ist das Thema vor allem für die preisgünstigeren Weine relevant, aber für die massive Überproduktion besonders im Midi gibt es vermutlich ohnehin keine anderen Absatzmöglichkeiten (ich glaube kaum, dass es einen Markt für 100 Weingüter nach Art von Clos des fées gibt).

Grüße,
Gerald

P.S. oops, hat sich mit deiner Antwort überschnitten ...
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thvins

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 11:57

Hallo Gerald,

du würdest im Midi mit Ausnahme von vielleicht Limoux keine AOC finden, wo Cab.Sauv, Merlot, Pinot noir oder Chardonnay "zugelasssen" sind, für Sauvignon gar keine...

Dafür gibt es die zig verschiedenen Vin de Pays - und die drucken, seit ich denken kann, die Rebsorte mit aufs Etikett, wenn es ein 100%iger ist - aus eben genau den vermarktungstechnischen Gründen, die du ansprichst.

Das Dilemma der Vielfalt der französischen AOC´s ist wirklich, dass es nie eine Einheitlichkeit geben kann, jede AOC hat ihre ihr eigene Regel, auch hinsichtlich Rebsorten (erlaubt / nicht erlaubt und Mischungsverhältnisse in den Cuvées), das ist enorm anstrengend, weil man wirklich genau Bescheid wissen müßte über die AOC (was darf sein, was ist das angestrebte Optimum etc.), um dann einordnen zu können, wie gut ein Wein die AOC interpretiert (lies, wie optimal sie an der jeweiligen AOC Regel ist).

Die ganzen in Petersbach in den Nordvogesen und anderen Orten für deutsche und vielleicht auch anderswo Discounter / Supermärkte abgefüllten Retorten AOC Weine sind eigentlich das Qualitätsgift schlechthin... Woher will man wissen, was da genau wirklich in welche Flasche kommt. Aber Frankreichs Autoritäten schauen genau so zu wie die EU - hier wird das größte Schindluder an den AOC´s verbrochen, nicht durch selbstvermarktende Winzer innerhalb der Appelationen.

Es müßte einfach die Regel gelten, dass AOC nur dann auf dem Etikett stehen darf, wenn der Wein innerhalb der AOC angebaut, ausgebaut und abgefüllt ist. Dann müßten fast oder vielleicht sogar alle französischen Weine deutscher Discounter als das etikettiert werden, was sie wirklich sind: Vin de tres mauvaise et pauvre table... :twisted: :mrgreen:

Schon hätten die AOC´s etliches von ihrer Reputation zurück.
Beste Grüße

Torsten

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Gerald

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 12:07

Hallo Torsten,

danke für die Erklärung, ich habe angenommen, dass sich die Diskussion auf den gesamten französ. Weinmarkt bezogen hat und nicht nur auf die AOC (kommt davon, wenn man mit etwas eingerosteten Französischkenntnissen einen Text mehr überfliegt als genau liest :oops: ).

Stellt sich die Frage, ob Änderungen in diesem Bereich wirklich viel für den Absatz bewirken würden. In Frankreich ist doch einfach der Inlandsabsatz stark zurückgegangen und ob für den Export die Angabe von "Cuvée aus Mourvèdre, Grenache und Cinsault" viel ändern würde, ist eher zweifelhaft.

Grüße,
Gerald
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thvins

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 13:48

Hallo Gerald,

auch in Frankreich ist es so, dass weniger, aber eher hochwertiger getrunken wird. Verlierer sind eher die minderwertigen Weine, die Jahrelang en vrac verkauft wurden. Auch das geht nur noch, wenn ein Mindestmass an Qualität stimmt. Bei meinen Freunden z.B. stand immer der Wein der Genossenschaft en Vrac auf dem täglichen Tisch, grauenhaftes Zeug mitunter - 1 bis 2 € der Liter. in den letzten Jahren abgelöst durch Flaschenwein (Vin de Pays / AOC schon besserer Qualität für 4 bis 6 € pro Flasche. Es wird weniger Wein, aber dafür besserer getrunken. War früher der Wein allbeherrschend, so gibt es heute vor dem Essen einen Pastis (man ist im Midi) oder ein Bier vorweg (oft auch beides). Zum Essen dann nach wie vor den inzwischen besseren Alltagswein aus der Flasche und wenn der Tag gut war, gibt es noch was Gutes hinterher. Ich denke, so ähnlich ist das Muster inzwischen in vielen normalen französischen Haushalten.

Ein zweiter, nicht zu unterschätzender Punkt sind die regelmäßigeren Polizeipräsenzen. Wurde mittags vor einigen Jahren immer die Flasche billigsten Weines zum Menü im Restaurant, Bistro, an der Bar etc. auf den Tisch gestellt und jeder Verkehrsteilnehmer vom Fernfahrer bis zum Polizisten (ja auch das hab ich schon gesehen) labte sich dran, so weichen heute viele auf ein Bier aus (was ja dort meist auch nur 0,25 l oder 0,33 l ist) und etliche Autofahrer trinken heute eher sogar Wasser. Wer gut isst, bestellt eh besseren Wein und nimmt nicht den Vin de la maison, der meist nach wie vor eh schrecklich ist. All dieses Umdenken führt natürlich zu weniger Weinabsatz.

Ob die Angabe der Rebsorten so viel umsatzfördernder ist, auch das wage ich zu bezweifeln. Zumindest die Franzosen in den Weingebieten trinken meist regional, probieren, wo es geht vorher und die guten Sachen sprechen sich rum. Egal, ob rebsortenreine Vin de Pays oder AOC´s, getrunken wird das, was gefällt und meist bleibt man für den täglichen Konsum auch dabei. Da hat man so seine Favoriten.
Beste Grüße

Torsten

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susa

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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 15:44

Ich glaube, bei der Diskussion geht es um die Exportchancen, man meint wohl, dass sich die Absatzchancen französischer Weine im (überseeischen) Ausland erhöhen, wenn sie entweder nach der Rebsorte benannt sind oder die Rebsorten angegeben sind.

Ich wage das zu bezweifeln.

Das Problem vieler Winzer, Beispiel hier weite Teile des Languedoc, ist eher, dass sie egal mit welcher Regbsorte am Markt vorbei produzieren und ihre Absatzrückgänge auf alles mögliche schieben, auf Sarkozys no-alc-Politik, auf die EU usw. nur nicht darauf, dass ihre Weine von einer Qualität sind, die wirklich keiner mehr will.

lieben Gruß
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Re: Die Rebsorte im Dienste des Terrois - Interview mit Bett

BeitragFr 24. Jun 2011, 15:49

nur nicht darauf, dass ihre Weine von einer Qualität sind, die wirklich keiner mehr will.


ich bin mir nicht sicher, ob das alleine an der Qualität liegt und nicht auch daran, dass sich die Zeiten so geändert haben, dass es z.B. immer weniger Menschen möglich ist, zu Mittag Wein zu trinken. So hart es für den einzelnen Winzer ist, trotzdem muss sich früher oder später das Angebot an der (sinkenden) Nachfrage orientieren.

Grüße,
GErald
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