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Alice Feiring - The Battle for Wine and Love

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octopussy

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Alice Feiring - The Battle for Wine and Love

BeitragMo 7. Feb 2011, 10:17

Hat schon jemand das Buch "The Battle for Wine and Love: Or How I Saved the World from Parkerization" von Alice Feiring gelesen? Ich habe im französischen Gault Millau ein Interview mit der Autorin anlässlich der französischen Übersetzung des Buches gelesen. Das Buch klingt dem Titel nach etwas reißerisch, ich erhoffe mir aber etwas mehr Informationen darüber, mit welchen technischen Finessen viele Winzer heute arbeiten, um ihre Weine dem weltweiten Geschmack anzupassen.
Beste Grüße, Stephan
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octopussy

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Re: Alice Feiring - The Battle for Wine and Love

BeitragDi 22. Feb 2011, 11:23

Da hier niemand gesagt hat: "Kauf das Buch bloß nicht, totaler Schrott" habe ich es mal gekauft und auch gelesen. Leider ist es wirklich schlecht, ich hätte es bei dem Titel eigentlich ahnen müssen. Was stört mich?

1. Der Titel ist irreführend. Um Parker an sich geht es nur in einem (dem schlechtesten) Kapitel des Buches. In den anderen Kapiteln reißt Frau Feiring zwar manchmal an, dass ihr die Prä-Parker Baroli, Côte Roties und Riojas viel besser schmecken und authentischer sind. Aber letztlich fehlt völlig eine auch nur ansatzweise nachvollziehbare Analyse des Zusammenspiels zwischen Parkers Bewertungen, Veränderungen im Weingeschmack und veränderten Herstellungsmethoden.

2. Das Buch ist völlig diffus geschrieben. Es ist letzlich ein kruder Mix aus Reise- und Weineindrücken, der Verarbeitung zerbrochener Beziehungen in Carrie Bradshaw Manier (nur schlechter) und der Schilderung persönlicher Vorlieben. Frau Feiring hat auch einen Blog und das Buch wirkt, als hätte sie ihre Blog-Einträge zusammengestellt und irgendwie versucht, einen roten Faden reinzubringen. Letzteres ist ihr leider nicht gelungen.

3. Alice Feiring agiert nach dem Prinzip "Fight fire with fire". Sie betont ständig (selbst und durch Zitierung von Winzern), dass Parker nur einen sehr eingeschränkten Horizont und Geschmack hat, keine Winzer besucht, seinen Einfluss missbraucht, seiner Verantwortung nicht gerecht wird, etc. Selbst jedoch spricht sie sämtlichen Weinen, die auch nur einen Deut von lokalen Traditionen abrücken, Authentizität ab und tut sie meist pauschal als platt, breit, zu gefällig, etc. ab. An die Stelle von Parkers stellt sie ihren eigenen Geschmack als absolut richtig dar.

4. Alice Feiring überschätzt sich total. Beim Lesen des Buches bekommt man den Eindruck, dass hier eine passionierte Weinliebhaberin schreibt, die viel probiert hat, viel vor Ort war und einiges gesehen hat. Man bekommt aber auch den Eindruck, dass sie der Ansicht ist, selbst den Konsumentengeschmack zu beeinflussen/beeinflussen zu können. Leider ist sie aber in ihrem eigenen, persönlichen Geschmack dem Buch nach zu urteilen so limitiert, dass sie wohl kaum eine größere Gruppe von Konsumenten erreichen kann. Der Titelzusatz "or how I saved the world from Parkerization" sagt eigentlich schon alles. Das ist leider auch kein reißerischer Zusatz des Verlages, sondern sie geht ehrlich und ernsthaft in dem Buch darauf ein.

5. Alice Feiring schreibt allenfalls mittelmäßig.

Aus dem Thema hätte man so viel mehr machen können. Ich persönlich halte die Tendenz der "Parkerisation" des Weingeschmacks nicht für ein Spukgespenst, sondern für real. Daran hat m.E. nur nicht primär Parker schuld, sondern die Weinkonsumenten, die seinem Weingeschmack blind folgen. Ein paar andere Fragen hätten mich viel mehr interessiert: Warum verlassen sich die Weinkonsumenten eigentlich so stark auf die Parkerpunkte? Warum kaufen die Leute dicke, breite, marmeladige Rotweine?

Im Fazit kann ich dieses Buch nicht zur Lektüre empfehlen.
Beste Grüße, Stephan
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susa

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Re: Alice Feiring - The Battle for Wine and Love

BeitragDi 22. Feb 2011, 14:09

octopussy

da mich das Thema auch gereizt hat, habe ich mir dieses Buch ebenfalls gekauft und kann Dir in allen Punkten nur zustimmen; mit einem Unterschied - ich hab es gar nicht bis zu Ende gelesen und ich glaube, ich muss das jetzt auch nicht mehr nachholen ;).

lieben Gruß
susa
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BuschWein

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Re: Alice Feiring - The Battle for Wine and Love

BeitragDi 22. Feb 2011, 15:13

Die Chimäre von der Parkerizierung des Weins.

Spätestens seit Mondovino ist es dem aufgeklärten Weinfreund, insbesondere dem europäischen Weinfreund, klar, der Untergang der Wein-Kultur kommt mal wieder aus Amerika und ähnlich wie in Politik und Kunst hat dieser Untergang mal wieder etwas mit Demokratie zu tun. Denn die einzige echte Neuerung die Parker in die Weinwelt brachte, war dass er die höchsten, teuersten und edelsten Weine mit ganz normalen Alltagsweinen vergleichbar gemacht hat. Nach Parker galten weniger lange Tradition und alter Weinadel, nach Parker musste jeder Jahrgang wieder aufs neue beweisen das er etwas besonderes ist und die Grand Crus mussten sich den Vergleich mit bürgerlichen Weinen gefallen lassen. Oder Bordeaux durfte nach Parker auch mit Kalifornien, Chile oder dem Languedoc verglichen werden, vorher eher undenkbar.

Dass Parkers Geschmack so eindimensional sein soll, konnte noch kein Kritiker wirklich beweisen, dass Parker aber alle Weine nach ähnlichen Kriterien beurteilt hat eben wieder etwas mit Demokratisierung zu tun. Seine Ansprüche an einen Landwein von der Loire sind eben die gleichen, die er auch an einen Chateauneuf du Pape stellt. Natürlich kann man darauf antworten, dass so die Typizität der Regionalweine verloren geht, vielleicht ist das sogar wirklich so, aber was viel wichtiger ist, es geht auch die Legende verloren, dass manch schräger Geschmack Terroir sei, der viel häufiger ein simpler Weinfehler als echtes Terroir war.

Sprich durch Parker sind die Konsumenten kritischer geworden und durch Parker mussten sich die großen Weine der Welt wieder sehr viel mehr im Wettbewerb beweisen, gerade in Bordeaux ist das doch sehr deutlich geworden, die Breite der Qualität ist in der Region doch heute viel größer als sie es vor Parker war, an der Rhone ist es nicht viel anders. Heute muss ein Weingut nicht über mehrere Generationen großartige Weine erzeugen um bekannt zu werden, dank Parker kann das innerhalb eines Jahres geschehen. So etwas verändert natürlich auch unsere Sicht auf Winzer und Weine.

Und zu guter Letzt, neben Parker gibt es noch einen einfachen anderen Grund warum heute die internationale Weinwelt ähnlicher wird, es ist heute viel einfacher zu erfahren wie guter Wein gemacht wird, Weinbau wird nicht mehr hauptsächlich von der Elterngeneration an die Kinder weitergegeben, Weinbau wird universitär gelehrt und in Praktikas weltweit gelernt. Auch das führt natürlich dazu, dass die Weine der Welt sich ähnlicher werden. Aber immerhin ähnlicher auf höherem Niveau, eigentlich angenehm für den Weinfreund.
Armin
www.gutsweine.com

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austria_traveller

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Re: Alice Feiring - The Battle for Wine and Love

BeitragDi 22. Feb 2011, 15:17

Gut geschrieben, Armin :!:
Beste Grüße
Gerhard aus Wien

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