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Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 16:18
von Gerald
Der streitbare Händler Martin K. hat einen neuen verbalen Rundumschlag gestartet. Diesmal geht es gegen "seine" Winzer, die auch andere Händler (insb. Online) beliefern ...

http://www.weinhalle.de/blog/2013/05/pl ... ne-winzer/

Natürlich darf er sich ja wünschen, dass seine Lieferanten ihn exklusiv beliefern und damit zufrieden sind. Aber ob das sehr realistisch ist - besonders unter der von ihm ohnehin geschilderten Problematik, dass diese ihre Produktion oft nicht absetzen können? Und natürlich ist die Sache wieder sehr freundlich formuliert, so dass jeder Winzer froh sein wird, mit ihm einen so netten Handelspartner zu haben ;)

Das veranlaßt mich zu einem Appell für ein anderes Verhältnis zwischen Winzer und Händler. Leider scheinen die meisten Winzer keine Ahnung von Distributionsqualität und Vertrieb zu haben. Sie haben kein auf ihre Weinqualität bzw. ihre Betriebsphilosophie abgestimmtes Vertriebskonzept, viele von ihnen verkaufen inzwischen an jeden, der ihre Weine haben will.


Die Gier hat auch einige unserer Winzer erfasst, die EU-Subventionen taten das ihre dazu, und schon stehen auch seriöse Bio- und Biodynamikwinzer unter Mengendruck und Verkaufszwang. Statt sich nun aber mit ihren bewährten Händlern an einen Tisch zu setzen und nach einem gangbaren Weg für alle zu suchen, verkaufen sie aus offensichtlicher Panik ohne jede Rückkopplung an ihre bisherige Distribution an jeden, der anfragt.


Ob das diese Winzer nur aus Jux und Tollerei machen? Kann es nicht sein, dass es ihnen gar keine andere Möglichkeit bleibt, wenn sie nicht zusperren wollen? Ich nehme einmal stark an, diese Winzer hätten nichts dagegen, wenn MK ihnen ihre gesamte Produktion abnehmen würde ...

Quasi über Nacht scheinen sie keinen Wert mehr auf unsere langjährige Arbeit zu legen, die versucht hat entsprechend kompetent ihre Philosophie den Kunden zu kommunizieren. Nun sollen wir für ihre Versäumnisse büßen.


Und natürlich noch eine Drohung:

Die Konsequenz des Fachhandels liegt auf der Hand: Wer in der Qualität seines Vertriebs der Weinqualität nicht entspricht, wird aus dem Programm genommen.


Seitens von Aldi oder Rewe wäre das tatsächlich eine ernsthafte Drohung. Aber gilt das auch für die Mengen, die die Weinhalle abnimmt? Ich weiß es persönlich nicht, kann es mir aber schwer vorstellen ...

Für mich hört sich das Ganze nach dem Wehklagen eines Händlers an, der mit den aktuellen Entwicklungen im Weinhandel nicht mehr zurecht kommt.

Grüße,
Gerald

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 17:39
von harti
Danke für den Link, Gerald. Ein ausgezeichneter Beitrag von Martin Kössler, der die Probleme des Fachhandels und der mit ihm verbundenen Lieferanten deutlich und gut nachvollziehbar herausgearbeitet hat.

Grüße

Hartmut

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 17:51
von Gerald
Ja, ich kann den Ärger von Kössler ja nachvollziehen. Aber ob man das Problem löst, indem man die Winzerschaft pauschal für ahnungslos erklärt?

Ist ja eigentlich genau dasselbe wie beim Fachhandel in anderen Bereichen. Der Kunde lässt sich beraten und kauft dann woanders (z.B. online), wo es billiger ist. Aber mit Beschimpfung der "dummen Lieferanten" löst man auch nichts, oder?

Letztendlich wäre die Sache doch einfach: er schließt mit seinen Vertragswinzer einen mehrjährigen Vertrag ab, wo beide Seiten bestimmte Verpflichtungen eingehen. Der Händler, dass er die Weine entsprechend promoted und der Winzer, dass er seine Distribution vorher festlegt - im Extremfall als Exklusivvereinbarung mit dem Händler.

Grüße,
Gerald

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 19:36
von C9dP
Hallo Gerald,

ich fand den Artikel auch interessant, kann jedoch das Ziel auch nicht ganz erkennen. Interessieren würde mich vor allem, welche Wettbewerber er eigentlich meint.

Das sich Betriebe bei Erfolg vergrößern und den Gewinn erhöhen wollen ist doch ganz normal. Und schließlich geht es auch bei den Winzern um eine Risikodiversifikation. Das Risiko bei der Insolvenz eines Exklusivlieferanten und auch das Risiko eines Preisdiktats ist doch in der von Herrn Kössler gewünschten Welt deutlich größer als bei einem breit gefächerten Distributionsportfolio. Als Winzer wäre ich aber durchaus bereit einem Multiplikator wie Kössler einen höheren Rabatt einzuräumen, damit dieser dann über die höhere Marge eine entsprechende Aufwandsentschädigung bekommt.

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 19:59
von Gerald
Hallo Aloys,

Als Winzer wäre ich aber durchaus bereit einem Multiplikator wie Kössler einen höheren Rabatt einzuräumen, damit dieser dann über die höhere Marge eine entsprechende Aufwandsentschädigung bekommt.


so ungefähr hätte ich das auch gedacht. Wenn Kössler intensiv Werbung für ein bislang unbekanntes Weingut macht, dann sollte er vertraglich vereinbaren, dass er auch davon profitiert. Entweder durch einen Exklusivvertrag, über Sonderrabatte oder was auch immer. Dann gäbe es auch keinen Grund zu klagen.

Wenn er das vergessen hat - selbst schuld. Und wenn der Winzer das abgelehnt hat, dann hätte er einfach die Weine ohne besondere Werbung mitlaufen lassen sollen. So wie wenn das Produkt ganz unten oder ganz oben im Supermarkt steht, während die Produkte der "bevorzugten" Hersteller in Sicht- oder Griffweite stehen.

Ich glaube eigentlich schon, dass auch der etablierte Fachhandel seine Chancen hat, die einem Online-Startup nicht so ohne weiteres offen stehen. Nur muss man sie nützen statt jammern und die Winzer beleidigen ...

Grüße,
Gerald

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 20:05
von susa
Ich hab's auch mit ziemlichem Grausen gelesen. Immerhin bietet er "seinen" Winzern in dem Artikel an, dass sie bevor sie andere Schritte gehen, sich erst mal an ihn wenden sollen, damit man gemeinsam überlegen kann, wie man das (vermutete) Unheil vermeiden kann.

Ich hab ehrlich gestanden immer so mein Problem mit Händlern, die die Betriebswirtschaft gering achten und meinen, mit Philosophie allein wär's getan.

Den von Koesler herbeigeschriebenen Verlust des guten Rufes bei seinen Winzern halte ich auch für etwas weit hergeholt. Abgesehen davon ist der Artikel viel zu lang ;).

lg
s

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 21:06
von C9dP
Ich hab ehrlich gestanden immer so mein Problem mit Händlern, die die Betriebswirtschaft gering achten und meinen, mit Philosophie allein wär's getan.


Hallo Susa,

das ist leider ein weit verbreitetes Problem kleinerer Unternehmer. Die sind fachlich sehr gut, haben aber leider wenig betriebswirtschaftliche Kenntnisse und haben daher einen Wettbewerbsnachteil. Ich meine das nicht als Vorwurf sondern finde das häufig schade.

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 21:15
von Gerald
Vor allem vermisse ich in Kösslers Ausführungen jegliches Einfühlungsvermögen für Winzer, die es auch oft nicht leicht haben. Die hohen Ausgaben für Keller und Co müssen auch wieder verdient werden. Wenn da einmal der Verkauf nicht wie geplant funktioniert, kann man nicht einfach die Hände in den Schoß legen, sondern muss nachdenken, wie man seine Absatzchancen verbessern kann.

Im übrigen würde ich - wäre ich einer der im Lamento angesprochenen Winzer - erst recht jetzt versuchen, meine Absatzwege zu diversifizieren. Denn der Schluss liegt nahe, dass es der Weinhalle nicht mehr so gut geht - und wenn der einzige Händler dann wegfallen würde, wäre das ganz besonders ungünstig :(

Grüße,
Gerald

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 21:23
von C9dP
Im übrigen würde ich - wäre ich einer der im Lamento angesprochenen Winzer - erst recht jetzt versuchen, meine Absatzwege zu diversifizieren. Denn der Schluss liegt nahe, dass es der Weinhalle nicht mehr so gut geht - und wenn der einzige Händler dann wegfallen würde, wäre das ganz besonders ungünstig


Das ist durchaus auch ein Gedanke der mir kam. Bei Kösslers Ruf glaube ich aber durchaus, dass er den Artikel aus persönlicher Überzeugung und nicht aus wirtschaftlicher Not geschrieben hat. Der Standpunkt hat aus seiner Sichtweise auch durchaus Sinn, blendet aber die andere Seite der Medaille völlig aus.

Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

BeitragVerfasst: Fr 17. Mai 2013, 22:30
von MichaelWagner
Das Thema Exklusivverträge mit abnahmeverpflichtung klingt zwar erstmal gut und naheliegend, aber wie heißt es so schön: Verträge sind für den Krieg gemacht, nicht für den Frieden.

Das Wettbewerbsumfeld des stationären Facheinzelhandels wird sich dadurch nicht verändern. Steigende Konzentration und Preisdruck im LEH, vergleichbare und günstigere Qualitäten der Direktvermarkter werden auch in Zukunft in dieser vertriebsschiene für härtere Zeiten sorgen.

Die sinkenden Absätze über diese Schiene müssen auf beiden Seiten kompensiert werden. Der Fachhändler sucht das nächste "große Ding" um sich zu differenzieren und dafür fällt wie kössler selbst sagt ein Winzer aus dem Regal und muss sehen wer nun seine Weine verkauft. Zugegebenermaßen prognostizieren manche Winzer auch einfach das Wachstum des Vorjahres auf die nächsten 10 Jahre und bringen sich ein wenig selbst in die Predoullie. Von den folgenden qualitätsrüxkgängen mal ganz zu schweigen.

Finde die Darstellung etwas einseitig. Böse Winzer gegen gute Fachhändler. Es gibt denke auf beiden Seiten partnerschaftlich arbeitende Betriebe und eben andere. Da braucht's keinen Vertrag, ein Handschlag reicht dann aus.