Skurriles Winzer-Interview

[Gerald]

Im aktuellen Flyer der größten österreichischen Weinhandelskette gibt es ein kurzes Interview mit dem "Winzer des Monats" E. Sabathi, nachzulesen auch online:

http://www.weinco.at/story/21392

Die Statements darin kommen aber mir zumindest teilweise recht merkwürdig vor, so z.B.

Ich sage immer, wir sind Weinbauern und keine Winzer. Die Kunden sehen oft nur die Seite des Verkaufens, aber tatsächlich spielt sich unser Leben im Weingarten ab.

Ein Winzer ist also jemand, der nur Wein verkauft, aber nie selbst im Weingarten ist, außer vielleicht bei einer Tour mit Prominenten durch die Lagen - am besten mit dem Quad, damit sich niemand anstrengen muss?

http://de.wikipedia.org/wiki/Winzer sieht es zwar anders, aber das muss ja nicht stimmen ...

Und - konsequent weitergedacht - weniger lustig:

Mein Lieblingsspruch ist: Ein Leben ohne Wein ist nicht lebenswert.

Was passiert eigentlich, wenn er einmal aus gesundheitlichen Gründen keinen Alkohol mehr trinken darf? Muss er dann seinem Leben ein Ende setzen?

Vielleicht bin ich ja kleinlich, aber ob ein solches Interview dem guten Mann wirklich zum Vorteil gereicht? Oder es wird von den meisten Empfängern des Flyer ohnehin nicht gelesen - man schaut sich nur die Bilder an?

Grüße,
Gerald

[Markus Vahlefeld]

Meist sind das Marketingprofis, die so etwas schreiben und denken, das wäre originell

[Gerald]

Meist sind das Marketingprofis, die so etwas schreiben und denken, das wäre originell

das heißt, die guten Leute drehen dem Winzer (oder von mir aus Weinbauern ) die Worte im Mund um, damit es spannender klingt? Und der Winzer sich blamiert?

Der Winzer müsste das Endergebnis doch wenigstens noch vor Druck sehen und ggf. Einspruch erheben können, oder?

Grüße,
Gerald

[susa]

Dem Winzer erzählt der Marketingprofi dann, das sei eben Marketing und davon habe er keine Ahnung, er solle ihn mal machen lassen und sich selber besser nur aufs Weinmachen (und -verkaufen ) konzentrieren.

Und schon ist der Fundus unfreiwillig komischer Selbstdarstellungen um einen Eintrag reicher.

lg
s

[Markus Vahlefeld]

Meist haben Winzer etwas besseres zu tun, zumal wenn sie Weinbauern sind

Im Ernst: manche Winzer geben ihren Marketingfuzzis sogar eine Vollmacht, für sie sprechen zu können, damit sie mit "was will uns der Winzer damit sagen" nicht belästigt werden.

[Gerald]

Also wenn das für den Fall Brüderle auch gilt, dann verstehe ich gar nichts mehr

Grüße,
Gerald

[Einzelflaschenfreund]

Hallo Gerald,

Ich sage immer, wir sind Weinbauern und keine Winzer. Die Kunden sehen oft nur die Seite des Verkaufens, aber tatsächlich spielt sich unser Leben im Weingarten ab.

Ein Winzer ist also jemand, der nur Wein verkauft, aber nie selbst im Weingarten ist, außer vielleicht bei einer Tour mit Prominenten durch die Lagen - am besten mit dem Quad, damit sich niemand anstrengen muss?

Deine Interpretation teile ich nicht bzw. finde ich deine Argumentationslogik fehlerhaft. Imho wollte Sabathi darauf hinaus, dass die Bezeichnung WeinBAUER den landwirtschaftlichen Aspekt seines Berufs stärker betont als der Begriff des Winzers. Und das auch nicht unbedingt bezogen auf das zugrundegelegte Selbstverständnis, sondern auf die Außenwahrnehmung. Er scheint zu meinen, dass für Kunden eben die Aspekte des Berufs außerhalb von Weinpräsentation und Verkauf eher ausgeblendet werden und der WeinBAUER eher den Blick darauf lenkt, dass er so etwas wie ein spezialisierter Landwirt ist.
Der Rest ist Polemik von deiner Seite.

Eher schon könnte man diskutieren, ob seine Aussagen zur Bedeutung der Arbeit im Weingarten nicht im Widerspruch hierzu stehen: "Der bewegendste Schritt für mich persönlich war aber die neue Produktionsstätte ..." Also ist für ihn doch die Kellerarbeit wichtiger als die Arbeit im Weingarten?

Mein Lieblingsspruch ist: Ein Leben ohne Wein ist nicht lebenswert.

Dazu mag ich nicht viel sagen, außer dass ich deine Position dazu für moralisch etwas zu stark aufgeladen halte.

Viele Grüße,
Guido

[Blaufränkisch]

Danke Guido!

[Gerald]

Hallo Guido,

also nach meinem Verständnis ist Winzer dasselbe wie Weinbauer (wikipedia meint das übrigens auch), daher ist für mich diese Assoziation, dass ein Winzer hauptsächlich verkauft und sich mit Promis in der Öffentlichkeit zeigt - ich kann mir fast vorstellen, an wen er dabei gedacht hat - nicht nachvollziehbar.

Und mit dem "nicht lebenswert": da kann ich mich an eine Radiodokumentation vor längerer Zeit erinnern, bei dem ein notorischer Autoraser interviewt wurde. Er hat damals sinngemäß gemeint, dass ohne schnelles Autofahren das Leben für ihn nicht lebenswert wäre. Am Ende der Sendung hat der Sprecher dann noch fast beiläufig erwähnt, dass einige Zeit nach dem Interview dem Autofreund der Führerschein entzogen wurde und er sich danach umgebracht hat ...

Mag sein, dass ich solche Interviews zu genau und zu kritisch hinterfrage. Aber wenn man die Statements nicht ernst nehmen soll, wozu werden sie gedruckt? Nur damit die Seite im Flyer voll wird?

Grüße,
Gerald

[Einzelflaschenfreund]

OK Gerald, dir fällt der Autoraser ein, mir fällt Loriot ein - "Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." Ich mache mir überhaupt nichts aus Hunden, aber ich ordne eine solche Aussage ein in Richtung: 'Diese Tiere bereichern mein Leben, ich mag es mir ohne sie nicht vorstellen.' Und nicht als Drohung 'Wenn ich morgen eine Hundehaarallergie entwickle, erschieße ich mich.'

Weinbauer/Winzer: Wie ich geschrieben habe, es geht nicht um einen echten Bedeutungsunterschied, sondern um die Betonung und die Assoziationen außerhalb eines mittleren bis engeren Kreises der Weinwelt. So wie manche Hersteller lieber "Manufaktur" statt "Fabrik" oder "Werkstatt" schreiben und manche Handwerker vielleicht lieber "Schuhmacher" statt "Schuster"

Viele Grüße,
Guido