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Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

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Markus Vahlefeld

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 11:17

VillaGemma hat geschrieben:
Markus Vahlefeld hat geschrieben:Interesseant an dieser Stelle ist wirklich nur, welchen Einfluss die Medien auf das Kundenverhalten haben. Indem wir hier bei Parker diesen Punkt völlig überspringen, blenden wir uns selbst aus und "waschen unsere Hände in Unschuld". Das ist zwar menschlich, aber dennoch Stammtisch.

Tut mir leid, das verstehe ich noch nicht so ganz genau. Die Medien spielen hier doch erstmal gar keine Rolle. Das Team Parker bewertet Weine und stellt diese Bewertungen anfangs in Newslettern, dann in einem Buch und bald auch online zur Verfügung. Als Kaufberatung.

Was ist den Parker anderes als ein Medienunternehmen? Ob Newsletter, Buch, Online... alles Medien und Parker war sicher einer der ersten, der die Medien AKTUELL - also mit schneller und breiter Veröffentlichung - genutzt hat.
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VillaGemma

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 12:24

Markus Vahlefeld hat geschrieben:
VillaGemma hat geschrieben:
Markus Vahlefeld hat geschrieben:Interesseant an dieser Stelle ist wirklich nur, welchen Einfluss die Medien auf das Kundenverhalten haben. Indem wir hier bei Parker diesen Punkt völlig überspringen, blenden wir uns selbst aus und "waschen unsere Hände in Unschuld". Das ist zwar menschlich, aber dennoch Stammtisch.

Tut mir leid, das verstehe ich noch nicht so ganz genau. Die Medien spielen hier doch erstmal gar keine Rolle. Das Team Parker bewertet Weine und stellt diese Bewertungen anfangs in Newslettern, dann in einem Buch und bald auch online zur Verfügung. Als Kaufberatung.

Was ist den Parker anderes als ein Medienunternehmen? Ob Newsletter, Buch, Online... alles Medien und Parker war sicher einer der ersten, der die Medien AKTUELL - also mit schneller und breiter Veröffentlichung - genutzt hat.


Ok, dann würde ich aber nicht von "den Medien" sprechen, sondern von dem Medium Parker. Hatte ich offensichtlich mißverstanden, denn wenn ich von "den Medien" spreche, verstehe ich TV, Zwischennetz und Zeitungen. Dass Parker auch ein Medienunternehmen darstellt, ist klar.
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Markus Vahlefeld

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 12:47

Wichtig an diesem Punkt ist vor allem: wie kommt/kam es, dass Parker so relevant und marktführend wurde? Diese Entwicklung ist die entscheidende, nicht die nach der Parkerisierung von Weinen. Sein Einfluss wurde deswegen in manchen Regionen so groß, weil er

- gut war
- unbestechlich war
- die wichtigen Märkte erreichte (vor allem USA)
- das 100-Punkte-System einführte
- und sich nicht an Tradition und Klassifikation hielt

Das zusammen führte dazu, dass er für Kaufentscheidungen relevant wurde. Das bekamen auch die Erzeuger spitz und manche wollten ihm dann gefallen, um ihren Absatz zu verbessern. Die Überzeugung dahinter lautet: der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.

Zu jeder Mainstream-Überzeugung gesellen sich aber dann auch die Gegenbewegungen, bei der die Winzer/Produzenten, allein und ohne auf die Weinkritik zu schielen, entschieden, wie der Wein zu schmecken habe. Nämlich nicht dem Fisch, sondern dem Angler (Winzer). Ein Nicolas Joly, ein Dagueneau sind ohne diese Gegenbewegung nicht zu verstehen. Die Burgunder ebenfalls nicht.

Hat Parker also Einfluss? Und wie! Weil die Käufer seine Bewertungen schätzen und die Nachfrage/der Preis steigt, weil die Verkäufer seine Punkte anpreisen und weil die Erzeuger ihm gefallen wollen.

Trotzdem würde niemand bei einer anderen Verbraucherschutzorganisation - denn nichts anderes ist Parker - wie z.B. der Stiftung Warentest von der "Verwarentestung" der Produkte sprechen. Denn jedem Produzenten steht es mehr als frei, ein schlechtes Testergebnis nicht als störend zu empfinden und weiterhin die eigenen Maßstäbe an das Produkt zu stellen.
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BuschWein

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 14:07

Trotzdem würde niemand bei einer anderen Verbraucherschutzorganisation - denn nichts anderes ist Parker - wie z.B. der Stiftung Warentest von der "Verwarentestung" der Produkte sprechen.


Wobei ich schon sagen würde, dass die Stiftung Warentest einen sehr großen Einfluss auf das Kaufverhalten der Deutschen hat und insbesondere deren Credo, dass Qualität nichts mit dem Preis zu tun hat gerade in Deutschland auf sehr fruchtbaren Boden gefallen ist. Auch die Wissenschaftsgläubigkeit im Bereich der Ästhetik empfinde ich als sehr fragwürdig in Bezug auf die Stiftung Warentest. Ich erinnere mich an diverse Olivenöltests, aber auch was den Bereich HiFi betraf, da hatte ich mich in den 90ern mal etwas mehr mit beschäftigt und für mich waren die Empfehlungen der Stiftung Warentest damals nicht zu gebrauchen.

Bei der Stiftung habe ich schon das Gefühl, dass für diese das beste Produkt eines ist, das möglichst billig ist und einigermaßen gut in der Qualität und genau so sieht heute das Einkaufsverhalten der Deutschen aus.
Armin
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Markus Vahlefeld

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 14:51

100% d'accord.

Ich brauche die Stiftung Warentest so viel und so oft wie Parker. Nämlich gar nicht.

Was ich damit sagen wollte: Parker wird als Guru und großer Einflüsterer gesehen, während wir bei der Stiftung Warentest max. die Schultern zucken. Warum nicht auch bei Parker?
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BuschWein

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 15:11

während wir bei der Stiftung Warentest max. die Schultern zucken. Warum nicht auch bei Parker?


Weil die Stiftung Warentest keine Weine testet, Parker aber schon und wir hier in einem Weinforum schreiben und lesen.
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VillaGemma

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 16:15

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Was ich damit sagen wollte: Parker wird als Guru und großer Einflüsterer gesehen, während wir bei der Stiftung Warentest max. die Schultern zucken. Warum nicht auch bei Parker?


Da habe ich durchaus eine Idee zu, aber erstmal ganz für mich gesprochen. Parker hat es geschafft, ein ähnliches Standing wie eben eine Stiftung Warentest zu haben. Eben weil er auch reichlich Ahnung von Wein (aus dem Bordeaux/Rhone) hat. Wenn so eine "Instanz" dann sagt, der und der Wein ist weltklasse, dann sah ich (ok häufig, den kann ich mir nicht leisten) schon mal genau hin, da mich interessierte, was "Weltklasse" bedeutet. Ist dieser Wein wirklich so viel besser als die "tollen" Grand Reservas, mit denen ich so angefangen hatte :lol: .

Anscheinend schafft er das eben auch noch bei vielen Leuten, die eigentlich selbst genug Ahnung von Wein haben sollten. Das finde ich sehr interessant/bemerkenswert. Denn bei der Stiftung Warentest können durchaus objektive Kriterien angelegt werden (zB wie lang ist der Bremsweg des Reifens). Das - hatten wir ja schon - ist bei Wein bei fast allen Kriterien nicht so einfach/übertragbar.

Heutzutage interessiert mich auch nur noch die Öko-Test!
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UlliB

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 18. Jul 2013, 18:09

VillaGemma hat geschrieben:Anscheinend schafft er das eben auch noch bei vielen Leuten, die eigentlich selbst genug Ahnung von Wein haben sollten. Das finde ich sehr interessant/bemerkenswert.


Um das im Bezug auf Bordeaux zu begreifen, muss man wissen, dass der Markt hier über gut 20 Jahre hinweg komplett anders funktioniert hat als der für andere Weine, und auch unter geänderten Bedingungen heute immer noch etwas anders funktioniert.

Wer hochwertige Bordeaux zu (einigermaßen) günstigen Preisen erwerben wollte, musste das über lange Zeit hinweg durch einen Kauf en primeur tun, d.h. im Frühjahr nach der Lese, wo sich der Wein noch im Fass befindet. Wer nicht gerade zu den (organisierten) Primeurverkostungen nach Bordeaux fahren konnte, war deshalb auf das Urteil von kompetenten Fachleuten angewiesen, da er die Weine zu diesem Zeitpunkt nicht selber verkosten konnte (bis vor einigen Jahren war es für Laien außerdem auch vor Ort schwierig bis fast unmöglich, an Primeurmuster zu kommen - abgesehen davon, dass die Beurteilung von Fassmustern in manchen Jahren alles andere als einfach ist und sehr viel Erfahrung braucht).

Der Preisunterschied zwischen dem Primeurpreis und dem Preis nach Flaschenabfüllung war meistens hoch, zum Teil sogar extrem hoch, wenn die Weine in der Flasche sich als wirklich sehr gut erwiesen hatten. Das hatte einen ganz erheblichen Nebeneffekt, nämlich den der gezielten Spekulation, und diese wurde durchaus auch von Privatleuten betrieben: eine Kiste en primeur gekauft, nach der Auslieferung die halbe Kiste zum gleichen Preis vertickt und die verbleibenden sechs Flaschen für lau in den eigenen Keller gepackt. Das hat über Jahre ganz wunderbar funktioniert, wenn man en primeur die richtigen Weine erwischt hatte. Und bei dem Erwischen der "richtigen" Weine hat Parker enorm geholfen, da sein Primeururteil häufig zutreffend war; zumindest häufiger als das anderer Verkoster. Die Einschätzung von Parker war hier tatsächlich bares Geld wert.

Seit einigen Jahren ist damit Schluss, da die Chateaux durch extrem hohe Preissetzung für die Weine bereits en primeur diesem Geschäftsmodell weitgehend die Grundlage entzogen haben. Gleichzeitig haben es die Chateaux verstanden, den Primeurhype trotzdem gezielt anzuheizen. Die Bewertungen en primeur ziehen nach wie vor eine enorme Aufmerksamkeit auf sich, siehe die entsprechenden Threads hier im Forum, ohne dass sich ein Primeurkauf deswegen noch groß lohnt. Hier werden schlicht alte Modelle tradiert. Fragt sich, wie lange noch. Dennoch: ein großer Teil des Parker-Ruhms bei Bordeaux geht auf seine Primeurbewertungen zurück.

Gruß
Ulli
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Markus Vahlefeld

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 19. Jul 2013, 12:14

UlliB hat geschrieben:Die Bewertungen en primeur ziehen nach wie vor eine enorme Aufmerksamkeit auf sich, siehe die entsprechenden Threads hier im Forum, ohne dass sich ein Primeurkauf deswegen noch groß lohnt. Hier werden schlicht alte Modelle tradiert. Fragt sich, wie lange noch. Dennoch: ein großer Teil des Parker-Ruhms bei Bordeaux geht auf seine Primeurbewertungen zurück.

Ja, die Frage wird sein, ob sich je der Primeurkauf wieder lohnen wird oder ob dieses Modell der "Bordeauxpilgerreise der Weinkritiker" im März/April überhaupt noch stattfinden wird.

Hier kritisiere ich auch Parker, der sich ja als "Anwalt der Weinkäufer" versteht (von den anderen, meist irrelevanten Kritikern kann man ja keine Einflussnahme erwarten, die geben brav ihre Punkte, um nächstes Jahr wieder eingeladen zu werden). Mit seiner Marktmacht für Bordeaux hätte er diesen ganzen Primeur-Quark boykottieren sollen. Da es bei der Sub keinen Vorteil für die Weinkäufer mehr gibt, sollte man die Sub ignorieren. Vor allem als Weinkritiker. DAMIT hätte er wirklich seinen Einfluss geltend gemacht und u.U. zu einem Umdenken, mindestens aber zu einer Diskussion geführt.
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VillaGemma

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 19. Jul 2013, 12:25

@Markus: Darf ich fragen, warum sich die Subs nicht mehr für den Käufer rentieren? Ich denke dieses Jahr zum ersten mal nach, einen Bordeaux (Larcis Ducasse) zu subsen. Bisher sehe ich es so, dass ich dabei ca. 20-40 Euro die Flasche spare, als wenn ich auf das "Release" warte? Ähnlich wie an der Rhone...Oder mißverstehe ich da was?

Dem Rest Deiner Aussage kann ich durchaus zustimmen...obgleich die Faßproben an sich sicherlich spannend sind. Auch und insbesondere für die "Bewerter"...
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