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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Mi 31. Aug 2016, 07:37
von Ludwig
Ich finde nur Bepunktungen ab 80 - wo sind die Listen mit den Weinen unter 50 Punkten zu finden?

LGLudwig

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Mi 31. Aug 2016, 08:13
von UlliB
Ludwig hat geschrieben:Ich finde nur Bepunktungen ab 80 - wo sind die Listen mit den Weinen unter 50 Punkten zu finden?

Es gibt keine. Offensichtlich reicht der Aggregatzustand "flüssig" bereits zur Zuteilung von 50 Punkten. Und wenn die Flüssigkeit auch nur entfernt an Wein erinnert, ist das den meisten Verkostern heute schon mal 70 Punkte wert. In seiner Frühphase hat Parker mitunter mal Weine mit weniger als 70 Punkten bewertet, aber damit war in den letzten Jahren auch Schluss.

Dito übrigens bei der 20-Punkte-Skala; die fängt de facto erst bei 10 an, und wird von vielen Leuten praktisch erst ab 16 oder 17 benutzt.

Im Rahmen der allgemeinen Punkteinflation der letzten Jahre bewerten einige Händler mittlerweile ihr gesamtes Sortiment nur noch im Bereich von 90 bis 100 Punkten. Und auch hier im Forum wird für meine Begriffe von vielen sehr tief in die Punktekiste gegriffen - da hat jeder Wein, der Freude macht, gleich mal eine 9 vorne.

Aus meiner Sicht ist das ganze System mittlerweile ausgehöhlt und im praktischen Gebrauch im Hinblick auf seine Differenzierungsmöglichkeit völlig wertlos geworden.

Gruß
Ulli

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Mi 31. Aug 2016, 09:05
von Gerald
Im Rahmen der allgemeinen Punkteinflation der letzten Jahre bewerten einige Händler mittlerweile ihr gesamtes Sortiment nur noch im Bereich von 90 bis 100 Punkten.


Was heißt 90 bis 100, bei Lobenberg fängt die Skala - zumindest bei Riesling - überhaupt erst bei 97 Punkten an. :D

http://blog.gute-weine.de/vdp-grosse-ge ... n-tag-1-2/

Nimmt das eigentlich irgendjemand noch ernst oder ist das ohnehin mehr humoristisch gemeint?

Grüße,
Gerald

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Mi 31. Aug 2016, 09:23
von mixalhs
Das 100-Punkte-System beginnt erst bei 50, was angeblich etwas mit dem amerikanischen Schulnotensystem zu tun hat (wovon ich allerdings nichts verstehe). Die meisten Weinfreunde, die überhaupt Weine bewerten, tendieren dazu, Weine zu kaufen, die ihnen mit gewisser Wahrscheinlichkeit gefallen werden. Es findet also eine VORAUSWAHL mit einer - im statistischen Sinn - Selektionsverzerzerrung statt. Die probierten Weine sind also keinesfalls repräsentativ für die Gesamtheit aller Weine, sondern stellen eine Positivauswahl dar.

Ich habe mir mal spaßeshalber meine eigenen Bewertungen bei verkostungsnotizen.net angeschaut. Es sind etwas über 2000, die in 10 Jahren zusammengekommen sind. Ich glaube auch, dass ich mit meinen Punkten dem Mainstream ganz gut entspreche.

96-100: 0,7%
91-95: 20%
86-90: 40%
81-85: 20%
71-80: 2%
0-69: 0,3%
o.W.: 13%

Unter den Weinen ohne Wertung sind zahlreiche für mich nicht befriedigende Weine, die weniger als 80 bekommen hätten, wenn ich sie denn bewertet hätte.

Erwähnen möchte ich noch, dass man, wenn man häufig gute Weine trinkt, eine gewisse Sensibilität für kleine Unterschiede entwickelt und sich genau überlegt, ob man einen Wein mit, sagen wir, 86 oder 88 bewertet. Wenn ein Wein meinen Ansprüchen nicht genügt, dann bin ich da nicht so zimperlich, und ich mache mir keine großen Gedanken darüber, ob nun 70 oder 72 Punkte angemessen sind. Im Zweifel bekommen solche Weine gar keine Bewertung, sondern nur eine Beschreibung.

Ulli stimme ich zu, was die Punkteinflation bei den Händlern angeht. Lobenberg ist ein Beispiel, aber er ist nicht allein. Auch einige Weinzeitschriften wie der Falstaff punkten sehr hoch. Andere wiederum, z.B. Charlie hier aus dem Weinforum, punkten relativ niedrig. Für Menschen, die sich nicht regelmäßig mit dem Thema Wein beschäftigen, sind solche Bewertungen nicht nachvollziehbar, weil die individuellen Bewertungsmaßstäbe - egal welche Skala benutzt wird - zu stark variieren.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Fr 2. Sep 2016, 08:56
von Jürgen
mixalhs hat geschrieben:
Erwähnen möchte ich noch, dass man, wenn man häufig gute Weine trinkt, eine gewisse Sensibilität für kleine Unterschiede entwickelt und sich genau überlegt, ob man einen Wein mit, sagen wir, 86 oder 88 bewertet. Wenn ein Wein meinen Ansprüchen nicht genügt, dann bin ich da nicht so zimperlich, und ich mache mir keine großen Gedanken darüber, ob nun 70 oder 72 Punkte angemessen sind. Im Zweifel bekommen solche Weine gar keine Bewertung, sondern nur eine Beschreibung.


Das kann ich für mich unterschreiben. Bei sehr schlechten Weinen erspare ich mir eine Bewertung. In den letzten Monaten mache ich mir - mangels Zeit und schwindendem Interesse - eh nur noch sehr wenige Notizen zu Weinen :shock:

Zu Jens Priewe möchte ich noch schreiben, daß sein Weingeschmack wahrscheinlich mit meinem nicht so wirklich kongruent ist.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Fr 2. Sep 2016, 16:38
von Michl
mixalhs hat geschrieben:Erwähnen möchte ich noch, dass man, wenn man häufig gute Weine trinkt, eine gewisse Sensibilität für kleine Unterschiede entwickelt und sich genau überlegt, ob man einen Wein mit, sagen wir, 86 oder 88 bewertet


Auch von mir absolute Zustimmung. Ich will's man in Worten ausdrücken: Ein 85-Punkte-Wein ist in meinem Raster ein wirklich guter Alltagswein, bei dem alles Wesentliche stimmt, der Substanz und Charakter hat, ggf. auch stimmige Ecken und Kanten, der aber noch keine Komplexität oder Feinheit zeigt. Diese sind (zumindest eine Eigenschaft) bei einem 88-Punkte-Wein schon deutlich vorhanden. Ein solcher Wein erregt und verlangt schon deutlich Aufmerksamkeit, zeigt einzelne Facetten, die herausragen. Auch preislich bin ich da zu deutlich anderen Ausgaben bereit.
Problematisch sind für mich somit weniger geringe Punktabweichungen, sondern unterschiedliche Interpretationen der 100-P-Skala, vor allem aber die Frage, inwieweit Bewertungen konsistent sind. Die Verschiebung der Skala nach oben hat sich ja nicht nur bei Parker im Laufe der Jahre abgezeichnet. Sie wurde meines Erachtens durch Marktkräfte notwendigerweise erzwungen. Wer nicht hoch punktete, hatte als (professioneller) Verkoster kaum mit Marktrelevanz zu rechen, weil er von niemanden gerne zitiert wurde. Hofschuster ist hier für mich ein Beispiel. Er wertete zumindest im mittleren bis Einstiegssegment immer niedrig (so lange ich seine Notizen verfolgte). Ein 88-Hofschuster-Punkte Riesling war richtig gut. Aber zitiert wurde er vergleichsweise wenig. Auch hier im Forum gibt es meines Erachtens deutlich unterschiedliche Auslegungen der Skala. Aber bei vielen finde ich die Bewertungen mit den üblichen Abweichungen konsistent und damit hilfreich.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: So 4. Sep 2016, 17:03
von weingeist
No ja, und jetzt ziehen wir diese Aussage einmal bewusst ganz stark ins "Extreme"...
Michl hat geschrieben:Ein 85-Punkte-Wein ist in meinem Raster ein wirklich guter Alltagswein, bei dem alles Wesentliche stimmt, der Substanz und Charakter hat, ggf. auch stimmige Ecken und Kanten, der aber noch keine Komplexität oder Feinheit zeigt. Diese sind (zumindest eine Eigenschaft) bei einem 88-Punkte-Wein schon deutlich vorhanden. Ein solcher Wein erregt und verlangt schon deutlich Aufmerksamkeit, zeigt einzelne Facetten, die herausragen.
Wann wird der 85 Punkter zum 86er und wannn bekommt der 88er nur 87 Punkte? Und genau deshalb ist wohl jede Punktevergabe den Vorlieben des jeweiligen Verkosters geschuldet. Und der hat auch "schlechtere" und "bessere" Tage.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: So 4. Sep 2016, 18:45
von Michl
weingeist hat geschrieben:No ja, und jetzt ziehen wir diese Aussage einmal bewusst ganz stark ins "Extreme"...


Verstehe deinen Einwand nicht. Meinst du, meine Äußerung sei extrem? Genau das sind meine Kriterien...

weingeist hat geschrieben:Wann wird der 85 Punkter zum 86er und wannn bekommt der 88er nur 87 Punkte? Und genau deshalb ist wohl jede Punktevergabe den Vorlieben des jeweiligen Verkosters geschuldet. Und der hat auch "schlechtere" und "bessere" Tage


Ja, klar... ich habe mehr schlechte Tage als gewünscht oder tagesspezifische Wahrnehmungen oder... Gibt zig Gründe für Abweichungen. Verstehe auch hier nicht, auf was du hinaus willst. Oder störst du dich daran, dass ich versuche, Kriterien über bspw "gut" (80-84), "sehr gut"(85-89) oder "herausragend"(90-94) hinaus zu beschreiben?

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Mo 5. Sep 2016, 07:53
von weingeist
Hallo Michl,

ich kritisiere hier nicht "Dich", sondern die grundsätzliche Position, da ich bewusst in Frage stelle, wie in einem Punktesystem, eine faire Unterscheidung zwischen 85 oder 86 bzw. 87 oder 86 Punkten zustande kommt. Ich lehne mich jetzt weit hinaus, und behaupte, auch wenn ich dafür "Schläge" bekomme, dass kein Mensch den selben Wein (ohne es zu wissen, dass es der selbe Wein ist) jeden Tag mit der gleichen Punkteanzahl bewerten würde. Aber , O. K. vielleicht gibt's solche Menschen. Die Ergebnisse eines praktischen "Tests" würde ich nur gerne sehen.... ;)

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragVerfasst: Mo 5. Sep 2016, 08:18
von Gerald
Hallo Herbert,

Ich lehne mich jetzt weit hinaus, und behaupte, auch wenn ich dafür "Schläge" bekomme, dass kein Mensch den selben Wein (ohne es zu wissen, dass es der selbe Wein ist) jeden Tag mit der gleichen Punkteanzahl bewerten würde.


so weit muss man sich gar nicht hinauslehnen, da gibt es - für die Punktefans wahrscheinlich ziemlich ernüchternde - Untersuchungen. Also dass z.B. sogar Weinprofis im Schnitt ein und denselben Wein (unbekannterweise natürlich) innerhalb einer Verkostungsreihenfolge mit plus / minus 4 Punkten Unterschied bewerten.

Das stellt Michls Kriterien, was einen 85-Punkte-Wein von einem mit 88 Punkten unterscheidet, wohl auf eine ziemlich fragile Basis. ;)

Das Thema ist hier im Forum aber keineswegs neu, dazu gibt es schon verschiedene Threads, z.B. diesen hier:

viewtopic.php?f=33&t=2162&p=59661#p59632

Grüße,
Gerald