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Sinn und Unsinn der Punkte

Sterne, Punkte, Trauben - oder Obstkörbe
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Michl

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMo 5. Sep 2016, 08:38

Gerald hat geschrieben:da gibt es - für die Punktefans wahrscheinlich ziemlich ernüchternde - Untersuchungen. Also dass z.B. sogar Weinprofis im Schnitt ein und denselben Wein (unbekannterweise natürlich) innerhalb einer Verkostungsreihenfolge mit plus / minus 4 Punkten Unterschied bewerten.

Das stellt Michls Kriterien, was einen 85-Punkte-Wein von einem mit 88 Punkten unterscheidet, wohl auf eine ziemlich fragile Basis.


Gerald, da bin ich absolut bei dir (vielleicht nicht ganz mit 4 Punkten Unterschied, aber außerhalb der Regel mag sogar das nicht selten vorkommen...)! Ich selbst stelle leider immer wieder fest, dass ich meine eigenen Punkte an einem anderen Tag für unangemessen halte. Dennoch gibt es zum Zeitpunkt der Verkostung für mich diese Unterschiede, die Kriterien sind für mich also weiterhin gültig, ich sehe nur nicht immer dasselbe im Wein. Die Gründe dafür sind - wie du ja richtig sagst - schon mehrfach diskutiert worden. Dennoch glaube ich - und mache immer wieder die Erfahrung -, dass im Schnitt die Konsistenz der Bewertungen eines Ralf Gundlach, von Gaston, Bernd Schulz, um ein paar zu nennen, ziemlich hoch ist. Und 2 Punkte Unterschied sind in aller Regel da schon schmeckbar. Letztlich hat marzemino recht, der Punkte ablehnt und für meinen Geschmack sehr gute, vielsagende VKNs schreibt. Für mich sind aber Punkte sehr hilfreich und deshalb sollte man auch immer wieder darüber sprechen, was sie denn bedeuten. Man darf sie nur nicht zu ernst nehmen und sollte das eigene Tun auch mit Selbstironie betrachten.
Viele Grüße

Michl
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EThC

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMo 5. Sep 2016, 09:55

Was aus meiner Sicht die Bepunktelung auch in einem relativen Licht erscheinen läßt, ist die Tatsache, daß viele Verkostungen mit den daraus resutierenden "Urteilen" absolute Momentaufnahmen sind. Vor allem wenn professionelle Verkoster am Tag zig oder gar hunderte Weine verkosten und bewerten, bleibt für die Entwicklung im Glas ja auch gar keine Zeit. Ich hatte schon so viele Weine, die kurz nach dem Aufmachen bzw. Einschenken deutlich weniger Spaß gemacht haben als 1 oder 2 oder 5 oder 24 Stunden später. Hinweise auf diese Entwicklung im Glas finde ich bei den Profis in den seltensten Fällen. Auch zur Entwicklung über die Jahre findet man das allenfalls im oberen Segment, allerdings meist nur als subjektive Prognose, seltener durch Nachverkostung. Schon deshalb vergebe ich auch selbst keine Punkte, sondern versuche einfach in Prosa meine Eindrücke zu beschreiben. Mir ist es nicht nur einmal passiert, daß ein deutlich schlechter bepunktelter Wein den vermeintlich besseren mit einiger Zeit an der Luft amtlich abgehängt hat.
Viele Grüße
Erich

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Don Miguel

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMo 5. Sep 2016, 16:36

Es gab mal eine Zeit in meinem Weinleben, da bin ich an die Thematik der Bepunktung mit fast wissenschaftlichem Ehrgeiz herangegangen, einschließlich lebhafter Debatten :idea: mit Weinfreunden :geek: .

Inzwischen bewerte ich Weine nur noch für mich selbst nach einem „5-Sterne-System“ -manchmal ergänzt um Punkte-, um zu wissen, ob und welche Weine ich evt. wieder nachkaufen könnte. Meine ergänzenden Weinbeschreibungen sind auch meistens nur noch sehr kurz und beschränken sich auf Stichworte, für Dritte sind sie somit weitgehend unbrauchbar.

Die Bewertung ist für mich ein praktisches Hilfsmittel geworden, mit der ich für mich zum Ausdruck bringe, dass mir ein Wein besser schmeckte als der Andere. Meine „objektiven“ Punkte in der Vergangenheit haben übrigens spätestens dann nicht funktioniert, wenn ich einen qualitativ hochwertigen Wein bewerten wollte, der mir überhaupt nicht schmeckte (wegen Tanninen, Säure, Rebsorte …), das war dann eher ein lustiges Punkteratespiel :oops: .
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Jürgen

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMo 5. Sep 2016, 17:04

Für mich sind Punkte immer noch wichtig. Selbst bin ich bei deren Vergabe immer restriktiver geworden, möchte aber schon aus dem Grund nicht darauf verzichten, daß ich zwei Weine gleich beschreiben kann, der eine Wein dann aber doch besser schmecken kann, als der andere Wein. Unterscheiden tun sich beide Weine dann durch die Punkte.

Punkte kann man also trinken, wusste ich es doch ;)
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EThC

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMo 5. Sep 2016, 17:19

Jürgen hat geschrieben:Punkte kann man also trinken, wusste ich es doch ;)


In diese Sphären bin ich irgendwie noch nicht vorgedrungen...
Viele Grüße
Erich

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Leo

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMo 5. Sep 2016, 18:42

Ich gestehe, Weine mit hoher Punktebewertung machen mich schon neugierig, und manchmal verführen mich die Punkte auch zu spontanen Käufen.Zuletzt erst wieder bei den drei 1oo Punkte Auslesen von M. Molitor. Ich habe mir über Tage hinweg alle Mühe gegeben, diese Weine und diese Parker-Punkte zu verstehen, aber da muß ich passen und schüttele ob meiner Unfähigkeit, diese Ausnahmegewächse zu verstehen und zu begreifen, meinen ergrauten Schädel. Blind probiert wäre ich da gewiß bei Werten um 90 Punkte hängengeblieben.

Bin ja auch kein Spezialist für Edelsüße! Um so mehr habe ich mich über die 100 Punkte für den 2004 G-Max gefreut, die ich gerne wiederholt aus eigenem Bestand bestätigen kann. Auch wenn die Punkte "nur" von S.Hofschuster und Wein-Plus vergeben wurden.

Was ich damit sagen will: interessieren tun mich die Punkte schon, aber man sollte die "Punktrichter" schon ein wenig kennen und einschätzen können im Verhältnis zur eigenen Zunge. Für mich durchaus richtungsweisend sindJ. Robinson, S.Hofschuster und auch der gute alte GM. Zum Schmunzeln auch H.Lobenberg,nehme ich aber nicht ernst, die Rieslingbegeisterung eines T. Seiwert ist aber durchaus ansteckend....

Gruß Leo
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Bernd Schulz

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMo 5. Sep 2016, 20:41

Punkte vergebe ich seit mittlerweile seit gut 15 Jahren, weil es mir einfach Spaß macht, die Qualität eines Weins im Rahmen einer VKN (!)am Ende noch einmal durch eine "Note" zu verdeutlichen und damit für mich selber schnell überschaubare Relationen zu schaffen.

Dass es sich dabei immer nur um eine subjektive Momentaufnahme handelt, bei der - unter anderem - die Bedingungen des Augenblicks eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, ist mir völlig klar. Aber trotzdem bereitet der Vergleich von Bewertungen (manchmal bin ich versucht, den Menschen als das "bewertende Wesen" zu definieren) gerade auch bei Verkostungen im mehr oder minder großen Freundeskreis nun mal ein gewisses Vergnügen, auf das ich nicht verzichten möchte.

Wenn ich mit Ralf (Gundlach) und Markus (Ostbelgier) zusammen Wein trinke, liegen unsere Bewertungen übrigens häufig sehr eng zusammen. Abweichungen von einem Punkt oder auch zwei Punkten kommen natürlich immer wieder vor, aber größere Differenzen sind eher die Ausnahme. Das spricht jetzt nicht für die "Objektivität" unserer Bewertungen, aber es spricht dafür, dass es "Gruppen" gibt, die ín puncto Weinbewertung ziemlich ähnliche Maßstäbe haben. Wenn man sich überhaupt an von anderer Seite vergebenen Punkten orientieren möchte, sollte man halt vorher so gut wie möglich klären, ob derjenige, der das Urteil gefällt hat, einigermaßen nach für einen selber nachvollziehbaren Kriterien vorgegangen ist. Sprich: Wenn Ralf Gundlach einen Wein, den ich gerade nicht mitgetrunken habe, mit x Punkten bedenkt, weiß ich zumindest ungefähr, was mich gemäß meinem eigenen Geschmack erwartet, aber wenn Marcus Hofschuster einen Wein, den ich gerade ebensowenig mitgetrunken habe :mrgreen:, mit x Punkten bewertet, weiß ich viel weniger, ob es sich für meine doofen Laienbegriffe (Hofschuster ist ja schließlich Profi :mrgreen: )um einen besonders bemerkens(kaufens)werten Tropfen handelt.... --

Die beiden besten Sätze, die bislang in dieser Diskussion geäußert wurden, stammen meines Erachtens von Michl:

Für mich sind aber Punkte sehr hilfreich und deshalb sollte man auch immer wieder darüber sprechen, was sie denn bedeuten. Man darf sie nur nicht zu ernst nehmen und sollte das eigene Tun auch mit Selbstironie betrachten.


Herzliche Grüße

Bernd
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Carpetbagger

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragDi 6. Sep 2016, 05:58

Da wurde ja mal wieder eine heftige Diskussion losgetreten.

:D


Es muss doch unterschieden werden, wer die Bepunktung abgibt: Ist es ein namenloser und anonymer Carpetbagger, der eh nichts mehr schmeckt oder ist es ein (selbsternannter) Guru, ein Journalist, ein "Advokat", ein Blogger, ein Weinhändler oder ein Weinverrückter?


Und noch ein Punkt: Wer ist wirklich so ehrlich und gibt zu, dass der geöffnete 500-Euro-Wein vollkommen belanglos schmeckt? Wein und die Etiketten der Flaschen sind doch Mittel der Distinktion.
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Ollie

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragDi 6. Sep 2016, 07:49

Carpetbagger hat geschrieben:Wer ist wirklich so ehrlich und gibt zu, dass der geöffnete 500-Euro-Wein vollkommen belanglos schmeckt?


Diese Frage sagt soviel mehr ueber dich aus als ueber Leute, die 500-Euro-Flaschen oeffnen. :lol:
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
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Carpetbagger

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Re: Sinn und Unsinn der Punkte

BeitragMi 7. Sep 2016, 10:39

Ollie hat geschrieben:
Diese Frage sagt soviel mehr ueber dich aus als ueber Leute, die 500-Euro-Flaschen oeffnen. :lol:



Tja, so unterscheiden wir uns halt voneinander. :D

Für mich sind halt 500 Euro immer noch viel Geld für eine Flasche Wein. Warum? Nicht etwa, weil ich mir die Flasche nicht leisten könnte, sondern weil ich hart und lange für 500 Euro gearbeitet habe - und weil 500 Euro für viele Menschen sehr viel Geld sind und leider gibt es immer mehr davon. Ein wenig Demut tut uns allen halt gut.
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