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"Problemfall" Blindverkostungen

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Gerald

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 13:30

Die letzten drei Beiträge wurden aus dem Thread "TTT - Terry Theise & Terroir" aufgrund des inhaltlichen Zusammenhanges hierher verschoben ...
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Gerald

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 13:40

Hallo Peter,

warum verdammt nochmal soll der Weingenießer einen Wein blind trinken? Fakt ist, dass ein nicht zu kleiner Teil des Genusses, des Erlebnisses Wein dabei verloren geht. Selbst im professionellen Bereich halte ich das für suboptimal, vorausgesetzt, es handelt sich um echte Profis und keine Etikettentrinker. Wie machen's denn die Restauranttester? Wie lernen wir denn einen neuen Partner kennen und schätzen? Etwa blind? Mehr als ein lustiges Gesellschaftsspiel ohne Anspruch ist das nicht.


na ja, ich finde, dass beide Methoden ihre Vor- und Nachteile haben. Einerseits hilft die bisherige Erfahrung mit der Lage, dem Winzer oder dem konkreten Wein, einen Wein über den augenblicklichen Zustand hinaus (der ja besonders bei Jungweinverkostungen nicht immer der Höhepunkt ist) einzuschätzen. Andererseits werden dadurch positive wie negative Erfahrungen der Vergangenheit in den aktuellen Wein projiziert, die nicht unbedingt zutreffen müssen.

Grundsätzlich ist das meiner Ansicht nach aber nicht so ohne weiteres mit den Restauranttestern vergleichbar - denn hier gibt es die Möglichkeit der Blindverkostung ja gar nicht (es sei denn, Catering wird getestet).

Und die (positiven wie negativen) Assoziationen des Testers mit einem bestimmten Wein - die für ihn selbst sicherlich ein wichtiger Teil des Genusses sind - sind für den Konsumenten, der den Wein nach der Empfehlung gekauft hat, wohl nur in den seltensten Fällen nachvollziehbar bzw. ein Thema.

Grüße,
Gerald
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Bernd Schulz

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 14:03

Wobei ich mich immer mehr frage, warum man eigentlich diese beiden Methoden nicht einfach kombiniert? Ein Durchgang wird blind, der nächste offen verkostet. Wäre doch logisch und naheliegend!


Bei unseren Sitzungen im Dreierkreis wird der Wein natürlich aufgedeckt, bevor die Flasche leer ist (nicht selten wird er auch innerhalb kürzerer Zeit richtig erraten). Und dann ist in der Regel noch genug für mehrere "Durchgänge" :mrgreen: vorhanden.

Mehr als ein lustiges Gesellschaftsspiel ohne Anspruch ist das nicht.

Mehr als ein lustiges Gesellschaftsspiel ohne Anspruch ist das nicht.


Das trifft nach meinen mittlerweile mehrjährigen Erfahrungen schlichtweg nicht zu. Man schult seine Sensorik und sein Geschmacksgedächtnis ungemein, wenn man immer wieder blind verkostet und sich dann dem jeweiligen Wein anzunähern versucht. Und so ganz nebenbei lernt man durch die Hinweise der anderen ohne stures Pauken eine Menge über Jahrgangstypizitäten und Lagencharakteristika.

Beste Grüße

Bernd
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pivu

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 14:21

Bernd Schulz hat geschrieben:
Mehr als ein lustiges Gesellschaftsspiel ohne Anspruch ist das nicht.


Das trifft nach meinen mittlerweile mehrjährigen Erfahrungen schlichtweg nicht zu. Man schult seine Sensorik und sein Geschmacksgedächtnis ungemein, wenn man immer wieder blind verkostet und sich dann dem jeweiligen Wein anzunähern versucht. Und so ganz nebenbei lernt man durch die Hinweise der anderen ohne stures Pauken eine Menge über Jahrgangstypizitäten und Lagencharakteristika.


Also ich behaupte, beim offenen Trinken mehr "lernen" zu können. Ich bin ja nicht mehr in der Schule.

Ciao
Peter
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Don Miguel

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BeitragDo 16. Jun 2011, 15:25

pivu hat geschrieben:Zwar OT hier - Gerald, bitte verschieben -, aber mich immer wieder herausfordernd: warum verdammt nochmal soll der Weingenießer einen Wein blind trinken?

Servus Peter,

wenn ich deine Aussage wörtlich nehme, dann gebe ich dir Recht: Ein Weingenießer braucht wirklich keinen Wein blind zu trinken! Er will genießen, nicht analysieren. Und genießen kann man offen getrunken mit allem Wissen und subjektiven Eindrücken unzweifelhaft besser.

Wer aber einen weitergehenden Anspruch hat, sich also zumindest hobbymäßig auch bezüglich Hintergründen (Region, Weinbereitung u. v. a.) mit dieser Materie beschäftigt, für denjenigen ist die Blindverkostung zumindest erwägenswert, um es neutral zu formulieren.

Die grundsätzliche Diskussion über pro und contra wollte ich gerade nicht führen, weil sie eben zu keinem Konsens führen wird.

Mein Ansatz ist ein simpler Kompromiss. Es ist ja interessant zu hören, dass manche tatsächlich in 2 Durchgängen verkosten, aber das scheint doch eher die große Ausnahme von der allgegenwärtigen Regel zu sein.

Man probiert halt in einer Verkostungsrunde lieber 12-16 verschieden Weine oberflächlicher in einem Durchgang, als nur die halbe Anzahl an Weinen intensiv in zwei Durchgängen. Eine sehr profane Begründung, aber wir Weintrinker sind halt in unserem Ehrgeiz möglichst viele Weine zu kennen und probiert zu haben etwas einfach gestrickt.

Ich habe keinen großen Zweifel, dass eine kombinierte Verkostungsabfolge zu neuen, auch überraschenden Erkenntnissen führen wird. So manche blind vergebenen Punkte müssten dann revidiert bzw. relativiert werden, oder umgekehrt!

Ich glaub, ich muss da Mal ein ernsthaftes Wörtchen mit meinen Bayerntalkern reden ... ;)


Grüße
Don
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dylan

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 15:55

Hallo zusammen,

ich kenne keinen einzigen Menschen (und schon recht keinen Weintrinker), der völlig unvoreingenommen und vorurteilsfrei durch die Weltgeschichte marschiert.
Die "Blindprobe" hat von daher schon ihre Berechtigung darin, dass sie diese Vorurteile aufzeigt, und damit auch im besten Falle ein Stück weit zu überwinden hilft.
Ich erinnere mich da zum Beispiel an eine Probe Bdx vs. ital. Bdx-Blends, die, soweit ich mich erinnere,mit einem Remis endete. Wenn diese Probe "offen" gelaufen wäre, hätte wohl Bordeaux deutlich die Nase vorn gehabt.
Wie oft habe ich erlebt, dass in einer Blindprobe, nachdem der Flight aufgedeckt war, Korrekturwünsche bei der Punktvergabe angemeldet wurden. Über die Gründe hierfür kann man nur spekulieren.
Aus den genannten Gründen bin ich ein Fan von (gelegentlichen) Blindproben, die allerdings - hier kann ich einigen Vorrednern zustimmen - nur sehr bedingt etwas mit Weingenuss zu tun haben.

Beste Grüsse

dylan

@Pivu: In Bodenheim haben wir die PiPi - Probe (Pivu vs. Pigott) mit dem Kalkofen 08 GG von Winning gemacht. Du hast gut abgeschnitten, wahrscheinlich weil die Probe blind war :D
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DerFranki

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 16:03

Natürlich soll Wein genossen werden.

Aber was spricht dagegen, sich der „Herausforderung Blindverkostung“ zu stellen?

Es geht ja nicht darum, ab sofort nie wieder einen Wein offen zu trinken, sondern seine (angeblichen) Kenntnisse an jeder 30. oder 50. Flasche, vielleicht sogar in einem Wettstreit mit anderen, zu überprüfen.


Ich fand es jedenfalls erschreckend, wie ich aus mir bekannten, fünf eindeutig verschiedenen Weinen, voll ins Klo gegriffen hatte. ;)

Das wurde dann besser, ich habe gelernt ohne ein Etikett im Hinterkopf an die Weine heran zu gehen und erste, kleine Erfolge stellten sich ein.

Die Fehlerquote bleibt aber viel höher, als ich es vor diesen Spielchen von mir erhofft habe.

Ich finde Blindverkostungen sind eine nette Abwechslung und mich machen sie demütig. ;)
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Don Miguel

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BeitragDo 16. Jun 2011, 16:52

Nicht die Blindprobe als solche ist doch das Problem, sondern die daraus gezogenen Schlussfolgerungen :!:

Wer meint, nur „blinde“ Punkte sind wahre Punkte, liegt mit einer solchen apodiktischen Aussage genau so daneben wie ein Verfechter der gegenteiligen Meinung. Wie meistens im Leben liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte, zumal bei einer so unvermeidbar subjektiven Bewertung eines geschmacklichen Erlebnisses.

Und damit wären wir zwanglos schon beim nächsten Streitthema, kann man Weine bepunkten ... :twisted: :D
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Bernd Schulz

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 17:01

Wer meint, nur „blinde“ Punkte sind wahre Punkte, liegt mit einer solchen apodiktischen Aussage genau so daneben wie ein Verfechter der gegenteiligen Meinung.


Mir geht es, wenn ich Wein blind probiere, nicht primär um irgendwelche Punkte. In erster Linie interessiert mich im Hinblick auf den Wein und mich selber, inwieweit ich in der Lage bin, Rebsorte, Alter, Land, Anbaugebiet, Ort und Lage zumindestens schritt- und näherungsweise zu bestimmen. Punkte...naja.... :roll:

Beste Grüße

Bernd
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Don Miguel

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Re: "Problemfall" Blindverkostungen

BeitragDo 16. Jun 2011, 17:13

Bernd Schulz hat geschrieben:Mir geht es, wenn ich Wein blind probiere, nicht primär um irgendwelche Punkte. In erster Linie interessiert mich im Hinblick auf den Wein und mich selber, inwieweit ich in der Lage bin, Rebsorte, Alter, Land, Anbaugebiet, Ort und Lage zumindestens schritt- und näherungsweise zu bestimmen. Punkte...naja.... :roll:

Sag ich doch: Es geht nur um die aus einer Blindprobe gezogenen Schlussfolgerungen! Dir geht es gar nicht um "Punkte", also machen Blindproben für deine Zwecke durchaus Sinn! Ist für mich uneingeschränkt nachvollziehbar und sinnvoll!
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