Da mache ich mich auf jeden Fall schuldig, ich muss zugeben, ich verwende den Begriff Phenolik gerne, gerade weil er so wunderbar weich istUlliB hat geschrieben:[Ach ja, und jetzt OT und nur ganz am Rande: den Begriff "Phenolik" empfinde ich in der Weinsprache als das mittlerweile ärgerlichste pseudowissenschaftliche Gebrabbel. Es ist schon richtig, dass die meisten Gerbstoffe im Wein chemisch betrachtet in die Gruppe der Phenole gehören, aber in diese chemische Gruppe gehört alles Mögliche - [...] Warum redet man nicht schlicht und einfach von "Gerbstoffen"?]


Solche Verbindungen sind ja wasserlöslich und auch im Fruchtfleisch vorhanden und gehen auch beim simplen Abpressen in den Wein über. Gerbstoffe oder Tannine, die als adstringent-zusammenziehend empfunden werden und ich gern als griffig, adstringierend beschreibe, leiten sich ja z.B. von der Gallussäure ab (die ist auch noch recht acide und sorgt zusätzlich für einen Frischeeindruck). Für diesen Typ von Gerbstoffen benötigt man ja schon eine gewisse Maischestandzeit oder Holzausbau, um sie in ausreichender Menge in den Wein zu bekommen. Wenn ich nicht weiß wie der Wein gemacht wurde, also, ob es z.B. eine Maischestandzeit gegeben hat, mogel ich mich dann gerne mit dem Begriff Phenolik durch...Einfach damit mein Verkostungkartenhaus nicht einstürzt, wenn mir jemand mit dem Hinweis auf die Weinbereitung meine Wahrnehmung ad absurdum führen könnte, ich bin da schon eitelEThC hat geschrieben:...von Phenolik rede ich eigentlich nie (hoffentlich stimmt's auch), von Phenol oder phenolisch jedoch schon, dann meine ich jedoch explizit Phenol aka Carbolsäure aka Hydroxybenzol aka Benzenol. Gerbstoffe sind bei mir Gerbstoffe...

Noch anstrengender finde ich den Begriff, Mineralik/Mineralität. Viele beschreiben damit eine eher taktile Wahrnehmung, die ich auf Gerbstoffe zurückführe, vielleicht auch die Säure. Ich und andere benutzen es lieber für bestimmte schwefelassozierte Aromen von nassen Steinen. Was ich aber an dem Begriff, genau so wie Phenolik schwierig finde (neben der Weichheit), ist, dass die Begriffe so fälschlich, einseitig positiv konnotiert sind. Da wird dann irgendwas ungreifbares, präzise wie ein Horoskop, unter den Begriffen subsummiert, taucht in jedem zweiten Satz von Heiner auf und wird dann für die Qualität und das Besondere eines Weins herangezogen. Und dann auch noch diese blödsinnige Assoziation von Mineralik mit dem Grundgestein der Rebfläche. Aber ich bin ja schon auch selber schuld, wie war das mit dem ersten Stein werfen?
In Summe, ich gebe dir vollkommen recht, der Begriff Phenolik ist wenig hilfreich für eine nachvollziehbare Weinbeschreibung.
Das kann ich nachvollziehen, man muss sich da etwas disziplinieren, auch bei einem Weißwein seine Aufmerksamkeit zu richten. Manchmal springen einen auch bei Weißweinen die Gerbstoffe an, aber ich finde, es ist schon schwierig, Gerbstoffe absolut zu erfassen. Das weißt du mit Sicherheit besser als ich, ich finde es geht leichter, die Veränderung wahrzunehmen. Dafür muss man aber einen Wein auch über ein, zwei, drei Tage verfolgen und zu bestimmten Phasen sind die Gerbstoffe auch kaum wahrnehmbar. Das ist komplex zu erfassen und noch schwieriger nachvollziehbar zu beschreiben.UlliB hat geschrieben:Bei Weißweinen, bei denen die Gerbstoffe naturgemäß wesentlich schwächer ausgeprägt sind als bei diesen Weinen, kann es deshalb sein, dass ich diese Strukturkomponente schon mal übersehe.
Grüße, Josef