Aktuelle Zeit: Fr 29. Mär 2024, 02:01


Wie wird Weißwein schwarz?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

JoergBoerg

  • Beiträge: 52
  • Bilder: 7
  • Registriert: Mo 17. Jun 2019, 15:31
  • Wohnort: Kassel

Wie wird Weißwein schwarz?

BeitragMo 29. Jun 2020, 09:57

Wir haben am Samstag, nach einer netten Sauvignon Blanc Probe noch spontan eine 86er Rieslaner TBA aufgemacht und waren allesamt sprachlos.

Erstmal kurz die VKN:
Müller-Catoir - Mußbacher Eselshaut Rieslaner Trockenbeerenauslese 1986
In der Farbe Schwarz, Pechschwarz, gegen das Licht gehalten.
In der Nase zunächst Muff, dann mit etwas Luft öffnet sich der Wein und es kommen trockene Pflaume und Schokolade. 
Im Mund balsamisch, in der Konsistenz viel mehr Likör als Wein. Keinerlei aufdringliche Süße. Gutes Spiel mit immer noch guter Säure. Malz und Anklänge an einen alten Balsamico.
Ewig langer Abgang. Kakao, dunkle Schokolade. Schöne, immer noch geladene Säure im Abgang und immer noch ein spannendes Spiel. 
Ein echtes Erlebnis.


Bild Bild

Bei dem Anbklick der Farbe waren wir erstmal alle platt. Die Ideen gingen von Weinfehler bis hin zu falsch abgefüllt. Wir haben dann mal schnell gegoogelt und mehrere VKN zu dem Wein gefunden (https://www.cellartracker.com/wine.asp?iWine=613876&searchId=4F5EBCC6%23selected%253DW2868216_1_Kc45444cc0eb53790c4c99df58d5cff1b http://www.verkostungsnotizen.net/vkn_details.php?ID=24126), die aber die Farbe ähnlich beschrieben haben.

Nun also meine Frage: Wie kommt das? Wie geht das? Ist das Rebsortentypisch?
Kann jemand vielleicht dazu 1-2 Sätze Erklärung liefern, denn mit unserem Weinwissen war das nicht so ganz vereinbar, dass ein Weißwein so pechschwarz wird...
Offline
Benutzeravatar

Gerald

Administrator

  • Beiträge: 7485
  • Bilder: 32
  • Registriert: Do 24. Jun 2010, 07:45
  • Wohnort: Wien
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Wie wird Weißwein schwarz?

BeitragMo 29. Jun 2020, 10:26

Hallo,

ich denke, der Wein wurde absichtlich (da das ja offenbar bei allen Flaschen so aussieht) oxidativ ausgebaut, so wie z.B. ein Pedro Ximénez, der ja ebenfalls meistens tiefbraun ist. Bei TBA allerdings meines Wissens ziemlich ungewöhnlich, vielleicht eine Art "Experiment"?

Grüße
Gerald
Offline

Leo

  • Beiträge: 239
  • Registriert: So 4. Dez 2011, 17:59

Re: Wie wird Weißwein schwarz?

BeitragMi 1. Jul 2020, 17:12

Gerald hat geschrieben:Hallo,

ich denke, der Wein wurde absichtlich (da das ja offenbar bei allen Flaschen so aussieht) oxidativ ausgebaut, so wie z.B. ein Pedro Ximénez, der ja ebenfalls meistens tiefbraun ist. Bei TBA allerdings meines Wissens ziemlich ungewöhnlich, vielleicht eine Art "Experiment"?

Grüße
Gerald

Hallo Forum,

ick kenne H.G.Schwarz, der den Wein als Kellermeister vinifiziert hat, seit vielen Jahren, und wir haben auch so manche gute Flasche miteinander geleert.
Rieslaner war eine der absoluten Lieblingsrebsorten von Herrn Schwarz während seiner langen Karriere, und wir verdanken ihm eine ganze Anzahl unvergeßlicher Pretiosen.

"Experimentiert" hat der Kellermeister bei dieser 86er Rieslaner TBA bestimmt nicht. Was ich aber für möglich halte:

Rieslaner ist eine Rebsorte, die gerade als edelsüße Version meist über außergewöhnlich hohe zuckerfreie Extrakte verfügt.Das ergibt beim Wein natürlich ein sehr üppiges, edles Mundgefühl, sein Ausbau ist aber oft nicht ganz problemlos im Hinblick auf die gestzlich begrenzte Menge an Gesamt-S0 2. Möglich also,daß der Wein mit rel.wenig freier So 2 auf die Flasche kam, um die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten.

Rieslaner ist nach meiner Erfahrung eh eine Sorte und ein Wein, der eine relativ intensive Gelbfarbe schon in der Jugend hat, bei Edelsüßen kann das sogar schon durchaus ein Goldgelb sein. Nach 3o Jahren Lagerzeit ( vielleicht sogar bei schwankenden Lagertemperaturen ) halte ich diese Farbintensivierung bis ins Schwarzbraune hinein für absolut möglich und auch natürlich. Daß der Wein immer noch beeindruckend gut schmeckt, freut mich für das Weingut und die Weingenießer sehr.

Was ich nicht weiß und nicht beantworten kann, wäre die Frage, ob es 1986 eine "saubere" oder evtl. eine "naßfaule" Botrytis gab. Bei "naßfaul" könnte das ein weiteres Kriterium für einen erhöhten S0 2 bedarf im fertigen Wein sein, wobei dann auch der freie ( und damit wirksame ) So 2 Schutz noch rascher abgebaut wird.

In den letzten Jahrgängen wie 18 und 19 gab es oft eine extrem "saubere" Botrytis ohne Pilzrasen.Das führte sogar bei sehr hochwertigen edelsüßen Rieslingen dazu, daß sie mit rel. wenig So 2 auskamen und selbst als TBA heute nach z.B. 2 Jahren auf der Flasche noch verhältnismäßig hellfarbig ins Glas fließen.

Gruß Leo

Zurück zu Allgemeines Weinwissen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen