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Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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OsCor

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Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragFr 24. Apr 2020, 19:39

Wer kontrolliert eigentlich, welchen Alkoholgehalt der Wein in einer verkauften Flasche hat?
Die Weine der letzten Jahre haben (für mich zumindest gefühlt) immer mehr Alkohol. Nicht, dass die mir schlecht schmecken würden - ganz im Gegenteil - aber wenn ich mir zum Mittagessen ein Gläschen (0,1 l) einschenke, und der Wein hat 14% schon auf dem Etikett, wird mir manchmal ganz bange: Muss diese Angabe eigentlich stimmen und wie genau ?
Wenn ich sagen würde, ich trinke zum Mittagessen z.B. nur einen Elbling von der Saar oder der Obermosel mit 11%, kann ich mich dann darauf verlassen, obwohl der Wein Fülle hat?

Gruß
Oswald
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UlliB

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragFr 24. Apr 2020, 20:13

Die Angabe des Alkoholgehalts erfolgt auf Basis der offiziellen und gesetzlich vorgeschriebenen Weinanalyse. Die dafür autorisierten Labore fungieren in dieser Hinsicht als vereidigte Sachverständige, das heißt, man kann davon ausgehen, dass die ermittelten Werte im besten Sinne "wahr" sind. Der analytische Fehler bei Bestimmung des Alkoholgehaltes ist nur sehr gering.

Die Angabe erfolgt gemäß gültiger EU-Richtlinie in Schritten von einem halben Prozentpunkt, und es darf maximal um einen halben Prozentpunkt auf- oder abgerundet werden. Heißt: ein Wein mit deklarierten 13% kann irgendwas zwischen 12,5 und 13,5% tatsächlichen Alkoholgehalt haben. In letzter Zeit wird man davon ausgehen können, das eher ab- als aufgerundet wird.

Theoretisch könnte ein Erzeuger dem Labor natürlich ein manipuliertes Muster zur Verfügung stellen. Das Risiko ist aber verdammt hoch, dass das bei einer Nachanalyse auffällt - der Alkoholgehalt kann tatsächlich mit minimalem Laboraufwand ermittelt werden. Und warum sollte man das auch machen?

Gruß
Ulli
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OsCor

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragFr 24. Apr 2020, 20:46

Wenn ich mir anschaue, wie ich selber unwillkürlich vorgehe und Weine mit hohem Alkoholgehalt zu meiden versuche - nicht immer freilich - und von anderen erfahre, dass ihnen das ebenso geht, kann ich mir vorstellen, dass ein Winzer einen Wein von vielleicht 13,4 % auf 13 % „abrundet” aus marketingtechnischen Gründen etwa.
Es ist ja nicht nur ein gesundheitlicher Aspekt, sondern auch eine Frage des Wollens. Wenn ich am Sonntag nach einem feinen Mittagessen denke „Ach, ein Gläschen trinke ich noch, der schmeckt ja himmlisch.” und mir aber im Hinterkopf schon darüber im Klaren bin, dass dann der Nachmittag auch auf der Terrasse ausklingen sollte, ja, dann frage ich mich, ob das die Zukunft ist - ob wir also in Zukunft nur noch (bei trockenen Weinen) mit solchen Wuchtbrummen rechnen müssen. Und ich rede hier von Weißwein und nicht von stolz beworbenen 15-er Roten.

Ich habe mir also allen Ernstes überlegt, ob ein Winzer besch…en könnte und ob nachkontroliert wird. Wenn ich nämlich die Beurteilungen der Spürbarkeit des Alkoholgehaltes in den hier eingestellten VKNs (es gibt sehr viele, die dieses Thema ansprechen) lese, ist es doch so, dass die Wahrnehmung sehr unterschiedlich sein kann.

Gruß
Oswald
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UlliB

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragSa 25. Apr 2020, 09:14

OsCor hat geschrieben:Ich habe mir also allen Ernstes überlegt, ob ein Winzer besch…en könnte [...]
Beschissen werden kann man immer. Aber ausgerechnet mit dem deklarierten Alkoholgehalt... das wäre schon sehr blöde. Ich denke, dass der auf der Flasche angegebene Wert mit der zulässigen Spanne ±0,5% so gut wie immer der Wahrheit entspricht. Und wo das mal nicht der Fall sein sollte, ist die Ursache vermutlich eher Irrtum als Betrug.
Wenn ich nämlich die Beurteilungen der Spürbarkeit des Alkoholgehaltes in den hier eingestellten VKNs (es gibt sehr viele, die dieses Thema ansprechen) lese, ist es doch so, dass die Wahrnehmung sehr unterschiedlich sein kann.
Wenn Du mit "Spürbarkeit" die geruchliche oder geschmackliche Wahrnehmung meinst, gibt es da tatsächlich eine große Bandbreite. Neben sicherlich individuell unterschiedlicher Empfindlichkeit des Verkosters gibt es zumindest für mich keine klare Korrelation zwischen deklariertem Alkoholgehalt und alkoholischem Eindruck. Ich hatte schon Weine mit deklarierten 12% im Glas, bei denen der Alkohol deutlich riech- und schmeckbar war, und auf der anderen Seite solche mit deklarierten 14,5%, wo das nicht der Fall war.

Eine andere Frage ist die physiologische Wirkung. Da vertrage ich ganz klar Weine mit niedrigem Alkoholgehalt besser als solche mit hohem Alkoholgehalt, auch wenn ich von ersteren dann mehr trinke und am Ende die Alkoholdosis gleich hoch sein sollte. Paradox, aber ist bei mir so.
[...] dann frage ich mich, ob das die Zukunft ist - ob wir also in Zukunft nur noch (bei trockenen Weinen) mit solchen Wuchtbrummen rechnen müssen.
Klare Antwort: nein. Auch wenn der Klimawandel zu steigenden Alkoholgehalten beiträgt, ist der Schlüsselfaktor immer noch der Winzer. Die Mehrheit von denen hat aber offensichtlich tief verinnerlicht, dass höhere Zuckerreife bessere Weine ergibt - das war in Deutschland bis vor 30 Jahren auch der Fall, und unser immer noch gültiges 71er Weingesetz hat dieses Prinzip quasi betoniert.

Wer will, kann aber gegensteuern, und viele machen das inzwischen auch. Selbst aus Hitzejahren wie 2018 gibt es mittlerweile GGs, die bei deklarierten 12,5% Alkohol liegen. Und sogar im Kaiserstuhl findet man schlanke und nicht übermäßig alkoholstarke Weine, wenn man danach sucht.

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Ulli
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stollinger

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragSa 25. Apr 2020, 11:14

UlliB hat geschrieben:Wenn Du mit "Spürbarkeit" die geruchliche oder geschmackliche Wahrnehmung meinst, gibt es da tatsächlich eine große Bandbreite. Neben sicherlich individuell unterschiedlicher Empfindlichkeit des Verkosters gibt es zumindest für mich keine klare Korrelation zwischen deklariertem Alkoholgehalt und alkoholischem Eindruck. Ich hatte schon Weine mit deklarierten 12% im Glas, bei denen der Alkohol deutlich riech- und schmeckbar war, und auf der anderen Seite solche mit deklarierten 14,5%, wo das nicht der Fall war.


Reiner Ethanol riecht nicht alkoholisch. Reinen Alkohol habe ich nicht probiert, aber sehr sauber gebrannter Vodka schmeckt für mein Empfinden auch nicht besonders alkoholisch. Das, was die sensorische Wahrnehmung von Alkohol erzeugt sind höhere Alkohole (Fuselalkohole). Diese entstehen als Gärungsnebenprodukt; zum einen anteilig, d.h. wenn mehr Ethanol vorhanden ist, sind in der Regel auch mehr höhere Alkohole vorhanden. Zum anderen ist der Hefestoffwechsel, Gärungsführung und der Hefestamm aussschlaggebend für die Menge. Ein Most mit einer schlechten Nährstoffversorgung führt Stoffwechselbedingt zu mehr Gärungsnebenprodukten und damit auch zu mehr höheren Alkoholen.

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UlliB

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragSa 25. Apr 2020, 11:25

stollinger hat geschrieben:Reiner Ethanol riecht nicht alkoholisch.

Da widerspreche ich, und zwar mit Nachdruck. Ich habe beruflich bedingt jahrelang mit hochreinem Alkohol gearbeitet, und der riecht sehr wohl - eben nach Alkohol. Und das auch noch in Verdünnung. Und genau auf diesen Geruch beziehe ich mich, wenn ich von "alkoholisch" rede.

Wie Fuselalkohole riechen, weiß ich auch - aber die meine ich explizit nicht.

Gruß
Ulli
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stollinger

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragSa 25. Apr 2020, 11:35

Hi Ulli,

da beharre ich auf meine Meinung, da ich beruflich bedingt jahrelang mit hochreinem Alkohol gearbeitet habe ;) . Ich rieche da etwas Ester und Acetaldehyd, weil dir immer mal ein sehr geringer Teil oxidiert wird.Von Letzerem der leicht stechende Ton, sonst nichts.

Vielleicht ein Thema der individuellen Wahrnehmung, mal eine VKN von reinem Alkohol anfertigen...

Grüße, Josef
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UlliB

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragSa 25. Apr 2020, 11:45

stollinger hat geschrieben:Vielleicht ein Thema der individuellen Wahrnehmung,

Vermutlich ist das so. Aber für das Thema hier ist es eigentlich auch egal... :)

Gruß
Ulli
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stollinger

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragSa 25. Apr 2020, 12:31

ja, hast du Recht, hat wenig mit Oswalds ursprünglicher Frage gemein, beschäftigt mich aber trotzdem gerade :D . Ich habe deshalb auch gerade noch von links nach rechts und zurück gegoogled. Wikipedia schreibt würzig, ich beharre darauf, ich rieche da nichts würziges. Vielleicht kann ich es einfach nicht riechen.

Ich verbinde einen olfaktorisch alkoholischen Eindruck von einem Wein auch tatsächlich mit dem Geruch von Fuselalkoholen, anders als du. Geschmacklich eher so seifig-bitter mit einem hohlen Volumen, in der Regel verstärkt mit der Anwesenheit von Glykolen (die ich meine, an ihrer charakteristischen Süße zu erkennen, wer weiß ob´s stimmt). Aber auch etwas brandiges, und das nimmt meiner Wahrnehmung nach mit Luft zu. Was ja jetzt auch kein Argument dafür ist, dass es vom Alkohol selber stammt, sondern von einem Oxidationsprodukt.

Noch mal eine andere Frage, weißt du, wie die Analyselabore technisch den Alkohol bestimmen? Ich vermute ja irgendeine Methode zur absoluten Bestimmung des Alkohols und dann die Umrechnung in Volumenprozent über die Alkoholtafeln. Ich habe mich schon öfters gefragt, ob da bei Süßeweinen mit einem sehr hohen Zuckergehalt und einer abweichenden Dichte die Umrechnung wirklich sauber unter Einbeziehung des Mischungsvolumen gemacht wird. Ich wollte mal nachvollziehen, wie sich 7.5vol% bei 200g/l Restzucker wirklich im Alkohol in Gramm von einem trockenen Wein mit z.B. 13vol% unterscheidet und bin mit meiner Handrechnung erst mal gescheitert :lol: .

Meine Frau merkt übrigens an, dass meine Posts durchaus unsympatisch rüberkommen; ich meine das gar nicht so.

Grüße, Josef
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Jochen R.

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Re: Wieviel Alkohol ist wirklich in der Flasche?

BeitragSa 25. Apr 2020, 13:03

Man braucht eigentlich nur mal eine Chemikalienflasche von
hochreinem Ethanol p.A. frisch aufmachen und die Nase reinhalten.
Ich bin da bei Ulli.
Kann mir keiner erzählen, dass das Ethanol innerhalb von wenigen
Sekunden über´s Aldehyd zur Säure (müsste ja dann auch nach Essig
riechen) hochoxidiert und dann auch noch eine Veresterung abläuft.

Viele Grüße,
Jochen
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