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Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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Kreuzotter

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Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragSo 8. Dez 2019, 19:04

Guten Tag,

ich fange so langsam an, mich "chemisch" mit Rotwein zu beschäftigen, sprich den Genuss und die Trinkkultur endlich mal ansprechend zu kultivieren.

Bisher war ich es "gewöhnt", dass trockener Rotwein herb bzw. (etwas) bitter und pelzig schmecken muss, dafür ist er ja auch herb und nicht lieblich.

Mittlerweile weiß ich, dass man durch Oxidation bzw. durch das Karaffieren des Weins (bei jungem Rotwein) sehr viel optimieren kann.

Frage: Bekommt man durch das Belüften des Rotweins jemals den bitteren Geschmack weg oder ist dieser einfach zu einem gewissen Teil Grundbestandteil des Geschmacks von Rotwein.

Derzeit führe ich ein Experiment durch und karaffiere Rotwein für 12 Stunden, zwischen durch probiere ich aller zwei Stunden. Nach 4 Stunden war der Wein wesentlich weicher und bekömmlicher, jedoch noch mit leichter Bitternote, nach 6 Stunden hat die "Herbe" wieder zugenommen. Wird sie jemals gehen?

Danke.
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EThC

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragSo 8. Dez 2019, 20:13

...das ist grundsätzlich schon mal eine Frage des Rotweins an sich, es gibt auch genügend Sachen, die eher tanninarm bis -frei sind und von Haus aus gar keine Bitterstoffe aufweisen. Auch hängt die Bitterkeit eines (Rot-) Weins nicht zwangsläufig von dessen Tanningehalt ab, die Art der Bitterchen ist recht vielfältig.

Was mich jetzt erst mal interessieren würde: von welchem Rotwein redest bzw. schreibst Du denn da gerade :?:

Übrigens: "lieblich" beschreibt den Süßegrad eines Weins (bei Rotwein ist dieser Grad allerdings eher unüblich) und hat erst mal nichts mit dessen Herbheit zu tun...
Viele Grüße
Erich

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Kreuzotter

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragMo 9. Dez 2019, 11:10

Ich schreibe hier vor allem von Rotwein allgemein.

Ich möchte herausfinden, ob es eine allgemeine Faustformel zum Belüften gibt, damit der Wein so wenig bitter wie möglich schmeckt.

Was ich bisher weiß, ist, dass in Holzfässern (Barrique) gelagerte Weine länger belüftet werden sollten als leichtere Weine, wie Tempranillo oder Tinto.

Schade, dass dies in den Steckbriefen der Weine, die beispielsweise online verkauft werden, nicht enthalten ist, also eine kurze Bemerkung à la "sollte zuvor XX Minuten belüftet / karaffiert werden".
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amateur des vins

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragMo 9. Dez 2019, 15:34

Kreuzotter hat geschrieben:Ich möchte herausfinden, ob es eine allgemeine Formel zum Belüften gibt, damit der Wein so wenig bitter wie möglich schmeckt.
Ein Zusammenhang zwischen Bitterkeit und Belüftung ist mir nicht bekannt, vorsichtig formuliert. Es gibt wohl Leute, die Alkohol als bitter empfinden. Da sich mit dem Belüften ein Teil des Inhaltes verflüchtigt, und Ethanol eher leichtflüchtig ist, kannst Du so u.U. manchmal eine Verbesserung erzielen. Meiner Erfahrung nach sind diese Effekte aber klein; über niedrigere Trinktemperatur läßt sich da viel mehr erzielen.
Kreuzotter hat geschrieben:Was ich bisher weiß, ist das in Holzfässern (Barique) gelagerte Weine länger belüftet werden sollten als leichtere Weine, wie Tempranillo oder Tinto.
Wer sagt denn sowas? Wenn Du die Frucht wegbelüftest, behältst Du u.U. nur noch Holzsud und Tannine übrig.
Wenn überhaupt, könnte man meiner Meinung nach sagen, daß stark reduktiv ausgebaute Weine in ihrer Jugend von Belüftung profitieren. Das geht Hand in Hand damit, daß diese Weine typischerweise für ein längeres Leben gemacht sind. Durch die Oxidation bei der Belüftung beschleunigst Du sozusagen die Entwicklung. (Das stimmt nur näherungsweise, weil die vielen chemischen Prozesse unterschiedlich schnell verlaufen. Du erhältst also ein anderes Ergebnis, ob Du dieselbe Menge Sauerstoff schnell oder langsam zuführst.)
Kreuzotter hat geschrieben:Schade, dass dies in den Steckbriefen der Weine, die beispielsweise online verkauft werden, nicht enthalten ist, also eine kurze Bemerkung à la "sollte zuvor XX Minuten belüftet / karaffiert werden".
Das hat auch seine Vorteile: Sonst kommt bestimmt jemand und fordert Ersatz, weil die Gebrauchsanleitung falsch war.
Zuletzt geändert von amateur des vins am Mo 9. Dez 2019, 19:02, insgesamt 2-mal geändert.
Besten Gruß, Karsten
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Kreuzotter

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragMo 9. Dez 2019, 15:39

Wonach karaffiert ihr, liebe Forenten? Gibt es eine Faustformel für Euch?

Was ratet ihr Anfängern hier? Müssen Weintrinker auch Chemiker sein? ;-)
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EThC

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragMo 9. Dez 2019, 17:52

Kreuzotter hat geschrieben:Müssen Weintrinker auch Chemiker sein? ;-)

...muß nicht, aber manchmal ist es hilfreich, die komplexen Zusammenhänge zu verstehen...
Kreuzotter hat geschrieben:Wonach karaffiert ihr

...fast gar nicht, die allermeisten Weine -auch rot- kommen direkt ins Glas und dann beobachte ich die Entwicklung mit Luft mit mehr oder weniger Glasgeschwenke. In die Karaffe kommt der Wein nur, wenn er anfangs ganz und gar unzugänglich ist. Bei zweifelhaften Kandidaten mach' ich die Flasche schon entsprechend früh auf, probiere kurz und entscheide dann, ob ich die Flasche einfach wieder zu mache oder der Wein in eine Karaffe kommt, bei jüngerem Nebbiolo würde ich z.B. so vorgehen, also wenn ich z.B. davon ausgehe, daß einige noch harsche Tannine sich mit Luft besänftigen lassen. Und wenn die Sachen älter sind, ist zuviel Luft häufig eher schädlich, da fällt dann so mancher Wein gleich in sich zusammen.

Reine Bitterstoffe wie z.B. metallische oder Chininbitterchen -da schließe ich mich den Ausführungen meines Vorschreibers an- gehen mit Luft eher nicht weg, da wäre es halt interessant zu wissen, welche Art von Bitterkeit Du meinst bzw. wahrnimmst. Ich bin da mal von den Gerbstoffen / Tanninen im Wein ausgegangen, die teils auch als bitter wahrgenommen werden.
Kreuzotter hat geschrieben:Ich schreibe hier vor allem von Rotwein allgemein.

...allgemein muß ich zu Rotwein sagen, daß dieser nicht generell Bitterstoffe hat, jedenfalls nicht die Sachen, die ich so im Keller habe, deshalb auch meine Nachfrage, auf welchen Rotwein Du Dich beziehst. Was ich allerdings feststelle, ist, daß eher günstige Supermarkt-Rotweine recht häufig solche eher fiesen Bitterchen mitbringen, das ist dann generell mehr eine Qualitätsfrage...
Kreuzotter hat geschrieben:Was ich bisher weiß, ist, dass in Holzfässern (Barrique) gelagerte Weine länger belüftet werden sollten als leichtere Weine, wie Tempranillo oder Tinto.

Ist aus meiner Sicht -Entschuldigung!- eher Quatsch. Auch ist z.B. Tempranillo per se kein leichter Wein in meinen Augen, man kann halt so gut wie alles auch in "leicht" produzieren. Und ein Wein aus dem Holz muß auch nicht zwingend belüftet werden, wenn die Tannine schon entsprechend geschmeidig sind (oder gar keine da sind) und man z.B. auch keine störenden reduktiven Noten 'rausbringen will, schadet man dem Wein ggf. mehr als man ihm nützt.
Viele Grüße
Erich

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Kreuzotter

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragMo 9. Dez 2019, 18:07

Ok, dann sind es also schlichtweg die eigenen Erfahrungswerte, die zählen.

Sprich ein Probieren des Weins nach dessen Öffnung und dann ein Entscheiden, was mit ihm geschehen soll, also wohin für wie lange.

Da habe ich ja noch einiges vor mir. ;-)

PS.: Das mit den Barriqueweinen sagte mir die Hotline eines Onlineweinhändlers.
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stollinger

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragMo 9. Dez 2019, 20:03

Bitter ist eine Geschmacksempfindung, d.h. es bedarft einer Wechselwirkungs eines spezifischen Aromas oder Geschmacksstoffes mit deinen olfaktorischen Rezeptoren. Eine solche Wechselwirkung funktioniert nur mit kleinen Molekülen, die Bitterkeit nimmt von Monomeren über Dimere nach Trimeren ab. Die Bitterstoffe im Wein sind Ethylester von Phenolsäuren (z.B. Vanillinsäure, Kaffeesäure, Syringasäure, Gallussäure). Diese befinden sich hauptsächlich im im Fruchtfleisch der Trauben. Dazu kommt Flavan-3-ol, was auch in den Kernen und der Haut vorkommt. Insgesamt ist das mittlere Molekulargewicht (und damit der Kondensationsgrad) der Tannine in den Kernen niedriger als in der Schale. Ebenfalls nimmt die Tanninkonzentration in den Kernen mit fortschreitender phenolischer Reife der Trauben ab (und in den Schalen zu).

D.h. Wein aus unreifen Beeren und bei mechanisch beanspruchender Verarbeitung schmecken tendenziell bitter (z.B. wenn die Trauben ohne Selektion mit dem Vollernter geerntet werden). Du solltest vielleicht nach Rotweinen per Handlese und einer schonenden Extraktionsmethode (z.B. Ganztraubenvergärung) suchen oder fragen.

Adstringierend ist eine taktile Wahrnemung basierend auf der Reaktion von Gerbstoffen mit den Proteinen deiner Mundschleimhaut. Diese Gerbstoffe bestehen aus Polymeren von phenolischen Verbindungen, beim Wein vermitteln Anthocyanine und Flavonole, die sich wesentlich in der Schale der Trauben befinden, die Polymerisation. Generell gilt, je größer das Polymer, desto adstringenter (Ausnahmen bilden hier Polymere, die glycosid- oder proteingebunden sind). Die eigene Erfahrung, dass gereifte Weine tendenziell weniger adstringent sind als junge Weine, spricht dagegen. Das liegt daran, dass ab einer bestimmten Molekülgröße die Polymere nicht mehr im Wein löslich sind und als Depot ausfallen. Sie entziehen sich dem Gleichgewicht. Ebenso ist laut Lehrmeinung wichtig, dass die Polymere auch wieder gespalten werden, während der Alterung, und so zu neuen, anderen Gerbstoffverbindungen führen. Insgesamt verändert sich das mittlere Molekulargewicht der Tannine während der Alterung in der Flasche. Durch die Belüftung beim Dekantieren greift man in das Polymerisationsgleichgewicht ein, es ist leider sehr schwer vorauszusagen, ob diese vorteilhaft für die Geschmacksempfindung ist, oder nachteilig. Man braucht da wohl einfach Erfahrung; also viel Probieren.

Auch die obenerwähnten Bitterstoffe werden in die Polymerisation mit einbezogen und nehmen deshalb mit Reife oder Oxidation ab. Den grundlegenden Weintyp, bzw. die Tanninzusammensetzung deines Weins wirst du aber nicht vollständig verändern.

Die Polymerisation (in diesen Fall eine Polykondensation) kann entweder durch Acetaldehyd vermittelt werden (Alkohol wird in Gegenwart von Phenolen zu Acetaldehyd oxidiert). Oder ohne Sauerstoff durch eine direkte Reaktion von Flavonolen mit Anthocyaninen.

Der Sauerstoff vermittelte Reaktionsweg geschieht bei der Belüftung deines Weins und wird auch bei der Weinbereitung gezielt eingesetzt (Micro-Oxigenation). D.h., man erhält andere Gerbstoffverbindungen als bei der Flaschenreife in der Gegenwart von nur wenig Sauerstoff. Eine Micro-Oxigenation kann den Wein zugänglicher machen, es kann aber keine Flaschenreife ersetzen.

Ich habe mir das übrigens alles nicht selber ausgedacht, kann man hier nachlesen (die ersten beiden sind frei zugänglich). Auch wenn ich etwas falsch wiedergegeben habe, freue ich mich über eine Korrektur.

Grüße, Josef

Phenolic Reactions during Winemaking and Aging [Link]]
Structure and Properties of Wine Pigments and Tannins [Link]]
Effect of early oxygen exposure on red wine colour and tannins [Link]]
Effect of oxygenation on polyphenol changes occurring in the course of wine-making [Link]]
Quantitative Reconstruction of the Nonvolatile Sensometabolome of a Red Wine [Link]]
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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragMo 9. Dez 2019, 20:32

Kreuzotter hat geschrieben:Müssen Weintrinker auch Chemiker sein?

stollinger hat geschrieben:Die Bitterstoffe im Wein sind Ethylester von Phenolsäuren (z.B. Vanillinsäure, Kaffeesäure, Syringasäure, Gallussäure)

...also doch! :lol:

Ich find's aber cool! 8-)
Viele Grüße
Erich

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austria_traveller

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Re: Tannine / Bitterstoffe (Geschmack) normal im Rotwein?

BeitragDi 10. Dez 2019, 10:21

Kreuzotter hat geschrieben:Sprich ein Probieren des Weins nach dessen Öffnung und dann ein Entscheiden, was mit ihm geschehen soll, also wohin für wie lange.

Ehrlich gesagt würde ich gar keinen Wein karaffieren, wenn ich ihn kennenlernen will.
Da ginge mir die Entwicklung einfach zu schnell als im Glas
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
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