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Alkohol

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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amateur des vins

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Re: Alkohol

BeitragSa 30. Jun 2018, 14:27

stollinger hat geschrieben:In dieser Studie wird die Reifephase (nicht die Alterung) von Wein in den ersten 2 Jahren im geschlossenen Stahltank unter anaeroben Bedingungen in einem (Temperatur)-beschleunigten Modell untersucht.

https://www.vitis-vea.de/admin/volltext/e028331.pdf

Auf Seite 117 ist der Verlust von 0.2 - 0.3 vol% von Ethanol in einer Zeit von 25d bei 42 - 45°C beschrieben, der mit der Reduktion von Schwefelverbindungen in Verbindung gebracht wird.
Was meinst Du mit "die Reifephase (nicht die Alterung)"? Außerdem ist der Witz doch gerade, daß durch die Wärmebehandlung eben nicht nur die "natürliche" Flaschenreife beschleunigt abläuft?! (Ich vermeide auch, meine Weine bei 42-45°C zu lagern.) Und schließlich sollte man erwähnen, daß nur tanninstarke Rotweinsorten (Cabernet, Syrah, Malbec) untersucht wurden.

offtopic und besser anderswo diskutiert:
stollinger hat geschrieben:P.S: Bzgl. der anaeroben Reduktion von Schwefelverbindungen: Subjektiv habe ich das Gefühl, dass mir ein Schwefelstinker vermehr bei Schraubern unterkommt. Geht euch das auch so?
Ich habe den Eindruck gewonnen, daß zu oft von "Schwefelstinker" gesprochen wird, wenn es sich eigentlich nur um Reduktion handelt (die auch, aber nicht nur vom Schwefel kommt). Hältst Du beides auseinander?
Besten Gruß, Karsten
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stollinger

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Re: Alkohol

BeitragSa 30. Jun 2018, 15:20

Der Begriff maturation phase, den ich mit Reifephase übersetzt habe stammt aus der Studie. Die unterscheiden die maturation phase im Fass, bis zu zwei Jahre, und die ageing phase anschließend in der Flasche.

Die Studie geht eigentlich darum, dass die Autoren zeigen wollen, dass sich die Zusammensetzung bei einer temperaturbeschleunigten Reifephase unter genannten Bedingungen nicht von der kellertemperaturgelagerten Referenz unterscheidet. Das ist jedenfalls deren Conclusion. Ob das jetzt so stimmt oder nicht, mal dahin gestellt. Ich hoffe ich trete diesbezüglich keine Diskussion los :D .

Wichtig ist mir, dass es andere relevante Reaktionen, ausser der Veresterung von Ethanol, gibt, die zur Alkoholreduktion beitragen.

amateur des vins hat geschrieben:Ich habe den Eindruck gewonnen, daß zu oft von "Schwefelstinker" gesprochen wird, wenn es sich eigentlich nur um Reduktion handelt (die auch, aber nicht nur vom Schwefel kommt). Hältst Du beides auseinander?

Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Beim Schreiben habe ich im wesentlichen den Geruch nach Schwefelwasserstoff-Verbindungen im Sinn gehabt. Das ist wohl eher ein Böckser. Ich kann den Geruch von Schwefelwasserstoff und SO2 gut erkennen und auseinander halten. Einfach weil ich im Studium solche Verbindungen häufig genug gerochen habe (ebenso wie Acetaldehy und Essigester).

Was du mit einer Reduktion im zusammenhang von Schwefelstinker meinst, ist mir wiederum nicht ganz klar.

Grüße, Josef
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amateur des vins

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Re: Alkohol

BeitragSa 30. Jun 2018, 16:55

Jetzt hab ich doch noch mal einen hauch weniger flüchtig draufgeschaut... 8-)
stollinger hat geschrieben:Der Begriff maturation phase, den ich mit Reifephase übersetzt habe stammt aus der Studie. Die unterscheiden die maturation phase im Fass, bis zu zwei Jahre, und die ageing phase anschließend in der Flasche.
Danke für die Klärung. Nach meinem Sprachverständnis beschreibt "Reife" einen Zustand; den Prozeß könnte man mit "Reifung" übersetzen. Ist aber Wurscht, jetzt wo es definiert ist. ;)
stollinger hat geschrieben:Die Studie geht eigentlich darum, dass die Autoren zeigen wollen, dass sich die Zusammensetzung bei einer temperaturbeschleunigten Reifephase unter genannten Bedingungen nicht von der kellertemperaturgelagerten Referenz unterscheidet. Das ist jedenfalls deren Conclusion. Ob das jetzt so stimmt oder nicht, mal dahin gestellt. Ich hoffe ich trete diesbezüglich keine Diskussion los :D .
Stimmt, im deutschen(!) Abstract steht das so, nicht aber im Text, auch nicht in der Conclusion. Die Studie finde ich aus verschiedenen Gründen unsauber, aber das würde hier wohl wirklich zu weit führen.
stollinger hat geschrieben:Wichtig ist mir, dass es andere relevante Reaktionen, ausser der Veresterung von Ethanol, gibt, die zur Alkoholreduktion beitragen.
Die Studie gibt nicht her, daß "temperaturbeschleunigte Reifung" identische Ergebnisse zu "normaler Reifung" ergibt. Natürlich werden die Reaktionsgleichgewichte verschoben. Es ist auch nicht klar, ob das Ethanol nicht einfach ausdampft.

stollinger hat geschrieben:Was du mit einer Reduktion im zusammenhang von Schwefelstinker meinst, ist mir wiederum nicht ganz klar.
Du als Chemiker(?) wirst mich vielleicht korrigieren. Aber geschwefelt wird ja, um (zuviel/fehlerhafte) Oxidation zu vermeiden. Das ist aber nur eine der möglichen reduktiven Maßnahmen; lange Hefestandzeit wäre eine andere. Meine Beobachtung ist, daß bei deutlich reduzierten Weinen häufig von "Schwefelstinker" gesprochen wird, unabhängig davon, ob und wieviel Schwefel im Spiel ist - so ähnlich, wie bei beliebigen Weinfehlern häufig von "Kork" gesprochen wird, gerne z.B. bei Oxidation(sic!).
Besten Gruß, Karsten
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Re: Alkohol

BeitragSa 30. Jun 2018, 17:50

Um kurz auf die Schrauberfrage einzugehen: ich beobachte -gefühlt- zwei Dinge, die anscheinend vermehrt auftreten. Das eine ist tatsächlich ein schwefelbasierter Geruch, der aber in der Regel nach einigen Minuten weg ist; das andere ist ein im Schnitt höherer Kohlensäuregehalt. Die kann ja bei den Schraubern weniger gut raus.
Viele Grüße
Erich

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stollinger

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Re: Alkohol

BeitragSa 30. Jun 2018, 18:57

Stimmt, im deutschen(!) Abstract steht das so, nicht aber im Text, auch nicht in der Conclusion. Die Studie finde ich aus verschiedenen Gründen unsauber, aber das würde hier wohl wirklich zu weit führen.

Ja, denke ich auch. Auch wenn ich nicht die Expertise besitze das zu bewerten. Es wirkt auf mich interessengetrieben.
Die Studie gibt nicht her, daß "temperaturbeschleunigte Reifung" identische Ergebnisse zu "normaler Reifung" ergibt. Natürlich werden die Reaktionsgleichgewichte verschoben. Es ist auch nicht klar, ob das Ethanol nicht einfach ausdampft.

Ausdampfen kann es nicht, es handelt sich um geschlossene Tanks (steht in cellar treatment).
Du als Chemiker(?) wirst mich vielleicht korrigieren. Aber geschwefelt wird ja, um (zuviel/fehlerhafte) Oxidation zu vermeiden. Das ist aber nur eine der möglichen reduktiven Maßnahmen; lange Hefestandzeit wäre eine andere. Meine Beobachtung ist, daß bei deutlich reduzierten Weinen häufig von "Schwefelstinker" gesprochen wird, unabhängig davon, ob und wieviel Schwefel im Spiel ist - so ähnlich, wie bei beliebigen Weinfehlern häufig von "Kork" gesprochen wird, gerne z.B. bei Oxidation(sic!).

Ich bin der Meinung, die Schwefelung ist wesentlich zum Zerstören von Hefen und zur Deaktivierung von Enzymen dient. Der Wein muss Microbiell inaktiv sein.
Ich glaube im Begriff der Reduktion liegt der Hund begraben. Ich als Chemiker (ja) verstehe Reduktion als Änderung der Oxidationszahl um mindestens -1. Das passiert z.B. wenn aus elementaren Schwefel H2S (-2) wird. Bei jeder Reduktion gibt es auch eine Oxidation an einem der anderen Reaktionspartner. Sprich, wenn Schwefel durch Alkohol reduziert wird, wird der Alkohol gleichzeitig oxidiert. Dieses sollte wirklich nur unter anaeroben Bedingungen passieren können. Jetzt, wo ich noch mal Nachgedacht habe, sehe ich es auch als Quatsch, dass ein Böckser durch eine chemische Reduktion von Schwefel entsteht. Wohl eher durch einen nicht mikrobiell stabilen Wein.

Was ich eigentlich sagen will, wesentlich auch durch die andere Studie gezeigt: Neben der Veresterung von Alkohol gibt es sowohl reduktive als auch im besonderen oxidative chemische Reaktionen während der Alterung von Weinen, die zu einer Veränderung des Alkoholgehalts beitragen. Das die Veresterung nicht ausreicht, um eine merkliche Änderung vom Ethanolgehalt hervorzurufen, hat ja Gerald schon geschrieben.
Die Oxidation von Phenolen und die damit verbundene Bildung von Polyphenolen ist die wichtigste Reaktion bei der Reifung und Alterung von Weinen. Wie in der zweiten Studie beschrieben können die gebildeten Quinone natürlich auch andere organsiche Moleküle oxidieren in Konkurrenz zur Polymerisation.
Die Quantifizierung scheint mir immer noch sehr schwer. Ich denke, es kommt auf die Dauer und Dichtigkeit des Verschlusses an. Erschwerend kommt hinzu, dass die Angabe von Alkohol in Vol% nicht unmittelbar mit der Menge von Ethanol einhergeht. Jedenfalls bei einer volumetrischen Bestimmung. Hier wird das Ergebnis z.B. durch Phenole und Zucker beeinflusst und ist keine unabhängige Kenngröße.

Grüße, Josef
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