„fausthoch Wein, kniehoch Wasser und reichlich Zucker“
Verfasst: Mi 14. Jun 2017, 18:15
Hallo zusammen
Ich entschuldige mich schon mal im Voraus dafür, dass es wohl ein längerer Text werden wird…
Zwei tolle Erfahrungen mit ca. 30 Jahre alten süßen bzw. nicht trockenen Weißweinen (ich möchte keine Namen nennen, da ich gleich zu meinem eigentlichen Thema komme, nämlich der Weinpanscherei und ich möchte hier keine Winzernamen mit solchen --- auch nur theoretisch in einen Kontext setzen) haben mich ermutigt, weitere solche Weine zu suchen, aber noch deutlich älter, um zu sehen, wie sich solche Weine präsentieren, wenn sie wirklich mal „ernsthaft“ alt sind. Auch eine Verkostung möchte ich zu diesem Thema durchführen.
Ein paar solcher Weine liegen nun bei mir im Keller, eine erste Kostprobe hinterließ schon mal einen sehr positiven Eindruck
Und jetzt bin ich in meiner Euphorie etwas ausgebremst, denn ich habe kürzlich ein bisschen Lesestoff über den Glykolskandal gesucht und in diesem Zusammenhang noch einiges über illegale Aufzuckerungsorgien zu „vergangenen“ (hoff ich doch mal stark) Zeiten gefunden.
Letztere werden in einem 1985 erschienenen Zeit-Artikel mit dem Titel „Saure Trauben, süße Sünden“ beschrieben. Ich muss aber dazu sagen dass mir dieser Artikel schon ziemlich reißerisch vorkommt…
http://www.zeit.de/1985/32/saure-traube ... ettansicht
In dem Artikel fallen Zitate wie
„Nicht immer reicht der Eigenbauwein aus. Dann rollen Tankzüge mit ausländischem Billigwein – vornehmlich aus Italien über die Bundesgrenzen…. In den großen Abfüllbetrieben wird er dann, getreu einer fränkischen Winzer-Devise, „fausthoch Wein, kniehoch Wasser und reichlich Zucker“, „germanisiert““
„Von 1974 bis 1978 wurde etwa im Anbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer um 13 Prozent und in Rheinhessen um zehn Prozent mehr Prädikatswein amtlich geprüft, als überhaupt geerntet worden war“
„Im bislang größten deutschen Weinpanscher-Prozeß gegen den Wein-Kommissionär Heinzgünther Schmitt aus Longuich an der Mosel…verriet im März dieses Jahres der Vorsitzende Richter Pahl das traditionelle Rezept der Mosel-Winzer, das er „fast wie ein ungeschriebenes Kochbuch“ empfand: Man nehme 1000 Liter Wein und einen 50-Liter-Kanister Flüssigzucker“
Ich hoffe/denke zwar das speziell „fausthoch Wein, kniehoch Wasser und reichlich Zucker“ und „Man nehme 1000 Liter Wein und einen 50-Liter-Kanister Flüssigzucker“ in die Kategorie „ wir nehmen jetzt mal den aktuellen Skandal und heizen das Thema noch zusätzlich ordentlich auf“ fällt, aber eins macht mich doch ziemlich unrund:
Ich hab grad mal Weine von 5 Betrieben zusammengetragen und schon hab ich einen Anhaltspunkt (ich kenne das Ergebnis der in dem Artikel erwähnten Ermittlungen gegen den Winzer nicht), dass ich einen Treffer im Sinne von „1000 Liter Wein/50-Liter Flüssigzucker“ gelandet haben könnte…
Statistisch ziemlich unwahrscheinlich, wenn das damals nur Ausnahmen gewesen wären…
Deshalb meine Fragen:
- Haben die das damals wirklich so flächendeckend betrieben mit „1000 Liter Wein/50-Liter Flüssigzucker“ usw., wie es in dem Artikel nahegelegt wird?
- Die Weine, die ich bis jetzt habe, sind zwischen 31 und 66 Jahre alt. Würde man eventuelle --- wenigstens erkennen, weil sie einfach entweder grauslich schmecken oder ganz trivial schon hinüber wären (weil nur mit Zucker versetzte „fausthoch Wein, kniehoch Wasser“-Brühen aus nicht richtig ausgereiften Traubenmaterial einfach kein gescheites Reifepotential haben (?) Es sind ja schließlich nicht nur die RZ-Gehalte, die einem Wein Lagerpotential verleihen)
- Ist inzwischen genug bekannt darüber, wie lange diese Glykol-/Glyzerin-Sauereien schon betrieben wurden, bevor die „Winzer“ aufgeflogen sind? 70er, 60er, 50er Jahre, wie schaut`s da aus? Dito bzgl. der „nur“ aufgezuckerten Weine?
- Sind damals auch deutsche Produzenten bzgl. eigener Glykolaktivitäten aufgeflogen oder hat sich das im Großen und Ganzen darauf beschränkt, dass die, ohne es zu wissen, ihre minderwertigen Brühen mit den noch unappetitlicheren österreichischen Plörren aufgehübscht haben?
- Hat jemand einen Buch/Internettip mit Focus „Weinbau in Deutschland im 20. Jh.)“ (unabhängig von diesem Thema, nur eigenes Interesse)?
- Wenn das der längte Eingangspost des Forums ist, kriege ich dann einen Preis?
Uff, jetzt bin ich durch. Bin jetzt unterwegs Richtung Alm und kann erst wieder Fr/Sa antworten. So lange habt Ihr vor meinen Romanen Ruhe. Ich freue mich auf eure erhellenden Antworten:-)
Danke für eure Geduld und viele Grüße
Rainer
Ich entschuldige mich schon mal im Voraus dafür, dass es wohl ein längerer Text werden wird…
Zwei tolle Erfahrungen mit ca. 30 Jahre alten süßen bzw. nicht trockenen Weißweinen (ich möchte keine Namen nennen, da ich gleich zu meinem eigentlichen Thema komme, nämlich der Weinpanscherei und ich möchte hier keine Winzernamen mit solchen --- auch nur theoretisch in einen Kontext setzen) haben mich ermutigt, weitere solche Weine zu suchen, aber noch deutlich älter, um zu sehen, wie sich solche Weine präsentieren, wenn sie wirklich mal „ernsthaft“ alt sind. Auch eine Verkostung möchte ich zu diesem Thema durchführen.
Ein paar solcher Weine liegen nun bei mir im Keller, eine erste Kostprobe hinterließ schon mal einen sehr positiven Eindruck
Und jetzt bin ich in meiner Euphorie etwas ausgebremst, denn ich habe kürzlich ein bisschen Lesestoff über den Glykolskandal gesucht und in diesem Zusammenhang noch einiges über illegale Aufzuckerungsorgien zu „vergangenen“ (hoff ich doch mal stark) Zeiten gefunden.
Letztere werden in einem 1985 erschienenen Zeit-Artikel mit dem Titel „Saure Trauben, süße Sünden“ beschrieben. Ich muss aber dazu sagen dass mir dieser Artikel schon ziemlich reißerisch vorkommt…
http://www.zeit.de/1985/32/saure-traube ... ettansicht
In dem Artikel fallen Zitate wie
„Nicht immer reicht der Eigenbauwein aus. Dann rollen Tankzüge mit ausländischem Billigwein – vornehmlich aus Italien über die Bundesgrenzen…. In den großen Abfüllbetrieben wird er dann, getreu einer fränkischen Winzer-Devise, „fausthoch Wein, kniehoch Wasser und reichlich Zucker“, „germanisiert““
„Von 1974 bis 1978 wurde etwa im Anbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer um 13 Prozent und in Rheinhessen um zehn Prozent mehr Prädikatswein amtlich geprüft, als überhaupt geerntet worden war“
„Im bislang größten deutschen Weinpanscher-Prozeß gegen den Wein-Kommissionär Heinzgünther Schmitt aus Longuich an der Mosel…verriet im März dieses Jahres der Vorsitzende Richter Pahl das traditionelle Rezept der Mosel-Winzer, das er „fast wie ein ungeschriebenes Kochbuch“ empfand: Man nehme 1000 Liter Wein und einen 50-Liter-Kanister Flüssigzucker“
Ich hoffe/denke zwar das speziell „fausthoch Wein, kniehoch Wasser und reichlich Zucker“ und „Man nehme 1000 Liter Wein und einen 50-Liter-Kanister Flüssigzucker“ in die Kategorie „ wir nehmen jetzt mal den aktuellen Skandal und heizen das Thema noch zusätzlich ordentlich auf“ fällt, aber eins macht mich doch ziemlich unrund:
Ich hab grad mal Weine von 5 Betrieben zusammengetragen und schon hab ich einen Anhaltspunkt (ich kenne das Ergebnis der in dem Artikel erwähnten Ermittlungen gegen den Winzer nicht), dass ich einen Treffer im Sinne von „1000 Liter Wein/50-Liter Flüssigzucker“ gelandet haben könnte…
Statistisch ziemlich unwahrscheinlich, wenn das damals nur Ausnahmen gewesen wären…
Deshalb meine Fragen:
- Haben die das damals wirklich so flächendeckend betrieben mit „1000 Liter Wein/50-Liter Flüssigzucker“ usw., wie es in dem Artikel nahegelegt wird?
- Die Weine, die ich bis jetzt habe, sind zwischen 31 und 66 Jahre alt. Würde man eventuelle --- wenigstens erkennen, weil sie einfach entweder grauslich schmecken oder ganz trivial schon hinüber wären (weil nur mit Zucker versetzte „fausthoch Wein, kniehoch Wasser“-Brühen aus nicht richtig ausgereiften Traubenmaterial einfach kein gescheites Reifepotential haben (?) Es sind ja schließlich nicht nur die RZ-Gehalte, die einem Wein Lagerpotential verleihen)
- Ist inzwischen genug bekannt darüber, wie lange diese Glykol-/Glyzerin-Sauereien schon betrieben wurden, bevor die „Winzer“ aufgeflogen sind? 70er, 60er, 50er Jahre, wie schaut`s da aus? Dito bzgl. der „nur“ aufgezuckerten Weine?
- Sind damals auch deutsche Produzenten bzgl. eigener Glykolaktivitäten aufgeflogen oder hat sich das im Großen und Ganzen darauf beschränkt, dass die, ohne es zu wissen, ihre minderwertigen Brühen mit den noch unappetitlicheren österreichischen Plörren aufgehübscht haben?
- Hat jemand einen Buch/Internettip mit Focus „Weinbau in Deutschland im 20. Jh.)“ (unabhängig von diesem Thema, nur eigenes Interesse)?
- Wenn das der längte Eingangspost des Forums ist, kriege ich dann einen Preis?
Uff, jetzt bin ich durch. Bin jetzt unterwegs Richtung Alm und kann erst wieder Fr/Sa antworten. So lange habt Ihr vor meinen Romanen Ruhe. Ich freue mich auf eure erhellenden Antworten:-)
Danke für eure Geduld und viele Grüße
Rainer