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frische Säure in der Jugend - störende Säure im Alter?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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W-EINdruck

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frische Säure in der Jugend - störende Säure im Alter?

BeitragDi 18. Apr 2017, 19:13

Hallo Forum

Hat jemand Erfahrung mit der sensorischen Veränderung der Säurewahrnehmung, wie sich diese mit der Reifung verändert?

Wenn diese Wahrnehmung in der Jugend mit Worten 'frisch', 'knackig', 'bissig' beschrieben werden, frage ich mich immer, wie sich diese Wahrnehmung mit der Reifung verändert, wenn die überschäumende Primärfrucht abgeklungen ist und sich die zunächst adstringierenden Gerbstoffe abgerundet haben? Verschiebt sich dann nicht die Balance der Gesamtwahrnehmung in Bezug auf die Säure markant, da sich Säurewerte m.W. nicht ändern und der Restzuckergehalt als sensorischer Gegenpart ja auch nicht zunimmt? Sensorisch verschiebt sich diese Balance ja auch noch durch das als 'Süsse' empfundene Glyzerin, welches sich mit der Reifung chemisch verändert und somit ebenfalls nicht mehr als 'süss' wahrnehmbar ist. Zudem würde auch das Holz die Säure abpuffern, aber für wie lange?

Da ich nicht zur Fraktion der Säureschlecker gehöre, reagiere ich zunächst äusserst vorsichtig, wenn diese vorgenannten Attribute in den VKN genannt werden, da ich die meisten Weine nicht in deren Jugend, sondern bevorzugt nach deren Verschlussphase in deren Reife geniesse.

Beim trockenem Riesling (meist GG der deutschen Topproduzenten) komme ich soweit klar, dass ich auf die angegebenen Extraktwerte achte und ich mich beim Kauf auf die reiferen Jahre konzentriere (mit höherem Anteil einer reifen Weinsäure und entsprechend geringeren Apfelsäure). Aber beim Bordeaux 2016 mit seiner frischen Säure bin ich gegenüber den publizierten VKN misstrauisch (dieses Misstrauen war bei mir beim Bordeaux 2003 ähnlich, nur umgekehrt).

Selbst wenn der Gesamteindruck in der Jugend positiv war, heisst dies nicht, dass dieser im Verlauf der Jahre auch so bleibt (z.B. Sottobosco 2008; hier ist die Säureempfindung aktuell markanter als vor Jahren, sodass der Genuss zum Essen vorzuziehen ist, als ihn solo zu trinken).

Wenn jemand über seine langjährigen Erfahrungen (insbesondere Bordeaux) in Bezug der sensorischen Entwicklung der festgestellten Säurewahrnehmung im Kontext des Gesamteindruckes berichten kann, bin ich sehr dankbar. Auch ein Hinweis auf Bücher oder Link im Internet bin ich dankbar, sofern diese nicht für Chemiker, sondern auch für passionierte Weintrinker geschrieben sind.
Beste Grüsse

Richard
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Bernd Schulz

  • Beiträge: 6519
  • Registriert: Sa 11. Dez 2010, 23:55

Re: frische Säure in der Jugend - störende Säure im Alter?

BeitragDi 18. Apr 2017, 23:51

Hallo Richard,

zum Thema Säure und Reifeverhalten bei Bordeauxweinen kann ich mangels Kompetenz leider nichts Stichhaltiges sagen. Aber beim Riesling habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine prägnante Säure älteren Weinen eine gewisse Frische verleiht und daher im Hinblick auf die Lagerfähigkeit grundsätzlich erst mal einen günstigen Faktor darstellt. Deshalb ist dein Ansatz

W-EINdruck hat geschrieben:Beim trockenem Riesling (meist GG der deutschen Topproduzenten) komme ich soweit klar, dass ich auf die angegebenen Extraktwerte achte und ich mich beim Kauf auf die reiferen Jahre konzentriere (mit höherem Anteil einer reifen Weinsäure und entsprechend geringeren Apfelsäure)....


nicht unbedingt mein Ansatz. Für meinen Geschmack altern trockene Rieslinge aus besonders reifen Jahren (wie 2005, 2007, 2009, 2011) oft eher weniger schön als solche aus nicht so üppigen Jahrgängen wie 2008 oder 2010 - und zwar gerade deshalb, weil es bei höherem Alkohol oft an der Säure und damit auch am nötigen Schwung fehlt!

Natürlich muss generell ein vernünftiger Extrakt vorhanden sein, damit die Säure gut eingebunden und nicht zu bissig erscheint. Aber gerade die vermeintlich "kleineren" Jahrgänge haben ja in der letzten Zeit immer wieder (trockene) Rieslinge mit viel Extrakt bei eher schlankem Körper/geringem Alkoholgehalt hervorgebracht - und genau das sind nach meiner Beobachtung oft die Weine, die auch nach 10 oder 15 Jahren Lagerzeit noch erstaunlich frisch anmuten und entsprechend viel Freude machen. Die dicken Bertas hingegen wirken meistens nur in ihrer Jugend besonders überzeugend (seltene Ausnahmen bestätigen für mich die Regel).

Viele Grüße

Bernd

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