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Riesling und Zuckerschwänzchen

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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OsCor

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Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragMi 18. Jan 2017, 22:38

Liebe Foristen,

in dem neuen Faden über den württembergischen Produzenten Georg Aldinger schrieb Michl:
Allenfalls wenn man sehr allergisch auf einen Zuckerschwanz reagiert - und normalerweise tue ich das - sei dieser Wein nicht empfohlen.
Wenn man die Tatsache, dass ich einen „trockenen” Riesling nicht wieder kaufe, weil er ein Zuckerschwänzchen (bleiben wir mal beim Diminutiv) aufweist, als allergische Reaktion auffasst, dann gehöre ich zu den Allergikern :)
Meine Frage, die sich auch nach dem Lesen quer durch dieses Forum nicht von alleine gelöst hat: Muss Riesling ein Zuckerschwänzchen haben?
Ich habe hier im Südwesten (Kaiserstuhl, Markgräflerland, Breisgau, Ortenau) sowohl bei den heimischen als auch bei den probierten Pfälzern noch nie einen Riesling gefunden, der keines hatte.

Gruß
Oswald

Btw: Falls ich doch einen Faden zu diesem Thema übersehen haben sollte, bitte ich um Hinweise.
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Bernd Schulz

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragMi 18. Jan 2017, 23:23

OsCor hat geschrieben:Meine Frage, die sich auch nach dem Lesen quer durch dieses Forum nicht von alleine gelöst hat: Muss Riesling ein Zuckerschwänzchen haben?


Meine Antwort lautet: Nein, Riesling muss kein Zuckerschwänzchen haben!

OsCor hat geschrieben:Ich habe hier im Südwesten (Kaiserstuhl, Markgräflerland, Breisgau, Ortenau) sowohl bei den heimischen als auch bei den probierten Pfälzern noch nie einen Riesling gefunden, der keines hatte.


Dann probiere doch mal einen fränkischen Riesling von den Trockenen Schmitts (Nomen est Omen ;) )

In Deutschland erwies es sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder als "Problem", dass vor allem (aber nicht nur) im Rieslingbereich viele Weine, die eigentlich eher halbtrocken wirkten, als "trocken" etikettiert wurden, weil sie vom Restzucker her gesehen gerade hart an der oberen Grenze des für einen "trockenen" Wein laut Weingesetz möglichen Zuckergehalts lagen. Ich stehe diesem Phänomen auch ziemlich kritisch gegenüber, denke aber mittlerweile (wieder), dass man die ganze Angelegenheit möglichst differenziert sehen muss: Es gibt eine größere Flut von pseudotrockenen Limonadenweinen, die nicht nur (aber oftmals auch) aufgrund ihrer bis zum Anschlag gehenden Restzuckerwerte ziemlich banal wirken. Daneben finden sich aber auch durchaus "trockene" Weine mit einem spürbaren Zuckerschweif, der hervorragend zu ihrem sonstigen Charakter passt!

Sprich: Das "Zuckerschwänzchen" beim trockenen Riesling begeistert mich häufig eher wenig, aber ich lehne es auch nicht grundsätzlich ab. Die Differenzierungsmöglichkeiten zwischen 0 und 9 Gramm nutzt ein guter Winzer je nach Jahrgang und Ausgangsmaterial eben mehr oder minder geschickt aus....

Herzliche Grüße

Bernd
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EThC

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragMi 18. Jan 2017, 23:48

Die Frage irritiert mich ehrlich gesagt auch ein bißchen angesichts der wirklich nicht wenigen "zuckerschwanzfreien" Rieslingen in D, aber auch in A und I (Südtirol). Wobei es im Einzelfall auch darauf ankommt, wie jemand das "Zuckerschwänzchen" definiert. Für mich ist es diese freie Zuckersüße, die sich von der aromatisch eingebundenen Rest- und / oder Fruchtsüße deutlich unterscheidet. Gerade an der Mosel gibt es z.B. schöne Vertreter mit einiger Frucht- und Restsüße, aber "trockener Geschmackscharakteristik", diesen würde ich kein Zuckerschwänzchen zuschreiben, obwohl sie technisch häufig bereits über der Trockengrenze von 9 g/l bewegen. Gleiches gilt für viele trockene Rieslinge aus dem Rheingau, von der Nahe oder auch und gerade aus Franken und von der Donau.
Viele Grüße
Erich

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OsCor

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 11:16

EThC hat geschrieben:Die Frage irritiert mich ehrlich gesagt auch ein bißchen angesichts der wirklich nicht wenigen "zuckerschwanzfreien" Rieslingen in D…
Ich schließe gar nicht aus, dass es solche gibt, bin aber noch nie auf einen gestoßen - angesichts meiner weintechnischen „Spätberufung” ist das auch gar nicht verwunderlich. Auf die Idee, Riesling zu probieren, haben mich vor allem VKN aus diesem Forum gebracht. Riesling ist in meiner näheren Umgebung nicht alltäglich. Ich wollte halt auch mal den deutschen Wein in meiner Geschmackswelt einordnen.
Wobei es im Einzelfall auch darauf ankommt, wie jemand das "Zuckerschwänzchen" definiert.
Ein Zuckerschwänzchen ist für mich die ganz zum Schluss auftauchende süß(lich)e Geschmacksnote, wenn ich gerade geglaubt habe, da wäre nichts dergleichen.

Meine Erfahrung, dass es ausschließlich Rieslinge waren, die dieses Zuckerschwänzchen aufwiesen, veranlasste mich zu dieser Frage.

Gruß
Oswald
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UlliB

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 12:52

Ich trinke Riesling sowohl im dezidiert restsüßen Stil (meistens von der Mosel) als auch trocken. Bei den als "trocken" deklarierten Weinen bevorzuge ich tatsächlich die Versionen, die analytisch völlig trocken sind, d.h. 2g oder weniger Restzucker im Liter haben. Wie von den Vorrednern aber schon angemerkt, sind solche völlig trockenen Rieslinge problemlos zu finden, wenn man danach sucht.

Aber: einen wirklich klaren Zusammenhang zwischen dem analytisch bestimmten Restzucker und dem Auftreten eines Zuckerschwanzes gibt es nicht. Es gibt Weine mit 8 Gramm RZ, die diesen völlig harmonisch und unauffällig eingebunden haben, und andere Weine, die bei gleichem Restzuckergehalt kein süßes "Schwänzchen" hinter sich herziehen, sondern eine veritable Schleppe. Und insofern würde ich mittlerweile sagen: so dogmatisch, wie ich das Thema "Restzucker bei nominell trockenen Weinen" mal gesehen habe, sehe ich es inzwischen nicht mehr. Es kommt halt drauf an, wer es macht, und wie.

Was mich wirklich sehr stört, ist Restzucker bei säureärmeren Sorten als Riesling. Die von vielen badischen Genossenschaften mittlerweile übernommene Doktrin RZ=S, die mittlerweile sogar bei "trockenem" Rotwein praktiziert wird, führt insbesondere bei den Burgundersorten zu pappigen und sperrigen Weinen ohne Trinkfluss. Aber offensichtlich kommt so etwas bei Leuten, die mit pappsüßen Softdrinks und danach mit Alkopops sozialisiert wurden, besser an als völlig trockene Weine.

Gruß
Ulli
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OsCor

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 13:59

UlliB hat geschrieben:Wie von den Vorrednern aber schon angemerkt, sind solche völlig trockenen Rieslinge problemlos zu finden, wenn man danach sucht.
Ja, wie suche ich denn danach? Dein nächster Satz - den ich mir im Übrigen geradezu erhofft habe - zeigt ja, dass Angaben der Hersteller nicht immer hilfreich sind.
Aber: einen wirklich klaren Zusammenhang zwischen dem analytisch bestimmten Restzucker und dem Auftreten eines Zuckerschwanzes gibt es nicht. Es gibt Weine mit 8 Gramm RZ, die diesen völlig harmonisch und unauffällig eingebunden haben, und andere Weine, die bei gleichem Restzuckergehalt kein süßes "Schwänzchen" hinter sich herziehen, sondern eine veritable Schleppe.
Und wenn man das mal kapiert hat, versucht man, andere zu fragen - die dann möglicherweise gar nicht kapieren, was man möchte. Bei einer Weinverkostung hier im Ort habe ich mal nebenbei (ich war auf was Bestimmtes aus) einen Riesling probiert, der natürlich ein solches Zuckerschwänzchen hatte. Meine Aussage wurde mit einem erstaunten: „Meine Sie?” quittiert. Also quasi „Wie soll er denn sonst schmecken?” Meine Frage nach dem Restzucker ergab 7,5 g/l. Den Wein habe ich vergessen, weil ich an dem Abend vor allem die vorgestellten Auxerrois vergleichen wollte.

Gruß
Oswald
Zuletzt geändert von OsCor am Do 19. Jan 2017, 15:54, insgesamt 1-mal geändert.
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UlliB

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 14:06

OsCor hat geschrieben:Ja, wie suche ich denn danach?

Wirklich qualifizierte Weinhändler fragen. Die kennen sowohl die Analysenwerte ihrer Weine als auch deren Geschmackseindruck und sollten verstehen, was ihre Kunden suchen.

Ansonsten: Winzer abklappern bzw. deren Homepages durchforsten. Die besten Chancen, wirklich trockene Rieslinge zu finden, gibt es nach wie vor in Franken (oben erwähnte schon mal einer einen Namen eines Erzeugers: Trockene Schmitts), danach in der Pfalz und mittlerweile auch in Rheinhessen. Etwas schwieriger wird es schon an der Nahe, ganz problematisch im Rheingau und an der Mosel, wo nach wie vor die meisten "trockenen" Weine einigermaßen süß sind.

Gruß
Ulli
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Philst

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 14:12

.Ja, wie suche ich denn danach? Dein nächster Satz - den ich mir im Übrigen geradezu erhofft habe - zeigt ja, dass Angaben der Hersteller nicht immer hilfreich sind.

Hallo Oswald,

also soweit ich weiß hat in der Pfalz z. B. Reichsrat von Buhl derzeit ziemlich knochentrockene Rieslinge. Auch wenn ich nicht bei Lobenberg einkaufe, so findest du bei den einzelnen Weinen hier oft die Analysewerte was Säure und RZ angeht. http://www.gute-weine.de/deutschland/pf ... -buhl.html

Wenn der RZ bei 1 Gramm liegt, dürfte ein "Zuckerschwänzchen" zumindest nicht vom kaum vorhandenen Restzucker kommen, könnte aber in einem höheren Alkoholgehalt begründet sein. Wenn das falsch sein sollte, dürfen die hier vertretenen Chemiker mich gerne korrigieren.

Viele Grüße

Philipp
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UlliB

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 15:27

Philst hat geschrieben:Wenn der RZ bei 1 Gramm liegt, dürfte ein "Zuckerschwänzchen" zumindest nicht vom kaum vorhandenen Restzucker kommen, könnte aber in einem höheren Alkoholgehalt begründet sein. Wenn das falsch sein sollte, dürfen die hier vertretenen Chemiker mich gerne korrigieren.

Die gängige Auffassung ist, dass Zucker bei einer Konzentration von unter 4 Gramm / Liter im Wein nicht mehr geschmacklich in Erscheinung tritt, daher übrigens auch die "alte" gesetzliche Grenze für trocken, die irgendwann auf Druck der Weinbauverbände aufgeweicht wurde (aber von vielen Winzern in Franken als "fränkisch trocken" immer noch beachtet wird). Im Eigenversuch mit Saccharose in Wasser konnte ich auch noch 3 und 2 Gramm pro Liter eindeutig detektieren, darunter dann nicht mehr, aber die Verhältnisse sind mit denen in Wein wohl nicht zu vergleichen.

Es ist richtig, dass manche Leute wässrige Alkohollösungen als "süß" empfinden, aber bei weitem nicht alle. Bei vielen Leuten steht da ein Bitter-Eindruck im Vordergrund.

Es gibt aber auch einen Süßeeindruck, der nichts mit Restzucker und vermutlich auch nichts mit Alkohol zu tun hat, sondern mit irgendetwas anderem. Spätburgunder / Pinot noir aus vollreifem Traubengut schmeckt für mein Empfinden häufig dezidiert süß, auch wenn der Wein analytisch knochentrocken ist (was z.B. bei burgundischen Burgundern auch gesetzliche Vorschrift ist). Und ja, gelegentlich schmeckt auch ein analytisch knalltrockener Riesling irgendwie "süß". Keine Ahnung, womit das zusammenhängt.

Gruß
Ulli
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EThC

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Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 15:54

Wenn's um wirklich trockene Rieslinge geht, würde ich in D auch zuerst mal nach Franken schauen. Viele Winzer orientieren sich da noch an der fränkischen Trockengrenze von 4 g/l (statt der 9 g/l laut Weingesetz). Die "Trockenen Schmitt's" sind da beileibe nicht die einzigen trockenen Brüder, viele andere sind ebenfalls ohne Zuckerschwanz unterwegs (Schmitt's Kinder, Juliusspital, Bürgerspital, Rainer Sauer, Horst Sauer, Wirsching, Rudolf May, Ludwig Knoll, Roth, um mal ein paar bekanntere und unverdächtige Namen zu nennen). In der Pfalz ist auch von Winning dafür bekannt, regelmäßig bis nahe an die 0-Grenze zu gehen. Im Rheingau verfolgt z.B. Ress in letzter Zeit einen konsequent trockenen Stil. Auch in Österreich finden sich im Donauraum (Wachau, Kremstal, Kamptal, Traisental) viele Winzer, die aus meiner Sicht zuckerschwanzfrei sind: Machherndl, Veyder-Malberg, Muthenthaler, Pichler-Krutzler, Tegernseerhof, Salomon Undhof, Thiery-Weber, Jurtschitsch, Bründlmayer, Markus Huber etc. Manche Winzer verraten die RZ-Gehalte auch auf der Website, ansonsten: probieren, probieren, probieren...

Ach ja: in Baden weiß ich tatsächlich auch nicht so viele Winzer, die ohne Zuckerschwanz Rieslinge produzieren, mir fallen da auf Anhieb nur Danner sowie Aufricht und Kress vom Bodensee ein.
Viele Grüße
Erich

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