Aktuelle Zeit: Fr 29. Mär 2024, 07:52


Riesling und Zuckerschwänzchen

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
  • Autor
  • Nachricht
Offline

Bernd Schulz

  • Beiträge: 6519
  • Registriert: Sa 11. Dez 2010, 23:55

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 16:14

UlliB hat geschrieben:Die besten Chancen, wirklich trockene Rieslinge zu finden, gibt es nach wie vor in Franken


EThC hat geschrieben:Wenn's um wirklich trockene Rieslinge geht, würde ich in D auch zuerst mal nach Franken schauen. Viele Winzer orientieren sich da noch an der fränkischen Trockengrenze von 4 g/l (statt der 9 g/l laut Weingesetz).


Das war einmal - die meisten fränkischen Winzer erzeugen heutzutage mitnichten "fränkisch trockene" Rieslinge. Selbst die Silvaner liegen nicht so selten bei über 4 Gramm Restzucker.

EThC hat geschrieben:(Schmitt's Kinder, Juliusspital, Bürgerspital, Rainer Sauer, Horst Sauer, Wirsching, Rudolf May, Ludwig Knoll, Roth, um mal ein paar bekanntere und unverdächtige Namen zu nennen).


Genauere Analysedaten habe ich mir jetzt noch nicht angeschaut, aber ich hänge mich mal unvorsichtig aus dem Fenster: Schmitt´s Kinder, das Bürgerspital, das Juliusspital, Horst Sauer, Wirsching und Knoll würde ich erst einmal nicht zu den Erzeugern zählen, die konsequent einen "fränkisch trockenen" Weinstil pflegen. Zu den wenigen Aufrechten zählen aber neben den Trockenen Schmitts Egon Schäffer und Ewald Neder.

Herzliche Grüße

Bernd
Offline
Benutzeravatar

Herr S.

  • Beiträge: 1051
  • Bilder: 6
  • Registriert: So 12. Dez 2010, 14:11
  • Wohnort: Bockenheim a.d. Weinstrasse

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 17:00

UlliB hat geschrieben:
Es gibt aber auch einen Süßeeindruck, der nichts mit Restzucker und vermutlich auch nichts mit Alkohol zu tun hat, sondern mit irgendetwas anderem. Spätburgunder / Pinot noir aus vollreifem Traubengut schmeckt für mein Empfinden häufig dezidiert süß, auch wenn der Wein analytisch knochentrocken ist (was z.B. bei burgundischen Burgundern auch gesetzliche Vorschrift ist). Und ja, gelegentlich schmeckt auch ein analytisch knalltrockener Riesling irgendwie "süß". Keine Ahnung, womit das zusammenhängt.

Gruß
Ulli


Hallo Ulli,

Glyzerin als dreiwertiger Alkohol kann einen süssen Eindruck hervorrufen, es spricht den Süße-Rezeptor an, wenn auch in einem deutlich niedrigeren Maß als "Zucker" (ein weitees Feld) an sich.

Viele Grüße,
Björn
--------------------------------------------
"Not that we needed all that for the trip, but once you get locked into a serious drug-collection, the tendency is to push it as far as you can." (Hunter S. Thompson, Fear and Loathing in Las Vegas)
Offline

Michl

  • Beiträge: 1208
  • Registriert: Di 22. Okt 2013, 18:04

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 17:02

UlliB hat geschrieben:Es gibt aber auch einen Süßeeindruck, der nichts mit Restzucker und vermutlich auch nichts mit Alkohol zu tun hat, sondern mit irgendetwas anderem. Spätburgunder / Pinot noir aus vollreifem Traubengut schmeckt für mein Empfinden häufig dezidiert süß, auch wenn der Wein analytisch knochentrocken ist (was z.B. bei burgundischen Burgundern auch gesetzliche Vorschrift ist). Und ja, gelegentlich schmeckt auch ein analytisch knalltrockener Riesling irgendwie "süß". Keine Ahnung, womit das zusammenhängt.


Geht mir völlig gleich, ich beschreibe das dann als "extraktsüß", mag das aber auch immer wieder mit "gelungener" Restsüße, die nicht aufgesetzt oder unintegriert wirkt, verwechseln.

Weiterer Tipp zur Recherche von Rieslingen ohne Zuckerschwänzchen: Einfach hier die VKNs mitlesen. Mehrere Forumsmitglieder und Verkoster auf verkostungsnotizen.net achten explizit auf diese Kategorie und bevorzugen i.d.R. den knochentrockenen Stil.
Viele Grüße

Michl
Offline
Benutzeravatar

OsCor

  • Beiträge: 847
  • Registriert: Do 4. Okt 2012, 17:36
  • Wohnort: Oberrhein

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 17:25

UlliB hat geschrieben:Und ja, gelegentlich schmeckt auch ein analytisch knalltrockener Riesling irgendwie "süß". Keine Ahnung, womit das zusammenhängt.
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich zunächst ein wenig Angst hatte, es könne sich um eine persönliche Überempfindlichkeit handeln. Naja, Angst ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber die Möglichkeit ist ja nicht auszuschließen.
Einen Kauf per Versand habe ich nach den gemachten Erfahrungen natürlich bisher nicht gewagt. Aber nach der Menge an Namen, die hier genannt wurden, dürfte mir diese Sorge genommen sein.

Es bleibt mir ja unbenommen, die lokalen Produzenten und Händler sukzessive abzuklappern und dabei die Aussagen der Verkaufsmitarbeiter mit meinem Geschmackserleben zu vergleichen. Probieren hilft mir nicht immer: Nicht selten hatte ich bei einem spontanen Probieren ein „saures Mundmilieu” und Weine, die mir da gefielen, kamen mir zu Hause beim Essen oder auch solo entsetzlich breit vor.

Gruß
Oswald
Offline
Benutzeravatar

dylan

  • Beiträge: 777
  • Registriert: Mo 22. Nov 2010, 15:04
  • Wohnort: NRW

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 17:36

Keine trockenen Weine in Baden? Wie sieht es denn mit den Weinen von Franz Keller aus?
Bei den zugegebenermaßen eher seltenen Begegnungen mit dessen Weinen hatte ich immer den Eindruck, dass hier "trocken" ausgebaut wird.

Ein Tipp noch für Rheinhessen: St. Antony!

Grüße

dylan
Offline
Benutzeravatar

OsCor

  • Beiträge: 847
  • Registriert: Do 4. Okt 2012, 17:36
  • Wohnort: Oberrhein

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 17:43

Herr S. hat geschrieben:Glyzerin als dreiwertiger Alkohol kann einen süssen Eindruck hervorrufen, es spricht den Süße-Rezeptor an, wenn auch in einem deutlich niedrigeren Maß als "Zucker" (ein weitees Feld) an sich.
Kannst du das näher beschreiben? Die physiologischen Abläufe sind mir im Fall des Zuckerschwänzchens sowieso unklar, weil die entsprechenden Rezeptoren doch hauptsächlich auf der Zunge sitzen und ich Süße deshalb eigentlich nicht erst dann empfinden dürfte, wenn die ersten Tropfen schon die Speiseröhre passiert haben.

Edit wegen dylan:
Es geht hier ausschließlich um Riesling. Wie ich schon geschrieben habe, ist Riesling der einzige Wein, bei dem ich trotz dem Attribut trocken regelmäßig ein Zuckerschwänzchen geschmeckt habe.
Franz Keller bietet einen 2015-er Riesling an mit 8,0 g RZ und 8,9 g Säure. Keine Ahnung, welcher der beiden Inhalte den anderen in Schach hält :D

Gruß
Oswald
Offline

Michl

  • Beiträge: 1208
  • Registriert: Di 22. Okt 2013, 18:04

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 17:53

Zu den vielen hier genannten sei auch noch Andreas Durst gezählt, der richtig trocken ausbaut, auch der HPB von Knipser ist furztrocken. Wenn dann noch die entsprechende Säure dazukommt, muss man das aber schon auch mögen...
Ich behaupte, dass viele Riesling-Winzer einen entsprechenden Stil schon allein aus ökonomischen Gründen nicht fahren können. So ist z.B. auch der HPB von Knipser alles andere als typisch für das Weingut, vielmehr ein Wein der entsprechende Vorlieben in der Kundschaft bedienen soll. Trockener Riesling unter 4 gr Restzucker ist nach meiner Wahrnehmung eher ein Nischenprodukt. Aus meiner persönlichen Sicht bedaure ich das.
Viele Grüße

Michl
Offline
Benutzeravatar

Herr S.

  • Beiträge: 1051
  • Bilder: 6
  • Registriert: So 12. Dez 2010, 14:11
  • Wohnort: Bockenheim a.d. Weinstrasse

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 18:07

Hallo Oswald,

Glyzerin kann wie Saccharose an den entsprechenden Süß-Rezeptor binden. Was die spezielle Bindungsstelle angeht kenne ich die Details nicht in Gänze, es hat aber wohl etwas mit der Stellung von protonenabgebenden und aufnehmenden Gruppen zueinander zu tun.

Viele Grüße,
Björn
--------------------------------------------
"Not that we needed all that for the trip, but once you get locked into a serious drug-collection, the tendency is to push it as far as you can." (Hunter S. Thompson, Fear and Loathing in Las Vegas)
Offline

Ollie

  • Beiträge: 1912
  • Registriert: Mo 6. Jun 2011, 11:54

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 18:35

Karl Schaefer hat auch einige sehr trockenen Rieslinge im Stall, so wie auch viele Jungwinzer in Pfalz und Rheinhessen, die neuedring mit 4 und wenger Gramm je Liter ausbauen. Die nouvelle vague des Rheingaus (der neue PJK, Ress, Himmel mit Lumen Naturale, etc.) macht GGs mit ohne viel Zucker, <2 g/l usw., und einige Moselwinzer sind auch deutlich unter 7 g/l.

Seitdem in der Breite kapiert wurde, wie man Weine auch spontanvergoren trocken bekommt und wie man im Weinberg arbeiten muss, um keine 15 Vol-% zu lesen, sind diese recht trockenen Weine speziell im Zuge des Steinweinbooms recht haeufig anzutreffen.

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8122
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 16:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Riesling und Zuckerschwänzchen

BeitragDo 19. Jan 2017, 19:02

Bernd Schulz hat geschrieben:Genauere Analysedaten habe ich mir jetzt noch nicht angeschaut, aber ich hänge mich mal unvorsichtig aus dem Fenster: Schmitt´s Kinder, das Bürgerspital, das Juliusspital, Horst Sauer, Wirsching und Knoll würde ich erst einmal nicht zu den Erzeugern zählen, die konsequent einen "fränkisch trockenen" Weinstil pflegen.


Die Analysedaten kenne ich in den meisten Fällen auch nicht, aber was das eigentliche Thema "Zuckerschwänzchen" angeht, sind eigentlich alle Weine dieser Erzeuger, die ich persönlich so kenne, über jeden Zweifel erhaben. Deshalb habe ich sie hier aufgelistet. Ich würde hier schon von durchgehend "fränkisch trockener Geschmackscharakteristik" sprechen, wenn man sich von den vermeintlichen Analysedaten mal löst. Viele dieser Weine sind recht gehaltvoll und borden teils über vor Süße aus dem Fruchtextrakt, aber geschmeckten freien Restzucker habe ich bei all diesen Erzeugern noch nie bemerkt, wobei das meiste, was ich da kenne, ab Erster Lage aufwärts ist. Was nicht heißt, daß es das "Zuckerschwänzchen" bei der ein oder anderen Kreation dieser Güter nicht doch gibt. Darauf kommt's im Sinne des Fragestellers doch eigentlich an...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
VorherigeNächste

Zurück zu Allgemeines Weinwissen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen