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Zusatzstoffe im Wein

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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simon_sagt

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Zusatzstoffe im Wein

BeitragDo 24. Nov 2016, 21:50

Prost

Auch hier im Forum sehe ich immer wieder, wie verschwörerisch über Zusatzmittel und Konservierungsmittel und wasweissich spekuliert wird.

Hier eine kleine Auflistung der am häufigsten verwendeten Zusätze:

Schwefel
Schwefel ist wohl der berühmt-berüchtigste Zusatzstoff im Wein, wenn auch der wichtigste: Wein ohne Schwefel ist, das muss man ganz klar sagen, ein Risiko sondergleichen. Mittlerweile wissen die meisten Weinliebhaber, dass Schwefel nötig und völlig ungefährlich ist.
Allerdings haben viele überhaupt keine Ahnung, wie viel Schwefel im Wein ist. Die gesetzlichen Grenzwerte in der Schweiz sind;
100 mg/l für trockenen Rotwein,
150 mg/l für süssen Rotwein,
200 mg/l für trockenen Weisswein und
250 mg/l für süssen Weisswein.
Die Grenze für süss/nicht süss liegt (In der Schweiz) bei 5 mg/l Restzucker.

Gärhilfen
Bevor ein Weisswein in die alkoholische Gärung geschickt wird, muss der Trub weg. Dies geschieht durch Zentrifugation, Flotation oder statisch. Bei der Zentrifugation wird der Trub per Zentrifuge abgetrennt (Was du nicht sagst?! :) ), bei der Flotation wird der trübe Most von unten her mit Gas beströmt und der Trub schwimmt oben auf. Bei der statischen Trubentnahme lässt man den Trub ganz einfach absetzen. Um dies zu beschleunigen, kann Gelatine verwendet werden, die den Trub zu Klumpen bindet.
Um der Gärung zu helfen, werden neben der Reinzuchthefe häufig Hefenährstoffe beigegeben. Ausserdem wird zur Geschmacksverbesserung häufig Kohle beigegeben.

Verarbeitungshilfen
Um die Filtration zu beschleunigen, werden häufig silikonbasierende Filtrationshilfen verwendet.
Zur Eiweissstabilisierung wird Bentonit (aufgearbeitete Tonerde) verwendet.
Für die Weinsteinstabilisierung wird fast immer hochveresterte Weinsäure beigegeben.

Kleinkram
Manche Winzer geben vor der Gärung Tannin-Extrakte bei, was aber auch unter Winzern eher umstritten ist.
Zur besseren Farbausbeute werden häufig Enzyme beigegeben.
Zum Chaptalisieren wird entweder Rübenzucker oder rektifiziertes Traubenmostkonzentrat verwendet.

Falls Fragen auftauchen: Bitte fragt! Ich bin zur Zeit den ganzen Tag am Filtrieren, aber der CrossFlow-Filter macht eh alles selber...

Prost
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Muellimov

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Re: Zusatzstoffe im Wein

BeitragFr 25. Nov 2016, 10:29

Hallo Simon,

Zuerst einmal: willkommen im Forum.

Zu Deinem Beitrag möchte ich ein paar Kommentare abgeben bzw. Dinge richtig stellen, die mir spontan aufgefallen sind.

a) Schwefel
Ich bin mir sicher, dass auch Ihr Schweizer keinen Schwefel verwendet, sondern Schwefeldioxid (bzw. Kaliumhydrogensulfit).

b) Restzucker
Läge die Grenze in der Schweiz wirklich bei nur 5 mg/l Restzucker für die Grenze süß/trocken, dann gäbe es garantiert überhaupt keinen trockenen Wein in der Schweiz. Du meinst also bestimmt 5 g/l.

c) Mir sind keine silikonbasierende Filtrationshilfen bekannt

d) Mir ist nicht bekannt, dass zur Weinsteinstabilisierung "fast immer" hochveresterte Weinsäure (Du meinst damit bestimmt den Zusatzstoff E353 = polymere Metaweinsäure) beigegeben wird. Es gibt Winzer, die das nutzen, vor allem im Massensegment. Von "fast immer" zu reden, ist völlig überzogen. Denn gerade für mittel- und hochklassige Weine mit ausreichend langer und kühler Lagerung braucht man solche Mittel nicht, da es eh zu Weinsteinausfällung kommt (physikalische Stabilität).

e) Alleine durch Begasen "von unten" erreicht man keine Flotation. Wichtig ist, dass die Anlagerung von Gasbläschen an Schwebepartikel erst unter ausreichendem Druck (ca. 5 bis 6 bar in einem Druckbehälter) erfolgt. Erst bei der Entspannung im Flotationstank reißen die frei werdenden Gasbläschen die Trubteile nach oben.

f) Originärer Verwendungszweck der Gelatine ist bei den statischen Verfahren (= Absetzenlassen) nicht, dass der Trub zu Klumpen gebunden wird. Gelatine wird verwendet, um Phenole auszufällen. Allerdings bringt hochbloomige Gelatine bei der Flotation tatsächlich den Vorteil, dass sich ein fester Trubkuchen auf der Oberfläche des Mostes ausbildet, von wo er einfach abgeschöpft werden kann. Für statische Verfahren ist das jedoch irrelevant. Gerade bei statischen Verfahren ist der Einsatz von Pektinasen zur beschleunigten Verflüssigung üblich (und für dieses Verfahren das gleichzeitig wichtigste Mittel überhaupt, Pektinasen erleichtern darüberhinaus aufgrund der Verflüssigung auch das Pressen der Maische), um in ausreichend kurzer Zeit auf Trübungswerte zu kommen, die im Bereich 20 bis maximal 150 NTU liegen.
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Muellimov

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Re: Zusatzstoffe im Wein

BeitragFr 25. Nov 2016, 10:59

g) (Aktiv)kohle
Kein Winzer gibt freiwillig Aktivkohle zur Geschmacksverbesserung bei. Aktivkohle wird nur bei stark fäulnis- und schimmelbelastetem Lesegut dazu gegeben, um den späteren Wein vor mehr oder weniger starken Mufftönen (bspw. nach Champignons) zu bewahren. Aktivkohle hat nämlich die nicht so schöne Eigenschaft, dass sie unspezifisch wirkt, und damit auch wert- und geschmacksbestimmende Bestandteile des Mosts herausgefiltert werden. Allerdings ist dieser Verlust noch immer eher zu akzeptieren, als dass man nach der Gärung bspw. Mufftöne im Wein hat. Wichtig ist auch, dass Aktivkohle nach der Schönung im Moststadium entfernt werden muss. Gerät sie mit in die Gärung, werden alle sensorisch relevanten Bestandteile, die vorher gebunden worden sind, nach einer gewissen Zeit wieder freigegeben.
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Blaufränkisch

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Re: Zusatzstoffe im Wein

BeitragSa 26. Nov 2016, 17:51

Hallo lieber Berufskollege Simon,

neben Muellimovs berechtigten Anmerkungen wäre noch - und noch viel wichtiger - zu ergänzen, dass du in deiner Aufstellung keinerlei Unterschied zwischen Zusatzstoffen und Behandlungsmitteln machst. Gelatine, Filterhilfsmittel, Bentonit und Kohle sind keine Zusätze in dem Sinn, dass sie im fertigen Produkt noch - zumindest in relevanter Menge - nachweisbar wären.

Herzliche Grüße aus dem Osten Österreichs

Bernhard
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
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Re: Zusatzstoffe im Wein

BeitragSo 27. Nov 2016, 13:12

simon_sagt hat geschrieben:Wein ohne Schwefel ist, das muss man ganz klar sagen, ein Risiko sondergleichen. Mittlerweile wissen die meisten Weinliebhaber, dass Schwefel nötig und völlig ungefährlich ist.


So ganz unkommentiert möchte ich diese Aussage hier nicht stehenlassen. Bezüglich der Gefährlichkeit des Schwefels würde ich zwar zustimmen, daß dies wohl noch einer der harmloseseren aller Zusatzstoffe ist und ich nicht so richtig verstehe, warum dann ausgerechnet nur dieser Stoff auf dem Etikett deklariert werden muß. Immerhin werden dem Schwefel jedoch allergene Wirkungen zugeschrieben. Als reiner Endverbraucher kann ich dies zwar weder konkret bestätigen noch sicher dementieren, eine völlige Ungefährlichkeit würde ich diesem Stoff vor dem Hintergrund der offenen Diskussion aber dennoch nicht attestieren. Es sei denn, ich hätte schlagkräftige, weil wissenschaftlich belastbare Argumente. Auch daß der Schwefel per se nötig ist, kann ich so nicht generell unterschreiben. Ich kann mich hier zwar "nur" auf die Aussagen einiger Winzer verlassen, die unter bestimmten Bedingungen (z.B. gesundes Lesegut, absolut trockener Ausbau, hohes Maß an Sauberkeit bei der Arbeit im Keller) zu dem Schluß kommen, nicht unbedingt in jedem Fall Schwefel zu benötigen. Aber wenn ich dann die entsprechenden Weine probiere -auch mit Lagerzeit auf dem Buckel- muß ich sagen, daß die Ergebnisse durchaus bestätigen können, daß Schwefel nicht immer und überall ultimativ notwendig ist. "So wenig wie möglich, so viel wie nötig" wäre aus meiner Sicht die richtige Vorgehensweise. Das generelle Verteufeln oder das generelle Ausnutzen der gesetzlichen Limits sind für mich zwei gleichermaßen falsche Wege.
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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