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Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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Käfi

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Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragMo 11. Jul 2016, 14:58

Hallo,

vorneweg: ich "weiß", dass Faktoren wie Säuregehalt, Zuckergehalt, Alkoholgehalt, Tanningehalt, Fassausbau und "Qualität" des Weines die Lagerfähigkeit beeinflussen.

Ich habe mich jetzt sicher eine Stunde durchs Netz gegoogelt, und finde eigentlich keine weiteren Ausführungen als diese allgemeinen Floskeln.

Ich frage mich, wieso ist das eigentlich so? Was ist die Chemie dahinter? Mehr als die Polymerisation bei Rotweinen habe ich auch da nicht gefunden. Und, wenn das die maßgeblichen Faktoren sind, es gibt doch bsp. genug Basisweine mit vergleichbarem Säure/Zucker/Alkoholgehalt wie entsprechendes Großes Gewächs. Wieso einmal jung zu trinken, einmal großes Reifepotential?

Einen überzeugenden Umstand bei Weißwein habe ich hier gefunden: http://www.schneider-oenologie.com/down ... wein-3.pdf sowie http://www.schneider-oenologie.com/down ... ndlung.pdf: Flavonoide führen zur Alterungsfirne. Die Flavonoidkonzentration ist (u.a?) abhängig von der mechanischen Belastung des Leseguts. Schonender Umgang mit dem Lesegut (insbesondere Keine Pumpvorgänge?) führt also zu niedrigem Flavonoidgehalt und verbessert somit das Lagerpotential. Das kostet Zeit und somit Geld.

Für weiteren Input wäre ich sehr dankbar. Pauschalaussagen wie zahlreich ergoogelt (bsp. Weine aus älteren Reben sind haltbarer als solche aus jüngeren) können mich leider nicht befriedigen. ;)

Grüße!
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Ollie

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragMo 11. Jul 2016, 15:27

Vorneweg: "Lagerfaehigkeit" bedeutet gerade im Schneiderschen Kontext die Faehigkeit, zur Fuellung erreichte Weineigenschaften (bei Weisswein speziell: die Aromatik) zu erhalten. Das hat nichts mit der Zeit zu tun, die ein abgefuellter Wein braucht, um "besser" zu werden (Beispiel: Bordeaux).

Dann kann man feststellen, dass fuer die Aroma wichtige Bestandteile mit der Zeit zerfallen, z.B. weil sie polymerisieren oder oxidiert werden. Dann lautet z.B. ein Ziel der Weinbergs- und Kellerwirtschaft, die Anfangskonzentration hoch und die Zerfallsraten niedrig zu halten. Je nach dem, wie nahe man an der "Ideallinie" operiert, erhaelt man dann mehr oder weniger lagerfaehige Weine (im obigen Sinne).

Kompliziert wird's freilich, wenn man versucht, das alles quantitativ festzunageln. Auch und gerade moderne Laborchemie kann nur grobe allgemeingueltige Richtlinien geben (Beispiel: RedOx-Potential) oder hochfokussiert Einzelaspekte herausarbeiten (Beispiel: die Sauvignon-Blanc-Aromatik). Daher sind auch heute noch Weinbersgarbeit und Weinbereitung sehr stark erfahrungsgetrieben (Beispiel: Holzmanagement).

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
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graves

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragMo 11. Jul 2016, 18:31

Ollie hat geschrieben:Kompliziert wird's freilich, wenn man versucht, das alles quantitativ festzunageln. Auch und gerade moderne Laborchemie kann nur grobe allgemeingueltige Richtlinien geben (Beispiel: RedOx-Potential) oder hochfokussiert Einzelaspekte herausarbeiten (Beispiel: die Sauvignon-Blanc-Aromatik).


Vielleicht ganz interessant in dem Kontext ein Artikel im wine-searcher zu synthetischen Weinen.

:arrow: http://www.wine-searcher.com/m/2016/07/synthetic-wine-even-better-than-the-real-thing

Bei dem Artikel bekomme ich irgendwie Schluckhemmung. Aber testen würde ich es dann doch mal.
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bibulus

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragDi 12. Jul 2016, 09:14

Käfi hat geschrieben:Hallo,


Für weiteren Input wäre ich sehr dankbar. Pauschalaussagen wie zahlreich ergoogelt (bsp. Weine aus älteren Reben sind haltbarer als solche aus jüngeren) können mich leider nicht befriedigen. ;)

Grüße!


Im TONG Magazine " N°18 / When Wine Ages " geht es ausschließlich um diese Frage.
Bibulus
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Käfi

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragDi 12. Jul 2016, 13:51

Danke Ollie, das ist mir dann auch aufgefallen.
Mir geht es tatsächlich eher um die Frage, was einen Wein im Alter "besser" macht.

Ich denke, das Aufkonzentrieren am Anfang spielt auch dort eine Rolle, so dass bswp.im Falle des Holzfassausbaus eine gewisse Primärfrucht die (untechnisch) gewünschte Phase der Oxidation und Polymerisation übersteht. So dass man neben weichem Tannin und Tertiäraromen auch noch Primäraromen im Wein hat.

@ bibulus
Danke für den Hinweis, diese Ausgabe werde ich mir kaufen.
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Riesling22

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragFr 24. Feb 2017, 08:40

Hallo
Viele Weine, wie z B. Riesling werden eigentlich viel zu früh getrunken, aber der Trend ist derzeit so.
Dafür werden die Weine vor der Abfüllung zu weit entsäuert.Diese Weine schmecken dann im jungen Stadium sehr gut, fallen dann aber nach 8-10 Monaten schon stark ab.
Bei Schraubverschluss ist das Gang und Gebe, weil die Weine nicht mehr viel nachreifen können.
Wir füllen deshalb alles auf Kork.
Die Weine brauchen nach der Füllung zwar noch 2-3 Monate, sind aber dann über Jahre länger haltbar.
Es geht nichts über einen harmonischen Riesling älter als 2 Jahre.
Gruß Stefan
Trink ihn aus, den Trank der Labe,
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Wundervoll ist Bacchus' Gabe,
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Friedrich von Schiller
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Gaston

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragFr 24. Feb 2017, 12:52

Riesling22 hat geschrieben:Bei Schraubverschluss ist das Gang und Gebe, weil die Weine nicht mehr viel nachreifen können.
Wir füllen deshalb alles auf Kork.


Dies widerspricht nun allen meinen Erfahrungen. Weine unter Schrauber reifen völlig problemlos, vielleicht etwas langsamer, aber vor allem gleichmäßig, nicht wie bei Kork, wo jede Flasche anders aussehen kann.
Beste Grüße
Gaston
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Gerald

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragFr 24. Feb 2017, 13:10

Muss mich der Meinung von Gaston vollinhaltlich anschließen. Besonders in Österreich, aber meines Wissens auch in Deutschland, verschließen viele renommierte Weingüter auch ihre Top-Weißweine mit Schrauber. Ich glaube nicht, dass diese davon ausgehen, dass der Wein dann nicht reifen kann.

Nach meiner persönlichen Erfahrung reifen die Weißweine mit Schrauber langsamer und vielleicht auch anders, aber sicher nicht schlechter als unter Naturkork. Und die diversen Ärgernisse (TCA, schleichender Kork, unvorhersehbare Sauerstoffdurchlässigkeit) erspart man sich auch. Diese sind ja gerade bei gereiften, wahrscheinlich teuren Weinen umso ärgerlicher, da man die Flasche dann nicht mehr so einfach umtauschen kann ...

Grüße,
Gerald
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EThC

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragFr 24. Feb 2017, 14:21

Ich habe mittlerweile auch einige GG's mit Schrauber: Balthasar Ress, Rudolf May, Horst Sauer, Schmitt's Kinder, Paul Weltner (auch mit Glasstöpsel). Franken ist hier deutlich vorne, die restlichen Güter halten sich da noch zurück, auch wenn bei denen ansonsten das untere und mittlere Segment bereits verschraubt wird.

Erfahrungen mit Reifeunterschieden konnte ich da noch nicht sammeln, was auch recht schwierig ist, da das ja nicht nur vom Verschluß abhängt. Dazu müßte man eigentlich den gleichen Wein mit zwei verschiedenen Verschlüssen parallel verkosten. Aber die Möglichkeit gibt's eher selten und ich habe derzeit keine im Keller...

Coravin wird sich dann auch was anderes einfallen lassen müssen. Aber solange es noch die Franzosen gibt... :lol:
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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Gerald

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Re: Lagerfähigkeit von Wein - Warum eigentlich?

BeitragFr 24. Feb 2017, 14:30

Dazu müßte man eigentlich den gleichen Wein mit zwei verschiedenen Verschlüssen parallel verkosten.


Ab und zu bieten Winzer - zumindest bei uns in Ö - einen Wein wahlweise mit NK oder Schrauber an, das gibt die Möglichkeit zu eigenen "Studien". Ich habe seinerzeit vom Grünen Veltliner Privat 2006 (Schwarzböck, Weinviertel) je 2 Flaschen mit NK und Schrauber gekauft und über die Jahre probiert. Hier zumindest war der Unterschied sehr deutlich, die Weine unter Schrauber sind viel langsamer gereift und wahrscheinlich auch irgendwie anders.

Grüße,
Gerald
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