Transport -> Muss Wein ruhen???

Hallo zusammen,

wegen dieser Frage habe mich heute in diesem Forum angemeldet:

Ich beschäftige sich so seit ein-zwei Jährchen verstärkt mit dem Weingenuss. Aufgrund der Empfehlung im Kleinen John habe ich mir bei einem Versender ein paar Flaschen 2010er Gigondas aus der bis-20-Eu-Liga bestellt.
Ungeduldig wie ich war, habe ich mir zwei Tage nach Ankunft des Kartons eine Flasche aufgemacht (sollte zu einer Ochsenbacke getrunken werden). Ich hatte einen guten Freund zu Besuch, wir schenkten uns jeder ein Glässchen ein (korrekt temperiert), hielten die Nasen drüber:...Nase nahe Null, nichts. Geschmack hm....so naja, Frucht knapp an der Wahrnehumgsschwelle, bisschen Tannin, leichter nicht unangenehmer Pelz, Alkohol sticht deutlich raus (nichts gegen Alkohol, auch gerne viel, wenn er nur gut eingebunden ist), insgesamt weder wuchtig, noch elegant, auch nicht kantig oder charaktervoll, einfach garnichts, einfach nur ein simpler im Prinzip fehlerfreier Rotwein. Für 6eu wäre das ok gewesen; aber für 19,90???
Nun die Frage: Lag das daran, dass ich zu früh nach dem Transport geöffnet habe??? (Das Internet weiss hierzu nur völlig widersprüchliches) Oder ist die spezifische Flasche nichts? Besteht Hoffnung, dass die übrigen Flaschen besser präsentieren, wenn der Wein ein bisschen geruht hat?
Macht Transport soviel aus????
Werde es ja bei der nächsten Flasche sehen, würde aber gerne Eure geschätzte Meinung hören.

besten Dank vorab und lg
Marc

[Gerald]

Hallo Marc,

zu dieser Frage gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Aus meiner Sicht (mit naturwissenschaftlicher Ausbildung) gibt es keinerlei stichhaltige Gründe, warum Erschütterungen während dem Transport dem Wein schaden sollten. Natürlich unter der Annahme, dass der Verschluss dicht hält.

Manche Weinfreunde halten vermutlich Weinflaschen gewissermaßen für "beseelte Wesen", die auf "unfreundliche Behandlung" ebenfalls negativ reagieren. Eine nachvollziehbare, rationale Erklärung habe ich dafür aber noch nicht gelesen. Das gilt aber auch für Kuhhörner & Co im biodynamischen Weinbau

In deinem Fall tippe ich viel eher auf eines von zwei ganz anderen Phänomenen.

a) der Wein befindet sich gerade in einer verschlossenen Phase. Ganz jung zeigt er schöne Fruchtnoten, dann zieht er sich zurück (schmeckt nur mehr nach Säure und Tanninen) und erst einige Jahre später kommt er wieder mit Reifenoten zurück.

b) es handelt sich um einen Korkfehler ("schleichender Kork", auch als "aroma scalping" oder "flavour scalping" bekannt). Durch einen Fehler im Kork werden die Aromen absorbiert.

Du kannst ja eine weitere Flasche öffnen, wenn diese genauso schmeckt, war es vermutlich Faktor a), andernfalls b).

Grüße,
Gerald

Du kannst ja eine weitere Flasche öffnen, wenn diese genauso schmeckt, war es vermutlich Faktor a), andernfalls b).

... oder c), man hat eine Erwartungshaltung gehabt, die mit dem Wein nichts zu tun hatte (auch aknn die Tagesform schlecht gewesen sein). Manchmal kann das einem die "Sinne" ganz schön verdecken. Es kann gut sein sich dem Wein später noch einmal zu zu wenden.

[susa]

Was genau für einer war es denn?

Vielleicht hätte der einfach nur ein paar Stunden Luft gebraucht (was dann in die Richtung von Geralds a) weist).

lg
s

Moin, moin,

wenn ich mich recht erinnere hat Dirk Würtz vor Jahren mal einen Selbstversuch gemacht. Ein Wein durfte lange (den Sommer über?) in seinem Wagen mitreisen, schon durchschaukeln und auch mal warm werden. Irgendwann wurde diese Flasche mit einer verglichen, die es schön ruhig und gleichmässig hatte, die Unterschiede waren wohl minimal. Vielleicht liege ich ja richtig, daß es Dirk war und dieser kann es nochmal besser ausführen.

Außerdem meine ich, daß das Transport-Argument eigentlich nicht wirklich haltbar sein kann. Auf praktische allen Weinmessen kommen die Winzer doch mit Ihren Weinen angereist - Ausnahmen mögen die Regel bestätigen - wenn ein Wein immer Probleme nach Transport zeigen würde, gäbe es wohl keine Winzer, die ihre Weine ohne ausreichende Ruhezeiten präsentieren würden.

Schöne Grüße

Wolfgang,

der auch eher an Kork, Verschlußphase, wenig Luft oder falsche Erwartungshaltung glaubt, es gibt so viele Gründe - auch persönliche - warum ein Wein heute nicht, morgen oder übermorgen dann aber wieder schmeckt.

Ich meine, daß Weinen nach dem Transport mindestens zwei Tage Ruhe gut tun. Ab und zu kann ich einfach nicht widerstehen und öffne Flaschen schon mal am Ankuftstag. Meist könnte ich mir danach auf die Finger kloppen Es gibt aber auch Ausnahmen

Artur war es und nicht Dirk, der eine Flasche im Auto rumkutschiert hat. Höchstens Dirk hat hat es Artur nachgemacht und den Versuch nachgestellt

Auf praktische allen Weinmessen kommen die Winzer doch mit Ihren Weinen angereist - Ausnahmen mögen die Regel bestätigen - wenn ein Wein immer Probleme nach Transport zeigen würde, gäbe es wohl keine Winzer, die ihre Weine ohne ausreichende Ruhezeiten präsentieren würden.

Wenn ich darüber nachdenke wie warm Weine manchmal auf Weinmessen präsentiert werden, ist die nicht ausreichende Ruhephase nach einem Transport noch das kleinste Problem. Auf der diesjährigen ProWein konnte ich manchmal nur noch den Kopf schütteln

Ich meine, daß Weinen nach dem Transport mindestens zwei Tage Ruhe gut tun. Ab und zu kann ich einfach nicht widerstehen und öffne Flaschen schon mal am Ankuftstag. Meist könnte ich mir danach auf die Finger kloppen Es gibt aber auch Ausnahmen

Ich sehe es genauso, obwohl wahrscheinlich wissenschaftlich total unlogisch.

[weinfex]

Was die Statements bis jetzt nicht berücksichtigen, natürlich muss
Rotwein ruhen, wenn ein Depot in der Flasche ist.

Aber dies ist natürlich bei einem 2010 Gigondas zu vernachlässigen.
Allerdings glaube ich auch nicht an Geralds Punkt a.), so
verschlossen, dass gar nichts kommt, kann ich mir bei dem
Jahrgang im Moment überhaupt nicht vorstellen.

Bei jungem Rotwein ist die Erfahrung, dass sofort nach dem Transport die Wein sich
offen präsentieren, allerdings nach ein paar Tagen die Frucht "schwächer" wird, als
ob der Wein in ein kleines Loch fällt. Nach einer kurzen Ruhephase normalisiert sich das.

Ich glaube aber auch nicht, im Gegensatz zu Gerald, dass sich alles wissenschaftlich
beweisen und belegen lässt, was mit Wein zu tun hat. Man kann das Hokuspokus
nennen, oder was auch immer.

Ich bin zum Beispiel auch überzeugt, dass Weisswein (Sauvignon Blanc ist da exemplarisch zu nennen) mit Neuholzeinsatz nach dem Transport
sich immer schlechter präsentiert, wie nach einer Ruhephase, wenn das der eine oder andere auch als Einbildung abtun wird...

Waren es die ersten Flaschen, die "etwas mehr gekostet" haben? Oder sind ca. € 20,00 ein "normaler" Preis bei Wein für Dich, Marc?

Dass ein 2010er Gigondas aktuell komplett verschlossen ist kann ich kaum glauben, was ich bisher probiert habe zeigen die 2010er der südlichen Rhone jetzt durchaus Trinkspaß.

Transport macht im Prinzip den Weinen kaum etwas aus, ich trinke seit letzten Freitag, Ankunftstag der Palette aus der Toskana, den Saragio von Valdonica, der Wein präsentiert sich herausragend gut. Ich habe auch sonst nur ganz selten das Gefühl gehabt, dass ein Wein durch den transport beeinträchtigt sein könnte.

Ich denke es war wohl eher der Punkt übersteigerte Erwartungshaltung und dann negative gegenseitige Beeinflussung, sprich man schaukelt sich gegenseitig hoch in der negativen Meinung über einen Wein. Habe ich schon oft genug auf Proben festgestellt.

In so einem Fall lohnt es meist den Wein erst mal stehen zu lassen, einen anderen aufmachen und dann später am Abend oder am nächsten Tag zu dem Wein zurück zu kommen.

[Gerald]

wenn das der eine oder andere auch als Einbildung abtun wird...

ja, genau das ist wohl das Hauptproblem an der Sache. Wie wir schon an verschiedenen Stellen gelesen haben (und vielleicht aus eigener Erfahrung kennen), ist der Geruchs- und Geschmackssinn sehr stark von äußeren Bedingungen wie der Lichtfarbe und auch dem aktuellen inneren Erleben des Verkosters abhängig. Und vor allem auch von vorgefertigten Erwartungen.

Ich kann mich an das "breathable glass" erinnern, dem viele namhafte Verkoster eine sehr auffällige Wirkung nachgesagt haben, obwohl im Rechtsstreit mit Riedel die Gutachter weder analytisch noch sensorisch einen Effekt nachweisen konnten.

Wird vermutlich bei der "Transportthematik" dasselbe sein. Man hat mal gelesen, dass sich Erschütterungen negativ auf den Wein auswirken und fühlt dann diese vorgefasste Meinung beim eigenen Versuch bestätigt Ähnliches haben wir ja auch mit dem Horoskop für Weintrinker (siehe viewtopic.php?f=7&t=1975&p=43532&p43528#p43528) schon diskutiert

Grüße,
Gerald