Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 20:22


Winfehler (eigene Produktion)

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
  • Autor
  • Nachricht
Offline

Muellimov

  • Beiträge: 231
  • Registriert: Do 17. Jan 2013, 09:44

Re: Winfehler (eigene Produktion)

BeitragFr 16. Nov 2018, 15:43

Also, da sind nun anscheinend mehrere Sachen in die Hose gegangen. Ich merke nun mal mehrere Punkte an:

a) 0 Oechsle bei einem Wein mit Ausgangsmostgewicht von 91 Oechsle bedeutet, dass der Wein nicht trocken ist. Trockene Weine haben negative Oechsle-Werte. Das hängt damit zusammen, dass die Dichte von Alkohol bei ca. 0,79 g/l liegt. Beim besagten Ausgangsmostgewicht sollte der Jungwein grob im Bereich von mindestens minus 3 oder 4 Oechsle und niedriger sein, um unterhalb der weinrechtlichen Grenze von trocken zu sein. Eine nicht abgeschlossene, also weiterhin sehr langsam verlaufende Gärung wäre also prinzipiell nicht auszuschließen, wenn auch nicht mehr allzu wahrscheinlich.

b) Während der abklingenden Gärung wäre es sinnvoll gewesen, das Gebinde spundvoll aufzufüllen, um Kahmhefen und Aromaverluste zu vermeiden. Oxidationsgefährdet wäre der Weine trotz noch nicht vorhandener Schwefelung nicht gewesen, da die postfermentative und sich in Schwebe befindende Feinhefe weiterhin hochreduktiv ist und als Sauerstoffzehrer fungiert. Nach einer Wartezeit von ca. 5 bis 7 Tagen nach der Gärung wäre dann auch Aufschwefeln sinnvoll gewesen. Diese Zeit reicht aus, um Gärungsnebenprodukte wie gebildeten Acetaldehyd zu reduzieren, die ansonsten die Schwefelbilanz unnötig belasten. Des Weiteren ist der Wein nach Schwefelung mikrobiologisch stabil, gerade Riesling mit seinen niedrigen pH-Werten. Dennoch kann dann Kahmhefe auftreten (das ist vermutlich das, was Du als Schimmel bezeichnest), deshalb ist spundvolles Auffüllen zur Oberflächenreduzierung auch so wichtig. Auch wird dadurch der Sauerstoffeintrag reduziert, zumal auch nach Aufschwefeln der freie Schwefel nur etwa 65 bis 70% des in den Jungwein gelangenden Sauerstoffs abfängt. Die postfermentative Feinhefe verliert jedoch bei Konzentrationen an freiem Schwefel von über 20 mg/l massiv ihre sauerstoffzehrende Wirkung.

c) Wie ich ja schon schrieb, fördert Bentonit keinesfalls die Klärung des Jungweins, sondern dient nur der späteren Eiweißstabilisierung. Man kann eine Bentonitschönung auch bereits im Most machen, was ich persönlich präferiere, da dann der eigentliche Wein einer Rührstrapaze nicht mehr ausgesetzt wird. Wenn Dein Bentonit jedoch eisenarm ist, dann kann es prinzipiell ruhig im Gebinde bleiben. Ein einfaches Einrühren reicht übrigens nicht, um das nochmals zu betonen. Das Bentonit muss über einen Zeitraum von grob 10 Minuten in Schwebe gehalten werden: sprich 10 Minuten Dauerrühren!

d) Da keine Mostvorklärung (Entschleimung) gemacht wurde, waren garantiert sehr viele feine Partikel im Most/Jungwein. Aufgrund der im Jungwein gelösten Gärungskohlensäure halten sich diese nach der Gärung sehr lange in Schwebe und setzen sich nur langsam. Es wäre/ist also Geduld angebracht. Beim nächsten Mal bitte den Most vorklären. Das hat auch eine deutlich reduzierte Böckserneigung zur Folge. Die sich nach der Gärung absetzende Hefe zusammen mit ordentlich Trubstoffen aufgrund unterlassener Vorklärung ist fast schon ein Böcksergarant. Um dies zu vermeiden, wäre ein Abziehen (Abstich) vom sogenannten Geläger angebracht. Warte noch ein wenig, bis sich dieses Geläger deutlich sichtbar gebildet hat. Ziehe sicherheitshalber mal eine Probe von diesem Bodensatz und rieche daran. Riecht es sauber nach Hefe, dann ist alles in Ordnung und es muss nicht abgezogen werden. Riecht es nach Kohl oder verbranntem Gummi oder ähnlich unangenehm, dann umgehend abziehen.

Prinzipiell ist nun Warten angesagt, um den Wein zu klären. Das wird er sicherlich tun, aber aufgrund der ausgebliebenen Mostvorklärung wird das länger dauern. Die Zugabe eines Enzyms mit Pektinaseaktivität wäre auch angebracht, insofern dies nicht bereits der Maische bzw. dem Most zugegeben wurde. Dies allerdings im aktuellen Zustand nur extrem vorsichtig einrühren bzw. einfach mit etwas Most lösen und von oben ins das Gebinde hinzugeben. Das sich am Boden befindende Bentonit deaktiviert/bindet nämlich auch Enzyme, da diese Eiweiße sind.

Was nun ganz wichtig gegen die Kahmhefe ist: umgehend schwefeln und Gebinde spundvoll füllen! Eventuell sind die aromatischen Auswirkungen noch nicht allzu gravierend gewesen. Ein Versuch ist's wert.

Und beim nächsten Mal: einfach besser machen... ;-) Hier mal ein kleiner Praxisleitfaden des DLR, der als Einstieg sehr hilfreich ist. Den solltest Du beim nächsten Mal als Jungwinzer strikt einhalten. Abwandlungen davon sind möglich und bringen an manchen Stellen sogar Verbesserungen hervor. Jedoch sollte man dann die Zusammenhänge und naturwissenschaftlichen Grundlagen der Weinbereitung auch wirklich verstanden haben, bevor man damit anfängt. Bis dahin gilt eben "Schema F" !

http://www.dlr-mosel.rlp.de/Internet/gl ... 20link.pdf

PS: wo wurden denn die Rieslingtrauben angebaut? Wann wurde gelesen? (wieder nur interessehalber)

PPS: Deinen Beitrag habe ich erst vorhin lesen können, sonst hätte ich schon früher geschrieben. Ich hatte mich eh schon gewundert, dass keine Antwort kam und dachte nur "Ah ja, mal wieder so einer, der sich nicht mehr meldet. Yetis sind halt scheue Wesen..." ;-)
Offline

eifelyeti

  • Beiträge: 4
  • Registriert: So 11. Nov 2018, 11:21

Re: Winfehler (eigene Produktion)

BeitragSo 18. Nov 2018, 15:34

Hallo Muellimov,

vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort und Aufklärung.
Das muss ich jetzt erst mal alles verdauen ^^.
Wie gesagt, ich bin ja Anfänger und hab mich zuvor durch etliche Websiten durchgehangelt und versucht das Beste daraus zu machen. Ich habe den Wein nochmals abgezogen und nochmal minimal geschwefelt. Er ist mittlerweile viel klarer geworden. Ich warte einfach mal ab. Geschwefelt hatte ich die übrigens zuvor auch schon.
Das mit dem Oechsle messen konnte ich übrigens nicht 100% durchführen, da mein Messding nur bis Null anzeigt und keine Minuswerte.

Die Riesling-Trauben wurden übrigens am 26. September gelesen und wuchsen bei uns vor der Hauswand in der Eifel (Südhang).

Vielen vielen Dank nochmals für die überaus kompetente Antwort.
Vorherige

Zurück zu Allgemeines Weinwissen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen