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Trinkreife von Großen Gewächsen

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octopussy

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragDi 8. Mär 2016, 19:48

Soller hat geschrieben:mich würde mal interessieren, wann Ihr in etwa bei den GG Rieslingen die optimale Trinkreife sieht. Ich habe in letzter Zeit einige junge Große Gewächse aus unterschiedlichen Regionen getrunken, die meiner Meinung nach noch sehr säurebetont waren (Schloss Johannisberg Silberlack 2012, von Winning Kirchenstück 2014, Robert Weil Kriedrich Gräfenberg 2014 usw.).

Hallo Soller,

das hängt vom persönlichen Geschmack, vom Winzer, vom Jahrgang und noch einigen weiteren Faktoren ab. Ganz generell gilt für mich:

Vorab: ich persönlich mag Weine lieber ein paar Jahre länger als ein paar Jahre kürzer gereift. Für mich schmeckt ein Großes Gewächs bzw. dessen Vorläufer am besten, wenn (i) keine oder kaum offensichtliche Reifenoten (Firne, oxidative Noten, o.ä.) zu erkennen sind, (ii) jugendbedingte Faktoren wie z.B. Primärfrucht oder Restgärkohlensäure nicht mehr spürbar sind, (iii) der Wein trotzdem noch schwungvoll ist und (iv) der Wein komplex ist, d.h. die Aromen miteinander verwoben sind, nicht mehr stark einzeln erkennbar sind.

Die Erfahrung zeigt, dass gar nicht mal so viele Riesling GGs dieses Stadium erreichen. Das Untere gilt deshalb nur für die absoluten Top-GGs. Als Faustregel kann man sich ganz grob an Folgendem orientieren:

- in der ersten Fruchtphase (je nach Jahrgang zwischen ca. einem halben Jahr und ca. zwei bis drei Jahren) sind die meisten GGs sehr vergnüglich. Nur die Komplexität ist oft noch nicht ausgeprägt.
- Dann kommt eine relativ schwierige Phase, in der Weine aus warmen Jahrgängen (wie 2009 oder 2011) lätschig und ältlich schmecken und Weine aus kühlen Jahrgängen (wie 2004 oder 2008) karg, leer, säurebetont und unzugänglich schmecken.
- Ab ca. acht bis zehn Jahren nach der Lese fangen die guten Weine dann wieder an, Spaß zu machen und man kommt so langsam dem Plateau näher.
- Für meinen persönlichen Geschmack erreichen die Top-Weine von z.B. Bürklin-Wolf, Emrich-Schönleber, Dönnhoff, Keller, Wittmann, Koehler-Ruprecht oder Breuer ihr Plateau ca. 10 bis 12 Jahre nach der Lese. Und dann kann man sie eigentlich auch austrinken. Viel passieren tut ab dem Zeitpunkt regelmäßig nicht mehr.
Beste Grüße, Stephan
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Käfi

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragMo 23. Mai 2016, 11:19

Anknüpfend an die letzten zwei Beiträge eine Laienfage: Was macht GGs so prädistiniert zur langen Reifung? Grob gesprochen machen doch Säure, Zucker, Fassuasbau Weine lagerfähig. Was unterscheidet ein GGs in Punkto Lagerfähigkeit von bspw. einem Lagenriesling Spätlesequalität eines unbekannteren Weinguts? Danke!
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Bernd Schulz

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragMo 23. Mai 2016, 11:56

Käfi hat geschrieben: Was unterscheidet ein GGs in Punkto Lagerfähigkeit von bspw. einem Lagenriesling Spätlesequalität eines unbekannteren Weinguts? Danke!


Wenn du mich fragst: Grundsätzlich gar nichts!

Die Reifefähigkeit eines Rieslings ist von vielen Faktoren abhängig, wobei ich mittlerweile glaube, dass die Art des Ausbaus eine entscheidende Rolle spielt. Ich habe schon bei GGs, deren Ausgangsmost sicher relativ hochkarätig war, erlebt, dass nach vier oder fünf Jahren nicht mehr viel mit ihnen los war, und ich hatte auch schon kleine trockene Weine (Kabinette oder gar QbAs), die nach zwanzig Jahren immer noch viel Spaß gemacht haben, im Glas.

Herzliche Grüße

Bernd
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MichaelWagner

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragMo 23. Mai 2016, 12:40

Hallo zusammen,

fast einzig und allein die Art des Ausbaus entscheidet über die Lagerfähigkeit. Das hat erstmal nichts mit GG oder Prädikatswein zu tun (Nebenbei trägt natürlich der Flaschenverschluss dazu bei...aber das ist eine andere Diskussion...)

Was GGs jedoch mittlerweile maßgeblich von trockenen Prädikatsweinen wie Spät- & Auslesen unterscheidet:

Bei GGs ist die Anreicherung/Mostzuckerung/Alkoholerhöhung zugelassen, da sie weinrechtlich gesehen als Qualitätswein stehen und auf das Prädikat Spät- oder Auslese verzichten.

Bei trockenen Spät- & Auslesen ist dieses Vorgehen weinrechtlich nicht zulässig.

Der Verband der Prädikatsweingüter verzichtet also bei seinen Spitzenweinen auf Prädikate...

Gruß, Michael
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Leo

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragMo 23. Mai 2016, 14:01

Hallo Forum,

ob ein GG angereichert ist oder nicht, interessiert ( zumindest mich ) nicht die Bohne.
Wer fragt schon danach, ob ein Margaux, ein Petrus,ein Mouton oder ein Grand Cru aus Burgund ( erlaubterweise )durch Zuckerzugabe zu seinem jetzigen Alkoholgehalt gekommen ist ?

Der VDP verlangt für GGs mindestens 90 Öchsle als Ausgangsmostgewicht, da kann ich mir kaum vorstellen, daß dann noch Anreicherungsbedarf besteht.

Und selbst wenn:
GGs tragen in meinen Augen ihre Bezeichnung nur dann zurecht,wenn sie ihm auch nach etlichen Jahren der Lagerung noch Ehre machen.
Und genau deshalb kaufe ich diese Weine sehr zielgerichtet und nur bei den wirklich besten Erzeugern ein.Und von 2015 sogar noch einiges mehr als sonst !

Gruß Leo
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MichaelWagner

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragMo 23. Mai 2016, 15:17

Hallo Leo,

mit Verlaub: das Mindestmostgewicht liegt lt. VdP bei 85, was in etwa einem Alkohol von 11,5 vol% entspricht. Selbst bei 90 Öchsle kommst Du nur auf knapp 12,5 Vol%...

Aber lassen wir das Öchsle-Thema mal aussen vor, so hat das o.g. mit dem "Naturgedanken" der Prädikate, Lagen- & Jahrgangstypizität wenig zu tun...Renomee hin oder her...i

Ob einen das interessiert oder nicht ist eine andere Frage - Käfi hats interessiert und ich habe auf seine Frage geantwortet...

Gruß, Michael
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Käfi

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragDo 26. Mai 2016, 23:52

MichaelWagner hat geschrieben:Ob einen das interessiert oder nicht ist eine andere Frage - Käfi hats interessiert und ich habe auf seine Frage geantwortet...

Gruß, Michael


So isses. Vielen Dank, auch Dir, Bernd. Sehr interessant!
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Bradetti

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragDo 8. Sep 2016, 16:21

Leo hat geschrieben:auch wenn ich kein Naturwissenschaftler bin, weis ich doch immerhin, daß sich Flüssigkeiten bei Erwärmung ausdehnen und beim Abkühlen wieder zusammenziehen.
Auf eine verkorkte Weinflasche bezogen bedeutet das,daß sich die Luft zwischen dem Füllstand der Flasche und dem Kork bei Erwärmung ausdehnt und zwecks Druckausgleich durch den Kork diffundiert. Der umgekehrte Vorgang logischerweise beim Abkühlen der Flasche.
Durch diesen Gasaustausch kommt der Flascheninhalt verstärkt mit Sauerstoff in Kontakt, was auch zu vorzeitiger Alterung beiträgt. Dafür habe ich zwar keine wissenschaftlichen Studien zur Hand, aber viel, viel Erfahrung. Und die hat mich gelehrt,vor ca. 2o Jahren von meiner Weinlagerung im alten Kellergewölbe auf Weinkühlschränke umzusteigen.
Gruß Leo

Was bedeutet das dann aber generell für GG´s (bzw. Weine allgemein) mit Schraubverschluss. Da gibts ja auch immer mehr davon (Jost, Gunderloch, Egon Müller neuerdings usw.).
Da findet ja der Austausch gar nicht statt, wird sozusagen unterbunden. Die muss ich nicht mal hinlegen!
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UlliB

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragDo 8. Sep 2016, 16:47

Bradetti hat geschrieben:Was bedeutet das dann aber generell für GG´s (bzw. Weine allgemein) mit Schraubverschluss. Da gibts ja auch immer mehr davon (Jost, Gunderloch, Egon Müller neuerdings usw.).
Da findet ja der Austausch gar nicht statt, wird sozusagen unterbunden. Die muss ich nicht mal hinlegen!

Falsch. Auch ein Schraubverschluss hat keinesfalls eine Sauerstoffdurchlässigkeit von Null. Das ultimative Dichtelement ist stets Kunststoff, und der hat immer eine (wenn auch möglicherweise sehr geringe) Permeabilität.

Wer mag, kann z.B. von Stelvin mittlerweile Schraubverschlüsse mit definierter, aber unterschiedlicher Permeabilität kaufen, siehe hier ("Stelvin Inside", etwas runterscrollen): https://www.amcor.com/market_solutions/ ... crew_caps/

Dass die immer wieder kolportierte Mär vom durch Temperaturschwankungen bedingten Druckunterschied nicht haltbar ist, hatte ich oben schon geschrieben. Im übrigen braucht es zur Aufrechterhaltung von Diffusion keineswegs ein Druckgefälle, sondern ein Konzentrationsgefälle, und das ist auf Grund des reduktiven Milieus in der Flasche unabhängig von Druckdifferenzen immer gegeben.

Dass auch verschraubte Weine völlig normal reifen, wenn auch meistens langsamer, zeigen übrigens etliche österreichische Premium-Weißweine, bei denen die Erzeuger bereits vor bald 20 Jahren auf Schrauber umgestiegen sind.

Gruß
Ulli
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Muellimov

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Re: Trinkreife von Großen Gewächsen

BeitragDo 8. Sep 2016, 16:50

Dazu möchte ich nochmals auf den Beitrag von UlliB eine Seite vorher vom 06. März, 17:57 Uhr verweisen.

(ist obsolet, Ulli hat ja bereits zwischenzeitlich geantwortet)
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