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Sammelsurium historischer Jahrgänge

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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octopussy

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragSa 24. Nov 2012, 23:52

Neulich bei einer Probe in unserem Hamburger Kreis tischte der Gastgeber zwei sehr interessante Altweine auf, von denen einer wirklich bemerkenswert gut war, der andere eher durch seine gewöhnungsbedürftigen Tertiäraromen auffiel.

Zuerst tranken wir den 1959 Nuits St. Georges der Domaine Grivelet-Cusset, mutmaßlich einem Négociant. Der Gastgeber meinte, direkt nach dem Entkorken hätte der Wein einfach nur nach schlammiger Kloake gerochen. Fünf Stunden später im Dekanter war diese schlammige Note noch nicht ganz verflogen, aber jedenfalls nicht völlig dominierend. Interessant war die Fülle und Wärme des Weines, als wäre da noch ein bisschen Grenache noir reingeflossen. Ein echtes Trinkvergnügen schmeckt anders, aber der Faszination alter Weine kann ich mich einfach nicht entziehen.

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Auch ohne Altweinbonus richtig gut war der 1958 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Cabinet der Hessischen Staatsweingüter. Ich hab den Wein blind ins Burgund gesteckt, aber ein, zwei feine Zungen in unserer Runde konnten durch eine dezente Erdbeernote einen Spätburgunder herausriechen. Jedenfalls war der Wein wirklich schön, feingliedrig, sehr lebendig und intakt.

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Beste Grüße, Stephan
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Kle

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragSo 25. Nov 2012, 00:37

Hallo Stephan,

danke für die Erinnerung an diese beiden Weine. Nur bei Deinen farblichen Eindrücken stutzte ich, vor allem beim Nuits St. Georges: Ich hatte noch nie so einen rußfarbenen Wein gesehen, es war erschreckend. In Anlehnung an die "Todessüße" hätte ich die "Todesfarbe" in die Weinsprache einführen können. Da ist es geradezu eine Erleichterung, wenn mir die Pflaumentöne entgangen sind!

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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Bernd Schulz

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragMo 26. Nov 2012, 00:03

Gerade mit meinen Eltern getrunken:

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Kein Riesenkino, aber auf jeden Fall ein schönes, spannendes Altweinerlebnis! Ich freue mich sehr darüber, dass sich nach etlicher Zeit mal wieder ein paar olle Rieslinge in meinen Keller verirrt haben - sie werden sich dort unten nicht mehr lange in der Dunkelheit herumquälen müssen....

Beste Grüße

Bernd
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Ostbelgier

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragSa 1. Dez 2012, 14:03

Unter der Rubrik "wollte niemand haben" läuft der folgende Wein, den ich in der Bucht für 2 (in Worten zwei) Euro geschossen hatte. Als die Flasche ankam, schwamm der KOrken innen und die massive Kapsel hielt die dennoch klare Füssigkeit zurück. Die Rede ist von der Hohen-Sülzer Domblick Auslese 1967 des Weingutes Spanier.
Ölige Konsistenz, tiefes ambra, ja beinahe kupferfarben wie ein alter Rose. Der Wein braucht Luft, dann folgt ein hedonistisches Nirvana von Düften, rote Johannisbeeren, kandierte Aprikosen und eine feine Honignote, die dem allgemein hohen Botrytisanteil dieses Jahrgangs geschuldet ist. Am Gaumen denkt man bei der Aromenfülle und den kandierten Trockenfrüchten unwillkürlich an Weihnachten. Reif und rund, ohne adipös zu sein. Stramme Säure für einen 67er! Insgesamt eine großartige Leistung.

Viele Grüße

Markus
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Ostbelgier

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragDi 4. Dez 2012, 22:45

Hallo zusammen,

ein kleiner, aber feiner Wein ist auch Chateau la Louviere 1978 aus Graves. Dezenter bräunlicher Rand, bleibt im Dekanter aber stabil. feiner Duft, erdig, auch am Gaumen Boden/Moos-Noten, Tabak und ein Hauch Sauerkirsche. Nicht zu schwer, sehr angenehm zu trinken.Mittlerer Nachhall. Nicht gross, aber auch nicht zu verachten. Sollte allerdings ausgetrunken werden.

Viele Grüße

Markus
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Ostbelgier

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragMi 12. Dez 2012, 20:55

Hallo zusammen,

Chateau Haut-Marbuzet 1976 aus Saint-Estephe konnte ich heute dank Ralf auch einmal trinken. Aus der halben Flasche hatte ich nicht allzu viel erwartet, und bin sehr positiv überrascht. Natürlich ist da die kernige, altmodische Saint Estephe-Art, aber auch ein feiner Duft nach Kirschen, keinerlei Brauntöne, gut eingebundenes Tannin und ein erstaunlich runder und schöner Nachhall. Sollte ich hiervon einmal ganze Flaschen finden, begänne ich zu überlegen :idea: ... nicht übel!

Viele Grüße

Markus
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Ostbelgier

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragFr 28. Dez 2012, 17:48

Hallo zusammen,

gestern gab es einen schönen Abend mit Bernd und meiner Liebsten, in dessen Verlauf einige Leichtweine verkimmelt wurden. Nicht alles ist wirklich historisch, aber der Einfachheit halber schreibe ich alles hier herein:
Joh Jos Prüm: Graacher Himmelreich Kabinett 1992, sehr typischer Lagenduft, stramme Säure, belebender Charakter, ein echter Kabinett. Hiervon könnte ich eine Magnum trinken!
Kerpen: Bernkasteler Badstube Auslese 1990. Recht hochfarbig für einen 90er. Reifer Duft, Aprikosen. Reife, feine Säure. Wird mit Luftzufuhr schöner. Gute Länge, für eine 90er Auslese fehlt mir aber der Feinschliff.
Christoffel jun.: Ürziger Würzgarten Auslese ** 1975. Helles Ambra, sehr zurückhaltend im Duft. Am Gaumen sehr reif und beinahe sahnig, stimmig und in sich ruhend. Lecker und auf dem Höhepunkt.
Gebert: Ockfener Bockstein Kabinett 1971. Dieses nicht mehr existente Gut hat viele herrliche Weine hervorgebracht. Dieser 41jährige Kabinett ist furztrocken, wirkt steinig-karg und braucht Luft. Herber Apfel und eine magenmordende Säure, die den Wein stützt. Nicht gross, aber sehr interessant.
von Hövel: Oberemmeler Hütte Spätlese 1994. SChön gereifte, helle Farbe. Fabulöser Duft nach Pfirsich und feinsten Kräutern. Rund, saftig und wunderschön. Ganz grosse Länge, reife und feine Säure. Ein grosser Klassiker und Sieger des Abends. Gehört mit der Kaseler Nie'chen Spätlese 98 von Geiben und der 98er Hermannshöhle von Dönnhoff nun in meinen Kreis der 3 Über- Spätlesen.
Eitelsbacher Karthäuserhofberger Kabinett 1993. Mieser Korken! Der Wein ist aber sensationell, Stachelbeeren pur, auf 100 Meter als Ruweraner zu erkennen. Schiefer pur, Cassis nd Stachelbeeren. (Bernd: der grünhäusert aber ganz schön...) ;) . Vorzeige- Kabinett.

Viele Grüße und einen guten Rutsch an alle

Markus
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Ostbelgier

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragFr 1. Nov 2013, 21:07

Hallo zusammen,

noch so eine angenehme Überraschung: Der Moulin a vent 1959 von der Domaine de la Rochelle. Der geschrumpfte Korken kam an einem Stück heraus. Die Farbe war sehr schön, reines, klares Ziegelrot ohne Brauntöne. Duft nach feinem Leder und immer noch einem Hauch von Kirschen, die Ledernote dominiert über den weiteren Abend. Angegenehm und rund am Gaumen ohne jede störende Säure. Klar auch in diesem Alter als Moulin a vent, zumindest als Beaujolais Cru, zu erkennen, mit mittlerem Nachhall. Sehr schön !

Viele Grüße

Markus
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Ostbelgier

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragMi 6. Nov 2013, 22:58

Hallo zusammen,

nach einem langen Arbeitstag belohne ich mich gerade mit Chateau Haut Bailly 1964 aus einer Flasche mit ts- Füllhöhe, die ich geradezu sensationell finde. Die Flasche stammt aus einem zuverlässigen belgischen Keller und ist völlig versifft. Der Korken rutscht leider rein, also wird sofort in ein schlankes Gefäß dekantiert.
Und da ist er nun seit einer halben Stunde: In der Mitte tiefrot mit ziegelroten Aufhellungen zum Rand hin, keine Brauntöne.
Zunächst Pferdemist und Sattelleder in der Nase, nun feine Sauerkirsche, fast wie ein guter Burgunder. Extrem feines Tannin, am Gaumen eine trüffelig anmutende, erdige Note und auch hier Sauerkirsche, verbunden mit den Steinen der Kirsche. Herbe Grundstruktur, im Nachhall eine ebenso überraschende wie schöne Süße. Scheint noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten zu sein. Grosses Kino !

Viele Grüße

Markus
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Ostbelgier

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Re: Sammelsurium historischer Jahrgänge

BeitragSa 30. Nov 2013, 22:09

Hallo zusammen,

mal wieder was Olles aus Ostbelgien. Sensationell schön ist: Fr. Carl Engelmann Erben: Hallgartener Schönhell Riesling Spätlese 1969, versteigert im Kurhaus Wiesbaden 1993. Erstaunlich helles, strahlendes Gelb ohne grossartige Reifetönung. Verwirrender Duft, der süchtig macht: etwas Petrol, herbe Orangenzeste, ein Hauch von Zimt. Für die tiefen Hallgartener Böden ist dies ein erstaunlich leichtfüssiger Wein, der zitrisch- mineralisch daherkommt und durch seine magenmordende Säure beinahe feinherb wirkt. Rheingauer Spätlesen hatten zu jener Zeit aber meistens weniger Restzucker als heute, und in mittleren Jahren wie 1969 eine deutlich höhere Säure. Mit der Zeit kommen angenehme Apfelnoten dazu, der Wein behält aber seine klare Struktur. Außergewöhnlich und schön !

Viele Grüße

Markus
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