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Re: Italien-Weinprobe in Würzburg

BeitragVerfasst: Do 31. Okt 2019, 16:56
von weinaffe
... und jetzt noch die fehlenden 5 Rotweine der Italien-Probe:

2010er "Contrada" Nero d'Avola Sicilia IGT (Az. Agr. COS, Vittoria)-Sizilien-
bio-dynamisch erzeugter Roter aus durchschnittlich über 50 Jahre alten Nero d'Avola-Stöcken. Leicht durchscheinendes, ehrliches "Pinot"-Rot, sehr komplexe und überaus feine Nase nach reifen, aber nicht überreifen roten Früchten (Cassis, Kirsche, etwas Himbeere), unterlegt von einer kräutrig-mineralischen Würze, wirkt noch durchaus jugendlich, hat in puncto Eleganz und Finesse eine nicht unerhebliche Schnittmenge mit einem gelungenen Pinot Noir. Auch am Gaumen kein Powerwein, knalltrocken, stimmige Säure, weitgehend abgeschmolzenes Tannin, trotz nur 12,5 Vol% ein dichter und kompletter Rotwein mit stimmiger Frucht und Würze. Bleibt retronasal nach dem Runterschlucken lange präsent. Ein Sizilianer mit unbestrittener Klasse, der vor allem bei Pinot-Liebhabern bestens ankommen wird. Einzig der Handelspreis mit gut 40 EURO bremst den Nachkaufreflex etwas aus.

2011er Taurasi Riserva DOCG (Mastroberardino, Atripalda)-Kampanien-
100% Aglianico mit 4-jähriger Lagerung (mind. 18 Monate im Holz). Der etwas im Schatten anderer Rotweine stehende Taurasi ist ein echter Langstreckenläufer und zählt für mich nach wie vor zun den potentiell besten Rotwein-Crus Italiens. Diese Riserva aus dem Traditionshaus Mastroberardino macht da keine Ausnahme: die zunächst etwas verschlossene Nase benötigt sehr viel Luft, um die Frucht freizugeben, dann ein Potpourri aus dunklen Beeren, angenehme Holzwürze, sehr viel Tiefe, die sich aber nicht ganz ausloten lässt, folgerichtig auf der Zunge noch sehr zurückgezogen, saftige Säure, noch knackiges, reifebedürftiges Tannin, das den Wein noch wie in einem engen Korsett gefangen hält, die Frucht muss sich hier den Weg freikämpfen, Kirsche, Heidelbeeren, etwas Schlehe, zarter Holzeinsatz, der Wein hat Klasse, Tiefe und Länge, braucht aber noch gut und gerne 10 weitere Jahre zur Harmonisierung. Ich bin bei diesem Wein guter Dinge...

2015er "Antonio Castagnedi" Amarone della Valpolicella DOCG (Tenuta Sant'Antonio)-Venetien-
auch dieser Wein ist zweifellos noch etwas zu jung: typische Aromatik nach getrockneten Kirschen und Pflaumen, Holz nicht unangenehm im Hintergrund, wirkt etwas eindimensional. Am Gaumen für einen Amarone wenig Restzucker, dagegen steht eine recht kräftige Säure, die noch mit dem kantigen Tannin, das leider auch etwas bitter rüberkommt, im Clinch liegt, die 15 Vol% sind daher gut kaschiert, aber hier fehlt die Harmonie gänzlich, ich hoffe, da wird noch etwas vernünftiges daraus. Momentan liegen lassen und auf bessere Zeiten hoffen.

2008er Barolo DOCG "Vigneto Canubbi" (Com. G. B. Burlotto, Verduno)-Piemont-
jetzt kam wieder ein "Gänsehautwein" vom Allerfeinsten, der sich schon in bestechender Form zeigte, auch wenn hier der Reifehöhepunkt wahrscheinlich noch nicht ganz erreicht war. In der Nase schon bestechende Klarheit,Eleganz und Finesse, die diesen Wein komplett durchzieht. Saftige Kirsche, deutlich Himbeere, etwas Leder, ganz dezenter Holzeinsatz, der die Komplexität und Dichte dieses Weines noch unterstreicht. Schon in der Nase eine Schönheit ohne jegliche Schminke. Auch am Gaumen komplett durchgegoren, fein ziselierte Säure, extrem feinkörniges, aber noch präsentes Tannin, das ordentlich Grip gibt, die 14,5 Vol% sind überhaupt nicht schmeckbar, großartige, aromatische Länge. Es gibt sicher noch kräftigere und extraktreichere Barolos, aber in puncto Stimmigkeit, selbstverständlicher Eleganz und Finesse ist dieser Barolo fast unerreicht. Für mich ein großer Barolo aus einem ausgezeichneten Jahr mit unverkennbarer und ganz eigener Stilistik. Leider sind die Weine dieses Weingutes immer schwerer erhältlich und auf dem Sekundärmarkt viel zu teuer. Aber mit dem 2013er Barolo "Monvigliero" und dessen 100-Punkte-Bewertung ist leider die Nachfrage extrem gestiegen...

2013er Brunello di Montalcino DOCG (Casanova di Neri, Montalcino)-Toskana-
Für die eine Hälfte der Teilnehmer war der Barolo der König der Probe, die andere Hälfte bevorzugte den Brunello, was durchaus auch begründet war: etwas kräftigere Farbe als der Barolo, tiefe Frucht und Würze, sehr gelungener Neuholzeinsatz, lupenreine Herzkirsche mit etwas Lakritze und einem Hauch altem Leder, sehr komplex, macht neugierig auf den ersten Schluck. auch hier makellose Balance aler Komponenten, absolut trocken, aber deutlich extraktsüss, auch etwas Unterholz, wieder diese elegante Kirschfrucht, nur unterstützender Holzeinsatz, sehr feinkörniges Tannin, trotz 14,5 Umdrehungen kein "Dickschiff", sondern ein feinsinniger, eleganter Brunello, der jetzt schon Spass macht, aber auch noch 5-10 Jahre weiterreifen kann, makellose Länge. Für mich ein sehr gelungener Brunello, der beide Welten, traditionell und modern, auf das Beste vereint. Der Jahrgang 2013 scheint im Brunello-Gebiet auch ein Jahrgang für Liebhaber eleganter Weine zu sein.

Das war unser vinologischer Ausflug in italienische Gefilde.

Am 30.11. wird dann im privaten Rahmen bei mir eine große Schaumwein-Blindverkostung stattfinden, bei der sich 10 Teilnehmer durch 17 Premium-Schaumweine verkosten werden. Schwerpunkt der Probe werden ausgewählte Winzer-Champagner mit möglichst langer Hefelagerung sein, die wir mit den Spitzen-Cuvees der "großen" Champagner-Häuser vergleichen. Damit das ganze nicht zu einseitig wird, sind auch noch Spitzen-Cavas, innovative deutsche Prickler und ein Franciacorta im Angebot. Alle Schäumer haben entweder keine oder nur eine geringe Dosage im Extra-Brut-Bereich. Zusammenfassung erfolgt dann im Dezember.

@ Erich: Beginn ist wieder 18h-- Umlage macht diesmal 95 EURO (möglichst in abgezählten Scheinen vor Ort bezahlen)-- die Verpflegung (Brot, Käse und Wurst) wird wie immer vom Hausherrn gesponsort ;)

LG
Bodo

Re: Italien-Weinprobe in Würzburg

BeitragVerfasst: Do 31. Okt 2019, 17:07
von EThC
weinaffe hat geschrieben:...eine große Schaumwein-Blindverkostung stattfinden...

Da freu' ich mich schon seit Wochen d'rauf! :D :D :D

Re: Italien-Weinprobe in Würzburg

BeitragVerfasst: Do 31. Okt 2019, 17:21
von olifant
... sehr gepflegtes Lineup ;)

Den 2011er Taurasi Riserva DOCG (Mastroberardino) jetzt schon zu öffnen ist perfekter Kindermord - dass es dennoch einigermaßen was zu schmecken gab liegt wohl auch am 11er Jahrgang, der m.E. italienweit besonders fruchtaromatisch ausgefallen ist. Unter 15 Jahren ist nach meiner Erfahrung bei diesem Taurasi (Aglianiko) das Potential nicht auszuschöpfen.

COS macht echt schöne Weine, aber wie du treffend bemerkst: "Einzig der Handelspreis mit gut 40 EURO bremst den Nachkaufreflex etwas aus."
Das gilt für mich nicht nur für die Oberklasse, sondern auch für den Mittelbau im Portofolio.
(Irgendwie haben das aber alle naturnah produzierenden Güter gemein :evil: )