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Schaumweinprobe in Würzburg

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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weinaffe

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Schaumweinprobe in Würzburg

BeitragSo 9. Dez 2018, 20:33

Hallo zusammen,

letzten Freitag gab es mal wieder einen Rundumschlag in Sachen Schaumwein. Schwerpunkt der Probe war natürlich der Champagner.

Folgende 14 Weine wurden verkostet:

2016er Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG Brut (Az. Agr. Andreola, Col S. Martino)
sehr gelungener Spumante-Prosecco aus dem Kerngebiet: dezentes Grüngelb, mittelfeine Perlage, animierender Kernobstduft, sehr sauber und klar, auf der Zunge sehr trocken (lt. Etikett keine Dosage), feine Apfelfrucht mit etwas Birne, Zitrus, knackig, leicht und trinkig. Nur 11,5 Vol%. So geht Prosecco...

2012er Silvaner Brut Nature Zero Dosage (Werther-Windisch, Mommenheim)
es ist leider wenig bekannt, dass sich Silvaner auch außerordentlich gut zur Versektung eignet. Hier dafür ein gutes Beispiel: leichter Goldtouch, in der Nase elegante Hefenoten (3-4 Jahre Hefelager), etwas reifer Apfel, deutlich mineralisch,betont herb, aber mit entsprechend Stoff (13 Vol%), Brioche, feine Perlage, sehr strukturiert und fest, trotzdem guter Trinkfluss, zartbitterer, hefig-fruchtiger Abgang. Vorbildliches Sortenbeispiel. Mit 14,50 EURO ab Weingut ein extrem guter Gegenwert.

2012er Erbacher Honigberg Riesling Extra Brut (Bardong, Geisenheim)
Norbert Bardong macht ausgezeichnete Sekte, obwohl er keine eigenen Rebflächen besitzt. Alles aus seinem Keller ist Brut oder Extra Brut und hat mind. 3 Jahre Hefelager hinter sich. So wie dieser vorbildliche Riesling: angedutetes Gelbgold, sehr feine Perlage, in der Nase sofort Riesling (Aprikose, Zitrus, ein Hauch angenehmer Petrol), aber auch hefige Noten, kein auf Frucht vinifizierter Riesling-Sekt, stoffig, aber mit der nötigen Eleganz und Frische, elegante Säure, angenehme Cremigkeit, sehr stimmig, der Grundwein benötigt hier auch keine Schminke. Ebenfalls ein veritables Schnäppchen, im Handel immer noch für ca. 14 EURO erhältlich.

2012er Cava Gran Reserva "Intens Rosat" Brut Nature (Recaredo, S. Sadurni d'Anoia)
Recaredo geht konsequent seinen eigenen, ausschließlich auf Top-Qualität ausgerichteten Weg im Cava-Bereich: Verwendung nur eigenen Traubengutes (50 ha),bei jedem Cava Minimum 2 1/2 Jahre Hefelager, meist deutlich mehr, alle Cavas sind ohne Dosage (Brut Nature),nach Demeter bio-dyn. zertifiziert, alles wird per Hand gerüttelt, jede Flasche wird von Hand "warm" degorgiert- hier wird also nichts dem Zufall überlassen und man arbeitet im besten Sinne des Wortes handwerklich: ungewöhnliche Cava aus auschließlich roten Trauben (71 % Monastrell, 23 % Pinot Noir, 6 % Garnacha), kräftiges Rosa, reife dunkle Früchte (Pflaume, etwas Himbeere), aber nur dezente Frucht, deutliche Brioche-Noten (49 Mon. Hefelager), dank niedriger Säure sehr balanciert und ausgewogen,langer Abgang. Sehr schöner Cava, der auch Leuten gefallen wird, die mit undosierten Schaumweinen sonst Probleme haben.

2009er Cava "Tres Lustros" Gran reserva Brut Nature (Gramona, S. Sadurni d'Anoia)
Die Schaumweine des sehr traditionell arbeitenden Cava-Hauses gehören stets zum Allerfeinsten aus dem Gebiet und haben zu Recht Kultstatus: ultrafeine Nase mit feinen Brioche- und dezenten (Neuholz-)Noten, sehr elegant und komplex, völlig ohne Dosage, aber sehr cremig und lang auf der Zunge, extrem feine Perlage dank 8 Jahre Hefelager, tolle Würze, ausgeglichen, lang. Ein toller Cava, der qualitativ mit einigen hochkäratigen Champagnern konkurrieren kann. Erinnert mich im Stil etwas an den Dom Perignon, auch wenn das natürlich ein bischen weit hergeholt ist, da unterschiedliche Rebsorten (hier 70% Xarel-lo u. 30 % Macabeo), unterschiedliches Klima, unterschiedlicher Boden und eine reifere, milder wirkende Säure. Für mich eine aber eine qualitativ auf Augenhöhe liegende Alternative zu hochpreisigen Prestige-Champagnern. Für Säureempfindliche ohnehin die bessere Wahl. Ca. 25 EURO im Handel.

2010 er Franciacorta DOCG "Berlucchi 61" Brut Nature (Guido Berlucchi, Corte Franca)
einer der Top-Weine des Pioniers dieser Spumante-Herkunft: reife Agrumenfrucht, kräftig, furztrocken mit saftiger Säure, feinhefig (5-6 Jahre Hefelager), sehr typisch, kräftig, feine Perlage, ähnelt deutlich einem guten Champagner.

2012 "Colas Robin" Pinot blanc Brut Nature (Piollot, Polisot)
eine kleine Rarität aus der "kleinen Champagne" (Cote des Bar): 100 % Weißburgunder, der auch offiziell zu den 7 zugelassenen Rebsorten der Champagne gehört, aber kaum noch angebaut wird. Schade eigentlich, wie dieser Wein beweist: sehr straight, knapp reifer Apfel, unheimlich frisch, speichelziehend, mutig trocken mit kräftiger, aber noch integrierter Säure, feine Perlage, deutlich mineralisch, nicht die ganz feine Klinge, aber jede Menge Charakter.

Brut Nature "Pur Meunier" (Christophe Mignon, Festigny)
eine Jahrgangscuvee aus 2013 und 2014 von einem absoluten Pinot-Meunier-Spezialisten: sehr frische Nase, sehr knackiger Gaumenauftritt, hier darf man nicht säureempfindlich sein, sehr typische Frucht (Hauch Kirsche und Brombeere), kompromisslos in jeder Beziehung, nichts für Finesse-Trinker, aber ein Champagne mit Charakter, in dem man sich etwas eintrinken muss.

Recolte Noire Zero Dosage (Dosnon, Avirey-Lingey)
Davy Dosnon ist einer der Shooting-Stars der "Kleinen Champagne": hier ein feiner Champagner aus 100 % Pinot Noir, keine Schönung und keine Filtration, 100% Malo, Ausbau der Grundweine im Holz: sehr gelungener Pinot-Schäumer, der mit Luft deutlich gewinnt, wird immer ausdrucksvoller, gelungene Kombination aus dezenten Holznoten, Cremigkeit und feiner Pinot-Frucht,fest und Stoffig, gute Länge. Ein klassischer Menue-Champagner zu sehr interessantem Preis (Handel ca. 30-35 EURO).

2008er "Terre de Vertus" 1er Cru BdB Non dose (Larmandier-Bernier, Vertus)
Pierre Larmandier ist einer, der in dieser kräftigeren Stilistik nahezu perfekte Champagner komponiert, die auch keinerlei Süssung mehr notwendig haben: bio-dynamisch im Weinberg arbeitend, Spontanvergärung des Grundweins im Holzfass mit teilweise Battonage,, Malo, keine Schönung oder Filtration: perfekte Harmonie schon in der Nase, ultimative Frische, gemischt mit Cremigkeit und Harmonie, sehr komplexe Nase, wirkt kräftig und stoffig bei nur 12,5 Vol%, ist füllig und elegant zugleich, ganz feine Perlage mit animierender Säure, tolle Länge. Ein Champagner mit Klasse, der zu Recht einer der Lieblinge der französischen Sommeliers ist.

"Les 7" Extra Brut Non dose (Laherte Freres, Chavot)
auch hier eine große Rarität: eine Art "gemischter" Satz, das Traubengut stammt aus der Einzellage "Les Clos", die tatsächlich mit allen 7 zugelassenen Rebsorten bepflanzt ist (Chardonnay-Pinot Noir-Pinot Meunier-Petit Meslier-Arbane-Pinot blanc-Fromenteau = Pinot gris). Die Reserveweine stammen aus einer Solera mit Weinen aus den Jahrgängen 2005-2012: helles Gelbgold, sehr feine Perlage, deutlich mineralische Nase (nasser Stein), knackige Säure, sehr eigener, aber hochklassiger Champagner. Auch hier überwiegt der Charakter die Finesse. Trinkt sich aber sehr gut. Diese Spezialität lässt man sich aber auch gut bezahlen: 55 EURO ab Weingut.

"Cuvee Louis" Extra Brut (Tarlant, Oeuilly)
Tarlant ist Spezialist für lange reifende Champagner, dieser stammt aus der sehr kalkhaltigen Einzellage "Les Crayons", durchschnittlich 60 Jahre alte Rebstöcke, Jahrgänge 1999,1998, 1997 und 1996. Satte gut 12 Jahre Hefelager, keine Malo, Ausbau der Grundweine in Holz. Hochkomplexe, reife, aber keineswegs alte Nase, reife Hefenoten, etwas Holz, ganz feine Perlage, tolle Würze, kräftig und komplex, aber immer noch extrem frisch und in keiner Weise anstrengend, sehr lang, großer Prestige-Champagner, der lange Zeit quasi verschenkt wurde (vor einigen Jahren noch 40 EURO ab Weingut, jetzt 71 EURO-- allerdings die selben Grundweine mit jetzt 15 Jahren Hefelager!!!). Trotz Preisanstieg ein Prestige-Champagner, der immer noch sein Geld wert ist und den man als Schampus-Liebhaber zumindest einmal probiert haben sollte.

2005er Blanc de Blancs Grand Cru Non dose (Pierre Moncuit, Mesnil-sur-Oger)
diesen großartigen BdB habe ich schon an anderer Stelle empfohlen: das ist ganz große Kunst: der Grundwein ist 18 Jahre alt, dazu reiner Chardonnay und völlig ohne Süsse.... und was für eine Harmonie, Finesse und Eleganz. Hier stimmt einfach alles, besser geht ein BdB ohne Dosage nicht, nur anders, kann qualitativ mit quasi jedem BdB-Spitzen-Champagner mithalten, aufgrund des für diese Qualität lächerlichen Preises fast alternativlos. Den könnte ich literweise "saufen", wenn ich den richtigen Sponsor gefunden habe. War auch in der Runde der absolute Liebling.

2002er "Celebris" Extra Brut (Gosset, Ay/Epernay)
seit 1994 im Besitz der Familie Cointreau, in den letzten Jahren qualitativ stark im Aufwind, diese Prestige-Cuvee besteht ungefähr hälftig aus Pinot Noir und Chardonnay und hat vor 1 oder 2 Jahren in einer Vinum-Champagner-Verkostung die alleinige Höchstnote (20 von 20 Punkten) erhalten: das kann ich bei diesem wunderbaren Schäumer nachvollziehen, schon in der Nase die ganz große Klasse, sehr tief, viel Finesse, perfekt ausgewogen, die 2 gr. Dosage benötigt diese Schönheit eigentlich nicht,tolle Säure, große Frische bei gleichzeitiger Tiefe und Finesse, die Quadratur des Kreises ist hier geglückt, und der Wein steht erst ganz am Anfang, wird in 5 oder 10 Jahren wahrscheinlich noch besser sein. Großartiger Stoff, der für einen Prestige-Champagner preislich nicht einmal so abgehoben ist. Habe leider kein Flasche mehr von diesem großartigen Champagner.

Perfekter Abschluss dieser schönen Schaumverkostung, mit netten und am Schluss auch sehr beschwingten Leuten :lol: Aber merke: Schampus macht nicht besoffen und keinen dicken Kopf, auch wenn es wieder einmal etwas mehr war ;)

Nach der Verkostung ist vor der Verkostung !!

LG
Bodo
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EThC

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Re: Schaumweinprobe in Würzburg

BeitragDi 11. Dez 2018, 09:36

Hallo Bodo,
ich hatte erst heute Zeit und Muße, mich Deinem Beitrag angemessen zu widmen. Es kommt leider wieder ein bißchen Neid meinerseits auf! :lol:
Scheint ein sehr schöner Querschnitt durch die Schaumwelt gewesen zu sein! Ich habe manchmal so den Eindruck, daß die Brausen von vielen nur in zwei Kategorien eingeteilt werden: Champagner und non-Champagner. Dabei stelle ich immer wieder fest, daß die Vielfalt hier auch nicht bedeutend geringer ist als in der sonstigen Weinwelt. Auch qualitativ müssen sich viele Schaumweine aus dem Rest der Welt nicht vor den Champagnern verstecken, vor denen der großen Häuser schon gar nicht...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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weinaffe

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Re: Schaumweinprobe in Würzburg

BeitragDi 11. Dez 2018, 18:13

EThC hat geschrieben:Hallo Bodo,
ich hatte erst heute Zeit und Muße, mich Deinem Beitrag angemessen zu widmen. Es kommt leider wieder ein bißchen Neid meinerseits auf! :lol:
Scheint ein sehr schöner Querschnitt durch die Schaumwelt gewesen zu sein! Ich habe manchmal so den Eindruck, daß die Brausen von vielen nur in zwei Kategorien eingeteilt werden: Champagner und non-Champagner. Dabei stelle ich immer wieder fest, daß die Vielfalt hier auch nicht bedeutend geringer ist als in der sonstigen Weinwelt. Auch qualitativ müssen sich viele Schaumweine aus dem Rest der Welt nicht vor den Champagnern verstecken, vor denen der großen Häuser schon gar nicht...


Hallo Erich,

das war in der Tat eine sehr schöne Schaumweinverkostung auf durchgehend hohem Niveau. Champagner ist bei den Schäumern sicher immer noch das Maß aller Dinge, aber es gibt außerhalb der Champagne auch verdammt gute Sachen. Wenn man vielleicht etwas säureempfindlich ist, wird man mit den Spitzen-Cavas von Recaredo und Gramona wahrscheinlich ohnehin glücklicher werden, natürlich auch wegen der viel verbraucherfreundlichen Preise. Auch in Deutschland tut sich einiges in Sachen Sekt, der VDP hat sich ja in letzter Zeit um dieses Weinsegment besonders bemüht. Apropos Champagner: ich kaufe mittlerweile fast ausschließlich Winzerchampagner (teilweise Eigenimport), weil ich da bei jeder Flasche die enormen Werbeausgaben der "großen" Häuser nicht mitbezahlen muss. Zumal die "kleinen" Kellereien auch meist viel charaktervolle und individuellere Cuvees produzieren. Mir gefällt z. B. der 2005er BdB von Pierre Moncuit deutlich besser als z.B. der Comte de Champagne von Taittinger, der ca. 3 x so teuer ist. Aber über Geschmack kann man ohnehin immer streiten...

Bis bald mal wieder
Bodo
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Jochen R.

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Re: Schaumweinprobe in Würzburg

BeitragDi 25. Dez 2018, 13:39

weinaffe hat geschrieben:...
2012er Erbacher Honigberg Riesling Extra Brut (Bardong, Geisenheim)
Norbert Bardong macht ausgezeichnete Sekte, obwohl er keine eigenen Rebflächen besitzt. Alles aus seinem Keller ist Brut oder Extra Brut und hat mind. 3 Jahre Hefelager hinter sich. So wie dieser vorbildliche Riesling: angedutetes Gelbgold, sehr feine Perlage, in der Nase sofort Riesling (Aprikose, Zitrus, ein Hauch angenehmer Petrol), aber auch hefige Noten, kein auf Frucht vinifizierter Riesling-Sekt, stoffig, aber mit der nötigen Eleganz und Frische, elegante Säure, angenehme Cremigkeit, sehr stimmig, der Grundwein benötigt hier auch keine Schminke. Ebenfalls ein veritables Schnäppchen, im Handel immer noch für ca. 14 EURO erhältlich.
...

War gestern Abend eigentlich nur zum anstoßen vorgesehen mit der
Befürchtung, dass dieser extra brut allen "zu trocken" ist.

Letztendlich begleitete dieser wunderbare Sekt zusammen mit einem
ebenfalls schönen Silvaner von Horst Sauer (Sehnsucht 2016) das Abendessen
(Lachs in verschiedenen Variationen und etwas Käse).
Der Notiz von Bodo ist wenig hinzuzufügen - kann mich nicht erinnern,
jemals so einen guten Riesling Schäumer getrunken zu haben.

Viele Grüße,
Jochen
Belgrave ist nichts für Unschuldige

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