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Kleine Wein-Weltreise

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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maha

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Kleine Wein-Weltreise

BeitragMo 12. Nov 2018, 15:14

Hallo zusammen,

am Wochenende hatte ich ein paar Arbeitskollegen bei mir zu Gast. Bis auf eine Ausnahme handelte es sich hier um mehr oder weniger Wein-Laien, die mit "höherwertigen" Weinen bisher wenig in Berührung gekommen waren.
Mein Plan war eine kleine vinophile Weltreise zu veranstalten um die verschiedenen Wein-Stile der Welt ein wenig gegeneinander zu stellen. Dennoch wollte ich Sie nicht zu sehr überrollen.
Auf dem Plan standen Weine aus DE, AUT, ITA, LIB, FRA, AUS, und ESP, 3x Weiss und 6x Rot

Im ersten Flight (der einzige Weisswein Flight) ging es aber gleich mal ordentlich auf die 12. Ich dachte ich konfrontiere meine Gäste gleich mal mit zwei (positiv) „bekloppten“ Weinen. Wenn schon denn schon 8-)

2015, M. Teschke, Grüner Sylvaner 19/29 (ehem. v.d. Dünnbach).
Leichte reduktive Noten, dahinter eine glockenklare Frucht (Birne, Apfel, Orange). Mundwässernde Säure, auch hier schöne Frucht gepaart mit feiner Mineralik. Recht feingliedrig und nicht ganz so abgespaced wie der 19/68. Trotzdem hat das mit der typischen Sylvaner-Charakteristik, wie sie z.B. oft in Franken vorzufinden ist, nicht viel zu tun. Ich mag das uns auch bei meinen Kollegen kam das gar nicht so schlecht an

2008, Werlitsch Ex Vero II
Dunklere Farbe als der Sylvaner, springt sofort in die Nase. Petrol, Birne, reduktiv, Feuerstein und etwas Stachelbeere. Im Mund knochentrocken und steinig. Auch hier Petrol. Durchaus ausgewogen und offen, nicht zu sehr ins orangige gehen, aber dennoch mit reifen Zitrusnoten. Man merkt aber dass dieser Wein speziell ausgebaut wurde.
Auch das wurde durchaus als trinkbar bezeichnet. Ich hatte hier, ehrlich gesagt, mit mehr Ablehnung gerechnet

Hier fanden fast alle den Sylvaner am besten, der Ex Vero sorgte aber auch für einige (positiv) erstaunte Gesichter.

Weiter ging es mit dem ersten von 3 Rotwein Flights: Deutschland vs. Italien
2011, Rings, Das Kreuz
Zunächst eher verhaltene Nase gegenüber dem Chianti. Dreht aber mit Luft ordentlich auf. In der Nase Cassis und dunkle Beeren, schöne Frucht und Frische. Die setzt sich im Mund fort. Sehr präsente Säure konterkariert die geniale Schwarzfruchtigkeit, dazu zart schmelzende Tannine und feine Würze. Ein Hammer Wein.
Ich liebe Rings und bin hier sehr parteiisch. Deshalb hielt ich mich mit Kommentaren zum Geschmack sehr zurück um nicht zu viel zu beeinflussen. Ich nehme es vorweg, der Wein wurde am Ende einstimmig zum WOTN gekürt und verweist alle anderen auf die Plätze. Zurecht!

2007, Frescobaldi, Chianti Rufina Montesodi Riserva DOCG
In der Nase eher Kirschfruchtig, am Gaumen sehr frisch und mit spitzer Säure. Trotzdem er eher auf der gefälligeren und zugänglicheren Seite ist, finden die Mittrinker den Rings besser. Der Chianti hat nicht ganz die Komplexität des Kreuzes. Was nicht heißt dass es ein schlechter Wein ist. Ganz im Gegenteil. Mit seiner frischen Säure harmoniert er sehr gut zu den etwas kräftigeren Ribs (mit Raucharoma). Im Mund setzt sich die etwas hellere Kirschfrucht fort. Sehr stimmig das alles, einfach schwer zu vergleichen mit seinem Flightpartner

Flight 2: Libanon vs. Frankreich
1999, Chateau Musar Red, Libanon
Deutlicher Kuhstall Stinker, Rote Früchte, Erdbeer und Johannisbeere. Komplexe Nase, Mir gefällt die Syrah und Carignan Beimischung in der Cuvee besonders gut (dazu Cab. Sauv. und Cinsaut). Das verleiht dem Wein eine schöne Frische. Im Mund ebenfalls noch recht jugendlich, wenig Sekundäraromen. Enormer Trinkfluss, macht großen Spass

2003, Chateau Duhart Milon, Pauillac (selbstverständlich durfte kein Bordeaux fehlen!)
Einer meiner Jahrgangslieblinge. Man merkt den 03er Extrakt, trotzdem die (dunkle) Frucht nicht so breit ist wie bei anderen 03ern. Schön gezeichnet mit leider etwas zu wenig Säure dahinter. Das hat etwas mehr Wumms als der Libanese und geht mehr nach vorne.
Der Flight verhält sich ähnlich wie der vorherige. Ein Wein eher dunkler und fülliger, der andere etwas heller und feingliedriger.
Hier hat aber keiner der beiden die Nase vorne. Das Bild ist sehr homogen und je nach persönlicher Vorliebe fallen die Vorzüge hier 50:50 aus. Beides dennoch spitzen Weine, im perfekten Trinkfenster!

Flight 3: Die Wuchtbrummen zum Schluss: Australien vs. Spanien
2005, Dead Arm Shiraz, Mc Laren Vale, AUS
Typisch Großkampfshiraz. Beerige Nase, viel viel Extrakt und wuchtig. Marmeladiger Gaumen, auch hier mit ordentlich Bumms. Dennoch genug Säure um dagegen anzustinken. Der Wein kommt nur mit etwa 15 Grad ins Glas, so dass man den Alkohol erst mit zunehmender Wärme deutlicher spürt. Hier fehlt mit etwas die Balance, aber der Versuch den australischen McLaren Vale Charakter heraus zu stellen ist durchaus gelungen.
Das beeindruckt die Mittrinker durchaus, gefällt aber nicht jedem (too much)

2008, Roquers de Porrera, Celler de l´Encastell, Priorat (natürlich :-))
Wilde dunkle Nase, sehr aristrokatisch. Kommt mit Luft und Wärme langsam aber heftig nach vorne. Grafit und Cassis, nobel und dennoch ungestüm. Am Gaumen wunderschön. Die ungestüme Nase ist im Mund etwas ruhiger. Auch hier sehr noble Frucht, feiner Würze, dunkler Espresso. Volles Mundgefühl mit griffigen Tanninen. Das braucht zum Glück nicht so lange bis das sehr schön mit der perfekten Säure harmoniert. Der Wein ist jetzt schön offen und trinkt sich hervorragend. 2008 braucht sich hier keinesfalls vor dem genialen 09er zu verstecken. Das macht großen Spaß.
Hier gefällt die bessere Balance gegenüber dem Aussie deutlich besser. Die Kondition lässt aber bei allen etwas nach und so kann der Flight nicht mehr ganz objektiv bewertet werden.
Dennoch, obwohl der Shiraz alles versucht platt zu machen, braucht sich das Priorat hier keineswegs zu verstecken. Für mich klarer Punktsieger der Roquers

Zum Dessert (Tiramisu) gab es dann noch:
1998, Ürziger Würzgarten Riesling Auslese, Dr. Loosen
Mein WOTN 8-)
Wunderbar gereifte Loosen Auslese. Reifer Pfirsich und Litschi in der Nase, Unglaubliche Finesse im Mund, perfektes Süss-Säure-Spiel, ganz leicht und filigran und dennoch ein breiter Mantel an perfekt gereiften Riesling Aromen. Da stimmt für mich alles und ich weiß wieder was ich an den gereiften Möselchen so mag. Verspielt und tänzerisch auf der Zunge. Bildet fast eine Harmonie mit dem Tiramisu (was ich nicht für so gut gehalten hätte). Excuse my French: Geil!

Ein sehr spannender Abend. Meine Gäste waren sehr zufrieden (und ich somit auch). Ich denke ich konnte einige Unterschiede in der großen weiten Weinwelt ganz gut herausarbeiten. Die Gäste waren von der Vielfalt fasziniert und vielleicht konnte ich den einen oder anderen sogar ermutigen sich etwas näher mit der Materie zu befassen.

Grüsse
Marko
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Sigbert

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Re: Kleine Wein-Weltreise

BeitragMo 12. Nov 2018, 20:07

Donnerwetter, Marko, ich habe gestaunt. Das sind überwiegend keine Easy-Drinking-Weine, sondern Trouvaillen, die auch für erfahrene Genießer durchaus sehr genussvoll-fordernd und sein können. Dass Du diese relativ unerfahrenen Gästen geöffnet hast, finde ich großartig. Ich bin sicher, für einige von Ihnen wird dieser Abend eine Zäsur sein. Und sie werden künftig nur noch solche Weine trinken wollen.
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maha

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Re: Kleine Wein-Weltreise

BeitragMo 12. Nov 2018, 20:15

Sigbert hat geschrieben:... Und sie werden künftig nur noch solche Weine trinken wollen.

Wenn ich dieses Ziel erreicht haben sollte, dann war das eine gute Investition :-)
Ich muss aber auch gestehen dass es ein wenig Eigennutz war. Ich wollte bei einigen Weinen selbst wissen wie sie sich aktuell präsentieren.
Mal ehrlich, gibt es was schöneres als guten Wein mit lieben Menschen zu teilen? Ich muss dazu sagen dass meine Arbeitskollegen spezielle Menschen sind, mit denen ich auch gerne meine Freizeit verbringe. Das ist aber eine andere Geschichte ;)

Und ja, eine der wichtigen Botschaften, die ich versucht habe zu transportieren, ist dass sich deutscher Wein international nicht verstecken muss. Egal, ob Rot oder Weiss. Dafür mussten dann aber auch Spitzenweine her ;)

Wenn ich damit erreicht habe dass meine Kollegen zukünftig im LEH nicht mehr zum 2,39 Rioja greifen, sondern ab und zu auch mal einen Wein-Fachhandel oder gar einen Winzer aufsuchen, dann bin ich mehr als zufrieden.

Gruss
Marko
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EThC

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Re: Kleine Wein-Weltreise

BeitragMo 12. Nov 2018, 21:53

Teschke und Werlitsch sowie andere eher freakige Sachen kommen auch bei meinen Leuten meist gar nicht so schlecht an. Allerdings habe ich selbst noch niemanden der weniger weinaffinen Leute in meiner Umgebung dann tatsächlich zum Nerd geswitched. Ich weiß nicht, was da noch zusätzlich da sein muß, daß das dann auch wirklich klappt...
Viele Grüße
Erich

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austria_traveller

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Re: Kleine Wein-Weltreise

BeitragDi 13. Nov 2018, 09:02

EThC hat geschrieben: Ich weiß nicht, was da noch zusätzlich da sein muß, daß das dann auch wirklich klappt...

Dranbleiben !
Bezahlbaren, süffigen Wein, in ihrer Preisklasse anbieten und dann immer leicht steigern. Dann klappt das schon !
Irgendwann wird es zum Selbstläufer.
Ich hab so 5 meiner Freunde "rumgekriegt" ;)
Danke für die VKNs
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
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Jochen R.

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Re: Kleine Wein-Weltreise

BeitragDi 13. Nov 2018, 09:40

Schöne Probe, Marko!

Ich war Freitag/Samstag mit zwei Bier-affinen Freunden in Würzburg. Konnte
sie dann zum Juliusspital locken.
Paar einfache Sachen probiert, konnte keinen so richtig vom Hocker hauen.
Habe mir dann die GGs einschenken lassen, was zunächst für Erheiterung
sorgte. Bis einer seine Nase in mein Glas hielt: "Was ist denn das? Riecht ja
abgefahren." Wollten dann beide auch probieren. Und jeder hat eine Flasche
für Weihnachten gekauft :mrgreen:

Irgendwann checkt es jeder, dass Wein nicht gleich Wein ist. Wer sich darauf
nicht einlassen will, halt nie.

Viele Grüße,
Jochen

PS: Die beiden Silvaner GGs aus´16 und auch der Weisburgunder sind übrigens
hervorragend. Die Rieslinge (´16 und ´15) waren nicht so mein Ding.
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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EThC

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Re: Kleine Wein-Weltreise

BeitragDi 13. Nov 2018, 13:35

Jochen R. hat geschrieben:PS: Die beiden Silvaner GGs aus´16 und auch der Weisburgunder sind übrigens
hervorragend. Die Rieslinge (´16 und ´15) waren nicht so mein Ding.


Die Muschelkalk-Rieslinge brauchen nach meiner persönlichen Erfahrung häufig ziemlich lang, bis aus denen was wird, auch bei den Ersten Lagen schon. Die Silvaner und WB's sind da in der Regel deutlich schneller trinkreif.
Viele Grüße
Erich

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Jürgen

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Re: Kleine Wein-Weltreise

BeitragDi 13. Nov 2018, 19:25

Schöne Probe - einige Weine kenne ich :D
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