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BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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Jochen R.

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragSo 8. Jul 2018, 07:57

Das Beispiel mit Pontet-Canet greife ich mal auf. Jahrzehnte lang
passte der Inhalt qualitativ zu dem was auf dem Etikett steht.
Ich zitiere R. Gabriel
"... Der Wein war oft sehr hart und so "sacktrocken", dass ich einmal böswillig die Verkaufsempfehlung herausgab, man solle zu jeder Kiste Pontet-Canet gleich noch gratis eine Kiste Mineralwasser dazu abliefern ..."

Mittlerweile qualitativ und preislich eine ganz andere Liga und
sehr gesucht mit riesen Fanclub. Schmeckt halt m. M. seit ein paar
Jahrgängen nicht mehr nach BDX, geschweige denn Pauillac :mrgreen:
Aber das ist ja ein ganz anderes Thema.

Viele Grüße,
Jochen
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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Ollie

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragSo 8. Jul 2018, 11:35

Aaah, die Logikgeister, die man ruft, wird man dann halt nicht mehr so schnell los, hm?

Ich finde es erstaunlich, dass niemand das Argument herumdreht und fragt: Wann waere mir ein guter Kabinett, der ja auch immer ein guter Wein ist, 30 Euro wert? Einfache Antwort: Wann immer ich bereit bin, fuer einen guten Wein 30 Euro zu zahlen. Warum sind Kabinette mir bisher keine 30 Euro wert? Weil bisher fast alle real existierende Kabinette in zwei fuer die Weinqualitaet eminent wichtigen Dimensionen defizitaer sind: Komplexitaet und Laenge. Beides kann kein Wein der Welt genug haben. Und auch beim Kabinett sind diese beiden Eigenschaften voellig unabhaengig von denjenigen, die die "Kabinettigkeit" ausmachen! Ein Kabinett ist also nicht per definitionem ein in diesen beiden Dimensionen begrenzter Wein, er ist es aus Erfahrung: Reifere Trauben machen nunmal besseren Wein, aber irgendwann einmal geht den Weinen die definierende Leichtigkeit und Zartheit verloren.

Es mag extrem unwahrscheinlich sein, schlimmer noch: ich kann mir nicht vorstellen koennen, dass der Haartsche Kabinett die den Richter-Kabinetten fehlende Laenge und Komplexitaet ins Glas bringt, ohne dabei seine Kabinettigkeit zu verlieren. Aber unmoeglich ist es nicht, und begrenzte Vorstellungskraft ist noch nie ein guter Masstab gewesen, um die Welt zu vermessen.

Zumal man nicht von Momentaufnahmen ausgehen sollte; wenn in 15 Jahren der Haartsche Kabinett ein in einer Kabinettigkeit perfekter Wein ist, der darueberhinaus eine hochkomplexen Abgang von einer Minute Laenge hat, was wuerden wir uns in den Hintern beissen, nicht 30 Flaschen davon gekauft zu haben.

Cheers,
Ollie
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Bernd Schulz

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragSo 8. Jul 2018, 21:51

Ollie hat geschrieben:.....Weil bisher fast alle real existierende Kabinette in zwei fuer die Weinqualitaet eminent wichtigen Dimensionen defizitaer sind: Komplexitaet und Laenge. Beides kann kein Wein der Welt genug haben. Und auch beim Kabinett sind diese beiden Eigenschaften voellig unabhaengig von denjenigen, die die "Kabinettigkeit" ausmachen!....

Genau in diesem Punkt denke/empfinde ich anders: Die "Kabinettigkeit" = Leichtgewichtigkeit bedingt nun mal gewisse "Defizite" im Hinblick auf Komplexität und Länge. Du sagst es ja quasi im nächsten Atemzug selber:
Ollie hat geschrieben:....aber irgendwann einmal geht den Weinen die definierende Leichtigkeit und Zartheit verloren.

Die eierlegende Wollmilchsau (enorme Komplexität und Länge bei gleichzeitig extremer Zartheit und Finesse) tritt, so sie denn überhaupt vorkommt, nur äußerst selten in Erscheinung. Und wenn sie denn einmal vorkommt, heißt sie bei den Maßstäbe setzenden Betrieben wie J.J. Prüm oder KaJo Christoffel in nahezu allen Fällen nicht Kabinett, sondern Auslese.

Insofern wäre es vielleicht (im rein spekulativen Sinn, denn ich kenne den in Frage stehenden Wein ja nicht) doch sinnvoller gewesen, "Auslese" statt "Kabinett" auf den 2017er Schubertslay von Julian Haart zu schreiben.... ;)

Herzliche Grüße

Bernd
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niers_runner

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragMo 9. Jul 2018, 18:31

Bernd Schulz hat geschrieben:... die eierlegende Wollmilchsau (enorme Komplexität und Länge bei gleichzeitig extremer Zartheit und Finesse) tritt, so sie denn überhaupt vorkommt, nur äußerst selten in Erscheinung. Und wenn sie denn einmal vorkommt, heißt sie bei den Maßstäbe setzenden Betrieben wie J.J. Prüm oder KaJo Christoffel in nahezu allen Fällen nicht Kabinett, sondern Auslese.

Insofern wäre es vielleicht (im rein spekulativen Sinn, denn ich kenne den in Frage stehenden Wein ja nicht) doch sinnvoller gewesen, "Auslese" statt "Kabinett" auf den 2017er Schubertslay von Julian Haart zu schreiben.... ;)

Und für die eierlegende Wollmilchsau bin ich dann, jedenfalls sporadisch bereit, 30 oder mehr Euro zu bezahlen.

Grüße

Peter
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amateur des vins

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragMo 9. Jul 2018, 19:28

niers_runner hat geschrieben:Und für die eierlegende Wollmilchsau bin ich dann, jedenfalls sporadisch bereit, 30 oder mehr Euro zu bezahlen.
Hmmm...

Also in dem Fall würde ich gerne verstehen, woher Du die Überzeugung nimmst, daß der Haart "Schubertslay" nicht diese eierlegende Wollmilchsau ist.
Besten Gruß, Karsten
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niers_runner

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragDi 10. Jul 2018, 07:01

amateur des vins hat geschrieben:
niers_runner hat geschrieben:Und für die eierlegende Wollmilchsau bin ich dann, jedenfalls sporadisch bereit, 30 oder mehr Euro zu bezahlen.
Hmmm...

Also in dem Fall würde ich gerne verstehen, woher Du die Überzeugung nimmst, daß der Haart "Schubertslay" nicht diese eierlegende Wollmilchsau ist.

Das haben Olli und Bernd oben beschrieben, ein Kabinett, kann per Definition, einfach keine eierlegende Wollmilchsau sein. Und, steht ebenfalls oben, hätte Julian Haart auf seinen Wein Auslese geschrieben, wäre alles in Ordnung gewesen.

Beste Grüße

Peter
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Ollie

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragDi 10. Jul 2018, 07:49

niers_runner hat geschrieben:Das haben Olli und Bernd oben beschrieben, ein Kabinett, kann per Definition, einfach keine eierlegende Wollmilchsau sein.


Äh nein, ich hatte genau das Gegenteil geschrieben. (Mosel Fine Wines finden das Ding uebrigens kabinettig, aber die haben ja keinen Schimmer. 95 Punkte fuern Kabi? Pah!)

Cheers,
Ollie
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Charlie

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragDi 10. Jul 2018, 14:32

wenn in 15 Jahren der Haartsche Kabinett ein in einer Kabinettigkeit perfekter Wein ist, der darueberhinaus eine hochkomplexen Abgang von einer Minute Laenge hat, was wuerden wir uns in den Hintern beissen, nicht 30 Flaschen davon gekauft zu haben.


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Charlie

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragDi 10. Jul 2018, 14:54

Ich habe nur den Kabinett Goldtröpfchen 2017 von Julian Haart probiert. Hat mir gut gefallen, fand ihn aber nicht "kabinettig".
Kostet übrigens nur 17 €. Wieso ist der Schubertslay so viel teuerer?

Ich habe das Gefühl, wir haben es durch lautes Meckern und Schimpfen geschaftt, dieser unsägliche Abstufung, also das Etikettiren von Auslesen als Kabinett, das zu sehr süßen Kabinetten geführt hatte, ein Ende zu bereiten. Dafür macht mir aktuell ein anderer Trend Sorgen: durch den kleinen Kabinett-Hype machen viele Winzer nun zwar weniger süße, dafür aber kräftigere Kabinette. Julian Haart ist ein gutes Beispiel. Ein noch besseres sind Egon Müllers Kabinette Alte Reben (also die Versteigerungskabinette). Ich bin fest überzeugt, dass er damit einen Naturwein auf den Markt bringen wollte, von dem er dann in Trier ein Fuder für 150000 € versteigert hat. Schöner kann man an die guten alten Zeiten nicht anknüpfen! Das sind aber Zeiten, die noch älter sind als die, die wir Kabinettliebhaber meinen. Mir gefallen diese Weine sehr gut. Aber sie sind nicht so, wie diejenigen zarten Kabinettchen, von deren Existenz ich durch Ollies Einflüsterungen nicht mal mehr ganz so sicher bin.
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Ollie

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Re: BerlinKabinettCup - Kabinett 2017

BeitragDi 10. Jul 2018, 21:06

Nicht nur wenn, sondern auch falls! 8-)

Also, ich bin jetzt kein intimer Kenner der Julianhaartschen Weine, aber das, was ich bislang davon im Glas hatte, wuerde ich auch eher auf der konzentrierteren Seite des Spektrums verorten, und bestimmt sind seine Weine keine Kinder von Traurigkeit, sondern eher die Aromabomben (seine Lagen geben's ja auch her). Sollte ihm jetzt doch ein kabinettiger Wein gelungen sein, waere das freilich schon interessant...

Charlie hat geschrieben:Ich habe das Gefühl, wir haben es durch lautes Meckern und Schimpfen geschaftt, dieser unsägliche Abstufung, also das Etikettiren von Auslesen als Kabinett, das zu sehr süßen Kabinetten geführt hatte, ein Ende zu bereiten. Dafür macht mir aktuell ein anderer Trend Sorgen: durch den kleinen Kabinett-Hype machen viele Winzer nun zwar weniger süße, dafür aber kräftigere Kabinette.


Meinst du 9.5%-plus-Kabinette mit 35-50 g/l RZ? Hatte ich zwar auch registriert, das aber in keinen speziellen Zusammenhang gebracht. Ist das einer Trockenwelle geschuldet, die sich langsam an der hohen Saeure bricht, nach dem Motto "feinherb ist das neue Trocken"?

Cheers,
Ollie
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