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Jahrhundertweinprobe in Würzburg

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weinaffe

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Jahrhundertweinprobe in Würzburg

BeitragMo 18. Dez 2017, 18:53

Hallo zusammen,

vor gut 1 Woche trafen sich wieder einige Weingenießer zur inzwischen "kultigen" Jahrhundert-Weinprobe im Würzburger "Tiepolo", die wie immer souverän und mit viel Herzblut von Christian zusammengestellt und präsentiert wurde. Der Name "Jahrhundert-Weinprobe rührt daher, dass immer Weine eines Jahrhunderts, in diesem Falle Weine von 2017 bis zurück zum Jahrgang 1917, zu verkosten sind.
Aufgrund der vielen "Stammgäste" ist diese Probe mit 3 gängigem Menue (diesmal Tapasvariationen -- Fränkisch Stew - Pulled Lamm mit kubanischer Sauce) immer mehr zu einer geschlossenen Veranstaltung geworden, was einiges über die Qualität der Probe und das faire Preis-/Leistungsverhältnis aussagt.

Altweinproben bergen immer ein gewisses Risiko; diesmal war uns das Flaschenglück absolut hold und wir konnten die Weine durchweg in phantastischer Verfassung probieren.

Hier kurz die verkosteten Weine:

1973er Champagne Canard-Duchene "Imperial Star" Brut
noch voller Leben, mit sanfter, aber merklicher Perlage, feine Briochenoten, überraschend frisch und lebendig, langer feinhefiger Nachhall. nicht nur für Altweintrinker ein Genuss.

2017er De Morgenzon Garden Vineyards Rose
angenehme, frische Cassis-Nase, dezent Himbeere, ein durchaus stoffiger Rose im Provence-Stil, der gut zu den Tapas passte.

2008er Westhofener Aulerde Riesling GG (Wittmann)
dezent floral, reife Ananas, Pfirsich, ein Hauch Petrol und Karamell, angenehm gereift und auf dem Punkt, für ein GG nach 9 Jahren vielleicht schon etwas zu gereift.

1949er Auslese "Bestes Fass" Freiherr von Fahnenberg
stammt aus einem heute nicht mehr existenten Weingut (Heinrich Nepomuk Steiert, Oberrotweil) , das Mitglied des Verbandes Deutscher Naturwein-Versteigerer ("Vorläufer" des VDP) war, Interessanterweise ein Verschnitt aus Riesling und Grauburgunder: Karamell, Trockenfrüchte, nussig, sehr stabile Säure, ein noch sehr rüstiger Oldtimer.

1983er Madeira Verdelho (Manuel Eugenio Fernandes, Seixal)
ein großartiger, extrem konzentrierter Madeira in noch jugendlicher Verfassung: zuerst dezent medizinal in der Nase, reife Walnuss, knackige Säure, die Frucht in diesen Wein zaubert, minutenlanger Abgang. Ganz großes Kino !

2011er Escherndorfer Lump Silvaner Spätlese trocken (Horst Sauer)
den "Lump" gabs zum Fränkisch Stew: moderner fränkischer Silvaner, etwas Banane, reife Melone, feine Säure, gute Länge. Passte ebenfalls gut zum Essen.

1964er Chateauneuf -du-Pape (Chapoutier)
zuerst dezent malzig in der Nase, wurde aber dann klarer, deutliche "Grenache-Kirsche", stoffig elegant, noch in Top-Verfassung, deutlich eleganter als die "neumodischen" Wuchtbrummen aus dieser Ecke. Klasse Wein.

1938er Rioja Reserva (Marques de Riscal)
auch dieser Wein noch in großartiger Verfassung: angenehm gereift, Hauch Liebstöckel, intakte Dunkelfrucht, filigrane Säure, gute Länge, macht sehr viel Spaß.

1952er Clos L'Eglise Pomerol a.c. Hanappier-Abfüllung
sicherlich einer der Höhepunkte: ein Pomerol in Höchstform, Kirsche, dunkle Schokolade, etwas kräutrig, sehr eleganter, nur mittelgewichtiger Wein, absoluter Klassiker.

Zum Lamm gab es einen gewollt kräftigen Wein, der es gut mit dem würzig-scharfen Lamm aufnehmen konnte:
2006er L'Alba Cotes du Roussillon a.c. (Jean-Louis Tribouley)
Carignan-dominierte Cuvee, rustikal, wilde Aromatik, leicht medizinal, Macchia, angenehm gereift, kraftvoller Wein, der dennoch guten Trinkfluss besitzt.

Ein weiterer Höhepunkt:
2001er Cuvee Vieilles Vignes Cornas a.c. (Alain Voge)
ein ganz großer, immer noch jugendlicher Cornas: perfekte Ausgewogenheit in Nase und am Gaumen, elegant, leicht pfeffrig, deutlich Veilchen, soll stelle ich mir einen gereiften Top-Class-Syrah von der nördlichen Rhone vor. Unwahrscheinliche aromatische Länge. Das Gegenteil eines "Blockbuster-Weins".

2013er Barolo "Monvigliero" (Comm. G. B. Burlotto)
den "Hype" um diesen 100 Punkte-Galloni-Wein kann man zwar nicht nachvollziehen, aber ansatzweise verstehen:
das ist Burgund, made in Barolo. Punkt. Nebbiolo-Eleganz auf die Spitze getrieben für die einen, die anderen finden ihn vielleicht Barolo-untypisch. Auf jeden Fall ein extrem feiner Wein, der schon jetzt überraschend gut mundet.

1992er Cabernet Sauvignon (Chateau Montelena)
vielleicht sogar der Rotwein des Abends: ein ganz großer, noch wirklich jugendlicher Cabernet, der noch einige Jahrzehnte überdauern könnte, mein erster Gedanke in einer Blindprobe wäre: das muss ein ganz großer 82er Bordeaux sein, glasklare, elegante und tiefe Frucht, ein Bombenextrakt, ohne auch nur einen Hauch an Eleganz zu verlieren, feine Minzenote, in sich ruhend, große Länge. Absolut ebenmäßig. Durchaus vergleichbar mit einem 1er Cru aus Bordeaux aus großem Jahr. Ein echtes Erlebnis..

und nun zum ältesten Wein des Abends:
1917er Chateau Climens (Barsac)
fast rotweinähnliche, sehr authentische Farbe,Trockenfrüchte, dezent malzig, angenehme, reife Süsse, angenehme, tragende Säure, Hauch Tannin, noch durchaus lebendig, nicht nur für Altweintrinker ein Genuss. Bei solch gereiften Oldies wird man schon etwas demütig....

Zum Abschluss noch ein echtes Konzentrat:

1971er Rauenthaler Baiken Riesling Trockenbeerenauslese "Versteigerungswein" (Staatsweingüter)
eine monumentale TBA, die wahrscheinlich unzerstörbar sein wird: deutliche Rotweinfarbe, viel Bortrytis, Rosinen, Trockenfrüchte, kräftige Säure, die die Süsse perfekt abfedert, sehr lang. Viel konzentrierter geht nicht.

Ein toller Abend mit Super-Weinen, angenehmen Essen und ebensolchen Mittrinkern.
Vielen Dank noch einmal an Christian..... nächstes Jahr bin ich sicherlich wieder mit dabei !!!

Grüße
Bodo
Zuletzt geändert von weinaffe am Di 19. Dez 2017, 17:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Jahrhundertweinprobe in Würzburg

BeitragMo 18. Dez 2017, 22:12

Ist ja schon ein starkes Line-up, was ihr da hattet! Neid!
Wirkt auf den ersten Blick etwas arg zusammenhanglos zusammengewürfelt (was jetzt nicht als Kritik gemeint ist), aber vielleicht liegt genau darin die Spannung des Abends? Gehen da die jüngeren Sachen nicht gnadenlos unter? Oder wie hast du das erlebt?
Viele Grüße
Erich

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weinaffe

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Re: Jahrhundertweinprobe in Würzburg

BeitragDi 19. Dez 2017, 17:44

EThC hat geschrieben:Ist ja schon ein starkes Line-up, was ihr da hattet! Neid!
Wirkt auf den ersten Blick etwas arg zusammenhanglos zusammengewürfelt (was jetzt nicht als Kritik gemeint ist), aber vielleicht liegt genau darin die Spannung des Abends? Gehen da die jüngeren Sachen nicht gnadenlos unter? Oder wie hast du das erlebt?


Hallo Erich,

die jüngeren Weine, wenn man mal Wittmann und Burlotto ausnimmt, waren ja auch in erster Linie die Essensbegleiter. Insofern entstand da gar kein Widerstreit zwischen jung und gereift. Die gereiften "Perlen" haben wir natürlich in aller Andacht solo getrunken. Das war wirklich eine tolle Veranstaltung zu einem bezahlbaren Preis (139 EURO alles inbegriffen) und daher werden vermutlich auch wieder alle im nächsten Jahr mitmachen.

Grüße
Bodo
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Re: Jahrhundertweinprobe in Würzburg

BeitragDi 19. Dez 2017, 18:55

weinaffe hat geschrieben:139 EURO alles inbegriffen


Puuh, das ist ja nix in Relation zum Angebot! Noch mehr Neid!
Viele Grüße
Erich

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