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Kleines Blind Tasting in der Winebank FFM

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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maha

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Kleines Blind Tasting in der Winebank FFM

BeitragDo 20. Jul 2017, 13:40

Gestern haben wir in kleiner geselliger Runde blind ein paar Weine aufgezogen. In der Winebank Frankfurt ließ es sich bei den Außen-Temperaturen gestern auch prima bei 13 Grad Innenraum-Temp. aushalten 8-) .

Berichte zu den einzelnen Weinen auch im jeweiligen Jahrgangs- bzw. Regionen Thread:

Den Anfang machte ein Weisswein aus meinem Keller:
Chardonnay Bienenberg GG 2014 von Huber

Um es vorweg zu nehmen, das war alles andere als Enttäuschend. Was für ein Wahnsinns-Stoff!
Zunächst noch zu kalt und zu wenig Luft verströmt er aber gleich einen atemberaubenden Duft. Reduktive Noten, etwas Hefe, sogar leicht ins „orangige“ gehend. Erinnerte mich etwas an die Nase vom St. Nikolaus Riesling GG von PJK, 2014. Später mit mehr Luft und etwas Wärme schöne weiße Frucht, bisschen Ananas, etwas Rauch und ganz leicht Vanille. Wandelt sich ständig. Gegen Ende der Flasche habe ich hier allerdings auch etwas limoandenartiges (Sprite, oder besser 7up), was nicht ganz so schön ist.

Am Gaumen wahnsinnig straff, sehr präzise und äußerst vielschichtig. Die Säure ist vibrierend und sehr prägnant aber ich finde schon relativ gut integriert. Ist halt noch jung und etwas ungestüm der Bursche. Etwas grünen Apfel finde ich auch, Mandarine und Grapefruit. Sehr gekonnter, aber spürbarer Holzeinsatz und bei der ganzen leichtfüßigkeit eine durchaus voluminöse Textur. Das Ganze ist jetzt schon sehr in sich stimmig und lässt dennoch auf eine weitere große Entwicklung hoffen.
Der Abgang ist laaaang, ich meine mich jetzt noch sehr intensiv daran zu erinnern. Das bleibt einem einfach im Gedächtnis.

Blind war das schon sehr schwer zu erraten, Ich kannte den Wein ja auch noch nicht, aber ich wäre nicht auf Chardonnay gekommen. Wobei ich dazu sagen muss dass sich meine Erfahrungen bei dieser Rebsorte auch stark in Grenzen halten. Die restliche Runde tat sich auch schwer, zumal diese Stilistik auch für einen Chardonnay recht ungewöhnlich scheint (mir zumindest).

@Karsten, Deine Eindrücke aus dem April kann ich somit nicht ganz bestätigen (ich denke meine Mittrinker auch nicht). Grüne Noten habe ich, wenn überhaupt, nur ganz dezent wahrgenommen. Die Säure war schon sehr präsent, da gebe ich Dir recht. Aber sie sorgte auch für Frische, und ich empfand Sie weniger als störend denn als trinkanimierend. Aromatische Dünne, oder gar ein Loch in der Mitte konnten wir alle gar nicht feststellen.
In Erinnerung geblieben ist mir deutlich dieses reduktive, Orange-Weinige, die unglaubliche Komplexität gepaart mit feiner Finesse.

Ich werde versuchen an einige Flaschen 15er zu kommen und die beiden verbleibenden 14er dennoch erst mal im Keller ganz nach hinten legen. Ich denke (und hoffe) da kommt in einigen Jahren noch einiges mehr.

Nach dem Huber kam dieser Tropfen an die Reihe:

Pessac-Léognan, Malartic-Lagravière 1998 (Danke an Jan-Henning)

Die Nase sofort präsent und blind auch von allen sofort ins Bordelais verortet. Dunkle Beeren, Schwarzbrot und schwarze Kirsche, etwas Vanille. Am Gaumen konnte er den Eindruck zunächst nicht ganz bestätigen. Wirkte zunächst etwas dünn und diffus, mit einer für mich sehr störenden Bitternote hinten raus. Die fanden nicht alle so schlimm. Die Säure sehr dominierend und die Gerbstoffe noch deutlich vorhanden, dabei eher störend als unterstützend.
Das besserte sich aber im Laufe der Zeit. Die Nase blieb so schön und im Mund fügte sich das alles mit etwas Luft besser ineinander. Zum Schluss ein schöner Bordeaux den ich zuerst ans rechte Ufer verortete. Eher auf der filigraneren und leichteren Seite, ein recht typischer Pessac, der jetzt sein optimales Trinkfenster erreicht haben dürfte.

An 3. Stelle folgte dieser schöne Wein:

Ribera del Duero, Val Sotillo Gran Reserva 1999 (Danke an Reinhard)

Blind ware sich hier wieder alle unsicher. Eine Bordeaux Cuvee? Cabernet? Oder doch Tempranillo? Ich war zugegebebenermaßen weit weg von Tempranillo, eher bei Sangiovese und bei einem Supertuscan.

Wunderschöne Kirschnase, vielschichtig und tief. Springt einen sofort an. Fast keine tertiär Aromen, für sein Alter sehr frisch wirkend. Auch hier hätte ich nie auf einen fast 20-jährigen Wein getippt. Am Gaumen eben so frisch, dunkelbeerig und auch hier sehr vielschichtig. Gutes Säuregerüst, feine seidige Tannine und dezente Holznoten. Voller Körper, leichtes Leder und auch hier ganz wenige Altersnoten. Schöne Würzigkeit im Abgang, der sich auch durchaus sehen lassen kann. Die Ähnlichkeit zu einem guten gereiften Bordeaux ist schon frappierend.
Ein wunderschöner gereifter Spanier, der bestimmt noch ne Zeit lang große Freude bereitet.
Fügt sich auch sehr harmonisch in unser kleines Blind-Tasting ein. Ungewollt an die Stelle nach dem BDX platziert, war es nicht einfach hier blind auf Tempranillo zu kommen. Passte aber perfekt.

Und zum krönenden Abschluss

Australien, Wynns Coonawarra Estate, John Riddoch, Cabernet Sauvignon 1993 (Merci Thorsten)

Schon die Farbe zeigte, da haben wir was spezielles im Glas. Sehr dunkel, ins lila übergehend.
Auch die Nase springt einem förmlich ins Gesicht, wie ein Flaschengeist der nach Jahrhunderten endlich freigelassen wurde. Und, oh Wunder, ratlose Gesichter was die Rebsorte, geschweige denn die Herkunft angeht. Ich war zuerst im Priorat, aber dann doch schnell in der neuen Welt. Gegen Priorat sprach das fehlende Graphit / Bleistift im Mund. Jedoch erinnerte die intensive Cassis Nase schon etwas an einen 2004er Vall Llach den ich vor kurzem getrunken habe.

Aber zurück zur Sensorik. In der Nase Johannisbeere (die Reinhard recht schnell auf Cabernet tippen lies) und weitere rote bis dunkelrote Früchte. Konzentrierter Cassissaft (erinnerte in der Tat etwas an Rabenhorst :shock:). Wunderbar vielschichtig und sehr tief. Die Nase hätte für mich auch Carignan oder Syrah sein können. Frisch wie die junge Faa unterm Wasserfall
Am Gaumen pfeffrig, würzig, dunkelbeerig. Auch hier konzentrierter Kirschsaft, und eine schöne Säure die die Frische vom Gaumen unterstreicht. Eine kühle aber intensive Fruchtigkeit, gepaart mit einem intensiven, vollen Körper und einer öligen Textur. Etwas Minze und Vanille. Die Faust im Samthandschuh. Als nach dem Aufdecken das Alter bekannt gegeben wurde, waren wir alle platt. Der Wein hat noch viele Jahre Potential, ist aber in diesem Stadium ein absoluter Genuss.

Gut dass wir den unbewusst an die letzte Stelle gesetzt haben, denn der hätte den Pessac gnadenlos platt gemacht.

4 wunderschöne Weine, die auf der einen Seite unterschiedlicher nicht sein können aber, in dieser Reihenfolge verkostet, eine traumhafte Geschichte erzählen, wie nur Bacchus sie schreiben kann.

Hach wie schön kann Wein trinken sein :D
Danke an Reinhard, Jan-Henning und Thorsten für diesen tollen Abend!

Gruss
Marko

Edit: Zum Schluss gab es noch (offen, d.h. nicht blind) einen sehr schönen Chianti aus dem Fach von Thorsten (auch hier vielen Dank an Thorsten), zu dem ich mir aber leider nichts gemerkt habe, ausser dass er sehr gut war :oops:
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austria_traveller

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Re: Kleines Blind Tasting in der Winebank FFM

BeitragDo 20. Jul 2017, 14:57

maha hat geschrieben:zu dem ich mir aber leider nichts gemerkt habe, ausser dass er sehr gut war :oops:

Was im Endeffekt aber das einzige Wichtige ist ;)
Danke für deinen Bericht
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
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graves

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Re: Kleines Blind Tasting in der Winebank FFM

BeitragSa 22. Jul 2017, 20:35

maha hat geschrieben:4 wunderschöne Weine, die auf der einen Seite unterschiedlicher nicht sein können aber, in dieser Reihenfolge verkostet, eine traumhafte Geschichte erzählen, wie nur Bacchus sie schreiben kann. Hach wie schön kann Wein trinken sein :D


Hallo Marko, vielen Dank für Deine sehr treffenden Weinbeschreibungen. War wirklich ein klasse Abend!

maha hat geschrieben:Zum Schluss gab es noch (offen, d.h. nicht blind) einen sehr schönen Chianti aus dem Fach von Thorsten (auch hier vielen Dank an Thorsten), zu dem ich mir aber leider nichts gemerkt habe, ausser dass er sehr gut war :oops:


Zum Schluss hatten wir einen 2009er Fontodi Chianti Classico. Der war wirklich schön. Danke Thorsten!

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