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Gereifte Weine in Würzburg

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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weinaffe

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Gereifte Weine in Würzburg

BeitragDo 5. Mai 2016, 15:11

Hallo zusammen,

vor knapp 2 Wochen trafen sich wieder einmal einige Weininteressierte, um in geballter Form gereifte Weine (mind. 10Jahre alt) zu verkosten. Es wurden jeweils 7x weiss und 7x rot ausgeschenkt, wobei sich alle Weine TCA-frei und in bestechender Form präsentierten.

Zunächst die 7 Weissweine:

1.) 1999er Randersackerer Pfülben Silvaner Spätlese trocken (Juliusspital Würzburg)
dezente Goldreflexe, sehr lebendige und sortentypische Nase (reife Melone,Kräuter, Birne und reifer Apfel), wirkt absolut trocken (trotz 4 gr. RZ) und ist dank strukturierender Säure (6,2 Promill) ein absolut trinkiger, zeitloser Silvaner, mittellanger Abgang. Überraschend jugendlicher Auftritt mit sogar noch etwas Potential. Das Juliusspital zeigt immer wirder einmal, wie gut auch der in dieser Hinsicht unterschätzte Silvaner reifen kann. 89 P.

2.) 2001er Haardter Herrenletten Grauburgunder Spätlese trocken (Müller-Catoir, Haardt)
zunächst etwas reduktiv in der Nase, schwimmt sich aber mit Luftzufuhr zunehmend frei, extrem sortentypisch, reife Melone, ein Hauch Kakao, etwas Agrumen, trotz 13,5 Vol% kein schwülstiger oder breiter Wein, sehr jugendlicher Eindruck, wirkt er wie 5-6 Jahre alt, ein Hauch Restsüsse, die den Trinkfluss aber nicht stört, wird bei guter Lagerung auch noch in 5-10 Jahren noch viel Trinkspass bereiten. 90 P.

3.) 1999er Senftenberger Hochäcker Riesling QW trocken (Nigl, Senftenberg)
auch dieser Wein ist ein Volltreffer, ein Hauch von Petrol, sehr feine Marillennase, etwas Grapefruit, mit seinen 13 Vol % eher ein Mittelgewicht, in sich sehr stimmig, absolut trocken, feine Säure, sehr sortentypisch, mittlere Länge. Auch hier wäre man nie und nimmer auf einen knapp 17 Jahre altten Wein gekommem. Wird wahrscheinlich nicht mehr besser, wird sich aber in dieser Flaschenform noch etliche Jahre lagern können. 90 P.

4.) 2005er Monzinger Halenberg GG (Emrich-Schönleber)
Ein Klassiker, der sich jetzt wunderbar geniessen lässt, bei dem aber keine Eile geboten ist. Wunderbar klare Agrumennase mit schiefriger Untermalung, mineralischer Typ mit glasklarer Struktur, trockener Eindruck mit gebändigter Kraft, sehr mineralisch, kompromisslos, trotzdem ein leichtverständlicher Wein mit einiger, cremiger Länge.Gefährlich trinkig ! 92 P.

5.) ---- Cuvee Louis Extra Brut (Tarlant, Oeuilly)
ein absoluter Spitzen-Champagner (da waren sich alle in der Runde einig), überwiegend Jahrgang 1999 ( mit Anteilen von 1998, 1997 und 1996), sehr komplexe Nase mit viel Brioche, elegante Reifenoten, belebende Säure (keine Malolaktik), die Nase verändert sich permanent, sehr komromisslos auf der Zunge, knalltrocken (2 gr. Dosage), trotzdem eine wunderbare Harmonie, sehr belebend und fein, hoher Trinkfluss, vielschichtig, tolle Länge. 12 Jahre Hefelager, aus der Einzellage "Les Crayans". Eine der besten Prestige Champagner in dieser Stilistik und dabei nur unwesentlich teurer als die Standard-Cuvees der großen Häuser. Liebhaber reifer Champagner können diese Cuvee bedenkenlos noch 5-10 Jahre im Keller vergessen. 94 P.

6.) 1991er Riesling Sekt Reserve (degorgiert September 2015) (Peter Lauer, Ayl)
knappe 24 Jahre Hefelager, sicherlich eine grosse Rarität in deutsche Landen und ein durchaus gelungenes Experiment vom Neu-VDP-Mitglied. Angenehme Reifenoten, durchaus rieslingtypisch, schiefrige Mineralität, deutliche Restsüsse, aber nicht pappig (dürfte im Sekt-trocken- Bereich liegen), mittel- bis leichtgewichtig (11,5 Vol%), sehr würzig, aber keineswegs firnig oder zu stark gealtert, macht durchaus Spass, wenn auch mir persönlich der Vorgänger mehr Trinkspass bereitet hat. Die deutliche Süsse bremst doch ein wenig den Trinkfluss, trotzdem ein Sekt, den man einfach mal probiert haben muss. 90 P.

7.) 1988er Chateau Lafaurie-Peyraguey 1er Cru Classe (Cordier, Bommes)
ein Sauternes aus einem grossen, eleganten Jahr, der exemplarisch die Klasse eines solchen Süssweins aufzeigt:
wunderbar ausgewogene, elegante Nase mit viel Komplexität und eleganter, nicht aufdringlicher Barriquenote, die die elegante Frucht bestens stützt, Stachelbeere, Marille, cremiger, feiner Gaumenauftritt mit bestens eingebundenen 14 Vol%, bestechend Eleganz und Finesse, jetzt voll auf dem Höhepunkt, cremig , lang, perfekt ausgewogen. Die damalige Parker-Bewertung kann ich nur voll und ganz bestätigen. Grosser Sauternes. 95 P.
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weinaffe

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Re: Gereifte Weine in Würzburg

BeitragDo 5. Mai 2016, 20:14

... und nun zu den 7 gereiften Rotweinen:

8.) 2004er Spätburgunder "Alte Reben" QW tr. (Bernhard Huber, Malterdingen)
18 Monate Barrique/ 20-40 Jahre alte Reben.
Sofort als Pinot erkennbar, elegante Kirsch- und Himbeerfrucht, elegant und vital, fast abgeschmolzenes Tannin, betont trocken, aber samtig und fein, kaum Altersspuren, ein ernsthafter Pinot im burgundischen Stil, kann durchaus noch liegen. Bernhard Huber hatte es eben damals schon drauf. 91 P.

9.) 2005er Bürgstadter Centgrafenberg Spätburgunder "J" QW tr. (Josef Walter, Bürgstadt)
Christoph Walter gehört zu den Stillen im Frankenland, allerdings sprechen seine Weine hinsichtlich Klasse und Alterungsfähigkeit eine deutliche Sprache. Unglaublich jugendlicher Pinot, anfangs sehr reduktiv, benötigt viel Luft und zeigt, dass ein gut 10 Jahre alter Pinot noch absolut taufrisch sein kann. Klare Kirschfrucht, kräuterwürzig, nur ganz dezente Holznote, elegant und sehr trinkig, verleugnet seine Herkunft vom Buntsandstein nicht, elegante Säure, gerade genug Gerbstoff-Grip, überraschend langer Abgang. Der Wein hat noch Potential. Christoph Walter bringt seine Top-Pinots erst nach einigen Jahren auf den Markt und dies zu sehr verbraucherfreundlichen Preisen (19,50 EURO ab Weingut vor wenigen Wochen gekauft). Nach Paul Fürst ganz klar die Nr. 2 in Bürgstadt. 90 P.

10.) 2005er Monthelie "Sur la Velle" 1er Cru (Chateau de Monthelie)
sehr markanter Pinot von der Cote de Beaune, kräftige Kirschfrucht, etwas Himbeere, sehr vital und jugendlich, absolut trocken mit vifer Säure, noch ein wenig kantiges Tannin, der Wein braucht noch ein paar Jahre, Holz nur ganz im Hintergrund, sehr klassischer Bourgogne mit angenehmer Rustikalität, eher Typ Pommard als Volnay, aber durchaus mit Klasse, gute Länge. Comte Suremain ist einer der Bio-Pioniere im Burgund und seit Jahren auch zertifiziert. Ausgesprochen gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. 90 P.

11.) 2005er Rioja Gran Reserva "904" (La Rioja Alta)
90 % Tempranillo/10% Graciano/4 Jahre Holzausbau/6 Jahre flaschengelagert.
Über La Rioja Alta braucht man nicht mehr viele Worte verlieren: sehr klassische, traditionelle Rioja-Weine im besten Sinne, die man Jahr für Jahr bei allen Labels blind kaufen kann. Dieser 2005 macht hier keine Ausnahme: reife Brombeeren und Sauerkirschen, sehr würzig mit ätherischen Noten, fleischig, aber mit prägnanter Säure, die diese Weine unglaublich leicht und trinkfreudig erscheinen lässt, macht jetzt schon viel Freude, kann aber problemlose noch mehrere Jahre gelagert werden. 92 P.

12.) 2004er Barolo DOCG "Vigneto Monvigliero" (Comm. G. B. Burlotto, Verduno)
ein ungewöhnlich feiner und sanfter Barolo, die Trauben wurden nach Urgroßvater-Sitte mit den Füssen gestampft und anschließend 7 Wochen maischevergoren, elegante Dunkelfruchtnase, feine Würze, saftige Säure, weitgehend abgeschmolzenes, sehr feinkörniges und samtiges Tannin, geht von der Stilistik her etwas ins Burgundische und wurde von einigen daher als etwas untypisch für Barolo empfunden. Verduno hat im Barologebiet die leichtesten Böden und unter dieser Prämisse will man auch nicht gegen das Terroir arbeiten. Sehr eigener Barolo für Eleganztrinker. 91 P.

13.) 1986er Chateau Chasse-Spleen Cru Bourgeois Exceptionnel Moulis a.c.
ein echter Klassiker aus dem "Tschernobyl-Jahr", kühle, cabernet-betonte Stilistik, Cassis, Brombeere, Kirsche mit Zedernholz, ein Hauch grüner Paprika, trotz nur 12,5 Vol% ein reifer und dichter Wein, Tannin fast abgeschmolzen, saftige Säure, der Wein hat enormen Trinkfluss und ist nach 30 Jahren auf dem Höhepunkt angelangt. Macht unheimlich viel Spass und konnte noch vor wenigen Jahren zu zivilen Preisen nachgekauft werden. Für die ganz große Bordeaux-Klasse fehlt es vielleicht ein bischen an Eleganz, Finesse und Fruchtdichte, aber das ist Jammern auf hohem Niveau und im Grunde meines Herzen will ich eigentlich genau so einen (nicht ganz perfekten) charakterstarken Bordeaux trinken. 92 P.

14.) 2003er Chateau Leoville-Poyferre 2e Grand Cru Classe St. Julien a.c.
hier schmeckt und riecht man das neue Bordeaux, sehr kräftige Farbe, sehr konzentriert schon in der Nase, kräftige Dunkelfrucht, perfekt integriertes Barrique, sehr geschliffen und elegant, auf der Zunge noch etwas verhalten, Fruchtdichte aber klar erkennbar, noch durchaus Tannin, das aber sehr geschliffen wirkt,keine Spuren von Austrocknung (wie bei einigen 2003ern), schon antrinkbar, dürfte aber von weiterer Lagerung noch profitieren, ein moderner Bordeaux im Michel Rolland Stil, dessen Potential ich aber nicht so recht einschätzen kann. Sicherlich hochklassig und einer des Besten des Jahrgangs, aber fast zu schön und vielleicht auf sehr hohem Niveau etwas austauschbar. Für mich vom Trinkfluss her gesehen klar hinter dem Chasse-Spleen, von der Qualität aber unzweifelhaft hervorragend. Die vor einigen Jahren vergebenen 98 Parker-Punkte kann ich aber nicht ganz nachvollziehen. 93 P.

Wenn einem das Glück so gewogen ist (kein Korkschmecker, alle Weine in Top-Form), dann macht so eine Probe gereifter hochwertiger Weine einfach nur einen Riesen Spass. Alle Teilnehmer haben das ähnlich gesehen, so dass keinerlei Reste mehr blieben.

Bis demnächst
Bodo
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Ralf Gundlach

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Re: Gereifte Weine in Würzburg

BeitragDo 5. Mai 2016, 21:52

Tolle, ungewöhnlich vielseitige Verkostung mit klasse Weinen, da wird man beim lesen etwas neidisch... ;)

Gruß

Ralf

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