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Weiße Burgunder aus Deutschland

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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Bernd Schulz

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragDi 1. Dez 2015, 21:40

Obwohl ich mich ja inzwischen meistens in niedrigeren Preisklassen tummele, habe ich den Probenbericht auch mit viel Interesse gelesen - danke dafür!

An Riesling kommt für mich in Dtl. in der Breite noch nichts ran.


Das sehe ich nach wie vor ähnlich. Allerdings verhält es sich so, dass ich Wein auch häufig solo trinke. Zum Essen - da hat Guido schon recht - passt junger Riesling oft nicht so gut.

. Und Weißburgunder hatte ich bisher in meiner Vorurteilsbeladenheit immer mit aromatisch limitiert, häufig dünn, belanglos und einfach assoziiert.


Nein, so würde ich das wiederum nicht sehen wollen. Selbst für die "einfachen" Weißburgunder der besten Erzeuger (Wittmann, Holger Koch....) trifft das nach meinen Erfahrungen nicht zu. Diese Weine schmecken logischerweise anders als ihre Rieslingkollegen, aber keinesfalls belangloser. Ich trinke sie nicht so häufig, aber wenn ich sie trinke, trinke ich sie immer wieder gerne.

In Bezug auf Chardonnay vertrete ich ja schon lange eine fundamentalistische Position. Ich finde, man muss nicht überall alles machen - zum Pinot Noir haben wir in Deutschland keine wirkliche Alternative, aber die Alternativen zum Chardonnay sind vorhanden und heißen eben Weiß - und Grauburgunder! Und genau darauf sollte man sich hierzulande konzentrieren; Chardonnay gehört ebensowenig in die Pfalz oder nach Baden wie Weißburgunder an die Côte de Beaune! Insofern freut mich das Resultat der Verkostung durchaus.... :twisted:

Herzliche Grüße

Bernd
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Kle

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragDi 1. Dez 2015, 21:56

Einzelflaschenfreund hat geschrieben:Gar nicht erwartet hätte ich diese Grundsatzfrage: Burgundersorten als "Riesling-Verdränger".

für mich wäre es albern, von einer Rebsorte zur anderen zu wechseln als sei ich nun Fan eines anderen Fußballvereins oder Wähler einer anderen Partei. Bei Deiner Verkostung, Guido, kam aber der Verdacht auf, dass der Weißburgunder, weil er weniger im Rampenlicht steht und weniger Erwartungen zu erfüllen hat als der Riesling, freier spielen kann. Dieser Eindruck stellte sich bei mir schon bei deinem „Supermarktwein“ ein, dessen kräftige "Rieslingsäure" in einem dafür eigentlich zu weichen Körper steckte. Vielleicht fehlten Harmonie und Ausgewogenheit. Ich fand den Kontrast aber nicht zu krass, sondern durchaus anregend. Auch bei vielen der folgenden Weinen hatte ich das Gefühl von aromatischer Offenheit – als gäbe es noch keinen Konsens darüber, wie die 5 bis 6 Geschmacksrichtungen des deutschen Weißburgunders schmecken müssten. These: Seine geringere Bedeutung verschafft ihm seine Freiheit. Und so fühlte ich mich mehrfach an französische vin naturels erinnert, die mich aus denselben Gründen interessieren.
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Tristram Shandy
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Bernd Schulz

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragDi 1. Dez 2015, 22:45

...für mich wäre es albern, von einer Rebsorte zur anderen zu wechseln als sei ich nun Fan eines anderen Fußballvereins oder Wähler einer anderen Partei....


Ich würde es so ausdrücken wollen: Selbst für jemanden wie mich, der seinen Horizont im Vergleich zu anderen hier aktiven Weinfreunden bewusst beschränkt, liegt der Reiz am Ende auch in einer gewissen Vielfalt. Es wäre mir gar nix, ewig nur Riesling (geschweige denn ewig nur Möselchen :mrgreen: ) zu trinken, und wenn ich mich schon in der Hauptsache mit deutschen Weinen beschäftige, kommen mir natürlich auch Spätburgunder, Weißburgunder, Grauburgunder, Scheurebe, Muskateller, Silvaner....ja selbst der eine oder andere Müller-Thurgau (Krämer!) oder gar Trollinger sehr gerne ins Glas!

Und davon abgesehen trinke ich mittlerweile auch mit Freude einen feinen Italiener und sogar einen österreichischen GV (obwohl ich die Sorte früher nicht so recht mochte) aus gutem Hause. Eigentlich mag ich jeden auf seine Art guten Wein inzwischen sehr gerne, denn genau diese Wertschätzung einer spannenden Qualität ganz unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Rebsorte, ihrem Restzuckergehalt, ihrem Gewicht betrachte ich als die beste Frucht meiner langjährigen Auseinandersetzungen mit dem Thema Wein (und hoffe, dass ich mich damit selber nicht zu sehr überschätze :oops: ).

Bei Deiner Verkostung, Guido, kam aber der Verdacht auf, dass der Weißburgunder, weil er weniger im Rampenlicht steht und weniger Erwartungen zu erfüllen hat als der Riesling, freier spielen kann. Dieser Eindruck stellte sich bei mir schon bei deinem „Supermarktwein“ ein, dessen kräftige "Rieslingsäure" in einem dafür eigentlich zu weichen Körper steckte. Vielleicht fehlten Harmonie und Ausgewogenheit. Ich fand den Kontrast aber nicht zu krass, sondern durchaus anregend. Auch bei vielen der folgenden Weinen hatte ich das Gefühl von aromatischer Offenheit – als gäbe es noch keinen Konsens darüber, wie die 5 bis 6 Geschmacksrichtungen des deutschen Weißburgunders schmecken müssten. These: Seine geringere Bedeutung verschafft ihm seine Freiheit.


Die "These" finde ich auf jeden Fall spannend, aber am Ende dann doch etwas gewagt. Gibt es denn einen Konsens darüber, wie die 7 bis 8 Geschmacksrichtungen des deutschen Rieslings schmecken müssen? Nach meinen Erfahrungen gibt es diesen Konsens ebenso wenig wie beim Weißburgunder, und insofern sehe ich die relative Freiheit im Umgang mit letzterem erst einmal nicht wirklich. Ganz im Gegenteil: Die Erwartungshaltung in Bezug auf die Ausdruckspalette scheint mir bei den Burgundersorten viel klarer limitiert zu sein! Alleine schon dadurch, dass man im High-End-Bereich dann doch ebenso unwillkürlich wie beständig nach Burgund hinüberschielt, was meines Erachtens vielleicht nicht immer so ganz sinnvoll/glücklich ist....

Viele Grüße

Bernd
Zuletzt geändert von Bernd Schulz am Di 1. Dez 2015, 23:33, insgesamt 2-mal geändert.
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Kle

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragDi 1. Dez 2015, 23:09

Bernd Schulz hat geschrieben:Gibt es denn einen Konsens darüber, wie die 7 bis 8 Geschmacksrichtungen des deutschen Rieslings schmecken müssen?


Hallo Bernd,

der Eindruck eines forcierten Geschmacksprofils kommt bei mir in letzer Zeit häufiger auf. Oder mag ich den Riesling nicht mehr so gern? Kenne ich ihn nicht gut genug? Mag auch sein. Meine Wahrnehmungen sind unprofessionel/zu wenige. Aber wenn ich wacher werde, versuche ich mir das zu erlären.

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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amateur des vins

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BeitragDi 1. Dez 2015, 23:16

Mme amatrice mag Rieslinge nicht so sehr. Da burgundische Burgunder nicht immer verfügbar, passend oder angemessen scheinen, schaute ich mich nach Alternativen um - und wurde fündig.

Highlights für mich bisher: Schäfer-Fröhlich Weißburgunder R und die GG von Rebholz. Leider mussten sie zum Kennenlernen jeweils einem Infantizid unterzogen werden, so dass ich ihr Potential bisher nur erahnen kann. Kellers Weißburgunder & Chardonnay ist für mich ein Champion in seiner (preislichen) Liga.
Besten Gruß, Karsten
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octopussy

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragMi 2. Dez 2015, 10:08

Kle hat geschrieben:Auch bei vielen der folgenden Weinen hatte ich das Gefühl von aromatischer Offenheit – als gäbe es noch keinen Konsens darüber, wie die 5 bis 6 Geschmacksrichtungen des deutschen Weißburgunders schmecken müssten. These: Seine geringere Bedeutung verschafft ihm seine Freiheit. Und so fühlte ich mich mehrfach an französische vin naturels erinnert, die mich aus denselben Gründen interessieren.

Hallo Carsten,

hattest du das Gefühl der aromatischen Vielfalt vielleicht vor allem deshalb, weil du nicht so häufig Weiß- und Grauburgunder trinkst und dir die verschiedenen Geschmäcker deshalb weniger bekannt waren?

Ich möchte behaupten, dass es keine versatilere Rebsorte gibt als Riesling.

1. gelingt auf vielen verschiedenen Böden und nimmt dadurch unterschiedliche Charakteristika an (Schiefer, Kalk, Granit, Basalt, Sandstein, usw.)
2. schmeckt als einige der ganz wenigen Rebsorten in allen Süßegraden und in allen Variationen der Fülle. Denk nur an restsüße Kabinett, Spätlese, Auslese, feinherbe Kabinett, Spätlese, Auslese, trockene Kabinett, Spätlese, Auslese, edelsüße BAs, TBAs und Eisweine bzw. Vendanges Tardives und SGNs im Elsass. Mehr geht offen gesagt weltweit nicht an Geschmacksvariation
3. Selbst Experimente mit einem eher burgundischen Ausbaustil (siehe Von Winning) können gute Ergebnisse hervorbringen, wenn gut gemacht.

Der Grauburgunder ist m.E. von den Burgundersorten am ehesten noch in der Lage, diese Versatilität zu verkörpern. In leicht und restsüß ist der Grauburgunder vermutlich nur schwer mit Erfolg möglich (habe noch nie einen solchen getrunken und auch noch nie einen solchen gesehen im höheren Qualitätsbereich). In Deutschland sind zudem restsüße (kräftige - à la Alsace Grand Cru Pinot Gris) und edelsüße Grauburgunder nahezu von der Bildfläche verschwunden, im Elsass gibt es sie aber in vielen verschiedenen Variationen. Außerdem gibt es m.E. kaum eine Rebsorte, die besser auf Maischestandzeit reagiert als der Grauburgunder.

Beim Weißburgunder wird das schon schwieriger. In restsüß und edelsüß und sogar in nicht ganz trocken (und ganz trocken bedeutet für mich hier komplett durchvergoren unter 2-3 g/l Restsüße) finde ich Weißburgunder regelrecht widerwärtig. Süße macht jeden Weiburgunder banal. Auch bei den Böden ist der Weißburgunder m.E. bei weitem nicht so versatil wie der Riesling. Kalk- und Kalkmergel, ggf. noch Sandstein und Vulkanisches. Das sind die guten Böden für Weißburgunder. Von einem Anbau auf schiefrigen Böden gewinnt Weißburgunder m.E. nicht. Das sieht man u.a. daran, dass in Luxemburg und an der deutschen Obermosel mit seinen Pariser-Becken-Kalkböden viel bessere Weißburgunder gekeltert werden als an der Mittelmosel (Ausnahmen mögen ggf. die Regel bestätigen).

Sicher ist auch der Weißburgunder versatil. Er kann sowohl als unkomplizierter Stahltank-Zechwein schmecken als auch als Burgund-inspirierte Variante mit Ausbau in (neuen) Barriques. Und wie ihr in Guidos Probe gesehen habt, auch als Orange Wine (habe den Ress Pinot Blanc noch nicht getrunken, glaube aber gerne, dass er hervorragend ist). Bei letzterem bin ich in punkto Rebsortentypizität jedoch skeptisch. Ob nun Silvaner, Weißburgunder oder Ribolla Gialla als Orange Wine: da steht für mich die Art der Vinifikation (maischevergoren) immer an erster Stelle und die Rebsorte an zweiter oder sogar nur dritter Stelle.
Beste Grüße, Stephan
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Kle

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragMi 2. Dez 2015, 14:32

Hallo Stephan,

nun will ich mich nicht weiter mit meiner „These“ vergaloppieren, die immerhin Deine interessanten Ausführungen zur Folge gehabt hat. Wobei ich meinte, dass trotz der reichen Möglichkeiten der Rebsorte in der Breite eine stilstische Tendenz zu beobachten ist, dir mir nicht behagt.
Vielleicht haben meine Wahrnehmungen auch mit dem bereits von Guido angeführten Reifeverhalten zu tun. In letzter Zeit habe ich eher weniger gereifte, recht straffe und vollmundige Rieslinge getrunken, oft ab Hof, denen gegenüber die deutschen Burgunder aromatisch durchbrochener und glitzender schmeckten. Deren Vergleich mit tief gereiften Rieslingen würde natürlich zu anderen Schlussfolgerungen führen. Bewusst hat mir Guidos Probe gemacht, wie rieslingzentriert ich bin und ich werde weiterhin verfolgen, ob mir speziell bei Rieslingen aus dem mittleren Segment Stilmittel verdächtig erscheinen 8-) . Dies ist dann letztlich auch Geschmackssache, wie sich ebenfalls bei Guidos Probe gezeigt hat. Schneiders von den meisten Probierern gelobte Ruländer Spätlese *** 2011 lebte für mein Gefühl vor allem von seiner Struktur, hat mir aber aromatisch nicht gefallen. Hier wurden gegensätzliche Erwartungshaltungen sehr offensichtlich.

Gruß, Kle
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Kle

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragFr 4. Dez 2015, 14:02

kleiner Nachtrag – wenn ich wie gestern einen Riesling wie Sankt Nikolaus 2013 von Kühn probiere, komme ich nicht mehr auf den Gedanken, ob der gute Ruf einer Rebsorte ihr schaden kann, bzw. Sorten und ihre Bereitung zu vergleichen. Der Auftritt spricht zu sehr für sich. Hier präsentiert sich der Riesling mit grandioser und ich würde behaupten unvergleichlicher Gestaltungskraft. Der Wein beginnt sofort nach dem Öffnen überraschend gefällig und fruchtbetont, wird dann strenger, baut eine massive citrusgepägte Struktur auf, dann feine Marzipan- und Teenoten – letztere phasenweise sehr einnehmend-, als würde er mehrere Jahre der Reife schon mal im Zeitraffer streifen. Nein, die Jugend dieses Weines ist bei jedem Schluck erkennbar – wohl auch durch den schnellen Wechsel seines Profils, mal ruhig und bestimmt, mal mit vermeintlich tertiären Noten, dann fröhlich Fruchtkorb-Aromen ausprobierend. Und doch bleibt der Verdacht, dass so ein Wein griffiger als früher schmeckt, trotz seines hohen Niveaus leichter trinkbar ist.
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Jürgen

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Re: Weiße Burgunder aus Deutschland

BeitragMo 7. Dez 2015, 17:22

Kle hat geschrieben:kleiner Nachtrag – wenn ich wie gestern einen Riesling wie Sankt Nikolaus 2013 von Kühn probiere, .....Und doch bleibt der Verdacht, dass so ein Wein griffiger als früher schmeckt, trotz seines hohen Niveaus leichter trinkbar ist.

Für mein Empfinden ist Kühn besser geworden. Die 2013er Serie ist schon richtig gut. Den Nikolaus hatte ich mehrere Male im Glas und kann dir nur zustimmen.
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