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Europaweinprobe in Würzburg

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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weinaffe

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Europaweinprobe in Würzburg

BeitragMo 5. Okt 2015, 15:40

Hallo zusammen,

wieder haben sich am letzten Freitag einige Weininteressierte getroffen, um gemeinsam einige Weine aus den europäischen Weinbauländern zu verkosten. 14 Weine standen auf dem Programm, die allesamt "blind" probiert wurden.

Zunächst die Weißweine:

Wein Nr. 1 erwies sich als ein im Duft verhaltener Wein, bei dem man aber schon die Kraft erahnen konnte, dezente Spuren von BSA, dezent gelbe Frucht (Mirabelle, Apfel), auf der Zunge angenehmer Schmelz, kraftvoller Körper, aber nicht alkoholisch, eine Spur Lakritze mit floralem Einschlag, dezente Säure, durchaus langer Abgang. Ein Wein, der natürlich in einer Blindverkostung fast nicht einzuordnen ist. 88 P.
Es war:
2011er Heida (Savagnin) Gletscherwein Wallis aoc (Chanton, Visp) -Schweiz-


Wein Nr. 2 brachte deutlich mehr Frucht und Würze, reife Melone, Pfirsich, üppiger Naseneindruck, es fehlt etwas an Säure und Frische, auch am Gaumen körperreicher Ausdruck, der Alkohol ist noch integriert, erste Reifenoten, neben der Frucht leicht pfeffrige Akzente, mittellanger, von etwas Alkohol getragener Abgang. 86P.
Auch hier kam niemand auf den:
2009er Grüner Veltliner "Alte Reben" Kremstal DAC Reserve (Nigl, Senftenberg) -Österreich-


Wein Nr. 3 machte da schon etwas mehr Spass: leicht Reifenoten, frische Kräuter mit reifem Apfel und etwas Birne, macht noch einen frischen Eindruck, nur mittelgewichtiger Eindruck, schöne Balance von Säure und Fülle, absolut trocken, auf der Zunge wiederum deutlich kräutrig (Dill) mit gelber Frucht, sehr trinkig, mittellanger Abgang. 89P.
Es war:
2010er Volkacher Karthäuser Weißer Burgunder GG (Juliusspital Würzburg) -Franken-


Wein Nr. 4 wirkte schon in der Nase extrem burgundisch: deutliche, aber sehr feine und bestens integrierte Barriquenote, wirkt tiefgründig und zugleich tänzerisch und finessenreich, tolle Nase ! Am Gaumen knalltrocken und deutlich strukturiert, kalkige Mineralität, obwohl Frucht (Apfel, Aprikose) vorhanden ist, steht sie deutlich im Schatten der Mineralität, knackige, aber balancierte Säure, nur mittelgewichtig, extrem trinkig und nicht sattmachend, elegant mit durchaus Komplexität, mittellanger bis langer Abgang. Es fehlt nur ein Hauch an Dichte und Länge, um ganz groß zu sein. 91P.
Wie vermutet sind wir im Burgund angekommen:
2012er Saint-Aubin "La Chateniere" 1er Cru (Pierre-Yves Colin-Morey, Chassagne-Montrachet) -Frankreich-


Wein Nr. 5 setzt da tatsächlich noch einen drauf: superfeine Steinobstfrucht mit Agrumen, das Gegenteil von plakativ, daneben auch deutlich mineralische Akzente, schon die Nase bringt den Speichel heftig in Fluss, kräftige aber reife Säure, die in Verbindung mit dem mittelgewichtigen reifen Körper einigen Schmelz auf die Zunge bringt, dennoch zieht der Wein laserartig über den Gaumen, kräftige Struktur, aber mit einiger Eleganz versehen, sehr ausgewogen und komplett, der Wein wirkt noch sehr frisch und ist gerade in der ersten Reife, hier ist keine Eile geboten, langer, ebenmäßiger und fruchtig-würziger Abgang. 93P.
Als Riesling deutlich zu erkennen. Es war:
2008er Westhofener Kirchspiel Riesling GG (Keller, Flörsheim-Dalsheim) -Deutschland-


Wein Nr. 6 entführt uns nun in die Welt der edelsüßen Weine: in der Nase ein Korb voller exotischer Früchte (Maracuja, Papaya, Ananas),sehr konzentriert und dicht, aber absolut klar, feingliedrig und fast tänzerisch, kein Anflug von Bortrytis, honigartig auf der Zunge, aber mit gut konterkarierender Säure, nur mittelgewichtig, auch hier klarer Fruchtausdruck, sehr dicht und lang, Alkohol fast nicht spürbar, ein Nektar für Erwachsene. 92P.
Es war ein Ösi aus dem Burgenland:
2008er Gelber Muskateller Schilfwein (Angerhof Tschida, Illmitz) -Österreich-

Die acht Roten folgen demnächst !!

Grüsse
Bodo
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weinaffe

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Re: Europaweinprobe in Würzburg

BeitragDi 6. Okt 2015, 12:51

.... und weiter geht es mit den Rotweinen aus Europa:

Wein Nr. 7: reintönige Nase mit dezenter Holzuntermalung, Kirsche, Cassis, etwas überreife Pflaumennoten, angenehm und absolut trinkbereit. Folgerichtig am Gaumen: klare Dunkelfrucht mit leichter Tendenz zur Überreife, aber noch nicht marmeladig, absolut trockener Eindruck, integrierte Säure und schon etwas abgeschmolzenes Tannin, gut integrierter Alkohol (trotz 14,5 Vol%), gelungener, dezenter Holzeinsatz, mittellanger, eher fruchtbetonter Abgang. Cabernet und Merlot konnte man durchaus herausschmecken. Nur die Herkunft wurde nicht erraten. Angenehmer Wein mit gutem PLV (ca. 9 EURO) 84P.
2011er "Zar Simeon" Cabernet/Merlot Trakia Valley (Santa Sarah) -Bulgarien-


Wein Nr. 8 zeigte schon in der Nase mehr Fülle: reife dunkle Früchte, gelungener Barriqueeinsatz, volumiger Eindruck. Absolut trocken, dennoch einiges an Extrakt, der einen süsslichen Eindruck hinterlässt, passende Säure, noch etwas eckiges Tannin, das aber den mächtigen Körper dadurch etwas Struktur verleiht, Pflaume, Kirsche mit einem Schuss Himbeere, dezente Würze, der Alkohol (14,5) lässt sich leider nicht verleugnen und drückt etwas durch, mittellanger, leicht portiger Abgang. Der Wein ist perfekt vinifiziert, lässt "südliche" Reife erkennen, ist aber leider etwas austauschbar und international. Zusammenfassend: Langeweile auf durchaus hohem Niveau. 88P.
Die Herkunft wurde daher nur schleppend erraten:
2011er "Avaton" Epanomi PGI (Ktima Gerovassiliou, Epanomi) -Griechenland- Cuvee aus den 3 autochthonen Rebsorten Limnio, Mavroudi und Mavrotragano.


Wein Nr. 9 wirkte zu Recht für die meisten Verkoster recht "italienisch", ohne dass die Herkunft erraten werden konnte, komplexer, etwas angereifter Duft, dunkle Beeren (insbesondere Herzkirsche und Brombeere), etwas (Alt-)Holz, balsamische Noten, etwas Menthol, Teer, Veilchen, geht stark in Richtung eines reifen Barolos. Folgerichtig auf der Zunge abgeklärte Reife mit Dunkelfrucht und erdig/pilzigen Noten (sotto bosco), balsamisch, lebendige Säure, die diesen durchaus kräftigen Wein (14 Vol%) gut ausbalanciert, Alkohol bestens eingebunden, weitgehend abgeschmolzenes Tannin, das dennoch ein festes Korsett verleiht, mittellanger, komplexer Abgang. Ein herrlich trinkiger Wein. 92P.
es war der:
2007er "Radici" Taurasi DOCG (Mastroberardino, Atripalda) -Kampanien-


Wein Nr. 10 besass viel Frucht und Fülle, Himbeere und Herzkirsche mit verräterischen Schieferspuren, sehr klar und dezent fruchtbetont, noch jugendlich, Nase Typ everybodys Darling. Trotz deutlicher Extraktsüsse absolut trocken, passende Säure, abgerundetes reifes Tannin, kraftvoll, aber nicht alkoholisch, reife dunkle Früchte, hintergründiger, gelungener Barriqueeinsatz, leicht pfeffrige Würze mit Tabak, dezente, angenehme Animalik, gut integrierter Alkohol, mittellanger bis langer, fruchtig-würziger Abgang. Für mich vielleicht eine Spur zu "geschniegelt" und glatt, ein paar charaktervolle Ecken und Kanten wären hier wünschenswert gewesen. Aber ein unzweifelhaft hochklassiger Wein, der jetzt trinkbereit ist aber dieses Niveau noch einige Jahre halten wird. 91P.
Es war der:
2010er "Vinyes Velles" Priorat DOQ (Ferrer Bobet SL, Porrera) -Spanien-


Fortsetzung mit den letzten 4 Rotweinen folgt in Kürze !

Grüsse
Bodo
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weinaffe

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Re: Europaweinprobe in Würzburg

BeitragDi 6. Okt 2015, 18:11

... und schließlich noch die letzten 4 Rotweine der Europaprobe:


Wein Nr. 11 zeigt schon in der Nase einiges an Komplexität: dunkle Früchte, vor allem Kirsche, Brombeere und etwas Himbeere, vermischt mit tabakigen Anklängen, Zedernholz, schiefrige Noten, trotzdem ganz klar im Ausdruck. Am Gaumen absolut trocken, reife Dunkelfrucht mit viel Würze, exzellentes feinkörniges Tannin, für Frische sorgende Säure, trotz Kraft und Körper (14 Vol. %) überraschend viel Finesse und Eleganz, großartiger Trinkfluss, fruchtig-würziger Abgang mit einiger Länge. Ausgezeichneter und sehr eigenständiger Wein. 92P.
Es war der:
2008er Vinho tinto Douro Reserva DOC (Quinta da Romaneira) -Portugal-


Wein Nr. 12: in der Nase reife Herzkirsche, Preiselbeere, eine Spur grüner Pfeffer, floral (Rose, Veilchen), kein neues Holz, sehr puristisch und fein mit burgundischer Attitüde (ohne ein Burgunder zu sein), macht neugierig auf den ersten Schluck. Absolut trocken mit noch kantigem, aber feinkörnigem Tannin, belebende Säure, die den Alkohol (14,5) bestens im Zaume hält, sehr elegante Dunkelfrucht, reife Kirsche, auch hier kein Neuholzeinfluss, etwas Rose und dezente Teernoten. Komplexe und feine Mischung aus Frucht und Würze. Die Stärke dieses Weines liegt in seiner Ausgeglichenheit, Harmonie und Eleganz, nicht in der letzten Extraktion. Auch hier wieder enormer Trinkfluss, auch wenn der Wein sicherlich noch einen Tick zu jung ist. 91P.
Es war der:
2008er Barolo DOCG "Acclivi" (Comm. G. B. Burlotto, Verduno) -Piemont-


Wein Nr. 13 ist genau nach meinem Geschmack und sicherlich einer der besten Weine des Abends: leicht durchscheinendes Rubinrot, absolut in sich ruhende Nase, Cassis, Kirsche, Leder, Tabak, dichter, aber kühler Naseneindruck, ebenmässig und auf dem Punkt wirkend. Das findet auch am Gaumen seine Bestätigung: ganz klare Fruchtausprägung mit einem Hauch gelber Paprika, sehr fleischig, stimmige Säure und fast komplett abgeschmolzenes Tannin sorgen für Eleganz und Abgeklärtheit, nur mittelgewichtig (12,5 Vol %), tolle Balance zwischen Frucht, Würze, Tannin und Säure. Der Wein scheint jetzt am Höhepunkt zu sein, wird diesen aber aufgrund seiner Balance noch einige Jahre halten können. Sehr gelungener ...Bordeaux, hier herrschte große Einstimmigkeit. 93 P.
Es war der:
2001er Chateau Poujeaux Cru Bourgeois Exceptionnel Moulis ac (Jean Theil, Moulis) -Frankreich-


Wein Nr. 14 wirkte ebenfalls angenehm gereift: klare mürbe Dunkelfrucht (Kirsche, Cassis) vermischt mit hintergründigen Vanillenoten vom Holz, ein Hauch Zimt, kräutrig, etwas Minze, ein Potpourri an fruchtig-würzigen Akzenten. Am Gaumen absolut trocken mit feiner Säure, die unheimlich viel Frische in diesen Wein zaubert, reifes mürbes Tannin, wirkt trotz 13,5 Vol. % fast mittelgewichtig, sehr harmonischer und abgeklärter Eindruck mit angenehmen Reifenoten, dunkle Früchte, Unterholz, balsamisch, etwas Leder und Zedernholz, mittlerer bis langer, auf Finesse gebauter Abgang. Toller Trinkfluss! 92 P.
Es war der:
2004er Rioja Gran Reserva "904" DOC (La Rioja Alta, Labastida) -Spanien-

Das war sicher ein etwas "wilder" Rundumschlag in Europas Weinwelt, aber eine sehr interessante und qualitativ äußerst befriedigende Probe ohne jegliche "Korkausfälle". So kann es gerne weitergehen.

Nächsten Freitag werden wir uns hier in Würzburg mit Schaumweinen mit Schwerpunkt Winzerchampagner beschäftigen und der darauffolgende Freitag ist dann den 4 großen B (Bordeaux, Burgund, Barolo, Brunello) gewidmet. Ich bin schon mal sehr gespannt und werde nach Möglichkeit -wenn überhaupt Interesse besteht- wieder hier berichten.

Grüsse
Bodo
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olifant

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Re: Europaweinprobe in Würzburg

BeitragDi 6. Okt 2015, 21:09

Hallo Bodo,

Du darfst gerne wieder berichten. Ich verfolge deine Notizen stets mit großem Interesse.
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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le gurp

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Re: Europaweinprobe in Würzburg

BeitragMi 7. Okt 2015, 17:37

Ich auch, ich auch!
Der ein oder andere Wein befindet sich immer mal wieder zufälligerweise :?: auch in meinem Keller.

Grüße!
Bernhard
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harti

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Re: Europaweinprobe in Würzburg

BeitragDo 8. Okt 2015, 17:26

weinaffe hat geschrieben:Nächsten Freitag werden wir uns hier in Würzburg mit Schaumweinen mit Schwerpunkt Winzerchampagner beschäftigen und der darauffolgende Freitag ist dann den 4 großen B (Bordeaux, Burgund, Barolo, Brunello) gewidmet. Ich bin schon mal sehr gespannt und werde nach Möglichkeit -wenn überhaupt Interesse besteht- wieder hier berichten.

Hallo Bodo,

großes Interesse sogar!

Grüße

Hartmut
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Michl

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Re: Europaweinprobe in Würzburg

BeitragDo 8. Okt 2015, 18:48

+1 bitte berichten
Viele Grüße

Michl
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Rbg

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Re: Europaweinprobe in Würzburg

BeitragFr 9. Okt 2015, 10:40

Bitte unbedingt berichten

Gruß
walter

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