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Probe: Diverses aus alter und neuer Welt

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Weinbertl

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Probe: Diverses aus alter und neuer Welt

BeitragSo 26. Apr 2015, 14:05

Hallo,

kürzlich konnte ich an einer Probe mit einem unbekannten Mix aus 2 Weiß- und 14 Rotweinen aus aller Welt teilnehmen.
Wie immer fand die Probe blind statt. Erschwert wurde das Ganze dadurch, dass überhaupt nicht bekannt war, welche Weine überhaupt angestellt werden.
Die Weine wurden alle erst kurz vor dem Servieren dekantiert. Hier mein Probeneindruck in der servierten Reihenfolge:

1. 2005 Pape Clement blanc
wunderschöne reiche Nase von Holz, Rauch und reifem Fruchtmix. Am Gaumen zu Beginn leicht harzig, danach Honig, etwas nussig, tolle Stoffigkeit, bestes Säuregerüst. Lang und im
Laufe des Abends im Glas immer weiter ausbauend. Dieser tolle weiße Bdx steht erst noch
Am Anfang seiner Entwicklung ist aber bereits jetzt hervorragend zu trinken. 17,5+

2. 2003 Riesling „Gottesfuß“ Alte Reben, Van Volxem
Sofort als Riesling erkannt. Sehr süße Nase nach Patex und etwas Botrytis. Am Gaumen macht der Wein einen restsüßen Eindruck, bietet wenig Säure und es fehlt damit das Gerüst.
Der Wein lässt sich zwar unkompliziert trinken, es fehlt aber in Ermangelung der nötigen
Säure an Biss und Struktur. Verliert sich etwas im Abgang. 16-16,5

3. 1975 Montepulciano d’Abruzzo, Valentini
Am Tisch wurde gerätselt ob der Wein aus Bordeaux stammen könnte. Die Struktur und der Auftritt des Weins entsprach jedenfalls dem was ein guter Bordeaux mit 25+ Jahren aus gutem Jahr abliefern kann.
In der Nase zunächst viel Zigarre, danach wunderbar verschmolzen in schöner Gediegenheit.
Die Nase ist zweifelsohne groß. Am Gaumen nicht ganz auf dem Niveau der Nase. Viel Röstaromen, Blut, Eisen, auch am Gaumen vermählen sich an der Luft alle Komponenten
und ergeben ein sehr schönes harmonisches Ganzes. Langer Abgang. Vielleicht einen Ticken über Zenith, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. 17,5

Auch wenn ich den Kultstatus dieses Weins nicht ganz nachvollziehen kann, muss man doch neidlos anerkennen, dass man aus Montepulciano wohl nichts besseres als das hier vorliegende keltern kann.

4. 1990 Cor Römigberg, Alois Lageder (100% CS)
In der Nase eher unangenehm gemüsig, unreife grüne Paprika, erholt sich an der Luft, bleibt aber eher schwächlich im Ausdruck. Am Gaumen rech leicht im Körper, recht schöne pikante schlanke Frucht. Etwas mager in allem, wahrscheinlich hätte man den Wein besser vor 5 oder mehr Jahren trinken sollen. Kann aber auch gut sein, dass er gerade neben dem Valentini etwas ungünstig positioniert war und deshalb eine etwas schwächliche Figur machte. Aber ich kann mir den Wein sehr gut als Essensbegleiter vorstellen. 16,5

5. 2001 Dead Arm Shiraz, d’Arenberg
zunächst eine immens pfeffrige Cabernet Nase wie man sie von vielen Cabernets aus Kalifornien kennt, dann dreht das Ganze und die Nase zeigt sich nun stark Eucalyptus geprägt.
Der Duft gefällt mir schon sehr gut aber am Gaumen ist mir der Wein zu heftig. Immens viel Extrakt und Alkohol. Der Wein kleistert den Gaumen förmlich aus. Mit der Zeit wird der Wein zwar etwas schlanker, der Grundtenor bleibt aber der gleiche. Ich versuche den Wein technisch zu beurteilen und vergebe dennoch 17 Punkte. Mein Fall ist das nicht.

6. 1998 Fox Creek Reserve Shiraz
schön verwobene Nase, blaubeerig, Minze. Am Gaumen wie beim Vorgänger sehr extraktreich. Aber hier findet man mehr Struktur. Langer Abgang. Mehr Trinkfluß als beim
Vorgänger, aber auch das ist nicht mein Wein. 17,5

7. 2005 Gaelic Cemetery Shiraz
Sehr intensive Nase nach reifem Lesegut und einen Touch Vanille. Am Gaumen wieder sehr viel Extrakt und alkoholisch (16%). Lang im Abgang aber für mich eher unangenehm. Keinerlei Trinkfluß. 17

8. 2002 Grotte Rosse, Salustri, Montecucco (100% Sangiovese)
zu Beginn sehr penetrante Nase nach verschwitztem Pferdesattel. Das legt sich mit der Zeit und weicht einer angenehmen Würzigkeit. Am Gaumen schön ausgewogen, nicht laut, gute Balance. Schöne reife Süße am Gaumen. Für das schwache Jahr eine sehr gute Leistung. 17

9. 1998 Le Sommet, Wellington, SA
Aufdringliche verholzte Nase, hochkonzentrierte Frucht. Am Gaumen unrund, zu üppig, unausgewogen. 16,5

10. 1995 L’Evangile
wunderschöne fein verwobene Nase nach Zigarrenkiste und feinem Süßholz. Mutet sehr nobel an. Nase locker 18 P. Am Gaumen schöne reife abgeschmolzene Frucht. Nach wie vor schöne Frische und eine gut stützende Säure. Es fehlt am Gaumen ein wenig Druck und etwas Tiefe. Aber dennoch ein sehr schön gereifter Wein mit viel Noblesse. 17-17,5

11. 2004 ChdP Reserve Les Clos de Caillou, Clos de Caillou
in der Nase anstrengend, etwas gummig, braucht noch Zeit. Am Gaumen deutlich besser und „sauberer“, aber auch hier noch deutlich zu jung. Potentialwertung 17+

12. 1994 Torre Muga, Rioja
Ich vermutete einen klassischen Bordeaux guten Jahrgangs. Weit gefehlt, aber reife Rioja und reife Bdx sind sich bekanntlich in der Stilistik nicht unähnlich.
Sehr fein gewobene Nase von Zedern und Zigarre. Am Gaumen sehr feine Tannine, die noch hervorragend stützen aber nicht im Geringsten den Trinkfluss stören. Auch Säure fehlt nicht und kompletiert das Gerüst des Weins. Sehr harmonisch und „lecker“ zu trinken. 17,5

13. 2003 Quilceda Creek, Washington (100% CS)
süße penetrante Tabaknase. Am Gaumen penetrante Süße, null Trinkfluß. Hier passt derzeit nichts so richtig zusammen, aber vielleicht entwickelt sich der Wein.
Beim Aufdecken wurde mir gesagt, dass der Wein um die 300 Eur kostet, aber meine mageren 16+ Punkte waren halt schon hingeschrieben.

14. 1998 Vergelegen, Cabernet Sauvignon, Stellenbosch
meine Konzentration lässt etwas nach, die Notizen werden dürftiger:
interessante würzige Nase. Am Gaumen gut balanciert. 16,5-17

15. 1990 Ch. Lamothe-Bergeron, Haut-Medoc
sehr schöne reife Nase, fein gewoben und schön verschmolzen. Am Gaumen nicht der Druck wie man es nach dieser Nase erwarten würde. Jetzt voll ausgereift und sehr schön zu trinken. Klassisch. 17

16. 1989 Barbera d’Asti „Bricco dell’Uccellone“, Braida
Nase ziemlich deutlich hinüber. Aber am Gaumen erheblich frischer. Mehr hab ich nicht mehr notiert. 16-16,5 P. für den Gaumen.

Fazit: Das war wieder einmal eine sehr erkenntnisreiche Probe. Weil es eine Blindprobe war und man auch nicht wusste, welche Weine angestellt waren, musste man zwangsläufig objektiv beurteilen. Im Ergebnis führte dies in meinem Fall dazu, dass ich zwar manchen Weinen rein technisch gesehen eine hohe Qualität zugestand, mir aber der Stil der Weine oft nicht gefiel.

Und in diese Kategorie fallen allesamt die Weine aus Australien, USA und Südafrika. Mich haben diese Wein trotz ihrer Intensität weder berührt noch begeistert. Der Ausrichter der Probe stellte bewusst keine ganz jungen Weine an, so dass eine gewisse Trinkreife angenommen werden konnte. Noch dazu waren das alles andere als günstige Weine.

Pape Clement war für mich großartig und wird sich wahrscheinlich noch sehr gut entwickeln.
Der Montepulciano von Valentini war großartig und hat gezeigt, dass auch aus vermeintlich
„kleinen“ Rebsorten hochwertige und langlebige Weine erzeugt werden können.
L’Evangile und Torre Muga trafen genau meinen Geschmack und haben mir wieder einmal gezeigt, dass ich elegante, feingliedrige, in sich stimmige Weine mit klassischer Säure- und Tanninstruktur den Blockbustern dieser Welt nach wie vor vorziehe.
Grüße
Robert

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