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Hallo zusammen,
wenn es ein Weinthema gibt, das mich laufend umtreibt, dann ist es der deutsche Spätburgunder. So gerne würde ich meine Pinot Noir Bestände überwiegend hierzulande kaufen. Aber bislang haben mich einfach zu wenige deutsche Spätburgunder wirklich umgehauen. Jedenfalls konnte ich die hohe Qualität, die den deutschen Spätburgunder auf einigen internationalen Verkostungen, in Publikationen wie dem Gault Millau oder jancisrobinson.com (Michael Schmidt) zugesprochen wird, nicht erkennen.
Daher wurde es Zeit, mal wieder einige deutsche Spätburgunder und Pinot Noirs aus dem Burgund nebeneinander zu verkosten. Schwierig ist bei solchen Verkostungen immer, eine vernünftige Vergleichsbasis zu schaffen. Ich bin der Meinung, dass dies auch nahezu unmöglich ist. Unterschiedliche Reifestadien, unterschiedliche Preisklassen, unterschiedliche Böden, all das macht viel aus. Ich habe mich bemüht, einige Weine zusammenzutragen, die möglichst vergleichbar sind. Das waren in diesem Fall 12 Pinot Noirs aus 2007, 6 aus dem Burgund und 6 aus Baden, jeweils 2 Weine von einem Winzer. Alle kommen von Kalkmergel- und Muschelkalkböden oder haben jedenfalls einen Kalkanteil. Und auch in der Preisklasse habe ich mich um Vergleichbarkeit bemüht. Es waren weder aus dem Burgund noch aus Baden absolute Basisweine dabei, und auch keine Ultra-Premium-Weine. Das Preisniveau ging knapp unter 20 Euro/Flasche los und hört knapp unter 50 Euro auf. Alle Weine wurden blind serviert, eigentlich wollte ich auch blind trinken, fand es dann aber wichtiger, eine gewisse Reihenfolge der Weine zu orchestrieren, die letztlich nach dem Motto "von leicht nach kräftig" gehen sollte. Das war tatsächlich dann aber eine Fehlvorstellung (dazu später).
Dieses Mal interessierte mich weniger, welcher Wein wieviel Punkte bekommt, sondern eher, ob man die deutschen und französischen Burgunder rausschmeckt und ob man erkennt, welche zwei Weine von einem Winzer kommen. Ersteres gelang sehr gut, zweiteres auch ganz gut.
Flight 1: Martin Waßmer - Schlatter Spätburgunder "SW" vs. Lignier Michelot Morey St. Denis 1er Cru "Charmes".
Der erste Flight startete zwiespältig. Der Waßmer war schon harte Kost - recht holzbetont (das sahen andere nicht ganz so kritisch), recht dünne Frucht, kräftige Tannine und starke Bitternoten im Mund. Es wurde darauf getippt, dass Waßmer ein paar Stiele mitvergoren hat, was offenbar stimmt (laut einem FINE Artikel über Waßmer gibt er bis zu 60% unentrappte Trauben in den Bottich). Der Wein war nicht ganz schlecht, aber richtig gut war er auch nicht. Alle in der Runde tippten auf einen Spätburgunder, und zwar einen von Johner (m.E. ein sehr guter Tipp, das hätte auch Johner sein können).
Besser gefallen hat der Runde der Lignier Michelot, der deutlich leichter, viel zugänglicher und tänzelnder war. Einigen in der Runde fehlte das gewisse Etwas und ein bisschen Substanz, ich persönlich fand den Wein hinreißend schön und im besten Sinne "Gourmand". Das gewisse Etwas lag für mich in der tänzelnden Leichtigkeit bei gleichzeitiger aromatischer Nuancenvielfalt. Hier gingen die Tipps alle nach Frankreich und auch geografisch in die richtige Richtung, nämlich nach Chambolle oder Morey.
Flight 2: Forey Nuits St. Georges 1er Cru "Perrières" vs. Ziereisen Spätburgunder "Schulen"
Das Kontrastprogramm zum Lignier Michelot lag im Forey Perrières, der viel dunkelfruchtiger, kräftiger und auch tanninbetonter war. Ich fand den Wein sehr gut und auch sehr typisch für Nuits St. Georges mit seiner etwas stämmigen Art. Die Tipps gingen nach Frankreich und dort in Richtung Chambolle oder Vosne.
Der Ziereisen war eine große Enttäuschung - holzbetont, rauchig, bitter, karg und dünn. Hervorzuheben ist allenfalls eine schöne Mineralität. Alle tippten hier auf den Spätburgunder. Den Schulen fand ich auch aus anderen Jahrgängen nie sonderlich gut und sehe hier auch kein großes Entwicklungspotenzial mehr. George, der die Ziereisen Weine gut kennt, tippte korrekt auf Ziereisen, äußerte das aber in seiner gewohnt bescheiden-vorsichtigen Art.
Flight 3: Pavelot Savigny-lès-Beaune 1er Cru "Aux Guettes" vs. Huber Bombacher Sommerhalde GG
Im dritten Flight kam ein Wein auf den Tisch, der fast so spaßbefreit war wie der Ziereisen. Super karg, mit kräftiger Säure und wenig Charme. Ein extrem sehniger Typ. Der Pavelot Aux Guettes war auch vor einem Jahr schon ziemlich zu. Ob der jemals richtig zugänglich sein wird, ist die große Frage. Ich fand den Wein trotzdem recht gut, er hatte was eigenes und war jedenfalls recht klar und gut einschätzbar. Mit Luft im Glas machte er eher weiter zu als auf. Hier wollte sich die Runde nicht festlegen, die Tendenz ging aber in Richtung Frankreich.
Im Gegenteil dazu machte der Huber im Glas auf. Das motivierte mich auch, den zweiten Huber in die Karaffe zu schicken. War der Huber anfangs noch etwas diffus, wurde er mit der Zeit immer klarer in der Aromatik. Der Wein ist konzentriert, dabei aber trotzdem leicht. Nur der recht kurze Abgang war ein Wermutstropfen. Gleichwohl bin ich ziemlich zuversichtlich, dass der Wein mit mehr Flaschenreife noch deutlich zulegen wird und dann mal ein sehr schöner Spätburgunder sein wird. Auch hier wollte sich die Runde nicht definitiv festlegen.
Essensflight: Domaine Ponsot Chambolle-Musigny 1er Cru "Charmes"
Zum Essen hatte Stefan (Créot) einen Chambolle Charmes von Ponsot mitgebracht, der nicht nur für mich, sondern auch für viele andere in der Runde, das Zeug zum Wein des Abends hatte. Diese Selbstverständlichkeit, diese Eleganz, "unsichtbare" Struktur, Köstlichkeit ist für mich der Grund, warum ich dem Virus Pinot Noir immer mehr verfalle. Ein wirklich grandioser Wein.
Flight 4: Ziereisen Spätburgunder "Rhini" vs. Pavelot Pernand-Vergelesses 1er Cru "Les Vergelesses"
Flight 4 startete mit dem zweiten Ziereisen, der sowohl mir als auch dem überwiegenden Teil der Runde sehr gut schmeckte. Im Vergleich zum Schulen war die Frucht klarer, das Holz weniger präsent, das Mundgefühl weniger karg und bitter. Als ich die 2008er bei Ziereisens probierte, fand ich auch den Rhini um Längen besser als den Schulen. Das wiederholte sich hier. Das ist für mich ein schöner Spätburgunder zum guten Preis (22 Euro ab Hof). Das Entwicklungspotenzial sehe ich aber als begrenzt an. Die Runde wollte sich auch hier nicht gleich 100% festlegen, die Tendenz ging aber in Richtung Spätburgunder, erst recht, nachdem der zweite Wein des Flights im Glas war. George tippte korrekt auf Ziereisen Rhini.
Auch der zweite Pavelot war deutlich besser als der erste, viel offener, zugänglicher, charmanter. Sehr dunkelfruchtig und tanningeprägt und auch hier wieder mit kräftiger Säure, aber alles ausgewogener als beim SlB "Guettes". Die Tipps gingen in Richtung Frankreich, es wurde vermutet, dass es sich um das Pendant zu Wein 3 (Forey) handelt, was ich bestens nachvollziehen kann.
Flight 5: Lignier Michelot Morey St. Denis 1er Cru "Chenevery" vs. Martin Waßmer Pinot Noir "GC"
Der zweite Lignier Michelot gefiel mir persönlich nicht ganz so gut wie der erste. Ein sehr guter Wein ist das trotzdem. Ihm fehlte etwas diese Debussy-artige Luftigkeit, erdig-würzige Noten spielten hier eine größere Rolle. Ich meine, dass die Tipps nach Frankreich gingen und auch richtig getippt wurde, dass es sich um das Pendant zu Wein 2 handelt.
Den zweiten "Waßmer" kündigte ich wegen seiner 14% Alkohol und der megaschweren Flasche als "Wuchtbrumme" an, was sich als falsch herausstellen sollte. Der Wein war zwar kräftig, aber erstaunlich transparent in der Aromatik, bezog seine Ausdruckskraft eher von innen als durch protziges Auftreten. Hier waren sich alle einig, dass es ein Spätburgunder ist, keiner tippte aber auf das Pendant zu Wein Nr. 1. Den Burgunderfreaks schmeckte der Wein nicht, ich fand ihn ziemlich gut und zwar sowohl als typischen Spätburgunder (mit einem Burgunder nicht zu verwechseln) als auch als guten Wein. Nur der Preis von 45 Euro ist leider indiskutabel.
Flight 6: Forey Nuits St. Georges 1er Cru "Les St. Georges" vs. Huber Hecklinger Schlossberg GG
Im letzten Flight begannen wir mit dem zweiten Forey. Zu diesem Zeitpunkt waren alle schon etwas ermüdet und nicht mehr so konzentriert. Auch Tipps, ob das nun ein Franzose oder ein deutscher ist, wurden nicht mehr abgegeben. Meiner Erinnerung nach schmeckte der Wein aber allen ausgezeichnet. Ich fand ihn auch spitze mit viel innerer Kraft, einer schön herben Art, aromatischer Transparenz.
Die hatte auch der zweite Huber, der ebenfalls erstaunlich leicht nach außen (und mit Kraft von innen) daherkam, eine wunderbare klare Aromatik hatte, sehr ausgewogen und balanciert war. Da war kein störendes Holz, der Wein hat Klasse. Der Wein schmeckte sogar den eingefleischten Burgunderfans. Das beruhigt mich etwas, denn wenn der Wein enttäuscht hätte, wäre ich wirklich sehr desillusioniert gewesen.
Fazit:
- Die Spätburgunder ließen sich überwiegend gut herausschmecken. Nur bei den Hubers wurde es schwierig. Auch der Ziereisen Rhini war im Vergleich schwer zu verorten.
- Bei den deutschen Winzern zeigte sich deutlich, dass mit steigendem (Preis-)Niveau nicht auf noch reifere Frucht und noch mehr Holz und Kraft gesetzt wird, sondern dass die Weine mit aufsteigendem Niveau an Finesse gewinnen. Das gibt mir deutlich Hoffnung. Leider sind gerade die Huber GGs (vor allem seit 2009) auch nicht gerade billig, ein Schnäppchen lässt sich also nicht machen.
- Bei zwei Mittelklasse-Spätburgundern (Waßmer "SW" und Ziereisen "Schulen") zeigte sich leider das Problem, das viele deutsche Spätburgunder haben. Es werden Techniken eingesetzt (Stiele mit vergären, neue Barriques), die die Frucht einfach nicht aushält. Weniger wäre da vielleicht mehr, dann würden hoffentlich wenigstens charmante Weine mit klarer Frucht herauskommen.
- Was dem Jahr 2007 im Burgund nachgesagt wird, hat sich in unserer Verkostung überwiegend bestätigt. Die Weine sind jung zugänglich (nur der eine Pavelot und vielleicht der Forey Les St. Georges waren etwas sperriger), das sind keine Blockbuster, man bewahrt sie im Zweifel keine 25 Jahre auf und der Abgang ist oft relativ kurz.
- Am Ende war der Erkenntnisgewinn begrenzt. Klare Aussagen wie "Burgund ist immer besser" oder "Spätburgunder sind viel günstiger" lassen sich nicht treffen. Am Ende hat sich auch gezeigt, dass die passionierten Burgunderfans mit den Spätburgundern größere Schwierigkeiten haben als die, die etwas ergebnisoffener herangehen. Der persönliche Geschmack spielt eine wirklich große Rolle.
- Was letztlich allen Spätburgundern des Abends m.E. aber doch fehlte (Huber ist die einzige Ausnahme), ist die Selbstverständlichkeit, die die Burgunder ganz überwiegend hatten. Gerade bei den beiden Lignier Michelots, beim Ponsot und letztlich auch bei den beiden Foreys und dem Pavelot "Vergelesses" schien für mich eine etwas größere Souveränität durch als bei den Spätburgundern, bei denen man eher merkte, dass noch ein bisschen rumexperimentiert werden muss mit Faktoren wie Stiele ja/nein, Art und Toasting des Holzes, etc.
- Den letzten Punkt aufnehmend bin ich recht zuversichtlich, dass sich in den nächsten 10 Jahren in diversen Regionen Deutschlands ein Spätburgunderstil durchsetzen wird, bei dem mehr Automatismen im Weinberg und im Keller zu mehr Souveränität auch der Weine führen wird. Der hoffentlich durchaus "deutsch" schmecken wird, bei dem sich aber nur die Grundaromatik (und nicht der generelle Stil) von den französischen Burgundern unterscheidet.
Ich bin gespannt auf die Eindrücke derjenigen Probenteilnehmer, die auch hier im Forum aktiv, sind und bedanke mich an dieser Stelle auch für die Geduld (es war ein langes Programm) und für die wie immer anregenden Verkostungseindrücke.
wenn es ein Weinthema gibt, das mich laufend umtreibt, dann ist es der deutsche Spätburgunder. So gerne würde ich meine Pinot Noir Bestände überwiegend hierzulande kaufen. Aber bislang haben mich einfach zu wenige deutsche Spätburgunder wirklich umgehauen. Jedenfalls konnte ich die hohe Qualität, die den deutschen Spätburgunder auf einigen internationalen Verkostungen, in Publikationen wie dem Gault Millau oder jancisrobinson.com (Michael Schmidt) zugesprochen wird, nicht erkennen.
Daher wurde es Zeit, mal wieder einige deutsche Spätburgunder und Pinot Noirs aus dem Burgund nebeneinander zu verkosten. Schwierig ist bei solchen Verkostungen immer, eine vernünftige Vergleichsbasis zu schaffen. Ich bin der Meinung, dass dies auch nahezu unmöglich ist. Unterschiedliche Reifestadien, unterschiedliche Preisklassen, unterschiedliche Böden, all das macht viel aus. Ich habe mich bemüht, einige Weine zusammenzutragen, die möglichst vergleichbar sind. Das waren in diesem Fall 12 Pinot Noirs aus 2007, 6 aus dem Burgund und 6 aus Baden, jeweils 2 Weine von einem Winzer. Alle kommen von Kalkmergel- und Muschelkalkböden oder haben jedenfalls einen Kalkanteil. Und auch in der Preisklasse habe ich mich um Vergleichbarkeit bemüht. Es waren weder aus dem Burgund noch aus Baden absolute Basisweine dabei, und auch keine Ultra-Premium-Weine. Das Preisniveau ging knapp unter 20 Euro/Flasche los und hört knapp unter 50 Euro auf. Alle Weine wurden blind serviert, eigentlich wollte ich auch blind trinken, fand es dann aber wichtiger, eine gewisse Reihenfolge der Weine zu orchestrieren, die letztlich nach dem Motto "von leicht nach kräftig" gehen sollte. Das war tatsächlich dann aber eine Fehlvorstellung (dazu später).
Dieses Mal interessierte mich weniger, welcher Wein wieviel Punkte bekommt, sondern eher, ob man die deutschen und französischen Burgunder rausschmeckt und ob man erkennt, welche zwei Weine von einem Winzer kommen. Ersteres gelang sehr gut, zweiteres auch ganz gut.
Flight 1: Martin Waßmer - Schlatter Spätburgunder "SW" vs. Lignier Michelot Morey St. Denis 1er Cru "Charmes".
Der erste Flight startete zwiespältig. Der Waßmer war schon harte Kost - recht holzbetont (das sahen andere nicht ganz so kritisch), recht dünne Frucht, kräftige Tannine und starke Bitternoten im Mund. Es wurde darauf getippt, dass Waßmer ein paar Stiele mitvergoren hat, was offenbar stimmt (laut einem FINE Artikel über Waßmer gibt er bis zu 60% unentrappte Trauben in den Bottich). Der Wein war nicht ganz schlecht, aber richtig gut war er auch nicht. Alle in der Runde tippten auf einen Spätburgunder, und zwar einen von Johner (m.E. ein sehr guter Tipp, das hätte auch Johner sein können).
Besser gefallen hat der Runde der Lignier Michelot, der deutlich leichter, viel zugänglicher und tänzelnder war. Einigen in der Runde fehlte das gewisse Etwas und ein bisschen Substanz, ich persönlich fand den Wein hinreißend schön und im besten Sinne "Gourmand". Das gewisse Etwas lag für mich in der tänzelnden Leichtigkeit bei gleichzeitiger aromatischer Nuancenvielfalt. Hier gingen die Tipps alle nach Frankreich und auch geografisch in die richtige Richtung, nämlich nach Chambolle oder Morey.
Flight 2: Forey Nuits St. Georges 1er Cru "Perrières" vs. Ziereisen Spätburgunder "Schulen"
Das Kontrastprogramm zum Lignier Michelot lag im Forey Perrières, der viel dunkelfruchtiger, kräftiger und auch tanninbetonter war. Ich fand den Wein sehr gut und auch sehr typisch für Nuits St. Georges mit seiner etwas stämmigen Art. Die Tipps gingen nach Frankreich und dort in Richtung Chambolle oder Vosne.
Der Ziereisen war eine große Enttäuschung - holzbetont, rauchig, bitter, karg und dünn. Hervorzuheben ist allenfalls eine schöne Mineralität. Alle tippten hier auf den Spätburgunder. Den Schulen fand ich auch aus anderen Jahrgängen nie sonderlich gut und sehe hier auch kein großes Entwicklungspotenzial mehr. George, der die Ziereisen Weine gut kennt, tippte korrekt auf Ziereisen, äußerte das aber in seiner gewohnt bescheiden-vorsichtigen Art.
Flight 3: Pavelot Savigny-lès-Beaune 1er Cru "Aux Guettes" vs. Huber Bombacher Sommerhalde GG
Im dritten Flight kam ein Wein auf den Tisch, der fast so spaßbefreit war wie der Ziereisen. Super karg, mit kräftiger Säure und wenig Charme. Ein extrem sehniger Typ. Der Pavelot Aux Guettes war auch vor einem Jahr schon ziemlich zu. Ob der jemals richtig zugänglich sein wird, ist die große Frage. Ich fand den Wein trotzdem recht gut, er hatte was eigenes und war jedenfalls recht klar und gut einschätzbar. Mit Luft im Glas machte er eher weiter zu als auf. Hier wollte sich die Runde nicht festlegen, die Tendenz ging aber in Richtung Frankreich.
Im Gegenteil dazu machte der Huber im Glas auf. Das motivierte mich auch, den zweiten Huber in die Karaffe zu schicken. War der Huber anfangs noch etwas diffus, wurde er mit der Zeit immer klarer in der Aromatik. Der Wein ist konzentriert, dabei aber trotzdem leicht. Nur der recht kurze Abgang war ein Wermutstropfen. Gleichwohl bin ich ziemlich zuversichtlich, dass der Wein mit mehr Flaschenreife noch deutlich zulegen wird und dann mal ein sehr schöner Spätburgunder sein wird. Auch hier wollte sich die Runde nicht definitiv festlegen.
Essensflight: Domaine Ponsot Chambolle-Musigny 1er Cru "Charmes"
Zum Essen hatte Stefan (Créot) einen Chambolle Charmes von Ponsot mitgebracht, der nicht nur für mich, sondern auch für viele andere in der Runde, das Zeug zum Wein des Abends hatte. Diese Selbstverständlichkeit, diese Eleganz, "unsichtbare" Struktur, Köstlichkeit ist für mich der Grund, warum ich dem Virus Pinot Noir immer mehr verfalle. Ein wirklich grandioser Wein.
Flight 4: Ziereisen Spätburgunder "Rhini" vs. Pavelot Pernand-Vergelesses 1er Cru "Les Vergelesses"
Flight 4 startete mit dem zweiten Ziereisen, der sowohl mir als auch dem überwiegenden Teil der Runde sehr gut schmeckte. Im Vergleich zum Schulen war die Frucht klarer, das Holz weniger präsent, das Mundgefühl weniger karg und bitter. Als ich die 2008er bei Ziereisens probierte, fand ich auch den Rhini um Längen besser als den Schulen. Das wiederholte sich hier. Das ist für mich ein schöner Spätburgunder zum guten Preis (22 Euro ab Hof). Das Entwicklungspotenzial sehe ich aber als begrenzt an. Die Runde wollte sich auch hier nicht gleich 100% festlegen, die Tendenz ging aber in Richtung Spätburgunder, erst recht, nachdem der zweite Wein des Flights im Glas war. George tippte korrekt auf Ziereisen Rhini.
Auch der zweite Pavelot war deutlich besser als der erste, viel offener, zugänglicher, charmanter. Sehr dunkelfruchtig und tanningeprägt und auch hier wieder mit kräftiger Säure, aber alles ausgewogener als beim SlB "Guettes". Die Tipps gingen in Richtung Frankreich, es wurde vermutet, dass es sich um das Pendant zu Wein 3 (Forey) handelt, was ich bestens nachvollziehen kann.
Flight 5: Lignier Michelot Morey St. Denis 1er Cru "Chenevery" vs. Martin Waßmer Pinot Noir "GC"
Der zweite Lignier Michelot gefiel mir persönlich nicht ganz so gut wie der erste. Ein sehr guter Wein ist das trotzdem. Ihm fehlte etwas diese Debussy-artige Luftigkeit, erdig-würzige Noten spielten hier eine größere Rolle. Ich meine, dass die Tipps nach Frankreich gingen und auch richtig getippt wurde, dass es sich um das Pendant zu Wein 2 handelt.
Den zweiten "Waßmer" kündigte ich wegen seiner 14% Alkohol und der megaschweren Flasche als "Wuchtbrumme" an, was sich als falsch herausstellen sollte. Der Wein war zwar kräftig, aber erstaunlich transparent in der Aromatik, bezog seine Ausdruckskraft eher von innen als durch protziges Auftreten. Hier waren sich alle einig, dass es ein Spätburgunder ist, keiner tippte aber auf das Pendant zu Wein Nr. 1. Den Burgunderfreaks schmeckte der Wein nicht, ich fand ihn ziemlich gut und zwar sowohl als typischen Spätburgunder (mit einem Burgunder nicht zu verwechseln) als auch als guten Wein. Nur der Preis von 45 Euro ist leider indiskutabel.
Flight 6: Forey Nuits St. Georges 1er Cru "Les St. Georges" vs. Huber Hecklinger Schlossberg GG
Im letzten Flight begannen wir mit dem zweiten Forey. Zu diesem Zeitpunkt waren alle schon etwas ermüdet und nicht mehr so konzentriert. Auch Tipps, ob das nun ein Franzose oder ein deutscher ist, wurden nicht mehr abgegeben. Meiner Erinnerung nach schmeckte der Wein aber allen ausgezeichnet. Ich fand ihn auch spitze mit viel innerer Kraft, einer schön herben Art, aromatischer Transparenz.
Die hatte auch der zweite Huber, der ebenfalls erstaunlich leicht nach außen (und mit Kraft von innen) daherkam, eine wunderbare klare Aromatik hatte, sehr ausgewogen und balanciert war. Da war kein störendes Holz, der Wein hat Klasse. Der Wein schmeckte sogar den eingefleischten Burgunderfans. Das beruhigt mich etwas, denn wenn der Wein enttäuscht hätte, wäre ich wirklich sehr desillusioniert gewesen.
Fazit:
- Die Spätburgunder ließen sich überwiegend gut herausschmecken. Nur bei den Hubers wurde es schwierig. Auch der Ziereisen Rhini war im Vergleich schwer zu verorten.
- Bei den deutschen Winzern zeigte sich deutlich, dass mit steigendem (Preis-)Niveau nicht auf noch reifere Frucht und noch mehr Holz und Kraft gesetzt wird, sondern dass die Weine mit aufsteigendem Niveau an Finesse gewinnen. Das gibt mir deutlich Hoffnung. Leider sind gerade die Huber GGs (vor allem seit 2009) auch nicht gerade billig, ein Schnäppchen lässt sich also nicht machen.
- Bei zwei Mittelklasse-Spätburgundern (Waßmer "SW" und Ziereisen "Schulen") zeigte sich leider das Problem, das viele deutsche Spätburgunder haben. Es werden Techniken eingesetzt (Stiele mit vergären, neue Barriques), die die Frucht einfach nicht aushält. Weniger wäre da vielleicht mehr, dann würden hoffentlich wenigstens charmante Weine mit klarer Frucht herauskommen.
- Was dem Jahr 2007 im Burgund nachgesagt wird, hat sich in unserer Verkostung überwiegend bestätigt. Die Weine sind jung zugänglich (nur der eine Pavelot und vielleicht der Forey Les St. Georges waren etwas sperriger), das sind keine Blockbuster, man bewahrt sie im Zweifel keine 25 Jahre auf und der Abgang ist oft relativ kurz.
- Am Ende war der Erkenntnisgewinn begrenzt. Klare Aussagen wie "Burgund ist immer besser" oder "Spätburgunder sind viel günstiger" lassen sich nicht treffen. Am Ende hat sich auch gezeigt, dass die passionierten Burgunderfans mit den Spätburgundern größere Schwierigkeiten haben als die, die etwas ergebnisoffener herangehen. Der persönliche Geschmack spielt eine wirklich große Rolle.
- Was letztlich allen Spätburgundern des Abends m.E. aber doch fehlte (Huber ist die einzige Ausnahme), ist die Selbstverständlichkeit, die die Burgunder ganz überwiegend hatten. Gerade bei den beiden Lignier Michelots, beim Ponsot und letztlich auch bei den beiden Foreys und dem Pavelot "Vergelesses" schien für mich eine etwas größere Souveränität durch als bei den Spätburgundern, bei denen man eher merkte, dass noch ein bisschen rumexperimentiert werden muss mit Faktoren wie Stiele ja/nein, Art und Toasting des Holzes, etc.
- Den letzten Punkt aufnehmend bin ich recht zuversichtlich, dass sich in den nächsten 10 Jahren in diversen Regionen Deutschlands ein Spätburgunderstil durchsetzen wird, bei dem mehr Automatismen im Weinberg und im Keller zu mehr Souveränität auch der Weine führen wird. Der hoffentlich durchaus "deutsch" schmecken wird, bei dem sich aber nur die Grundaromatik (und nicht der generelle Stil) von den französischen Burgundern unterscheidet.
Ich bin gespannt auf die Eindrücke derjenigen Probenteilnehmer, die auch hier im Forum aktiv, sind und bedanke mich an dieser Stelle auch für die Geduld (es war ein langes Programm) und für die wie immer anregenden Verkostungseindrücke.
Zuletzt geändert von octopussy am Sa 15. Mär 2014, 00:21, insgesamt 2-mal geändert.
Beste Grüße, Stephan