Mo 2. Dez 2013, 11:28
Hallo Weinforum,
jetzt ist es soweit. Mitten in der Woche eine umfangreiche Weinprobe.
Am Dienstag, dem 26.11.2013, hatten sich der Priorat-Hammer (Torsten Hammer) und der allen Insidern gut bekannte Montsant-Winzer Jaume Roca von der Ficaria Vins (Pater, Elia) zu einer Verkostung bei uns in Oberhausen avisiert. Einige Weinfreunde haben es auch innerhalb der Woche geschafft, uns bei der Entleerung von Flascheninhalten zu unterstützen. Trotz des frühen Beginns (18h) wurde es eine lange Nacht. Jeder Teilnehmer hat Weine eingebracht.
Als deutsche Gastgeber mussten wir Jaume Roca zunächst von der Qualität des deutschen Riesling überzeugen. Zur allgemeinen Verwirrung begannen wir deshalb verdeckt mit einer Flasche 2006 Kammerner Lamm Grüner Veltliner von Schloss Gobelsburg. Mir fehlte es für ausführliche Verkostungsnotizen an dieser Stelle an Ruhe und Zeit. Deshalb in Kürze: er bestätigte mit Weichheit und Schmelz seine hohe Qualität. Trotz Botrytis. Verdeckte nahezu den hohen Alkoholgehalt. Die kaum existente Säure machte den Wein auch für eine katalanische Zunge gut verträglich. Auch der Rest der Truppe zögerte, auf Riesling zu tippen. Auf GV kam nach meiner Erinnerung keiner. Bei mir 93 NK Punkte.
Dann ging es aber weiter mit zwei herausragenden Vertretern des deutschen Rieslings. Sowohl der 2002er Westhofener Morstein Riesling GG von Wittmann als auch der 2003er Westhofener Morstein Riesling GG von Keller bewiesen Ihre Klasse mit totaler Harmonie, bei einer etwas höheren Säure für den 2002er Wittmann. Beides aber auch für Jaume gut verträglich. Keiner der Weine zeigte Altersnoten. Beide hatten die Größe und Intensität eines Großen Gewächses. Es ist eine Frage der persönlichen Vorliebe, welchen Wein man vorzieht. Bei mir bekam der Wittmann 96 NK Punkte. Der Keller 95 NK Punkte. Den Unterschied machte die Säure aus.
Enttäuscht hat mich hingegen etwas die 2005er Hochheimer Hölle Riesling trocken Erstes Gewächs von Künstler. Man merkte zwar den hohen Anspruch des Winzers. Aber dem Wein mangelte es etwas an Charakter und Tiefe für einen Wein dieses Preisniveaus. Bei mir nur 87 NK Punkte.
Obwohl in der Reihenfolge später serviert (Essensbegleiter zum Pfälzer Saumagen bzw. dem Nachtisch) möchte ich den Kallstadter Saumagen Riesling trocken „S“ vom Benderhof und die 2006er Herxheimer Honigsack Scheurebe Beerenauslese vom Benderhof nicht unerwähnt lassen. Über dieses befreundete Weingut habe ich im Laufe der Jahre so viel geschrieben, das man mir zum Schluss ein Verhältnis mit der Winzerin unterstellte. Dann habe ich es doch lieber gelassen.
Beide Weine erfüllten ihre Aufgabe aus meiner Sicht hervorragend. Der Riesling „S“ jugendlicher und mit einer lebendigen Säure ausgestattet als die GG’s und das EG. Mit 88 NK Punkten zwar deutlich niedriger gepunktet als die GG‘s. Dafür ist das Preisniveau aber auch deutlich niedriger als bei Keller, Künstler und Wittmann. Auch die Scheurebe aus der 0,7l-Flasche beeindruckte mit seiner typischen Scheu-Aromatik, einer trotz des schwierigen Jahrgangs angenehmen Frische (die Säure war bei diesem Wein angenehm hoch), und einer moderaten und doch intensiven Edelsüße. Bei mir 92 NK Punkte.
Vielleicht können sich mitlesende Teilnehmer etwas detaillierter zu den Weißweinen äußern.
Bei den Rotweinen habe ich dann etwas mitgeschrieben.
1.
2000 Mazis-Chambertin Grand Cru
Propriétaire Domaine Harmand-Geoffrey, Gevrey-Chambertin
Rubinrote Farbe, in der Nase zeigt sich eine sehr ausgewogene, wunderschön gereifte Pinot-Frucht, Kirsche, Unterholz, Kräuter, auch etwas Holzröstung, im Wein von mittlerem Körper, die Frucht zeigt kräuterige Noten, Würze und eine gute Portion Mineralität, hat Biss, ein sehr feiner, intensiver Nachhall vermittelt einen gewissen Charme, die durchaus präsente Säure wirkt auf mich durchaus nicht störend, ordentliche Länge, für das ausgesprochen schwierige Burgunder-Jahr ein toller Wein, 90 NK Punkte
Die nächsten beiden Weine habe ich für Jaume als Grenache-Liebhaber ausgesucht.
2.
2000 Chateauneuf du Pape Cuvée Réservée
Domaine du Pegau
Paul Féraud et Fille, Propriétaire
Tiefes rubinrot in der Farbe mit leicht braunem Rand, in der Nase feinreife, eher filigrane, saubere Frucht geprägt von Unterholz, Pilzen und etwas Kirsche, im Wein leichter bis mittlerer Körper, reife Frucht, reife Tannine, schöne, stimmige Säure, der Wein wird von Eleganz getragen, wirkt im Gaumen ausgesprochen elegant, schöne Länge, hat sich besser entwickelt als so manches 100 PP-Gewächs aus dieser Region und diesem Baujahr, gefällt mir sehr gut, 91 NK Punkte
3.
2000 Rasteau
Domaine Gourt de Mautens
Jérôme Bressy, Vignerons a Rasteau
Meine Güte, was ist über diesen Wein in der Vergangenheit nicht alles geschrieben worden. Von Himmelhochjauzend bis zu Tode betrübt. Vorweggenommen. Für mich war der Wein besser als die meisten Ch9 der letzten Ch9-Probe über die ich eigentlich noch berichten wollte. Aber es fällt mir zunehmend schwerer.
In der Farbe tiefes rubinrot, in der Nase dunkle, kräuterwürzige Frucht, Brombeere, etwas Holz, wirkt erstaunlich frisch und springt mich förmlich an, von dem viel zitierten Stinker habe ich nichts gemerkt, im Wein von mittlerem bis dichten Körper, reife, kompakte Schwarzkirsch-Frucht, Teer-Noten, spürbare Mineralität, verfügt immer noch über eine dichte Tannin-Struktur, gut integrierte Säure, lang, toller Wein der aufgrund seiner Struktur auch noch einige Jahre halten wird, 93 NK Punkte
Danach öffneten wir die Weine des anwesenden Winzers. Alle deutlich jünger, zum Teil für diesen Event bzw. für seine Deutschland-Reise vorab auf Flasche gefüllt. Vorweg genommen, alle Weine hätten wohl besser am Vorabend dekantiert werden sollen. So hatten sie es gegen die überwiegend reifen Mitbewerber nicht leicht.
4.
2010 Elia - Montsant
80% Garnatxa Negra, 10% Cabernet Sauvignon, 10% Syrah
Ficaria Vins, La Figuera
+
In der Farbe nahezu schwarzrot, die Nase zeigt eine noch sehr jugendliche, rotbeerige Frucht mit Neigung zur Härte, hier fehlt einfach die Luft, im Wein von leichtem bis mittleren Körper, jugendliche, lebendige Frucht, Cranberry, schwarze Johannisbeere, auch etwas Veilchenpastille, die Gerbsäure erscheint kräftig und momentan etwas abweisend, der Wein vermittelt eine kühle Ausstrahlung, braucht Zeit zur Entwicklung, passable Länge, 87+ NK Punkte mit Entwicklungspotential, im derzeitigen Zustand fehlt mir der Spaßfaktor
5.
2011 Elia - Montsant
80% Garnatxa Negra, 10% Cabernet Sauvignon, 10% Syrah
Ficaria Vins, La Figuera
Schwarzrote Farbe, in der Nase jugendlich-intensive Schwarzkirschfrucht, sehr präsent, wirkt erstaunlich weit entwickelt und deutlich zugänglicher, charmanter als der 2010er, im Wein von leichtem bis mittleren Körper, der Wein wirkt zwar jugendlich und noch sehr tanningeprägt hat aber einen sehr saftigen, rotbeerigen Ansatz, wirkt harmonisch-intensiv mit feiner Süße, die Säure erscheint deutlich besser integiert als beim 2010er, zumindest im derzeitigen Zustand, gute Länge, 89+ NK Punkte
6.
2009 Pater - Montsant
100% Garnatxa Negra
Ficaria Vins, La Figuera
Tiefrote Farbe, in der Nase tiefe dunkle Beerenfrucht, Kräuter und vielleicht etwas likörig wirkend, im Wein von mittlerem Körper, dichte, konzentrierte Frucht, jugendliche Tannine, gut integrierte Säure, wirkt etwas portig mit leichtem Alkoholtouch, zur Zeit wirkt der Wein in seiner Gesamtwirkung etwas hart, unnahbar, hier dürfte auch die Luft für eine Charme-Attacke fehlen, recht langer Abgang, 91+ NK Punkte
7.
2010 Pater - Montsant
100% Garnatxa Negra
Ficaria Vins, La Figuera
Alc 14,5%
Tiefrote Farbe, in der Nase sehr feine, hochelegante Beerenfrucht, ausgewogen, lebendig, im Vergleich zum 2010er Elia wirklich erstaunlich, im Wein von mittlerem Körper, saftig-intensive Frucht von dunkelroten Beeren, lebendige Struktur, zeigt Finesse, trotzdem sehr lang, der Wein hat Trinkfluss, sehr schön, derzeit mein Favorit unter den Ficaria Vins-Weinen, 93+ NK Punkte
8.
2011 Cerverola - Montsant
100% Garnatxa Negra
Ficaria Vins, La Figuera
Es gibt nur 500 Flaschen
Alc 15,5%
Rubinrote Farbe, in der Nase jugendliche, etwas künstliche, vom Holzeinfluss geprägte Frucht, im Wein von mittlerem Körper, die opulente Frucht wirkt auf mich etwas künstlich, gewollt, der Wein vermittelt ein intensives Mundgefühl, Tannine und Säure sind gut miteinander verwoben, die Tannine müssen aber noch reifen, sehr langer Abgang, der Wein ist mit dem was ich als künstlich empfinde jetzt nicht mein Fall, hat mit Sicherheit aber Potential, möglicherweise ist auch hier die Zeit der Fürsprecher für den Wein, jetzt nur 91+ NK Punkte
9.
2000 Lo Givot
Celler del Pont S.L., La Vilella Baixa
Rubinrote Farbe, in der Nase schön gereifte Frucht, etwas Paprika, viel süße Beerenfrucht, im Wein von mittlerem Körper, saftig-intensive, ausdrucksstarke Frucht, lang, rund, alles voller Harmonie, der Cabernet-Anteil wurde herausgeschmeckt, reife Tannine, perfekt, so schön kann Priorat reifen, jetzt trinken, 94 NK Punkte
10.
2000 Abat Domènech
Rebsorten: Cabernet Sauvignon, Carinyena, Garnatxa negra, Merlot, Syrah
Celler Cesca Vicent, Gratallops
Es gibt nur 7.354 Flaschen
Tiefrote Farbe, in der Nase dunkel und etwas verschlossen, Holzaromen, Vanille, es mangelt an Frucht und Charme, im Wein von mittlerem Körper, saftige, aber auch hier etwas röstige Frucht, erinnert mich im Holzeinsatz eher unangenehm an Riojas traditioneller Bauart, reife, aber trocknende Tannine, ansonsten recht intensives Mundgefühl, gute Länge, 91 NK Punkte
11.
2007 Clos Dominic Vinyes Altes
75% Carineña, 25% Garnacha von 80 – 120 Jahre alten Reben
Clos Dominic, Porrera
Anmerkung: der Wein wurde vom Weinfreund einen Tag zuvor dekantiert, tiefrote Farbe, in der Nase stört mich eine aufgesetzt wirkende, pudrige Frucht, unangenehm, im Wein von mittlerem Körper, das eigenwillige Nasenparfum setzt sich im Geschmacksbild gleichermaßen unschön fort, flüchtige Säure, der Wein hat aber durchaus Länge, mehr als 85 NK Punkte kann ich ihm beim besten Willen nicht geben, zur Ehrenrettung sei gesagt, dass er sich am Folgetag besser präsentierte, das aufgesetzt wirkende Parfum ist verflogen, vielleicht 2 Punkte mehr, aber vom 90er Punkte-Bereich immer noch entfernt
12.
2007 Cami Pesseroles
70% Garnacha, 30% Carinena
Familia Pérez i Ovejero, Viticultors
Mas Martinet Viticultors, Gratallops
Anmerkung: der Wein wurde vom Weinfreund einen Tag zuvor dekantiert, tiefrote Farbe, in der Nase finde ich eine opulente, dunkle, tiefe Frucht von Brombeere, Holunder und Lakritze, im Wein von mittlerem bis dichten Körper, saftig-intensive Frucht, absolut frisch und mineralisch rüberkommend, das ist Llicorella-Schiefer pur, feste, dichte Struktur, gleichzeitig harmonisch, lang, ein Super-Wein der sich am Folgetag noch weiter verbessert hat, 94+ NK Punkte
13.
1994 Finca Dofi
95% Garnacha und 5% Syrah
Alvaro Palacios, Gratallops
Tiefrote Farbe, in der Nase saubere, klare Frucht von dunkelroten Beeren, vielleicht etwas stark vom Holz geprägt, im Wein von mittlerem Körper, reife, durchaus saftige Frucht, die Tannine kommen etwas heftig rüber, die Runde zerreißt den Wein und ruft „austrocknend“, wenig Charme, dennoch gute Länge, 92 NK Punkte, damit lag ich deutlich über den Punkten der anderen Weinfreunde
14.
2005 Château Mosse „Le Blues“
Rebsorten: Carignan, Grenache, Syrah
Côtes du Roussillon
SCEA J. Mosse, Vignerons
Tiefrote Farbe, in der Nase dunkle, aber recht offene Frucht mit feiner Beerenfrucht, nussige Töne, auch Holz, im Wein von mittlerem Körper, saftige Frucht, reif, mineralisch, sehr intensiv am Gaumen, harmonisch eingebundene Säure, langer Abgang, 93 NK Punkte, ich war sehr skeptisch ob dieses Mitbringsels, muss mein Vorurteil aber deutlich korrigieren, sehr schöner Vertreter dieser Region
15.
1998 Cims de Porrera Classic
Cariñena 80%, Garnacha 20%
Cims de Porrera, Porrera
Tiefrote Farbe, in der Nase wunderschöne, offene Beerenfrucht, feine Reife, getragen von Eleganz, im Wein von mittlerem Körper, saftige, wenn auch reife Frucht, Kaffee, Mokka, harmonisches Geschmacksbild bei guter Intensität, schöne Länge, sollte aber jetzt getrunken werden, 93 NK Punkte
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Fazit:
Das Fazit möchte ich eigentlich den teilnehmenden Mit-Forumianern überlassen.
Für mich bestätigten die meisten Prioratos ihre Reifefähigkeit, wobei es einzig beim Finca Dofi Meinungsunterschiede wegen trocknender Tannine gab. Enttäuschend der Clos Dominic, der sich am Folgetag aber verbessert präsentierte. Obwohl Rolf ihn bereits am Vortag dekantierte, brauchte er offensichtlich noch mehr Luft. Für mich war der Burgunder aus dem schwierigen Jahrgang 2000 eine sehr positive Überraschung, genauso wie der Château Mosse. Bei beiden Weinen hatte ich im Vorfeld Zweifel, ob sie an diesem Abend passen würden.
Die Weine von Jaume wurden erst am Abend geöffnet, waren noch sehr jung und deshalb im Verbund mit den zahlreichen, gereiften Weinen schwer zu verstehen. Ich denke, dass sich insbesondere Pater und Cerverola in 4-5 Jahren noch besser präsentieren werden.
Gruß aus Oberhausen
Norbert
Zuletzt geändert von
kreutzer am Mo 2. Dez 2013, 19:38, insgesamt 1-mal geändert.