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Kreutzer's Verkostungsnotizen im Laufe der Zeit

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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kreutzer

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Eine Elsass-Reise Teil 2

BeitragMi 14. Aug 2013, 06:39

Hallo Weinforum,

wem der Bericht meines Weinfreundes aka Willi Igel über eine gemeinsame Weinreise ins Elsass (Teil 1 Paul Blanck) gefallen hat, der mag auch Interesse an dem noch nicht auf Chef der Metzger hat gesagt veröffentlichten Bericht über den Besuch bei Leon Beyer Spaß haben.

Es folgen noch Berichte über Marcel Deiss, Andre Ostertag und Marc Kreydenweiss.

Anfang


Weh-Weh-Weh Willis Hausbesuche



Heute: Leon Beyer



Früher wars ja so, dass man sich auf dem Gang zum Briefkasten freute. Klar, im randvollen Kasten lag zwischen den Briefen von Freunden und den Zeitungen, die man so im Abo hatte, immer wieder auch mal die eine oder andere Rechnung, gelegentlich auch mal Post von der Stadt, die wieder einmal fand, dass man anderswo hätte parken, die Parkuhr bedienen oder langsamer hätte fahren sollen. Aber so im Schnitt, da war der Inhalt des Postkastens, dann doch eher von der erbaulichen Sorte – denn für jeden Bettelbrief des Ordnungsamtes waren mindestens vier, fünf Liebesbriefe von rattenscharfen Igelinnen im Angebot. Ja, den Kasten streichelte man, wenn man nach Hause kam, man lobte ihn („feiiiin“) für seine Arbeit und für seinen Inhalt, fast wie einen Koch für das zubereitete Gericht. Auch wenns natürlich Unsinn war, weil der Kasten ja nichts auf demselben haben musste, um zu einem intellektuell schmackhaften Inhalt zu kommen. Da waren eher die Briefeschreiberinnen und der Postzusteller verantwortlich zu machen. Dennoch, der Akt des Aufbewahrens und Ausspuckens dieser schönen Post wollte ja auch gewürdigt werden.

Das war früher. Heute ist der alte Kamerad an der Haustür ganz schön abgemagert. Er wirkt mürrisch. Liegt auch an mir, so richtig loben mag ich ihn nicht mehr. Statt des Dutzends von Sendungen, die früher täglich drin waren, kommt nur noch alle paar Tage etwas. Der Postkasten lebt praktisch Diät. Steht ihm nicht gut. Außerdem landet das Angenehme, also die Fanpost und die Liebesbriefe, praktisch komplett als Elektrokorrespondenz in der Mailbox, Papierbriefe schreibt kaum noch einer und die meisten Zeitschriften liest man auch eher tagesaktuell online. So dass der Briefkasten nichts anderes mehr birgt als Rechnungen und diese Zahlungsaufforderungen der Stadt. Davon bekäme er Verdauungsbeschwerden, meinte er neulich erst, das sei alles Ausschuss – und dann diese ständigen Diäten, er fühle sich schon wie ein Abgeordneter.

Ich habe ihm daraufhin versprochen, dass es künftig wieder mehr zu futtern geben werde. Und den Vorsatz habe ich umgesetzt, denn seit einigen Monaten läuft da bei mir ein etwas größer angelegter Tierversuch mit den Ordnungsbehörden von Stadt und Land. Ich will mal testen, wie oft die mir in der Auseinandersetzung über einen ziemlich lächerlichen Verkehrsverstoß antworten, ohne dass mir zusätzliche Kosten entstehen. Dem Postkasten gefällts, denn er weiß, dass ich mich über die Schriebe der Ordnungsbehörden, die auf meine bewusst dämlichen bis impertinenten Briefe ebenso unermüdlich wie bürokratisch antworten, immer mehr freue – und dass es mich abgesehen vom Porto keinen müden Cent kostet, mich mit den Behörden zu streiten.

Auslöser war wie gesagt ein eher harmloses Ding. Ich sei zu schnell gefahren hieß es. Und ich hätte auf die schriftliche Verwarnung der Polizei hin nicht bezahlt. Also werde das angebotene Verwarngeld von 20 Euro jetzt zum Bußgeld und kämen Verwaltungskosten in gleicher Höhe hinzu. Na sowas! Ich hatte doch gezahlt. Gut, ich hatte das Aktenzeichen zur Sicherheit nicht angegeben, ein wenig will man die Kameraden ja auch beschäftigt halten. Und ich hatte in den Verwendungszweck der Überweisung geschrieben, ich protestierte gegen die Abzocke. Da haben die das Geld doch glatt zurück überwiesen. Es sei keinem konkreten Verstoß zuzuordnen. Klar, kann ich mir vorstellen, wo es doch so viele Strafzettel gibt, die reine Abzocke sind. Aber immerhin, mein guter Willi Wille war da.

Was macht man in so einer Situation? Zahlen muss man am Ende, das ist klar. Aber meinen Spaß will ich ja auch haben… Also schreibe ich erst einmal, ich hätte doch bezahlt, und schicke eine Kopie der Überweisung mit. Erwartungsgemäß kam die Antwort, man hätte nicht zuordnen können und habe deswegen zurücküberwiesen, das hätte mir doch auffallen müssen. Nö, habe ich mal geantwortet, wie hätte ich die Überweisung der Stadt denn diesem konkreten Verstoß zuordnen sollen, wenn die Stadt selbst das mit meiner Überweisung auch nicht gekonnt habe. Angesichts der Vielzahl der Strafmandate, die sich im Laufe eines Monats so ansammelten, sei das für mich nicht so einfach. Ja gut, schrieben sie mir wieder, jedenfalls müsse ich noch einmal zahlen. Klar, antwortete ich, doch natürlich keine Gebühren, die ja durch die Unfähigkeit der Stadt zur Zuordnung überhaupt erst angefallen seien. Zumal in der Verwarnung auch nicht gestanden hätte, dass man das Aktenzeichen habe angeben müssen. Und außerdem wolle ich wissen, warum dort überhaupt eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei, die hielte ich nämlich für unangemessen.

Doch, zahlen müsse ich, kam gleich die Antwort, auch die Gebühren. Und für die Geschwindigkeitsbegrenzung sei man nicht zuständig, das verantworte die Bezirksregierung. Was das denn für ein Rechtsverständnis sei, habe ich gefragt, wenn eine Behörde einfach Inkasso für eine andere Behörde mache, ohne die Rechtsakte, deren Brechen das Inkasso überhaupt erst erlaube, zu hinterfragen, zu prüfen oder zumindest zu verstehen. Vor diesem Hintergrund müsse ich dann doch Dienstaufsichtsbeschwerde erheben, gegen Beamte, die so unreflektiert arbeiteten. Und noch dazu so wenig kundenfreundlich, dass sie nicht einmal in der Lage seien, Zahlungen Verkehrsverstößen zuzuordnen. Die Beschwerde wurde zurückgewiesen, wogegen ich natürlich mit neuen, interessanten Argumenten protestiert habe.

Dann habe ich selbstverständlich auch die Polizeidienststelle angeschrieben, von der die ursprüngliche Verwarnung kam. Ob sie denn wüssten, warum an der Stelle so eine strikte Geschwindigkeitsbegrenzung verhängt worden sei. Mir sei zudem aufgefallen, dass dort besonders häufig Radarkontrollen stattfänden – und in der Stadt rege man sich ziemlich darüber auf, halte das in Ermangelung einer plausiblen Erklärung für die Geschwindigkeitsbegrenzung gar für Abzocke. Das sei sehr gefährlich, schrieb ich der Polizei, da diese sehr schnell von der Bevölkerung nicht mehr als „Freund und Helfer“, sondern als Beihelfer bei der Abzocke wahrgenommen werde. Ein Eindruck, den man auf jeden Fall verhindern müsse, um Reputationsschaden von den Ordnungshütern abzuwenden. Weswegen ich anregte, entweder eine gute Begründung für die Geschwindigkeitsbegrenzung zu liefern – „verengte Fahrsteifen“ oder sowas, oder, falls es wider Erwarten keine guten Gründe gäbe, die Begrenzung einfach wieder aufzuheben. Die Polizeibehörde solle das doch bitte mit der Bezirksregierung aufnehmen und mich über den Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden halten.

Zur Sicherheit habe ich ein ähnliches Schreiben auch an die Bezirksregierung gerichtet. Und nebenher natürlich das Bußgeld und die Gebühren an die Stadtkasse überwiesen. Unter Protest, ausdrücklich nur zur Abwendung des inzwischen angedrohten Gerichtsverfahrens und mit der Bitte, nach Ende der Tatsachenaufnahme im Zusammenhang mit der Dienstaufsichtsbeschwerde und in meinem Sinne „positiver Verbescheidung“ an mich zurück zu überweisen. Allerdings habe ich zur Steigerung der Verwirrung fünfzig Cent zu viel überwiesen, das habe ich auch auf den Überweisungsträger geschrieben – aufgerundet, wegen Ihrer Auslagen. Das gab dann den nächsten Brief, Überzahlungen dürfe man nicht annehmen, auch wenns gut gemeint sei. Der Gebührensatz der Stadt decke die Auslagen voll ab. Daraufhin habe ich an den Oberbürgermeister geschrieben, mich nach dem Ergebnis der Dienstaufsichtsbeschwerde erkundigt und ihm mitgeteilt, ich wolle diese noch um den Aspekt des unwirtschaftlichen Verwaltungshandelns erweitern, denn allein das Porto des Schriftwechsels sei auf Seiten der Stadt inzwischen höher als die Gebühren, so dass erstens eine Niederschlagung angemessener und zweitens für den Fall eines negativen Ausgangs der internen Prüfung meiner Beschwerde, die Annahme einer freiwillig gezahlten höheren Gebühr geboten gewesen wäre. Mal sehen, was er antworten wird. Mit gesonderter Post habe ich ihn zudem gebeten, mir im Rahmen der ihm durch das Informationsfreiheitsgesetz auferlegten Auskunftspflichten mitzuteilen, wie hoch die Einnahmen der Stadt aus Bußgeldern für Ordnungswidrigkeiten in den Haushaltsjahren 2002 bis 2012 gewesen seien, bitte unterteilt nach ruhendem und nichtruhendem Straßenverkehr. Ähnliche Anfragen gingen auch an die Polizei und die Landesregierung für die Landeskasse.

Die Mundwinkel meines Postkastens stehen nach bisher zweiunddreißig Schreiben der Behörden jedenfalls nicht mehr auf Merkelstellung. Richtige Pausbacken hat er bekommen, von der gehaltvollen Kost. Er ist ein ganz anderer Mensch geworden. Wir beide gehen davon aus, dass wir mit der Stadt und der Bezirksregierung über den Vorgang noch „dreistellig“ werden, denn wir stehen ja erst am Anfang! Da nehme ich mir doch gleich vor, künftig bei jedem Strafzettel so eine nette Korrespondenz mit der Stadt zu führen.

Außerdem kriegt der Briefkasten seit der Elsassreise mit der Gierschlünden jetzt in regelmäßigen Abständen noch ein weiteres Leckerli. Die Preisliste von Leon Beyer. Dessen Weingut bildete nämlich die nächste Etappe auf unserer Tournee über die Route du Vin. Genauer gesagt, begaben wir uns in die wunderbare Probierstube in Eguisheim. Wo wir fast das gesamte aktuelle Sortiment verkosten durften. Ohne zuviel vorwegzunehmen, möchte ich sagen, das war vor allem in der Spitze, auf die ich mich hier mal beschränken werde, äußerst eindrucksvoll! Vor allem freuten wir uns darüber, dass Beyer seine Weine auf dem Gut ausreifen lässt und sie erst verkauft, wenn er sie auf dem Höhepunkt sieht. So dass der älteste gelistete Wein aus 1988 stammt und nach wie vor viele trockene Weine aus 2004 und 2007 im Angebot sind.

Wie zum Beispiel der Riesling Les Ecaillers 2007. Der kommt vom Kalkboden des nahegelegenen Pfersichbergs, was man von in der kalkigen Mineralität der Nase schon ein wenig auf dieselbe gebunden bekommt. Dazu bringt er auch schon einen Hauch Firne in den Riechkolben, bei Beyer nichts Ungewöhnliches, da gehört eine Prise Firn häufiger mal zum Gesamtbild der Rieslinge. Immer so, dass sie die Frucht und die Mineralität nicht erschlägt, sondern sie um eine zusätzliche Komponente ergänzt – und genau so schmeckt Riesling doch am besten! Am Gaumen sehr schön trocken, auch das typisch für Leon Beyer. Mit einem Hauch Karamell im Anklang, das gibt sich aber mit Luft, dann steht er sehr auf der kalkig-mineralischen Seite, die Firne ist deutlich zurückhaltender. Aber auch in der Frucht bleibt der Wein eher knapp, typisch für den Ecaillers, das kenne ich aus anderen Jahrgängen schon ganz ähnlich. So fehlt ihm ein wenig die Tiefe, harmonisch und elegant ist er aber dennoch. 85 von 100 Willipunkten.

Auch aus dem Pfersichberg stammte der nächste Tropfen, der 2005er Riesling Les Comtes d´Eguisheim. Und der gewinnt dieser Lage eine völlig andere Seite ab, er zeigt schon in der Nase den fruchtigen Pfersichberg, die Pfirsiche, nach denen der Weingarten im Elsässer Platt benannt ist. Auch ein erster Reifeton ist dabei, Firne würde ich das noch gar nicht nennen, bleibt auch noch fast unmerklich und reduziert sich mit Luft wieder. Überhaupt ist es ein Wein, der Sauerstoff braucht. Am Gaumen findet man die Pfirsichfrucht zunächst fast gar nicht. Da schnappt die Mineralität nach den Rezeptoren und nimmt sie in den Klammergriff. Dann, ganz langsam, kommt die Frucht aus der Deckung, wird deutlich kräftiger. Das Ganze bei Null Gramm Restzucker, das kann man sich kaum vorstellen. Sam Hofschuster hätte Tränen in den Augen oder auf der Tastatur. Lang, mit sehr harmonischem Abgang, wird mit Luft immer komplexer und so fruchtbetont und vielschichtig, wie man das von den großen Comtes d´Eguisheim aus Jahren wie 1989 und 1990 in Erinnerung hat. Sehr stimmig. 89 bis 90 von 100 Willipunkten.

Immerhin ein Gramm Restzucker billigte man dem nächsten Wein zu, dem Riesling R aus 2004. Das Lesegut stammt aus dem Eichberg, das sind kalkige Böden mit etwas mehr Lehm als ihn der Pfersichberg aufweist. Nicht unbedingt die bessere Lage, aber was Beyer daraus macht, ist großartig. Klassische Rieslingfrucht in der Nase, ein wenig auf der aprikosigen Seite. Voluminöser, reicher noch als der Comtes d´Eguisheim, vor allem aber verrät er im Riechkolben sein für einen so trockenen Wein ganz beachtliches Alter nicht mit einer Silbe. Auch am Gaumen steht er perfekt da. Klar, eine Spur Firne hat sich eingeschlichen, doch wie so oft bei großem Riesling reduziert sie sich durch die Belüftung noch ein gutes Stück, so dass sie am Ende eher Fußnote als Leitmotiv bleibt. Auch weil er so unheimlich viel Stoff mitbringt. Ein tolles Spiel von Frucht und Mineralik, eine gute Säure, die ihm Frische verleiht, wahrscheinlich aber analytisch ziemlich niedrig ausfällt, sonst wirkte dieser fast zuckerfreie Tropfen sicher säuerlicher. Tolle Länge und – der hat sich in den drei Jahren, die es ihn jetzt bei den Beyers zu kaufen gibt, kein Stück verändert. Auch die Firne nimmt nicht zu, was für ein Langstreckenläufer! Für Langstreckensäufer! 92 von 100 Willipunkten.

Besser kann Beyer trockenen Riesling nicht. Also gingen wir über auf den Pinot Gris. Da war ebenfalls ein Comtes d´Eguisheim im Angebot, diesmal aus 2007 und aus dem Eichberg gekeltert. Wunderbar kräftige Nase, mit viel Frucht unterwegs, melonig, auch ein wenig buttrig, füllig aber nicht breit. Vielversprechend! Am Gaumen machte dann erst einmal die sehr feine Säure Freude, die die kräftige Frucht perfekt auffängt und verhindert, dass der Wein so in die Breite geht wie allzu viele elsässische Pinot Gris. Ehrlich gesagt, er gefiel mir vielleicht auch deswegen so gut, weil er nicht sehr rebsortentypisch wirkte. Blind hätte man ihn auch, tja, für was eigentlich halten können? Riesling dann doch nicht, Sylvaner auch nicht, vielleicht einen gut gemischten Satz von Riesling und Pinotsorten? Egal, das war voll, das war lang und das hatte Charakter, 91 von 100 Willipunkten.

Zum Abschluss noch ein Gewürztraminer. Der einfach nur vendange tardive 2004 hieß und mit einem für Beyersche Verhältnisse geradezu unverschämt hohen Restzucker von 20 Gramm unterwegs war. Sehr volle, sehr rebsortentypische Nase, die könnte man auch eine Spur zu fett finden. Etwas Brioche war auch mit drin, eine Spur Karamell, etwas Tabak, klar, da läutet die Botrytisglocke. Auch wenns die nette Ausschenkerin nicht zugeben mochte, da diskutiere ich nicht drüber, das für Kommissar Willi ein ganz klarer Fall!
Am Gaumen dann doch nicht so erschlagend wie befürchtet, schön ölig, mit feinen Rosinentönen. Aber auch ein wenig kurz im Abgang und ein Spürchen seifig. Jammern auf hohem Niveau, insgesamt kräftig, harmonisch und auch die Botrytis ist so dosiert, dass sie den Wein nicht niederkeult, sondern der Frucht und der Rebsorte ein unbeschwertes Dasein ermöglicht. 89 von 100 Willipunkten.

Schon am Vorabend im Lokal hatten wir den 1990er Riesling vendanges tardives genossen. Ein Wein wie ein pointillistisches Gemälde! Reifetöne, Frucht, Mineralität, Süße und Säure in perfektem Zusammenspiel. Der Gaumen musste ein paar Schritte zurücktreten, um das Gesamtbild zu würdigen. Eine irre Frische für einen Mittzwanziger, kräftig, lang und tief. Großer Wein! Auch der bekam so um die 92 bis 93 von 100 Willipunkten.

Fazit: Das Weingut bleibt seinem Stil absolut treu. Den Zeitgeist hat man hier schon immer in den Wind geschlagen. Als in den Neunzigern das Elsass vielfach der Versuchung nachgab, den deutschen Touristen halbtrocken wirkende Weine mit deutlichem Zuckerschwänzchen anzubieten (selbst Paul Blanck hatte da den einen oder anderen Sündenfall und die Domäne Weinbach ihre Sündenfallers), blieben die Beyers bei ihren Null bis zwei Gramm Restzucker. Stur! Und schon immer kamen die Weine trinkreif auf den Markt. Das behält man auch in einer Zeit ohne viel Federlesens bei, wo andere mehr und mehr auf den schnellen Profit gehen. Und wo der VDP in Deutschland fast schon mit Gewalt bei seinen Mitgliedern durchsetzen muss, dass die großen Gewächse wenigstens ein Jahr im Keller reifen dürfen. Respekt und Kompliment, Familie Beyer! Und bitte schnell die neue Preisliste schicken. Erwin, mein Briefkasten, ist hungrig!

Ende

Gruß aus Oberhausen
Norbert
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kreutzer

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Eine Elsass-Reise Teil 3

BeitragDo 15. Aug 2013, 08:33

Hallo Weinforum,

nachfolgend Teil 3 unserer diesjährigen Elsass-Reise beschrieben in der gewohnt launigen Art und aus der Sicht meines Weinfreundes aka Willi Igel, der unter der Rubrik "Chef der Metzger hat gesagt" schreibt. Artikel mit Fotos ist unter folgendem Link zu lesen:

http://edekaner.blogspot.de/2013/08/wil ... -marc.html


Für alle, die nur hier lesen möchten, nachfolgend der umkopierte Artikel ohne Fotos:

Anfang
Weh-Weh-Weh Willis Hausbesuche

Heute: Marc Kreydenweiss

Der Scheff lässt sich nicht lumpen, der ist ja nicht so. Meine zahllosen Geschäftsreisen im Dienste des Weines, die werden komplett aus seinen Edeka-Milliarden finanziert. Mit allem Zipp und Zapp. Da kennt er nichts, der Scheff. Da werden für meine Flüge in die besten Anbaugebiete der Welt sogar die Luftkorridore mit Parkett ausgelegt. Manchmal auch mit Perserteppichen, vor allem, wenn es nach Shiraz geht. Wenn ich Weinen mit viel Botrytis nachspüre, leiht der Scheff mir auch schon mal seinen Rosinenbomber. Das nenne ich Fürsorge!
Wenn man so einen Scheff hat, da muss man Demut und Dankbarkeit an den Tag legen. Sich auch mal gnadenlos ranschmeißen! Nicht zu auffällig natürlich. Eher dezent. Etwa indem man der Frau vom Scheff kleine Aufmerksamkeiten zukommen lässt. Zum Beispiel wenn die Geburtstag hat. Hat sie nämlich auch in diesem Jahr wieder. Sie wird so an die 35, wenn man der Optik glauben darf.
Also habe ich auf meinem Trip mit den Gierschlünden nach einem geeigneten Geschenk für die Scheffin gesucht. Bei Kreydenweiss wirste fündig, habe ich mir gedacht. Der hat Künstleretiketten, die machen was her. Außerdem hat der Scheff den nicht im Sortiment, das hätte also wirklich Neuigkeitswert.
Aber kann der auch was, der Kreydenweiss? Habe ich lange nicht mehr probiert, auch weil der ziemlich unverschämt teuer geworden ist. Zumindest beim Mitbewerber vom Scheff in Saarwellingen. Der lässt sich das Zeug in Gold aufwiegen. Kreide(n)bleich im Gesicht bin ich geworden, als ich dessen letzte Preisliste gesehen habe.
Nun wärs die Scheffin mir natürlich wert, andererseits sehe ich ja nicht ein, dass ich den Saarwellinger dauernd mäste. Muss ich auch nicht. Vor Ort in Andlau gibt es die (Kreyden)Weißweine zum Glück deutlich günstiger.
Zum Beispiel den Pinot Blanc „Kritt“ aus 2011. Der hat eine satte Spontanvergärungsnase, dazu so etwas wie braune Butter, etwas irgendwie Toastiges, obwohl er nun wirklich kein neues Holz gesehen hat. Am Gaumen aber schön cremig, abwechslungsreiches Spiel von Süße und Säure, weil er zur traditionell eher knappen Elsässer Säure einen ähnlich geringen Restzuckerwert mitbringt, nur so um die 3 Gramm. Das steht ihm sehr gut, so wirkt er viel pikanter und strukturierter als die meisten elsässischen Landsleute selber Rebsorte. Das mag auch ein wenig mit dem vergleichsweise zurückhaltenden Alkohol von 12,5 Prozent zusammenhängen, der nur dann am Ende des Abgangs ein ganz klein wenig hervorsticht, wenn man sich intensivst drauf konzentriert, sich stechen zu lassen. Als Igel weiß ich, wovon ich da rede. Insgesamt überraschend gut und gehaltvoller, extraktreicher als viele unserer deutschen Weißburgunder. Das gibt 85 von 100 Willipunkten, reicht aber natürlich nicht für die Scheffin. Wenn ich da anfange, was von „weiß“ und „Burgunder“ zu reden, dann ist die unter Corton Charlemagne kaum zufrieden zu stellen.
Die ist ja aber sowieso eher von der Rieslingfraktion, die Scheffin. Und den hat der Kreydenweisse Marc zum Glück ebenfalls im Sortiment. Den Andlau Riesling 2011 gab es als erstes. Auch der eröffnete in der Nase wieder mit leichtem Spontiton, dann rochierte er aber auf einen floralen Einschlag, mit ein wenig Zitrusfrucht auf dem Damenflügel. Eher limonig als orangenfruchtig. Insgesamt von der leichteren, eleganteren Sorte. Am Gaumen pirscht er sich mit gerade einmal 2 Gramm Restzucker und einem entsprechend trockenem Stil an die Rezeptoren, dafür wirkt er zugleich erstaunlich cremig und überraschend nachhaltig. Zitronige Frucht und spontige Noten, da bleibt er seinem Nasenbild recht treu, insgesamt fein, leicht und elegant. Im Glas wird’s mit Luft noch eine Spur fruchtiger, opulenter, ohne aber wirklich füllig zu werden. Sogar eine Spur Mineralität wirft er im Abgang noch ans Zäpfchen! Gar nicht schlecht für einen Basisriesling. 86 von 100 Willipunkten. Allerdings, es bleibt ein Basisriesling. Und damit fällt er durch das Raster der Scheffinnentauglichkeit. Ist ja schließlich keine Basisscheffin, sondern eine Spitzenscheffin, um die es da geht.


Da muss man einen drauf setzen. Und das versuchte als erster der Clos du Val d´Eleon aus 2009. Aus einem der besseren Weinberge des Hauses gekeltert, auf Blauschiefer gewachsen und mit satten 14 Prozent Alkohol unterwegs. Allerdings kein purer Riesling, sondern hälftig aus Riesling und Grauburgunder zusammengeschraubt, die im Clos im gemischten Satz stehen. Und der gemischte Satz, den muss man können. Nicht jeder ist ein Deiss. Hier bekam ich einen bananigen Hauch in den Gewürzprüfer, das war alles andere als charmant. Zumal die Sache mit mehr Luft immer oxidativer wurde. Na gut, ich will mal ehrlich sein, daneben schälten sich noch eine Messerspitze Birne und eine kleine Lilienblütengirlande heraus. Aber das Oxidative erschlug diese kleinen Arabesken sofort wieder. Am Gaumen dominierte ebenfalls dieser Reifeton, das Oxidative, erst im Abgang kommt das Florale dann hinzu, auch ein Touch Rosine. Erstaunlich gut weggepuffert wird der Alkohol, gerade wenn man berücksichtigt, wie wenig Spiel und Ausdruck der Wein abseits dieser Reifetöne noch hat. Als 2009er erscheint er mir insgesamt ziemlich frühvergreist. 82 von 100 Willipunkten. Brauchen wir für die Scheffin natürlich nicht drüber zu diskutieren. Ein solches Geschenk wäre ja fast so etwas wie eine Kündigung. Allein schon der Verschnitt des geheiligten Rieslings mit dem grau(sig)en Burgunder, und dann diese Oxidationsnoten, nee, nee, so schnell kann ich mich gar nicht zwischen meinen Stacheln einrollen, wie ich da eine getafelt bekäme.
Also schnell die kreydenweisse Fahne gehisst und zurück zum reinsortigen Riesling. Da gab es noch den Clos Rebberg aus 2009 zu probieren. Ja, und, Sackzement, der zeigte auch schon wieder so einen oxidativen Ansatz. Liegts am Jahrgang? Oder am Ausbau im kreydenweissen Keller? Darf doch nicht sein! Immerhin gab es als kleine Zugabe noch einen schiefermineralischen Anklang. Aber der sollte mehr als Zugabe sein, der gehört ins Hauptprogramm. Leute, es geht um die Scheffin, da brauche ich kein Klein-Klein wie Podolski im Mittelfeld, da brauche ich einen Vollstrecker, einen Lewandowski. Am Gaumen gabs es dann, na ja, keinen Lewandowski, aber vielleicht wenigstens einen Gomez. So eine Föhnwelle von cremiger Fülle, auch etwas Kräutrigkeit im Anklang, dann aber natürlich die altbekannte Abschlussschwäche, denn da kam sie dann wieder, die spontige Oxistilistik. Wie geht denn das, einerseits noch mit den Gäraromen unterwegs und andererseits schon auf dem absteigenden Ast? Na gut, das Ganze schöner und feiner als beim Clos d´Eleon. Harmonischer und balanciert, ja, das kann man ihm zugutehalten. Aber es fehlt an Länge und an Konsequenz im Abgang und viel zu schnell übernimmt das Oxidative die Macht. 85 bis 86 von 100 Willipunkten. Kommt für die Scheffin nicht in Frage, die hat schließlich selbst auch keinerlei Alterston.
Also erhöhe ich auf Moenchberg. Eine der Toplagen des Gutes, ein Grand Cru, hier als Riesling angetreten und ebenfalls aus 2009 stammend. Im Moenchberg gibt es viel Sandstein, etwas Sediment und ein wenig Kalk, mal sehen, was das mit dem Riesling so macht…
Erst einmal gibt es ihm eine krass oxidierte Nase. Himmelherrgott, kann das denn sein, schon wieder? Alter Apfel, lange an der Luft gelegen. Na gut, dann gesellen sich Nuss und Rosine hinzu, das lässt ihn mehr in Richtung Sherry gehen. Besser als der Eleon, hat aber mit Riesling nichts zu tun. Außerdem, wo kommen diese Noten bloß her, bei einem Wein, der alles andere als botrytisch oder gar süß ist. Gerade einmal 4 Gramm Restzucker hat der Moenchberg. Poah, am Gaumen geht das so weiter. Oxidierter, karamellisierter Apfel, kräftig, ja, das schon, aber durch den eigenwilligen Ausbau ziemlich auf Sherry getrimmt. Wenn man Sherry mag, dann ist das ein prima Tropfen, der hat wunderbare nussige Aromen, feine Rosinen, das sehr lang und voll, gut gemacht. Nur Riesling dürfte man halt nicht draufschreiben. Als Riesling unter 80 von 100 Willipunkten, als Sherry um die 87 von 100. Wenn ich nur wüsste, ob die Scheffin Sherry mag! Außerdem steht Riesling drauf, am Ende denkt die noch, ich wolle sie veralbern. Geht schon wieder nicht, ich muss auf Nummer sicher gehen, bei der Scheffin. Ich suche weiter.

Ende

Gruß aus Oberhausen
Norbert
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kreutzer

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Eine Elsass Reise Teil 4

BeitragFr 16. Aug 2013, 07:11

Hallo Weinforum,

hier nun Teil 4 des Reports meines Weinfreundes aka Willi Igel, der seine Sichtweise unter der Rubrik Chef der Metzger hat gesagt einstellt. Unter folgendem Link kann der Bericht mit Fotos eingesehen werden.


http://edekaner.blogspot.de/2013/08/wil ... deiss.html

Für alle die es gerne bequem haben, hier der umkopierte Artikel ohne Fotos:

Anfang

Weh-Weh-Weh Willis Hausbesuche

Heute: Marcel Deiss

Wenn das keine Adventszeit für die Sozialspannermedien ist. Wochenlange, ach was, gefühlt monatelange, wenn nicht jahrelange Berichterstattung darüber, wann die Frau Middleton endlich den Windsorknoten im Muttermund lösen und sich den royalen Braten aus der buckinghamschen Röhre schrauben werde. Obs gar einen Kaiserschnitt geben könne, wurde gemutmaßt. Was ein Unsinn, der Ableger wird mit der Geburt nicht Kaiser, der wird erst einmal nur Prinz. Und König wahrscheinlich erst nach dem Ableben der Urgroßmutter und der nachfolgenden Generationen, irgendwann um 2150 herum. Kaiser aber nie. Denn den gibt’s nur in Deutschland und dafür muss man Fußballer sein.
Weiß sowieso keiner, warum das alles wichtig sein soll. Was leisten die Royals schon – außer in Naziuniformen zu Partys oder an Tunnelpfeilern zugrunde zu gehen? Nein, hier geht es um etwas ganz anderes. Die Yellow Press versucht immer wieder – und das gar nicht so unerfolgreich – Lady Di und Lady Gaga und andere intellektuelle Flachbildschirme so geschickt zu Identifikationsfiguren hoch zu stilisieren, dass diese Prominenten als Projektionsflächen für Durchschnittsversager nutzbar werden. Wenn das eigene Leben schon nichts zu bieten hat, dann muss man sich eben mit dem Leben Dritter befassen, sei es als Blockwart, sei es als Fan. Dem Adelspack sei die daraus resultierende nervtötende Vollzeitbelagerung durch die Mediennutten übrigens durchaus von Herzen gegönnt, schließlich verzehren die Von und Zus in der Regel steuerfinanzierte Apanagen bzw. das aus solchen Apanagen zusammenschmarotzte „Privat“vermögen. Da darf als kleine Entschädigung der Dauerauftritt als Pausenclown in den traurigen Existenzen von Buntelesern schon gefordert werden.
Das Schlimme ist nur, dass auch die öffentlich-verächtlichen Sender es offenbar als Teil des Grundversorgungsauftrags verstehen, uns über den Fortgang der royalen Presswehen unterrichtet zu halten. Wer dem entgehen wollte, hatte nur noch eine audiovisuelle Zuflucht, Eurosport. Da lief zwar auch nur Frauenfußball, aber normalerweise gebären die wenigstens nicht mitten im Spiel im Mittelkreis…
Einige Leichtgläubige waren nun tatsächlich der Meinung, die nervtötende Beballerung mit Nachrichten vom Windsor-Winzling könne mit dessen Entlassung aus der Gebärmutter der Herzogin von Cambridge abgeschlossen sein. Weit gefehlt, nun geht es in die zweite Runde. Das erste Foto muss gezeigt, die Hebamme interviewt und natürlich tagelang darüber spekuliert werden, welchen Vornamen der neueste Zuwachs des Insel-Adelsgeschmeiß wohl tragen könne. Und da wird’s interessant! Ach was, nein, interessant ist natürlich nichts von dem, was sich bei den Nichtsnutzen von Buckingham abspielt. Aber, sagen wir, es gab ein Zusammentreffen von Ereignissen, dessen Zufälligkeit ich zunächst einmal bestreiten möchte. In einer kleinen Unterbrechung der royalen Uterusbelagerung sendete die ARD doch tatsächlich den Film „George“. In dem sich Götz George wieder einmal vergeblich bemühte, etwas anderes als sich selbst darzustellen, diesmal seinen Vater Heinrich. Der gute Götz kann aber leider nur den einen Tonfall, nur die eine Sprechmelodie. So war dann auch der Heinrich George im ARD-Film nicht George, sondern Götz, also eine Art Weimar-Schimanski. Aber, und darauf will ich eigentlich hinaus, mitten in dem Film schalte ich in den Videotext und sehe da: „Windsorbaby wird ein George“. Wie ist das denn jetzt zu verstehen? Soll der Götz auch den kleinen Prinzen spielen? So dass die Inselaffen eine Art Miniaturschimanski als drittnächsten König kriegen, mit glucksendem Lachen, stammelnder Nuschelsprechweise und mantafahreresker Rotzbremse unter dem royalen Gesichtserker? Man stelle sich die erste Regierungserklärung vor: „Nee, Du, Mensch, das ist doch, das ist doch (glucksendes Lachen), das kann doch nicht, kann doch nicht, also, Du, Mensch, nee, also ---!“ Ganz ehrlich, den Goldblattlesern und Galakonsumenten würde ich es schon gönnen.
Hmm, tja, nun weiß ich gar nicht, ob ich in dieser angespannten Mediensituation überhaupt über den dritten Weingutsbesuch der Gierschlünde im Elsass berichten darf, zumal da garantiert keine britischen Säuglinge drin vorkommen. Immerhin ging es aber zu einem der Blaublüter der elsässischen Weinszene. Weinadel also, vielleicht wird der Scheff das gelten lassen und den Beitrag auf seinen Blogg durchwinken. Weineinkauf ist ja auch Grundversorgung, also bin ich da fast im öffentlich-rechtlichen Bereich unterwegs.
Wir waren diesmal bei den Deissens. Das sind die Typen mit dem gemischten Satz. Nicht wie bei Georges Götz, dass viele „Mensch“ und „Du“ in die ansonsten architektonisch sauber aufgerissene grammatikalische Satzarchitektur zuwanderten. Auch nicht wie bei den Geissens, denen immer wieder mal ein „wieheißtet?“ in die ansonsten klare Folge von Subjekt, Prädikatswein und Sexobjekt rutscht. Bei den Deissens geht es vielmehr, Du, Mensch, wieheißtet, um das gemischte Setzen von Rebsorten im Weinberg. Riesling neben Grauburgunder, neben Weißburgunder, neben Auxerrois. Diese „complantation“ führt dann, so behaupten es jedenfalls die Deissens, dazu, dass die unterschiedlichen Sorten gegen alle Gewohnheit gleichzeitig reif werden. So dass es kaum mehr Lesedurchgänge als bei der Normalbestockung braucht. Natürlich kann man diesen Effekt auch noch fördern, etwa indem man frühreifere Rieslingklone und spätreifende Pinots pflanzt. Aber auch unabhängig davon, so erklärte man uns vor Ort, entwickle sich zwischen den Reben eine Beziehung, die für harmonische Reifeprozesse im Gleichschritt sorge. Klingt esoterisch, scheint aber ganz gut zu funktionieren, denn was ins Glas kam, war sehr überzeugend.
Allerdings fingen wir mit einem reinsortigen Tropfen an, dem Gutsriesling aus 2011. Eher verhaltene aber klassische Rieslingnase, zitrusfruchtig, etwas Pfirsich, Ananas, verhältnismäßig schlank aber klar und ansprechend. Am Gaumen ein schöner Trinkriesling, relativ niedriger Restzucker, sehr trockene Prägung, dabei wunderbar elegant und balanciert. Viel Pfirsich, mittelkräftige Substanz mit Tiefe und vor allem guter Länge. Im Abgang legt er eher noch zu und zeigt sich noch etwas voller als am Gaumen. 86 von 100 Willipunkten.
Dann der gemischte Satz aus dem Langenberg, einem granitiger Weinberg in voller Südexposition, etwas oberhalb von Ste.-Hippolyte. In den Jahrgang 2009 haben Riesling, Pinot Gris, Beurot, Muscat d´Alsace und Pinot Noir Eingang gefunden. Entsprechend mächtig und opulent duftet er, reife Apfelsine, kräutrige Würztöne, auch noch ein wenig wachsig, das kann noch eine ganze Weile reifen und zulegen, obwohl schon heute eine Macht. Am Gaumen stark auf der Kräuterseite, dazu bringt er eine kühle, holundrige Frucht hervor, zitronige Säure und einen zarten mineralischen Anklang. Schöne Fülle, die sich im Abgang allerdings etwas zu schnell verschlankt! Auch eine Spur alkoholisch. Organoleptisch bewegen wir uns hier im oberen Trocken, eine Spur elsässische Süße bringt der Langenberg schon mit, aber nicht zuviel. 87 von 100 Willipunkten.
Weiter ging es mit dem 2010er Engelgarten, komponiert aus Riesling, Pinot Gris, Beurot, Muscat d´Alsace und Pinot Noir. Der Engelgarten liegt mitten in Bergheim, ist nach Osten ausgerichtet, mit sehr kiesigem, kargem Boden, der die Reben dazu bringt, besonders tief zu wurzeln. Auch dieser Wein bringt die volle, opulente Nase mit, wie sie für complantations so typisch ist, etwas duftiger als der Langenberg, eher mit floralen Tönen, Blütenduft unterwegs als fruchtbetont. Am Gaumen wirkt er sehr rieslingartig, säurebetont, elegant, verspielt, bei weitem nicht so druckvoll und vielschichtig wie die Nase es verheißen hatte. Allerdings reifen die 2010er sehr langsam, da dürfte sich also voraussichtlich noch ein deutlich breiteres Spektrum an Aromen entwickeln. Schon im Glas ließ sich das ahnen, als nach einigen Minuten stärkere mineralische Komponenten schmeckbar wurden, an erster Stelle die feuersteinigen Töne, die für den Engelgarten typisch sind. Die Säure entspricht der Typizität des Jahrgangs 2010, mit anderen Worten, sie ist ausgesprochen kräftig. Im Elsass funktioniert das aber ganz generell und speziell auch bei Deiss besser als es in den meisten Anbaugebieten Deutschlands funktioniert hat. Das warme Klima im Schlagschatten der Vogesen hat der Säure entsprechende Extrakte gegenüber gestellt. Und weil die Säurewerte sonst am Oberrhein gerne mal etwas zu niedrig insbesondere für langlebige Rieslinge ausfallen, liegen sie in diesem Säurejahr eigentlich nur in den Bereichen, wie sie die Mosel in fast jedem Jahr aufweist. So hat der Engelgarten jede Menge Reifepotenzial und bekommt 87+ von 100 Willipunkten.
Vor allem aus Riesling und Pinot Gris setzte sich der vierte Wein der Probe zusammen, ein Rotenberg 2007. Gewachsen auf rotem Kalkstein und mit 30 bis 35 Gramm Restzucker ausgebaut. Das merkte man in der Nase sofort, die sogar einen leicht botrytischen Einschlag mitbrachte, ansonsten ein vor allem blumig-florales Gesicht zeigte, sehr voll und mit viel Charme unterwegs. Am Gaumen, klar, da ließ sich nicht wegdiskutieren, dass wir uns im oberen Halbtrocken bewegten. Was nicht so ganz harmonisch wirkt, wenn man wie dieser Wein vor allem auf der breiten, öligen Schiene des Grauburgunders unterwegs ist. Auch schien mir die Botrytis die Trinkigkeit etwas zu hemmen. Dennoch, das ist alles andere als schlecht! Melonige Frucht, großzügige Anlage, auch ein Hauch Kräuter ist dabei und eine kühle Mineralik im Untergeschoss, die allerdings von der Süße etwas zu sehr verkleistert wird. Irgendwie hinterlässt mich dieser Wein zwiespältig, den hätte ich gerne mal mit einem Restzucker in halber Höhe probiert. Dennoch auch hier 87 von 100 Willipunkten. Aber ohne Pluszeichen dahinter.
Es folgte der Schoffweg aus 2009, vor allem aus Riesling und Pinotsorten gekeltert, auf kalkigen Böden gewachsen und ein Jahr in burgundischer Eiche im kleinen Fass ausgebaut. Mit 10 Gramm Restzucker unterwegs. Eher schlanke, rieslingbetonte Nase, dazu etwas Bergamotte, insgesamt nicht sonderlich ausdrucksstark im Riechkolben. Am Gaumen dominiert der Alkohol zunächst recht deutlich. Es sind 14 Prozent zu verdauen, das schafft der Schoffweg nicht wirklich richtig gut. Dann kommen aber schöne Kräutertöne, wieder die Bergamotte. Viel Stoff, sehr mundfüllend, bis hin zur Gewalttätigkeit, das wird fast anstrengend. Gerade rechtzeitig kommt dann die Mineralität des Weges und lockert das Aromenbild wieder auf, macht zwei, drei verschnörkelte Ornamente dran und bietet Abwechslung. Hinten heraus durchaus druckvoll, geschmacklich aber verschwimmend. 86 von 100 Willipunkten.
Zu gleichen Teilen aus Riesling, Pinot Noir und Gewurztraminer setzte sich der nächste Wein zusammen, der Gruenspiel 2008, gekeltert aus einem Weinberg an der Straße zwischen Bergheim und Ribeauvillé, etwas oberhalb des Anwesens von André Kientzler. Kalkige Böden mit Schiefer und etwas Ton durchsetzt. In der Nase bringt der Gruenspiel erst einmal frischen, feuchten Tabak an den Start, dazu eine getrocknete Aprikose, Dörrpflaume, ja, man kann ganz allgemein sagen, confitierte und getrocknete Früchte. Mit mehr Luft entwickelt sich außerdem eine leicht kalkige Mineralität. Die schlägt auch als erstes am Gaumen an, mit ordentlich Wumms, da kehren sich die Kräfteverhältnisse aus der Nase einen Moment lang um. Ein Powerwein! Dann treten die Dörrfrüchte hinzu, den Gewürztraminer, den ich eigentlich im Verdacht hatte, dass er die anderen Reben dominieren, im wahrsten Sinne des Wortes einseifen würde, merkt man kaum, der steht dezent am Rande des Spielfelds und wirft immer wieder mal ein paar Rosenblätter auf die Zungenspitze. Die Säure des Rieslings fängt das aber gut auf, zumal der Riesling auch noch einen feinen, frischen Weinbergspfirsich in den Rosengarten stellt. Auch der Pinot bringt zusätzliche Frucht ins Spiel, insgesamt bringt das eine sehr gelungene Cuvée zusammen, die voll und lang am Gaumen steht. 88+ von 100 Willipunkten.
Was so alles an Rebsorten seinen Weg in den 2008er Burg gefunden haben mag? Es war weder zu schmecken, noch rückten die Deissens mit Detailinformationen heraus. „Alle Rebsorten des Elsass“ seien drin – und da käme, sollte das stimmen, ja wirklich einiges zusammen. Entsprechend kräftig wirkt die Nase, eher auf der floralen Seite, durchaus burgundisch unterwegs, wenngleich leider etwas breitelnd. Am Gaumen kommt er dann deutlich feiner an, das überrascht positiv. Prägnanter Botrytiston, aber nicht erschlagend. Viel Stoff, schöne Balance von Süße und Säure. Die 50 Gramm Restzucker packt dieser Wein sehr gut weg, scheint sie fast zu brauchen, weil da auch ein Pfund Säure und jede Menge Extrakt mit im Spiel sind. Für seine Fülle wirkt er erstaunlich elegant. Und wunderbar lang ist er sowieso, mit prachtvollen Nuss/Rosinen-Tönen im Abgang. Ein Gedicht! 91 von 100 Willipunkten.
Der 2008er Huebuhl, der als nächstes an die Reihe kam, war dann fast wieder ein reinsortiger Tropfen, immerhin 95 Prozent Pinot Gris sind in der Flasche, dazu etwas Weißburgunder und ein Spürchen weißgepresster Pinot Noir. Der Huebuhl, so wurde uns erläutert, sei eigentlich keine Lage, dafür seien Böden und Expositionen zu heterogen, die eigene Lagenbezeichnung rechtfertige sich eher durch das einheitliche Mikroklima, das in einer besonders geschützen Mulde außergewöhnlich hohe Temperaturen verzeichne. Der 2008er habe ordentlich Botrytis abbekommen, was ihm immerhin 65 Gramm Restzucker eingebracht habe.
Ja, die lässt sich tatsächlich ohne weiteres herausschnuppern, die Botrytis. Leider hat sie auch ein sauterneskes Lösungmitteltönchen im Gepäck. Aber ich will nicht meckern, das ist nur eine Fußnote, die sich mit Luft auch schnell verflüchtigt. Ansonsten wirkt die Nase außerordentlich kräftig und voll. Am Gaumen dominieren zwei Elemente, die Botrytis und das Aromenspektrum des Grauburgunders, der hier eine leicht eingelegte/getrocknete Orange in den Vordergrund schiebt. Was ein Pfund Wein, das ist richtig kräftig, schön dicht, tiefgründig. Süße und Säure sind perfekt balanciert, die Botrytis stiehlt dem Rest des Weines nicht die Schau, das bleibt sehr lang und dabei ungemein voll. Toller Wein! Sage ich als jemand, der kein Mitglied des eingetragenen Vereins der Grauburgunderfreunde ist. 93 von 100 Willipunkten.
Den Mambourg 2009 übergehe ich hier lieber, der wird in neue Barriques gefüllt und schmeckt und riecht einfach nur nach zuviel Holz. Wenn schon Holz, dann bitte besser dosieren. So ists ein Weinfehler.
Also weiter zum 2009er Schoenenbourg. Der mir schon deswegen sehr entgegenkommt, weil er zu 95 Prozent aus der einzig wahren weißen Rebsorte besteht, dem Riesling! Botrytis hat auch an Bord, vor allem in der Nase, da ist das ein ganzer Bienenstock voll Honig, dazu mandelige Noten und ein Korb Dörrobst. Ja, ich will es nicht verheimlichen, auch hier habe ich das sauterneske Haucherl Lösungsmittel gefunden, aber nur weil ich danach gesucht habe. Und dann verlor es sich auch gleich wieder, mit Luft geht das weg. Und am Gaumen, Überraschung, da spielt die Botrytis gar keine so große Rolle, da zeigt sich der Schoenenbourg richtig elegant, eher floral, mit Lindenblüten, auch etwas studentenfuttriger Nuss. Das Ganze fein, verspielt, wunderbar balanciert. Man könnte ihn ohne Weiteres für leichter halten als er ist, aber am langen und tiefgründigen Abgang spätestens wird jeder merken, was für ein wuchtiger Wein das in Wahrheit ist. Riesenpotenzial, wenngleich man ja bei Botrytis nie so genau weiß, wohin sich das entwickelt. Insofern würde und werde ich bald mal drangehen. Denn der wanderte natürlich in den Kofferraum, mitsamt seinen 93+ von 100 Willipunkten. 59 Euro die Flasche, nicht geschenkt, aber auch nicht überteuert.
Wieder aus 2008 dann der Altenberg Grand Cru. Den dominiert rechnerisch der Pinot Noir, der rund die Hälfte der complantation umfasst, dazu gesellen sich zu etwa gleichen Teilen Riesling und Gewürztraminer. Kalksteiniger Boden, beste Südexposition, dennoch war der Altenberg bis 2004 kein Grand Cru, auch weil man vom Großen Gewächs erwartet, dass dort kein Mischsatz draufgestellt wird, sonst wäre es technisch ein Edelzwicker Grand Cru und das geht ja nun wirklich nicht. Erst 2004 hatte man dann mit Blick auf die hohe Qualität dieses Weines ein Einsehen und erlaubte die Bezeichnung als Großes Gewächs.
Dass dieser Altenberg nur ein Viertel Gewürztraminer beinhaltet, na, ich wäre nicht darauf gekommen. Die Nase besteht eigentlich nur aus Traminer und Botrytis – und von beidem nicht zu knapp. Wie mit einer Keule prügelt sie auf den Riechkolben ein, am späteren Nachmittag hat mich dann doch glatt einer gefragt, ob ich Boxen war. Am Gaumen wieder anders, feine grapefruitige Frucht, sehr elegant, gar nicht so breit, wie die Nase es hätte vermuten lassen. Die Botrytis eher im Hintergrund. Obwohl, das ist dann auch wieder untertrieben, die steht schon in der Mitte des Geschehens, haut aber nicht alles andere nieder wie in der Nase. Tolle Fülle, die erst zum Abgang hin ein klein wenig „auslässt“, wie der Österreicher sagen würde, für den solche Weine aber sowieso zu schade sind. Unglaublicher Charme, wenn auch mit 59 Euro kein Schnäppchen mehr. 92 von 100 Willipunkten.
Nur einen Punkt weniger bekam der abschließende Altenberg Riesling aus 2002. Sehr gereifte, schon ein wenig angefirnte Nase, weniger Botrytis, auch nicht so tramineresk, auf die Dauer setzt sich dann wohl doch der Riesling durch. Am Gaumen schöne Reife, nicht so firnig, viel Apfel, noch ordentlich Spiel, doch schon eine Spur über den Höhepunkt hinweg. Gute Länge und auch im Abgang noch fein und verspielt. 91 von 100 Willipunkten.
Insgesamt ein, Du, Mensch, wieheißtet, überzeugendes Sortiment, das der weltweit wahrscheinlich beste Advokat für gemischte Sätze sein dürfte. Die besten waren fast so gut wie hochklassige pure Rieslinge und das will was heißen, wieheißtet?

Ende

Gruß aus Oberhausen
Norbert
Zuletzt geändert von kreutzer am Sa 17. Aug 2013, 19:33, insgesamt 1-mal geändert.
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kreutzer

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Nachtrag Eine Elsass Reise Teil 2

BeitragFr 16. Aug 2013, 17:12

Hallo Weinforum,

nachfolgend für Interessierte der Link zum hier bereits eingestellten Beitrag über den Besuch bei Leon Beyer:

http://edekaner.blogspot.de/2013/08/wil ... beyer.html

Bei Nutzung des Links mit Fotos.
Gruß
Norbert
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kreutzer

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Eine Elsass Reise Teil 5

BeitragSa 17. Aug 2013, 19:33

Hallo Weinforum,

hier nun Teil 5 des Reports meines Weinfreundes aka Willi Igel, der seine Sichtweise unter der Rubrik "Chef der Metzger hat gesagt" einstellt. Unter folgendem Link kann der Bericht mit Fotos eingesehen werden.


http://edekaner.blogspot.de/2013/07/wil ... ertag.html


Für alle die es gerne bequem haben, hier der umkopierte Artikel ohne Fotos:

Willis Hausbesuche Heute: Andre Ostertag

Weh-Weh-Weh Willis Hausbesuche

Heute: Andre Ostertag

„Der anschließende Eckstoß brachte nichts ein.“ Diesen Satz, früher fast ein Pflichtbestandteil jeder Bundesligareportage in der Sportschau, habe ich seit Jahren nicht mehr gehört. Wo ist er hin? Auf welche wundersame Art und Weise hat er den Schritt ins Obsolete gehen können? Diesen Schritt, der so vielen anderen Sätzen nicht gelungen ist, die ich viel lieber der Vergessenheit anvertraut hätte? „Bitte bleiben Sie so lange angeschnallt sitzen, bis das Flugzeug seine endgültige Parkposition erreicht hat“ zum Beispiel, einer dieser vielen Sätze aus dem über Jahrzehnte sorgsam immer weiter angereicherten Gängelungsmobiliar, mit dem Flughäfen und Fluggesellschaften die Fluggäste“ traktieren.

Als Vielflieger habe ich den inzwischen in vierstelliger Häufigkeit gehört. Jede Woche, oft gleich mehrsprachig. Vom nichtseinbringenden Eckstoß dagegen ist nicht einmal mehr im Privatfernsehen zu hören. Auf den wurde früher immer dann hingewiesen, wenn ein sehenswerter und deswegen in den Zusammenschnitt des Ligaspiels aufgenommener Angriff zwar nicht zum Tor, wohl aber zum Eckstoß führte. Der dann aber, das kennt man von den Standardsituationen der Nationalmannschaft, quer über den Platz ins Seitenaus gedonnert wurde, insofern also nicht wirklich sehenswert und für den Zusammenschnitt nicht eligibel war.

Und heute? Wird der nichtseinbringende Eckstoß einfach weggelassen. Nicht gezeigt, nicht erwähnt, verschwiegen, unterschlagen, audiovisuell mit Füßen getreten, gerade wie der Ball selbst. Wie kommts? Ists Wertschätzung? Traut man der geneigten Seherschaft heute mehr Intelligenz zu? Dass die selbst drauf kommt. So nach dem Motto – „hmm, die zeigen den Eckstoß nicht, wird der wohl nix eingebracht haben.“ Kann eigentlich nicht sein, Zutrauen in die Bevölkerung entspräche nicht dem Zeitgeist. Einem Zeitgeist, der zum Beispiel dazu führt, dass die mir im Flugzeug doch tatsächlich dreimal die Woche erklären, dass Gegenstände, die man in die Fächer über den Sitzen gelegt hat, von dort wie durch Zauberhand auf meinen Schädel fallen können. Schwerkraft heißt dieses Phänomen angeblich. Verrückt!

Alles muss man selber machen

Vielleicht ists aber auch umgekehrt und bedeutet das Weglassen des Hinweises auf die Nichtsnutzigkeit des Eckstoßes auch Geringschätzung des Publikums. Müssen wir dem Quotenvieh doch nicht groß erklären, was wir da tun! Wir senden einfach irgendwas, was der Praktikant nach dem Spiel zusammengeschustert hat, während der Reporter seine Finger schon ums Weißbierglas/in der Spielerfrau/am Kokaintütchen hatte und der Redakteur längst Bonusmeilen für seine Vielfickerkarte im Puff sammeln gegangen ist. Passt auch besser zur allgemeinen Zerfaserung der Kommunikation in dieser schnelllebigen Zeit. Infotainment, kurze Schlaglichter statt Substanz. Eigentlich könnten die Halbaffen im Privatfernsehen ihre Nachrichten auch rappen, yo man! So ist auch beim Fußball das Drumrum oft wichtiger geworden als die Substanz. Eignet sich Klopp trotz Kunstrasen auf der Denkmurmel besser zum Bundestrainer als der Typ mit der Löw-enmähne? Wie stehts im levantinischen Transferpoker von Lewandowski? Wann wird Spielerfrau zum Ausbildungsberuf?

Nein, ich will meinen alten Fußball wieder zurück. Wo in der Halbzeit keiner vor einem Touchscreenteil steht und imaginäre Laufwege (im Fall von Gomez vielleicht auch Laufstege) auf das Spielfeld kritzelt, um dann auch mit all diesem Mumpitz doch nicht erklären zu können, was nur durch Schicksal, Hexerei und Korruption erklärbar ist – dass man schon wieder gegen Italien verliert. Meinen alten Fußball, wo Spieler und Trainer noch die Meinung sagen dürfen, die ihnen gerade durch das dünnflüssige Fußballerhirn schwappt, ohne dass Staatskrisen herbeiskandalisiert werden. Meinen alten Fußball, wo es noch Eckstöße gibt, die nichts, aber auch gar nichts einbringen.

Man denke das nur einmal weiter, wieviel wir uns mit diesem Grundansatz des Hinweises auf Ergebnislosigkeit sparen könnten! Alle Jahre wieder wird doch zum Beispiel unermüdlich in allen Hauptnachrichtensitzungen berichtet, dass – offenbar völlig überraschend – auch in diesem Jahr die „Jecken“ an Weiberfastnacht wieder die Rathäuser gestürmt haben und das der Auftakt der Hochphase der „närrischen Zeit“ sei. Und dann geht es weiter, da wird über die immergleichen Rosenmontagsumzüge berichtet, über den immergleichen Fasching am Dienstag in München, über das Ende des Karnevals am Aschermittwoch. Alles Schwachsinn! Es hätte doch völlig gereicht, am Aschermittwoch einen Zusammenschnitt zu bringen: „Am Donnerstag haben die „Jecken“ die Rathäuser gestürmt, der anschließende Karneval/Fasching brachte nichts ein.“ Oder gleich: „Die anschließende Fastenzeit brachte nichts ein!“

Das geht auch statt des üblichen zweiminütigen Zusammenschnitts aus der Bundestagssitzung du jour mit dem üblichen an der Sache vorbeigehenden Operettentheater von Regierung und Opposition: „Die Kanzlerin gab heute eine Regierungserklärung zur Eurorettung ab, die anschließende Aussprache brachte nichts ein.“

Statt der üblichen jahrelangen Sozialspannerberichterstattung über das Leben irgendwelcher Royals: „Der britische Thronfolger feierte vor rund dreißig Jahren in der Abtei von Westmünster Hochzeit mit einer kuhäugige Kindergärtnerin, die anschließende Ehe brachte außer Blagen in Neonazikostümen und der Zerstörung eines Mercedes in einem Pariser Tunnel nichts ein.“

Nachrichtensendungen ließen sich beliebig verkürzen, vielleicht kämen wir auch mit einer pro Jahr aus. Weil man bei den meisten Dingen erst einmal das Ende abwarten würde, dann entscheiden könnte, ob es wirklich Berichtenswertes gab, und dieses ggf. sehr komprimiert vermitteln. „1998 übernahm Gerhard Schröder die Amtgeschäfte des Bundeskanzler. Die anschließenden sieben Jahre rot-grüne Koalition brachten nichts ein.“


Nach der großartigen Probe mit den Gierschlünden bei Paul Blanck, über die ich hier vor einiger Zeit berichtet hatte, täte man sich natürlich leicht, den Rest der Elsassreise in gleicher Weise abzutun. Nach Blanck konnte es ja eigentlich keine Steigerung mehr geben, auch nicht wirklich viel Vergleichbares. Also ein Fall für den Satz „Die anschließenden Verkostungen brachten nichts ein“?

Nein, weit gefehlt. Die Verkostung bei Andre Ostertag zum Beispiel, die brachte etwas ein! Und wie! Sechs exzellente Weine wurden uns in Epfig vorgesetzt.

Zum Beispiel der Muscat 2011, aus Muskat-Ottonel gekeltert, langsam gepresst, bis zu neun Stunden Zeit nehmen sich die Ostertags dafür. Sehr fruchtbetonte Nase, dazu ein dezenter Hauch von Rosenblättern! Am Gaumen erst ein klein wenig zurückhaltend im Anklang, dahinter dann fast schon gewürztraminerige Blütenaromen, deutlich floraler, ja fast „parfümierter“ als in der Nase, aber nicht penetrant. Leicht ölig, das geht, obwohl trocken ausgebaut, schon deutlich in Richtung Aperitifwein. Erstaunliche Länge für einen vorne so leichten, fast verhaltenen Tropfen. Mit mehr Luft wird dann auch der Anklang vielschichtiger, nun zeigt er auch die apfelige Frucht aus der Nase. Insgesamt bleibt das aber eher auf der eleganten Schiene, gerade richtig schlank, um nicht ins Breite, Ölige abzugleiten. 86 von 100 Willipunkten.

Zweiter Akt: Riesling Fronholz aus 2011. Der Fronholz ist ein Weinberg direkt hinter Epfig, Exposition nach Südwesten, Sonne kriegt er also genug. Die Böden sind sandig mit ein wenig Quarz, was den Weinen eine nur dezente, eher salzige Mineralität verleiht.

Der 2011er füllt die Nase schon ganz prächtig, zitronige Frucht, ein wenig bienenwachsige Verschlossenheit ist auch noch da, der wird erst noch richtig kommen, klarer Fall. Mit mehr Luft kommt dann auch die feine mineralische Spitze, die einen guten Fronholz auszeichnet. Am Gaumen, herrjeh, das ist ja fast schon zu lecker. Die Gefälligkeitspolizei an der Route Nationale nach Andlau hält schon die Kelle raus und winkt das Ding zur Alkoholkontrolle, auch weil man die 13,5 Volumenprozente organoleptisch gar nicht wahrnimmt und den Wein eher für leichter hielte. Mit 5,5 Gramm Restzucker ist er analytisch trocken ausgebaut, auch ohne den Zuckerschwanz unterwegs, der früher hinter manchem auch hochklassigen Elsässer herwehte wie der Fuchsschwanz hinter dem Ford Capri. Und trotzdem geht er wegen seiner sehr niedrigen Säure auch ohne Carte d´Identité bei der Grenzkontrolle sofort als klassisch-elsässischer Tropfen durch. Zitrusfruchtig, leicht muskatige Würze und dann im Abgang die salzige Mineralität, für die das Terroir steht. Ein beeindruckender Wein, der eine Punktlandung auf glatte 90 von 100 Willipunkten hinlegt.

Wie groß die Unterschiede zwischen Lagen sein können, merkt man wieder einmal, wenn man den Heissenberg daneben stellt. Nomen est omen, das ist eine Lage, die windgeschützt im Schlagschatten der Vogesen liegt und dementsprechend die Wärme des Oberrheintals in ihrem Sandsteinboden geradezu sammelt. Um sie dann an die tiefwurzelnden Rieslingreben weiter zu reichen, die das Ganze in einen irre mineralischen, vollen Wein umwandeln. So auch im Jahrgang 2011, der in der Nase - wie würde es eine Speisekarte formulieren? - ein Duo von zitroniger Frucht und steiniger Mineralik auftreten lässt. Verführerisch, der streichelt die Rezeptoren fast. Am Gaumen legt er noch eins drauf, ungemein voll, viel salzige Mineralität, opulente Frucht, eine feine Aprikose, nicht ganz roh, eher so leicht weichgedünstet und noch mit einem Schuss Likör angemacht. Viiiel Druck, tolle Länge und auch im Abgang ungemein voll! Prima Wein, objektiv ungefähr auf der Höhe des Fronholz, daher ebenfalls mit 90 von 100 Willipunkten versehen, insgeheim aber mein Favorit, deshalb gibt’s einen halben mentalen Punkt zusätzlich!

Einen Riesling gab es noch, diesmal aus dem Muenchberg, der Paradelage der Ostertags. Eine Steillage mit satter Südexposition, viel Sandstein und etwas Vulkanboden, seit dem 12. Jahrhundert lässt sich für diese Parzelle Weinanbau nachweisen, da muss sich das wohl irgendwie bewährt haben. Tolle Rieslingnase, mit genau der feinen Mineralik unterwegs, die auch die Vorgänger ausgezeichnet hat, auch mit der feinen Zitrone, daneben trägt er aber noch einen großen Korb vollreife Tropenfrüchte mitten in den Riechkolben, Ananas und Mango! Die finden sich auch am Gaumen wieder, in einer großartigen Fülle. Was für ein Pfund Wein das ist, mit viel Charme im Anklang, schön balanciert, 7 Gramm Restzucker stehen 6 Gramm Säure gegenüber, das passt genau. Dicht gewebt, ungemein saftig und gleichzeitig mit mineralischer Tiefe. Länger als die Staus rund um Saint-Tropez im August und ebenso sonnig wie die tropezische Küste, viel Druck, ein richtig großer Wein! 93 bis 94 von 100 Willipunkten. Und das war der 2011er, der 2010er soll noch besser sein. Wie gut, dass ich von dem dieser Tage noch nachkaufen konnte. Bericht folgt demnächst in diesem Theater!

Wie das so ist, wenn einer richtig gut unterwegs ist, dann schmeckt bei dem sogar der Pinot Gris. Dessen Stöcke haben die Ostertags auf den Zellberg gestellt, noch so ein Weinberg mit voller Südexposition, allerdings mit schwereren, erdigeren Böden als der Muenchberg, im Zellberg findet man eher Ton und etwas Kalk als Sandstein.

Aktuell war der 2010er im Angebot, den haben diese Wahnsinnsbraten doch tatsächlich in Barriques gesteckt, mit etwa 20 Prozent Erstbelegung. Und das mir, der ich Holz im Weißwein doch eher für einen Weinfehler als für wünschenswert halte. Immerhin war die Nase nur ganz leicht holzbetont im Anklang, dahinter stand dann sofort die stramme Pinotfrucht, leicht parfümiert aber opulent und vielschichtig, auch ein ganz klein wenig kräutrige Würze war mit im Topf. Am Gaumen kraftvoller Anklang, das Holz ist praktisch nicht wahrnehmbar, im Gegenteil, der Wein wirkt ungemein frisch und fruchtbetont. Auch die 14,5 Prozent Alkohol spürt man nicht und um die 11 Gramm Restzucker zu schmecken, muss man die Papillen schon gewaltig anstrengen, die Mineralität fängt das ab. Dicht und ausladend, nur im Abgang verschlankt er sich ein klein wenig. 91 von 100 Willipunkten.

Zum guten Ende probierten wir dann noch einen Gewurztraminer aus dem Fronholz. Das Lesegut war zu etwa 50 Prozent mit Botrytis unterwegs, erklärten uns die Ostertags. Und das roch man auch, das war alles andere als der übliche parfümierte Traminer. Die Rebsortentöne spielten hier friedlich mit den Botrytisnoten, voll, sehr harmonisch und nur ganz leicht floral anmutend. Am Gaumen steht dann prompt auch die Frucht im Mittelpunkt, Grapefruit, etwas Orange, dazu der Honig der Botrytis. Ein faszinierender Tropfen, unfassbar lang und voll und fast völlig ohne diese seifigen Noten jener restsüßen Gewürztraminer unterwegs, die die Welt zwar nicht braucht, doch dessen ungeachtet in großen Quantitäten herstellt. Ein großer Wein 93 von 100 Willipunkten.

Das anschließende Mineralwasser brachte nichts ein…


Ende

Es waren erlebnisreiche Tage mit vielen schönen Weinen und tollem Essen. Zur Nachahmung empfohlen.

Gruß aus Oberhausen
Norbert
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hendrik

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Re: Kreutzer's Verkostungsnotizen im Laufe der Zeit

BeitragSa 17. Aug 2013, 21:27

Norbert, schon aber warum nur die Kurzfassung? :mrgreen:

beste grusse aus die Niederlande
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kreutzer

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Re: Kreutzer's Verkostungsnotizen im Laufe der Zeit

BeitragSa 17. Aug 2013, 22:29

hendrik hat geschrieben:Norbert, schon aber warum nur die Kurzfassung? :mrgreen:

beste grusse aus die Niederlande


Hallo Hendrik,

was genau meinst Du mit Kurzfassung?

Gruß
Norbert
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hendrik

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Re: Kreutzer's Verkostungsnotizen im Laufe der Zeit

BeitragSo 18. Aug 2013, 10:10

Nur Spass! :mrgreen:
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kreutzer

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Elsass-Reise aus anderer Sicht

BeitragDo 22. Aug 2013, 16:24

Hallo Weinforum,

endlich hat mein Weinfreund Rainer Kaltenecker auf seinem Blog seinen Reisebericht über unsere gemeinsame Elsass-Tour eingestellt. Über aka Willi Igels Sichtweise wurde in Teilen bereits berichtet.

Rainers Sicht, der auch die diversen Restaurant-Besuche beinhaltet, könnt ihr unter folgendem Link nachlesen:

http://toaster.wordpress.com/elsass-im-sommer-2013/

Gruß aus Oberhausen
Norbert
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kreutzer

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Re: Kreutzer's Verkostungsnotizen im Laufe der Zeit

BeitragDi 22. Okt 2013, 08:43

Hallo Weinforum,

über eine Probe gereifter Kalifornier im Mai 2013 hatte ich bereits berichtet.

Siehe: viewtopic.php?f=29&t=312&p=57365&hilit=1994+Dominus#p57365

Etwas verspätet hat Weinfreund Guido Müller auf toaster wordpress seinen Beitrag zu dieser Probe eingestellt.

Für Interessierte (ein Vergleich der Verkostungsnotizen kann aufschlussreich sein) hier der Link:

http://toaster.wordpress.com/kalifornien-probe/

Gruß aus Oberhausen
Norbert
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