So, hier noch meine Notizen:
1. (Mosel) Winzermeister Horst Loewenstein Winninger Domgarten AL trocken Barrique, 13.5%, EUR 17.50
Roestige Nase, leicht mentholige Frische durch Alkohol(?). Am Gaumen sehr weiche, schoen gereifte Frucht (Erbeere - kein Kompott). Holz gut eingebaut (typisch "deutsches" Holz mit Roestnoten). Dicht, schwer, viel von allem. Leichte Restsuesse. Schoene Laenge mit etwas Waerme, Saeure und einem leichten Bitterle im Abgang. Sicherlich ein sehr guter Wein, der vielleicht aber ein bisschen zu unbedingt beeindrucken moechte. Baden? Von mir 90P und Platz 4, insgesamt Platz 5.
2. (Baden) Franz Keller Selection A, 13.5%, EUR 35
In der Nase verbrannter Kaffee, keine Frucht. Leicht volatile Note. Am Gaumen intensiv, Sauerkirsche und englischer Drops, wieder etwas brenzlig (VA?), viel Saeure und Saft, aber unharmonisch. Faellt dann sehr schnell ab. Im Abgang bleiben roestige Noten und sproedes (gruenes?), trocknendes Tannin. Pfalz? Von mir 87P und geteilter Platz 7, insgesamt Platz 8.
3. (Pfalz) Jakob Pfleger Herxheim am Berg, Editiona Curator R****, 14%, EUR 30
Verhaltene, aber schoene Nase mit dunkler Frucht. Mit etwas Luft sehr reife Frucht, ganz leichter Klebstoffton. Am Gaumen sehr kompakter Koerper, etwas Methol, dunkle, blaubeerige, sirupartige Frucht, leicht ins Dickliche gehend (ein bisschen wie Petite Sirah bzw. Durif). Saftig, sanfte Wuerze, das Holz wird voellig von Schicht um Schicht der dunklen Frucht zugeschuettet (fuer mich das mit Abstand beste Holzhandling des Abends!). "Australischer Bau". [Nachtrag: Jetzt faellt mir ein, woran mich der Wein den ganzen Abend erinnerte: er schmeckt wie eine Verkostungsnotiz von Jay Miller! Also eher Ribero del Duero als Australien.] Beeindruckender Wein, vielleicht eher zum Verkosten als zum Trinken? Noch ordentliche Laenge. Martin und ich tippen anfangs auf Becker, verwerfen dies aber mit Blick auf den knappen Abgangs. Immerhin, wir tippen Pfalz. Von mir 91-92P und geteilter Platz 2; Gruppenwertung Platz 3.
(Am Ende des Abends nachverkostet: Jetzt absolut portige Noten in der Nase (zuviel Luft), am Gaumen ist der Wein voellig auseinandergefallen. Wer Flaschen hat, sollte sie IMO jetzt austrinken, denn die Flaschen machen es nicht mehr lange.)
4. (Baden) Bernhard Huber Wildenstein -R-, 13.5%, EUR 58
Wieder mal roestige Nase mit etwas Alkohol. Am Gaumen Holz und ein Nagellackton. Gekochter und schon leicht schaler Erdbeersaft, viel Alkohol. Rheingau? Von mir 87P (mit viel Potential nach unten), das macht mein geteilter 7. Platz. Gruppenwertung auch 7. Platz.
5. (Franken) Fuerst Centgrafenberg, 13%, EUR 23
Wiederum roestige, aber recht zurueckhaltende Nase. Am Gaumen gute Struktur, schoenes Tannin und gute Saeure mit leicht bizzelige Schaerfe, aber sehr zurueckhaltende Frucht mit ganz leicht stalligen Noten; gekochte Erdbeeren. Insgesamt ein eher sehniger Wein, aber sehr interessant. Herber Abgang ("palate-cleansing finish"). Geschaetzter Alkohol 12.5%. Schiefer? Mosel? Von mir 91-92P und geteilter 2. Platz, Gruppenwertung 1. Platz.
Beim erneuten Lesen der Notiz beschleicht mich das Gefuehl, dass der Wein positiv diskriminiert wurde, d.h. nur weil es kein dicker Brummer war, hat man ihn vielleicht zu gut bewertet, denn wahnsinnig komplex und elegant habe ich den Wein naemlich nicht in Erinnerung. Es war aber auch nur der "einfache" Centgrafenberg fuer kleines Geld, und dafuer ist der Wein schon ziemlich gut.
6. (Baden) R & C Schneider Schoenenberg, 13%, EUR 25
Sehr deutsche Nase, wiederum roestig, aber (endlich wieder) auch Frucht. Auf der Zunge ganz leicht bizzelig. Am Gaumen sehr interessante Aromatik, aber die Struktur ist sehr schwer zu beschreiben - mit Volumen, aber eher so, als ob das Volumen
umschlossen wuerde. Leicht, fast locker (ich habe "aetherisch" notiert), dabei aber nicht fluffig, sondern sehr gut umrissen. Im Abgang ganz schwach austrocknend, wie wenn man Trauben isst und hinterher noch auf den Kernen herumkaut. Der femininste Wein des Abends und fuer mich der interessanteste. Knipser? Von mir 92-94P und Platz 1, Gruppenwertung 2. Platz.
7. (Pfalz) Knipser Grosskarlbacher Burgwerg Im Grossen Garten GG, 14%, EUR 32
Wieder leicht roestige, aber recht tiefe Nase. "Riecht blickdicht", notiere ich (ist auch ein sehr dunkler Wein). Am Gaumen so, wie ich mir einen soliden deutschen Spaetburgunder vorstelle (nicht als Ideal, sondern als Konzept). Satte, reife Frucht (deutlich Auslese), wiederum australisch anmutend (einige meinen "Suedfrankreich", aber mir persoenlich fehlt die Wuerze dazu). Guter bis sehr guter Wein, macht Spass, Micha schlaegt ihn zu gegrilltem(!) Lamm vor - eine gute Sache. Von mir 88-90P und der 5. Platz, insgesamt 6. Platz
8. (Ahr) Adeneuer Walporzheimer Gaerkammer GG, 13.5%, EUR 55
Leicht alkoholische Nase, sehr frisch. Am Gaumen sehr hell, frische Saeure; gebaut wie ein kraeftiger Weisswein und wird auch von Saeure zusammengehalten und nicht von Tannin. Etwas simpel. Julia atestiert dem Wein Spiel. Im durchaus langen Nachhall wieder zerkaute Beerenkerne. Hm, hm, hm, bei diesem Wein weiss ich wirklich nicht weiter. Ich sitze auf dem Zaun, gebe ihm aber mal 89P (damit mein 6. Platz), aber mehr aus Ratlosigkeit denn aus Ueberzeugung. Fuer wen der Wein funktioniert, der kann ihm sicherlich viele Punkte geben, aber 85P sind genauso vertretbar fuer denjenigen, fuer den der Wein nicht zuendet. In der achtkoepfigen Gruppe finden sich fuenf(!) Leute, die den Wein auf dem 1. Platz sehen, aber drei Ausreisser sehen den Wein am entgegengesetzten Ende mit 6., 7., und 9. Platz. Gesamtergebnis ist rein numerisch der 2. Platz. Nicht dass der Wein polarisiert, ist bemerkenswert, sondern dass ihn viele als
den besten Wein gesehen haben (und nicht nur als sehr guten). Stilfrage?
9. (Baden) Duijn Jannin, 13.5%, EUR 27
Sehr volle Nase. Blut? Am Gaumen metallisch (drueber?), Lollypop-artige Frucht (eher pink als rot) mit leicht bizzelnder Schaerfe. Nicht sehr komplex und faellt schnell ab. Nicht gut. Rheingau? Von mir 83P und geteilter 9. (letzter) Platz. Die Gruppe sieht ihn auch auf dem 9. Platz.
10. (Pfalz) Friedrich Becker Schweigener Sonnenberg Sankt-Paul GG, 13.5%, EUR 44
Verhaltene Nase, recht wenig Holz und eher Frucht. Etwas grelle Frucht. Im Abgang ein seltsam Ton, der in Richtung medizinal geht (aber das trifft's nicht ganz). Was haelt diesen Wein zusammen? Nix. Nicht gut. Von mir 83P und geteilter 9. (letzter) Platz; die Gruppe sieht den Wein auf dem 10. (letzten) Platz.
Alle Weine wurden stark 2h vorher doppelt dekantiert und voellig blind serviert, d.h. erst am Ende der Probe und nach der ganzen Wertungsdiskussion wurde aufgedeckt.
Genauso wie Charlie war ich hinterher sehr gut gelaunt. Fuer mich lag's an drei Aspekten der Probe:
Sie war unglaublich angenehm, weil durch das voellig blinde Verkosten jeder sehr gruendlich seinen Wein beschreiben musste
und konnte und jeder auch sehr offen seine (manchmal kontraeren) Eindruecke geschildert
hat (zumindest hatte ich dieses Gefuehl, und das habe ich nicht oft bei solchen Proben - kann aber auch an mir liegen).
Die Probe war auch extrem lehrreich. Zumindest ich habe keine groessere Erfahrung mit deutschem Spaetburgunder, schon gar nicht mit gereiftem, dafuer aber einige Vorurteile; einige haben sich als falsch erwiesen, einige andere hingegen haben sich verfestigt.
Und:
I find it oddly satisfying that everyone takes their very own pleasure in wines they like instead of fancying wines that are highly regarded by others (especially by me).
Nochmal besten Dank an Felix und Mel fuer den ganz grandiosen Abend!
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)