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Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

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Budi

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Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

BeitragMo 25. Jun 2012, 11:42

http://budisfoodblog.wordpress.com/2012/06/25/elsass-besuch-domaine-albert-boxler/

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Ein weiterer Auszug aus meinem mehrtägigen Elsass-Aufenthalt. Mein persönliches Highlight im Elsass.

Einer meiner prägendsten Besuche im Elsass war die Domaine Albert Boxler in Niedermorschwihr.

Niedermorschwihr befindet sich keine fünf Minuten mit dem Auto entfernt von Turckheim und wenn man Albert Boxler besuchen will, lohnt es sich noch auf dem Weg die fantastischen Spirituosen von Metté zu verkosten.

In Niedermorschwihr, zu Fuße des Grand Crus “Sommerberg” liegt die Domaine Albert Boxler, ein älterer terracottafarbener Hof mit urgemütlichem Verkostungsraum.

Die Domaine beherbergt nach meinem Stand ca 13ha, die fast ausschließlich auf Granitböden wachsen. Davon sind 80% Grand Cru Lagen, der Großteil besteht aus Steillagen.

Die Domaine produziert ca. 60 000 Flaschen im Jahr, davon sind 40% Riesling, 15% Grauburgunder und weitere 15% Weißburgunder. Jean Boxler benutzt nach eigenen Angaben zu gefühlten 80% Spontangärung und setzt Reinzuchthefen nur dann ein, wenn die Gärung unerwünscht stehenbleibt. Beim Riesling verzichtet er stets darauf.

Die Besonderheit der Domaine liegt aber wohl in der präzisen Herausarbeitung des Terroirs, die Jean Boxler betreibt. Lagenverschnitte findet man hier eher selten. Besonders spannend ist Albert Boxlers genaue Aufteilung des Sommerbergs. Hier teilt er einzelne Parzellen des Sommerbergs auf und benennt die verschiedenen Abfüllungen mit einzelnen Buchstaben.



Jean Boxler selbst, der mit 21 Jahren das Weingut übernommen hat, habe ich als sehr sympathischen aber zurückhaltenden, ja gar schüchternen Menschen erlebt. Ein bisschen erinnert er mich in seiner Zurückhaltung und bescheidenen Beschreibung, wenn es um die eigene Weine und deren Qualitäten geht, an Egon Müller.

Im Gespräch mit ihm, zeigt sich, wie überlegt und eigenständig er seiner Arbeit als Winzer nachgeht. Eine der Grundaussagen bestand darin, dass sich Jean ungerne auf reine Zahlen verlässt. So benutzt Jean kein Refraktometer, sondern verlässt sich auf seine sensorischen Fähigkeiten, wenn es um das Gleichgewicht in den Trauben geht.

Auch sonst scheint Jean einen weiten Überblick über die Weinwelt zu haben und seinen Horizont stets zu erweitern. Darauf deuten nicht nur unzählige leere Flaschen der größten Produzenten, die neben dem Ofen stehen, sondern auch die Tatsache, dass Jean sich selbst vergewissert, was so außerhalb des Elsasses passiert. Kürzlich hat er in Deutschland die Mosel besucht und dabei Winzern wie Willi Schaefer und Egon Müller einen Besuch abgestattet.

Zu Beginn probierte ich Boxlers Sylvaner aus 2010.

2010 war ein schwieriges Jahr für Jean. Nicht qualitativ, sondern quantitativ: Der Ertrag lag bei lediglich 18 hl/ha!

Der Sylvaner lieferte einen sehr einfachen, geradlinigen Sylvaner, mit dem ich mich nicht wirklich anfreunden konnte und der auch aus der gesamten präsentierten Kollektion, die einzige Enttäuschung in sich barg.



Ganz anders und viel interessanter ist da der Riesling aus 2010.

Ein geradliniger Riesling, mit brachialer Säurestruktur, der genau so jetzt höchst interessant ist, wie in vermutlich 5 Jahren. Die vibrierende Säure strukturiert diesen Wein präzise durch. Dabei wirkt der Wein alles andere als erschlagend.

So muss die Visitenkarte eines Winzers ausschauen!

Weiter ging es mit dem Grand Cru Sommerberg Riesling 2010.

Quasi ein Direktvergleich, zwischen dem einfachen AAC und dem GC.

Der Grand Cru zeigt hier eine intensivere Nase und lang anhaltenden Abgang. Der Riesling ist absolut trocken ausgebaut und zeigt einen Wein, der mich mehr an ein GG aus Deutschland erinnert, als die oftmals erschlagend schweren Rieslinge des Elsass.



Darauf folgt ebenfalls aus 2010, der Riesling Sommerberg “E”.

Der Riesling stammt aus Boxlers bester Parzelle des Sommerbergs, dem Eckberg. Der Riesling zeigt sich barock, gut ausbalanciert zwischen Stärke und Eleganz und Cremigkeit. Der fantastischste Wein der Verkostung, der nicht umsonst in der RVF 20/20 Punkte bekommen hat. Damit ist er leider ab Hof auch schon längst ausverkauft.

Auch auf gigantisch hohem Niveau zeigt sich aus dem Sommerberg der Riesling “D”.

Dieser besitzt ebenfalls diese angenehme Cremigkeit und Fülle, die Boxler dem Riesling hier entlockt. Brachial konzentriert und dabei noch leicht. Beide Gewächse benötigen aber noch viel Zeit und das Warten lohnt sich, wie ein gereifterer Sommerberg aus 2004, den ich im Restaurant verkosten konnte, gezeigt hat.



Boxler hat aber nicht nur Grand Cru Lagen im Sommerberg, sondern auch noch im Brand.

Der 2010er Grand Cru Riesling besitzt im Vergleich zu den Sommerberg-Abfüllungen etwas mehr Struktur. Hinzu kommt eine leichte Restsüße. Dies ist ein Riesling, der mehr dem elsässischen Stil gerecht wird. Dabei kommt aber auch gleich wieder mit der Kraft und leichten Süße, die schnelle Sättigung.

Darauf folgt der Riesling “K” vom Brand.

“K” steht für Kirchberg. Die Trauben stammen von 65 Jahre alten Reben und zaubern einen restsüßeren, floralen Riesling, mit reiferen Noten. Sicherlich nach einiger Zeit an Lagerung, wenn die Süße zurückweicht und Tertiäraromen hervortreten, sehr interessant!



Eine wunderbare Offenbarung für alle am Tisch Verkostenden, war Boxlers Pinot Gris (Réserve) 2010.

Dieser Wein besitzt bei seiner Einfachheit, Finesse und zeigt Stil. Er wird aus besonders guten Trauben erzeugt und besitzt Restsüße. Dabei hat er aber trotzdem, da er nicht zu komplex, sondern eher geradlinig wirkt, die nötige Leichtigkeit. Ein fantastischer Begleiter zu Foie Gras!

Weniger fruchtig, sondern mineralischer und dabei auch opulenter, zeigt sich der Pinot Gris vom Brand, den Boxler danebenstellte. Ich persönlich ziehe aber momentan den einfacheren Pinot Gris vor.



Den Pinot Gris Sommerberg “W” 2010 empfinde ich als etwas zu parfümert, auch wenn er am Gaumen schön aromatisch und ausdrucksstark daherkommt. So ergibt sich ein durchschnittlicher Pinot Gris, der mein Interesse für tiefere Notizen nicht wecken konnte.

Es folgen noch der Gewürztraminer Brand 2010 (in Ordnung), sowie der Gewürztraminer 2010, der etwas 50g Restzucker besitzt und Potential haben könnte. Momentan hat man hier aber noch eine zu dominante Süße und riecht noch leicht Hefearomen aus dem Glas heraus. Einfach noch zu jung, um beurteilt zu werden.



Die ungemein eigenständigen Etiketten sind laut Jean seit 1946 kaum verändert worden und das wird wohl auch so bleiben. Bei den Süßweinen ziert ein anderes Etikett die Weine.

Zum Abschluss servierte Jean noch zwei Highlights und zeigt, dass er nicht nur trockene Rieslinge meisterlich beherrscht, sondern auch im edelsüßen Bereich auftrumpfen kann.

Der Gewürztraminer Brand VT aus 2007 ist da so ein Fall. Was für ein vollkommener Wein. Er besitzt Süße, hat Länge und die leicht dickflüssige Konsistenz, kommt nicht von ungefähr. Tiefe Aromatik – eine Aromenbombe.

Genau so fesselnd auch Boxlers Riesling Sommerberg 2007 Selection de Grains Nobles, hinter der ich mir, ob der Spannung am Gaumen überwältigt, lediglich drei schlichte Kreuzchen markiere.


Bei all diesen fantastischen Weinen, überraschte dann doch, wie wenig Flaschen im eigenen Land bleiben. In Restaurants liefert Boxler nur sehr wenig, dafür viel ins Ausland, besonder in die USA, wo man den Stil selber schätzt.

Auf die Frage, ob seine Weine typisch elsässisch seien, antwortet Jean nur grinsend: Ich weiß es nicht -Was denken Sie?

Wie auch immer die Antwort auf diese Frage lauten mag – fest steht, dass diese Weine zu den gelungensten im Elsass gehören.



78 Rue des Trois-Epis/68230 Niedermorschwihr/ Alsace/ France

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Alas

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Re: Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

BeitragMo 25. Jun 2012, 20:49

Hey Budi!

Danke für deine sehr informativen Berichte!!

Gruß

Alas
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Oh Dae-Su

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Re: Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

BeitragDi 26. Jun 2012, 18:37

Dem Dank kann ich mich nur anschließen! :)
Tolle Elsass-Berichte hast du da geschrieben!
Da hast du einen tollen Gesichtsausdruck vom Chef eingefangen ;)
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octopussy

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Re: Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

BeitragMi 27. Jun 2012, 07:37

Hallo Budi,

auch von mir allerbesten Dank für die schönen Winzerbesuchsberichte. Von Albert Boxler wollte ich auch immer mal etwas probieren und muss mir jetzt schleunigst mal zwei, drei Flaschen bestellen. Bisher hatte ich nur einen Wein von Justin Boxler.

Wie fällt dein Gesamtfazit aus? Wo hat es dir am besten gefallen oder überall gleich gut, nur anders? Und sich für dich die Elsässer Rieslinge, Pinot Gris und Blanc, Sylvaner und Gewürztraminer besser oder schlechter als ihr Ruf?
Beste Grüße, Stephan
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Weinzelmännchen

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Re: Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

BeitragMi 27. Jun 2012, 09:11

octopussy hat geschrieben:Wie fällt dein Gesamtfazit aus? Wo hat es dir am besten gefallen oder überall gleich gut, nur anders? Und sich für dich die Elsässer Rieslinge, Pinot Gris und Blanc, Sylvaner und Gewürztraminer besser oder schlechter als ihr Ruf?


Ja, Budi! Es waren ganz, ganz tolle Berichte!

Aber dein Fazit fehlt uns noch :!: :!: :!: :!: :!: :!: :!: :!:
MvG
(Mit vinophilen Grüssen)

Daniel
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Budi

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Re: Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

BeitragDi 3. Jul 2012, 17:50

Na es fehlt ja auch noch ein Bericht zu meinem Besuch bei Trimbach! ;)

Am besten hat es mir bei Albert Boxler gefallen. Josmeyer hatte fantastische Weine, auch wenn das in der ganzen Hektik vielleicht etwas untergegangen ist. Bei Zind Humbrecht hatte ich viele Weine, die ich noch nicht voll beurteilen kann und möchte, da diese ungemein Zeit brauchen und nicht so zugänglich sind in der Jugend. Aber die gereiften Sachen haben gezeigt, dass dies sicherlich zur Spitze im Elsass zählt. Vorab: Bei Trimbach gab es natürlich auch sehr gelungene Weine, wobei die Standardcuvées eben etwas emotionsloser sind. Clos Ste Hune 2005 war dafür aber den Besuch wert, wie noch der ein oder andere gereifte Wein. Hier hat mich vor allem die Präsentation des Weingutes beeindruckt - Fotos folgen.
Sympathie hatte ich bei Albert Mann. Auch hier gab es einen wunderbar eigenständigen Stil, den ich besonders im Schlossberg zu schätzen weiß.
Bei nahezu jedem Winzer gab es aber auch immer mal wieder die typischen schweren und süßen Geschichten, mit denen man bei mehr als nur einem Glas schwer warm wird.
Unterm Strich eignet sich das Elsass für mich besonders in der Gastronomie. Also im Einsatz mit Speisen. Das hat sich erneut bestätigt.

Was den Bereich Riesling angeht, kann man hier wahre Schätze finden. Beim Gewürztraminer ebenso. Silvaner war für mich nicht immer von der Feingliedrigkeit, wie ich sie z.b. von Kellers Feuervogel kenne und liebe.
Eine Pauschalaussage zu treffen ist hier besonders schwer. Es gibt Winzer, die den schweren Stil in Perfektion beherrschen. Auch das ist gut so - wenn man es sucht.
Ein Problem mit dem alle Winzer "kämpfen" ist wohl die große Undurchsichtigkeit beim Riesling, wenn es um die Süße geht. Da gibt es eben Jahr für Jahr Unterschiede. Das ist schwer zu vermitteln. Aber das Elsass ist eben auch ein ganz spezieller Fleck.
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octopussy

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Re: Elsass: Besuch der Domaine Albert Boxler

BeitragMi 4. Jul 2012, 07:45

Hallo Budi,

danke für das Fazit und schön, Elsässer-Eindrücke von jemandem zu lesen, der ergebnisoffen eine solche Reise angeht. Gerade das "Problem" mit dem Restzucker in den Elsässer Weinen sehe ich auch nicht ganz so stark als Problem an. Ich freue mich noch auf den Trimbach Bericht :).
Beste Grüße, Stephan

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