Bukett- und edelsüsse Weine in Würzburg

Hallo zusammen,

letzten Freitag haben sich ein paar weininteressierte Nasen in Würzburg mit trockenen/halbtrockenen Bukettweinen bzw. edelsüssen Spezialitäten beschäftigt.

Folgende Weine wurden verkostet (zunächst die trockenen/halbtrockenen Weine):

2010er Escherndorfer Lump Morio-Muskat Kabinett trocken (Clemens Fröhlich)

für eine Literflaschen-Qualität (5,60 € ab Weingut) wirklich außergewöhnlich gut, sehr klare, duftig-beschwingte Aromatik nach Rosen, Muskat und gelben Früchten, für die meist etwas ordinär duftende Rebsorte absolut fein, ein echtes Leichtgewicht (11 Vol%), trotz staubtrockenem Ausbau (0,0 g RZ) nicht wässrig oder dünn, ein Sommer- und Terrassenwein im allerbesten Sinne ! 84 P.

2010er Scheurebe QW trocken (Christian Stahl, Auernhofen, Franken)

dezente, unaufdringliche Sortenaromatik, etwas Johannisbeere mit dezenter Vegetabilität, auf der Zunge deutlich aussagekräftiger, schwarze Johannisbeere mit einem Hauch grüne Paprika, gute Fruchtdichte, markante, aber reife Säure, gute Fruchtdichte und Länge. Ein ganz trockener Bukettwein mit hervoragendem Trinkfluss. 86 P.

2003er Haardter Bürgergarten Muskateller Spätlese trocken (Müller-Catoir)

reife Nase mit etwas Petrol, dennoch als Muskateller gut erkennbar, reife Muskatpräsenz, etwas Lakritze mit floralem Einschlag, kräftig am Gaumen, jedoch dank (natürlicher) Säure weit weg von jeglicher Brandigkeit,folgerichtig am Gaumen, reifer Muskatgeschmack, in sich stimmig, Alkohol (14 Volt) gut eingebunden,mittellanger, etwas üppiger Abgang. Der Wein ist jetzt voll trinkbereit und wird meiner Ansicht nach nicht mehr von weiterer Lagerung profitieren. 85 P.


2008er Klöcher Roter Berg Gewürztraminer QW halbtrocken (Müller, Klöch)

eleganter Duft nach Heckenröschen, Veilchen und dezent Lakritze,reife gelbe Früchte, absolut nicht pomadig, milde , aber ausreichende Säure, glasklar auf der Zunge, finessenreicher Mix aus Frucht und blumigen Aspekten, gut eingebundener Alkohol (13,5 Vol%), mittellanger bis langer, fruchtig-würziger Abgang. Archetypischer Gewürztraminer, der trotz Fülle voll auf der eleganten und finessenreichen Seite bleibt. 89 P.


Fortsetzung folgt mit den 10 übrigen rest- und edelsüssen Weinen !

Grüsse
Bodo

.. und weiter geht's mit den rest- und edelsüssen Weinen:

2010er Rüdesheimer Berg Roseneck Riesling Spätlese (Dr. Nägler, Rüdesheim)

sehr animierende Nase nach Weinbergspfirsich und Zitrusfrüchten, sehr jugendlicher Eindruck, glasklar auf der Zunge, herrlich die Süsse konterkarierende, reife Säure, Süsse und Säure stehen noch ein klein wenig nebeneinander, klirrend frisch und federleicht (9 Vol%), ganz klassische, restsüsse Spätlese der alten Schule, die erst in ein paar Jahren ihre Klasse zeigen wird. Ein toller Riesling von einem Erzeuger, der vielleicht zu Unrecht nicht sonderlich im Fokus der Weininteressierten steht. 90 P.

2005er Norheimer Kirschheck Riesling Spätlese (Dönnhoff, Oberhausen)

im Gegensatz zum Vorgänger wesentlich reifere Aromatik, sehr floral angehaucht, auf der Zunge viel Eleganz und Schmelz, reife Zitrusfrüchte und deutlich Rose, sehr animierendes Süsse-Säure-Spiel, gute Länge, macht jetzt sehr viel Spass, kann aber auch bedenkenlos noch einige Jahre gelagert werden. 90P.

2001er Bernkasteler Graben Riesling Auslese ** (Markus Molitor, Wehlen)

wunderschön gereifte Nase ohne jegliches Petrol, würzig und finessenreich, reife Gelbfrucht, schon etwas "abgeschmolzene" Restsüsse, die 90 gr. RZ sind fast nicht schmeckbar, tolle strukturierende Säure, optimale Balance zwischen Süsse und Säure (10,2 Promill), sehr stimmig, wie aus einem Guss, extraktreich mit guter Länge. Klasse Wein ! 92 P.

2008er Randersackerer Pfülben Rieslaner Auslese (Juliusspital)

glasklare, exotische Fruchtnase nach frischer Maracuja, Papaya, Grapefruit,Mango und und und.... Man vergisst fast das Trinken ! Folgerichtig auf der Zunge, die volle Fruchtladung tropischer Früchte, ein Hauch Lakritze, makellose Balance und Finesse, ultrasaubere Bortrytis, mit Sicherheit ein "Tiefstapler", dessen Mostgewicht bereits deutlich im BA-Bereich liegen dürfte, perfekt ausgewogen ( 109 gr RZ, S 9,7), viel besser geht es in diesem Bereich und in dieser Stilistik kaum, und das für weniger als 15 EURO im 0,75 l-Bocksbeutel !! 94 P.

1993er Rivesaltes Ambre Vin doux naturel (Domaine de Rancy, Roussillon)

amberfarben (daher die Zusatzbezeichnung ambre), sehr komplex-würzige Nase, grüne Nüsse, Kakao, Lakritze, Piment, Rancio-Noten, eine ganz andere Duftwelt als die Vorgänger, aber keineswegs schlechter. Ebenso komplex präsentiert sich dieser aufgespritete Wein (18 Vol%), der über 15 Jahre Fasslagerung hinter sich hat, auf der Zunge: eingebundene Süsse (129gr.), bestens ausgleichende Säure, naturgemäß eher würze- als fruchtbedingt, Rancio-Noten, Nüsse, Schokolade, etwas Zimt, Alkohol ordentlich integriert, sehr lang und intensiv.
92 P., mit 20 EURO ab Weingut sehr fair bepreist.

1999er Nieder-Flörsheimer Frauenberg Huxelrebe TBA (Göhring, Flörsheim-Dalsheim)

typische gereifte Huxelnase nach tropischen Früchten mit etwas Rhabarber,deutliche, aber saubere Bortrytis auf der Zunge, Pflaume, Mango mit etwas Rhabarber, kräftige Säure, einen Tick zu weit vergoren (11 Vol%), er könnte für die Harmonie etwas mehr Restzucker gebrauchen, gute Länge. Jetzt auf dem Punkt. 89 P. Ab Weingut 16,20 EURO /halbe Fl.

1998er Bronnbacher Kemelrain Silvaner Eiswein (Fürst Löwenstein)

damals einer der besten Silvaner-Süssweine in Franken, jetzt leider bei den beiden halben, verkosteten Flaschen schon deutliche Reifespuren, etwas brotig in der Nase mit einem dezenten Hauch beginnender Oxidation, auf der Zunge sehr schmelzig, sehr balanciert, aber auch schon etwas auf dem absteigenden Ast. Trotzdem kann man die Klasse noch erahnen, auch wenn es sich hier von der Stilistik eher um eine TBA als um einen Eiswein handelt.
86 P.

1997er Chateau La Tour Blanche 1er Cru Classe Sauternes

leider etwas enttäuschend, ncht ganz klare Nase (aber eher kein typ. Korkfehler), reifer Eindruck, deutlich röstiges Holz, Karamell, auf der Zunge cremig, aber pilzige Aromatik (Medizinton), wirkt gereift, nur mittlere Länge. Möglicherweise eine schlechte Flasche ?
In dieser Verfassung nur 82 P.

2002er Riesling Eiswein "Schneiderberg" (Weinrieder, Kleinhadersdorf)

messerscharfe Stilistik, glasklare, extrem saubere Zitrus-/Grapefruit-/Pfirsichnase, sehr jugendlicher, fast zeitloser Eindruck. Sehr feine Frucht-/Süsse-/Säurebalance, knackige, aber reife Eisweinsäure, dichte, glasklare Frucht, extrem sauber und fast leichtfüssig, gute Länge und durchaus noch Potential. Archetypischer Riesling-Eiswein aus einer Gegend (Weinviertel), in der man solche Riesling-Klasse nicht unbedingt erwartet.
95 P., absolut gerechtfertigte 26 EURO ab Weingut für die halbe Flasche.

1999er Escherndorfer Lump Riesling TBA (Horst Sauer)

Wunderschön gereiftes Rieslingmonument, komplexe Nase mit viel Zitrusfrucht und Würze, auf der Zunge messerscharfe Säure, die Restsüsse (ca. 270 gr.) ist fast nicht zu merken, gewaltiger Extrakt, viel Druck, gute Länge, und das alles bei gerade mal 6,5 Vol% !
Beeindruckende TBA, die so langsam ihren Reifehöhepunkt erreicht haben dürfte.
Damaliger Preis ab Weingut: 74 DM 94 P.

Das war's in aller Kürze. Eine sehr schöne Probe mit interessanten Weinen, die alkoholmäßig überhaupt nicht belastet haben. Wer allerdings einen säureempfindlichen Magen hat oder unter chronischem Sodbrennen leidet, sollte diese Weine lieber seinen besten Freunden gönnen

Nächsten Freitag werden wir einen Rundumschlag bei australischen und neuseeländischen Weinen machen. Sofern es die Zeit erlaubt, werde ich auch darüber wieder berichten.

Grüsse
Bodo

[thvins]

Domaine de Rancy ist sehr gut... Das erinnert mich daran, dass ich da von einem vor-Ort Besuch auch noch was liegen habe. Auf jeden Fall noch einen 1950er Rivesaltes...